Vom Regen in die Traufe: Camberger Wetter- und Kriegstagebuch 1940-1945
Von Friedrich Heil
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Über dieses E-Book
Mitten im harten Winter 1939/40 beginnt der Camberger Lehrer Friedrich Heil - ein leidenschaftlicher Gärtner - sein Wettertagebuch. Es soll eine bunte Mischung aus Statistik und Bauernregeln werden. Schon nach zwei Wochen ergänzt er die Wetterdaten mit Notizen über das Geschehen in der Stadt, mit Gedanken zur Politik und seinen Sorgen über die Zukunft. Diese Beobachtungen nehmen im Lauf der Zeit immer mehr Raum ein.
»Ich wollte lediglich das Wetter und belanglose Dinge festhalten, denn über das große Weltgeschehen wird ja überall geschrieben. Doch nun beherrscht der Krieg unser ganzes Leben und Denken, sodass er uns dauerhaft verfolgt. Es gibt kein Gespräch, das nicht auch die Kriegsfrage berührt.« schreibt Friedrich Heil im Dezember 1941. Aus dem Wettertagebuch ist ein Kriegstagebuch geworden.
In seiner Freizeit widmete sich »Lehrer Heil« (1877-1954) der Heimatgeschichte. Er war ein Meister des historischen Erzählens. Sein Schaffen umfasst Aufsätze, Kurzgeschichten, Briefe und Liedtexte. Die produktivste Zeit seines Lebens verbrachte er in Camberg. Aus seinem Nachlass erschien erstmals 1994 »Nur ein Lebenszeichen«, der Briefwechsel zwischen ihm und seinem Sohn Helmut Heil, der ab 1939 an der Ostfront stationiert war.
Friedrich Heil
Der renommierte Heimatforscher Friedrich Heil (1877-1954) war ein Meister des historischen. Sein Schaffen umfasst Briefe, Anekdoten, Kurzgeschichten und Liedtexte. Die produktivste Zeit seines Lebens verbrachte er in Camberg, wo er von 1910 - 1942 als Lehrer tätig war.
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Buchvorschau
Vom Regen in die Traufe - Friedrich Heil
Vom Regen in die Traufe
Titelei
Geleitwort
Vorwort
Einführung
Kurzbiografien
I. Erinnerungen aus der Kindheit
II. Camberger Wettertagebuch
1940
1941
1942
1943
1944
1945
Epilog
Ahnentafel 2021
Familienfoto 1947
Impressum
Vom Regen in die Traufe
Camberger Wetter- und Kriegstagebuch 1940 – 1945
und
»Erinnerungen aus der Kindheit«
verfasst von Friedrich Heil, herausgegeben von Jürgen Siebert
Geleitwort
Überraschungsbesuch
von Doris Ammelung, Vorsitzende Verein Historisches Camberg e. V.
Seit dem Erscheinen seines ersten Heimatbuchs »Nur ein Lebenszeichen« im Jahr 1994 ist Jürgen Siebert Mitglied unseres Vereins. Weil er in Berlin lebt und arbeitet, gelang es ihm allerdings nie, an unseren Treffen teilzunehmen. Das änderte sich, als er im Sommer 2020 in den Ruhestand ging.
Er selbst spricht vom ›Unruhestand‹, denn nun hat er Zeit, sich mit voller Energie um jene Vorhaben zu kümmern, die er lange mit sich herumtrug. Zum Beispiel das Sichten der unveröffentlichten Texte seines Urgroßvaters Friedrich Heil. Oder die Jahreshauptversammlung unseres Vereins zu besuchen. Das tat Jürgen Siebert im Juli dieses Jahres – zu meiner Überraschung und zu meiner Freude.
Wahrscheinlich haben ihn das Vereinstreffen und die anschließende lockere Gesprächsrunde bei kühlen Getränken im sommerlichen Abendflair des Kurparks dazu inspiriert, das vorliegende Werk fertigzustellen.
Meteorologische Daten, Impressionen alltäglicher Lebenssituationen, Beschreibungen dramatischer Entwicklungen während der Kriegsjahre, kombiniert mit Einblicken in teils sehr private Vorgänge entlocken mir beim ersten Durchblättern Stirnrunzeln und Schmunzeln zugleich. »Vom Regen in die Traufe« ist eine herzerfrischende Mischung aus Bildern, Texten, Illustrationen und Zitaten. Präsentiert mit einem sicheren Gespür für Schrift und Layout, schimmert in diesem Buch sein professionelles
Wirken durch, denn Siebert war in Berlin 30 Jahre lang als Typograf und Herausgeber von Schriften tätig.
Es ist ein Geschichtsbuch der besonderen Art, ein Juwel für Heimatinteressierte, verfasst von Friedrich Heil, mit uns geteilt von Jürgen Siebert. Die Veröffentlichung der Texte seines Urgroßvaters ist eine herausragende private Initiative, für die ich mich im Namen des Verein Historisches Camberg bedanke und persönlich meine Hochachtung ausspreche.
In der Hoffnung, dass uns Jürgen Sieberts Unruhestand noch die ein oder andere Publikation bescheren wird, wünsche ich diesem Werk zahlreiche Leser:innen!
Bad Camberg, im November 2021
Obertor, Camberg im Taunus, Winter 1940. Linolschnitt: Ernst Schauß
Vorwort
Lehrer Heil
von Dr. Peter Karl Schmidt, Stadtarchiv Bad Camberg
Der alte Lehrer Heil (Vater des jungen Lehrers Heil, Helmut) war für mich als Kind eine Institution. Warum, wusste ich damals nicht genau. Ich habe es atmosphärisch so empfunden. Eine Momentaufnahme hat sich bis heute in meinem Gedächtnis eingegraben: Friedrich Heil sitzt im Fotoladen meiner Eltern, im angeregten Gespräch mit meinem Vater, Willi Schmidt. Sie müssen freundschaftlich verbunden gewesen sein, denn im Kriegsbriefwechsel zwischen Heil Vater & Sohn wird mein Vater, gelegentlich erwähnt.
Warum »der alte Heil« eine Institution war, habe ich später gelernt: Nicht nur haben ihn Generationen von Schülerinnen und Schüler der städtischen Volksschule im Unterricht erlebt und meistens geschätzt … er hat sich auch als Heimathistoriker, Stadtverordneter, Chorleiter und Kirchenorganist um seine Wahlheimat verdient gemacht.
Seit ich mich selbst mit der Entzifferung von Kirchenbüchern und Akten aus den letzten 500 Jahren beschäftige, kann ich abschätzen, mit welcher Energie sich Friedrich Heil der Erforschung der Heimatgeschichte widmete. Und das zu einer Zeit, als der Besuch des Hauptstaatsarchivs in Wiesbaden noch aufwendig war. Aus dem Aktenstudium erwuchsen seine Erzählungen, die ein weiteres Talent offenbarten: die kreative Umgestaltung historischen Wissens. Seine aus Kirchenbüchern zusammengetragenen familienkundlichen Daten, auf Karteikarten festgehalten, dienten in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte zur Erstellung eines »Ariernachweises«, den viele Bürger von Lehrer Heil erbaten.
Als kämpferischer Kommunalpolitiker ist er nicht aufgefallen. Wenn Redebeiträge in Protokollen zu finden sind, handelt es sich um Aufrufe zum Kompromiss. Meist hatte er die »Ehre« der Protokollführung, die kaum Gelegenheit bietet, sich selbst einzumischen.
In diesem Buch zeigt sich eine neue, die naturverbundene Seite von Lehrer Heil. Bei ihm ist Lehrer keine Berufsbezeichnung, sondern eine gesellschaftliche Auszeichnung, die er sich durch Wissen, Pflichtbewusstsein und vorbildlichen Gemeindienst erwarb.
Friedrich Heil, 1949; Foto: Willi Schmidt. Digital koloriert: 2021.
Einführung
Warum wir übers Wetter reden
von Jürgen Siebert
Immer häufiger ist die Rede von den heißesten, nassesten oder trockensten Tagen »seit Beginn der Wetteraufzeichnung«. Doch wann genau begann das systematische Erfassen meteorologischer Daten, wie der Temperatur, Niederschlägen und Sonnenstunden?
Tatsächlich beobachten die Menschen seit Jahrhunderten das Wetter. Forscher wie Galileo Galilei oder Evangelista Torricelli erfanden dafür im 16. und 17. Jahrhundert die notwendigen Messinstrumente, zum Beispiel das Thermometer und das Barometer. Wissenschaftlich werden die Mittelwerte für die Temperatur in Deutschland seit 1881 dokumentiert. Wenn es also heißt »der heißeste August seit Beginn der Wetteraufzeichnungen«, dann ist der Zeitraum von 1881 bis heute gemeint.
Funktioniert noch heute: Friedrich Heils Dosenbarometer
Für Gärtner, Landwirte, Seefahrer und Kolonisatoren waren Wetterbeobachtungen und -prognosen überlebenswichtig. Schon Aristoteles unternahm in seiner Meteorologica den ersten systematischen Versuch, Wetterphänomene zu ergründen. Aus den gesammelten Erfahrungen entstanden später die Bauernregeln, eine gereimte Mischung aus meteorologischen, volkstümlichen, religiösen und abergläubischen Wetterprognosen, die über Jahrhunderte weitergegeben wurden. Ihre Treffsicherheit war stets umstritten, wie diese selbstironische Bauernregel zeigt:
»Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder’s bleibt wie’s ist.«
Von meiner Großmutter Gertrud Fritz, der Tochter von Friedrich Heil, habe ich gelernt, dass man kälteempfindliche Pflanzen nicht vor dem 15. Mai ins Freie säen oder pflanzen soll, denn:
»Vor Nachtfrost du nicht sicher bist, bis Sophie¹ vorüber ist.«
Nach zwei wunderbar warmen Wochen Anfang April 1974 hatte ich diese Bauernregel vergessen. Ich legte Bohnen in die Erde und setzte die auf der Fensterbank vorgezogenen Tomatenpflänzchen aus. Vier Wochen später, am 15. Mai (»Kalte Sophie«), war alles erfroren.
Funktioniert heute nicht mehr: das Originalthermometer von Friedrich Heil am Gartenhäuschen im Mühlweg 9
Mein Urgroßvater Friedrich Heil (1877 – 1954) war Lehrer, Heimatforscher, Autor und ein leidenschaftlicher Naturfreund. Er lebte ab 1910 bis zu seinem Tod in unserem Familienhaus in Camberg, Mühlweg 9. Das Gartenland hinter dem Haus, das er durch den Zukauf von Nachbargärten nach und nach vergrößerte, war einer seiner liebsten Aufenthaltsorte. Hier entstand auch ein Großteil seiner Wetteraufzeichnungen, die er – wie mir meine Mutter jüngst bestätigte – meist im Gartenhäuschen verfasste, wo Thermometer und Barometer hingen.
Es war nie Friedrich Heils Plan, das Wetter wissenschaftlich genau zu erfassen. Vielmehr ging es ihm um die Dokumentation des saisonalen Klimas aus der Sicht eines Obst- und Gemüsegärtners. Er hielt seine Daten und Gedanken in einem verwaisten Gästebuch fest, das nur eine Handvoll Grüße auf den ersten Seiten enthielt. Ordentliches Schreibpapier war zu Kriegszeiten ein knappes Gut, wie er auch im Tagebuch notierte: »Die Ladengeschäfte in der Stadt werden immer leerer … Briefpapier ist fast keines mehr zu bekommen. … In den Schaufenstern stehen meistens Schaupackungen, leere Flaschen und leere Schachteln.«
Ein Gästebuch mit Goldschnitt, das nur wenige Widmungen enthielt, nutzte der Chronist für sein Tagebuch
Friedrich Heil schrieb seine Texte in der schwer lesbaren Sütterlinschrift, eine 1915 vom preußischen Kultur- und Schulministeriums eingeführte Ausgangsschrift für das Erlernen von Schreibschrift in der Schule. 1942 wurde Sütterlin durch die lateinische Schreibschrift abgelöst. In Deutschland gibt es heute noch einige Initiativen und Vereine, die beim Entziffern von Texten in Sütterlin helfen. Mir half eine mit Schreibmaschine erstellte Transkription, die Friedrich Heils Sohn Helmut in den 60er Jahren angefertigt hatte.
Die