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Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband): 10. Band des Zyklus "Chronofossilien"
Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband): 10. Band des Zyklus "Chronofossilien"
Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband): 10. Band des Zyklus "Chronofossilien"
eBook457 Seiten5 Stunden

Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband): 10. Band des Zyklus "Chronofossilien"

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Über dieses E-Book

Die Tiefe ist ein gigantisches Gebilde zwischen den Universen, eine flache Scheibe von unfassbaren Ausmaßen. Der Arkonide Atlan und der Terraner Jen Salik kämpfen dort für die Zukunft der Milchstraße. Ihre Gegner sind die mysteriösen Grauen Lords, deren Truppen immer weiter vordringen. Siegen die Grauen, ist das Tiefenland verloren – und die Folgen werden die heimatliche Milchstraße erschüttern.

Atlan braucht dringend Hilfe – er muss die Raum-Zeit-Ingenieure finden. Diese unbegreiflichen Wesen haben vor Jahrmillionen das Tiefenland erschaffen.

Nach vielen Mühen trifft der Arkonide auf die letzten fünf Raum-Zeit-Ingenieure. Doch sind sie bereit, den Menschen zu helfen? Während das Tiefenland zu zerbrechen scheint, geraten Atlan und Jen Salik zudem in die Gewalt der Gegner …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Nov. 2020
ISBN9783845351155
Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband): 10. Band des Zyklus "Chronofossilien"

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    Buchvorschau

    Perry Rhodan 152 - H. G. Ewers

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    Nr. 152

    Die Raum-Zeit-Ingenieure

    Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

    Cover

    Klappentext

    Kapitel 1-10

    1. Myzelhinn

    2. Auf dem Vagendaplateau

    3. Iruna von Bass-Teth

    4. Flucht aus Ni

    5. Die Lichtebene

    6. Die letzten fünf

    7. Teleportationen im Licht

    8. Grauleben

    9. Kommandant der SOL

    10. Carfeschs Auftrag

    Kapitel 11-22

    11. Vor der Grube

    12. Konfrontation

    13. Ein neuer Aufbruch

    14. Ungebetene Gäste

    15. Die Graue Kammer

    16. Rettungsinseln

    17. Starsens Ende

    18. Si kitu

    19. Perry Rhodan

    20. Kitisho

    21. Ersehntes Wiedersehen

    22. Am Berg der Schöpfung

    Nachwort

    Zeittafel

    Impressum

    PERRY RHODAN – die Serie

    Die Tiefe ist ein gigantisches Gebilde zwischen den Universen, eine flache Scheibe von unfassbaren Ausmaßen. Der Arkonide Atlan und der Terraner Jen Salik kämpfen dort für die Zukunft der Milchstraße. Ihre Gegner sind die mysteriösen Grauen Lords, deren Truppen immer weiter vordringen. Siegen die Grauen, ist das Tiefenland verloren – und die Folgen werden die heimatliche Milchstraße erschüttern.

    Atlan braucht dringend Hilfe – er muss die Raum-Zeit-Ingenieure finden. Diese unbegreiflichen Wesen haben vor Jahrmillionen das Tiefenland erschaffen.

    Nach vielen Mühen trifft der Arkonide auf die letzten fünf Raum-Zeit-Ingenieure. Doch sind sie bereit, den Menschen zu helfen? Während das Tiefenland zu zerbrechen scheint, geraten Atlan und Jen Salik zudem in die Gewalt der Gegner ...

    1. Myzelhinn

    Hier am Rand der Welt war der Strom der Zeit ein stehendes Gewässer: dunkel und glatt wie ein erblindeter Spiegel, bleiern erstarrt zu ewiger Gegenwart. Am Rand der Welt war die Zeit besiegt.

    Aber vielleicht, sinnierte Myzelhinn, war der Sieg über die Zeit in Wahrheit die größte Niederlage. Vielleicht war die Unsterblichkeit der eigentliche Feind des Lebens, eine Krankheit, die nicht einmal durch den Tod geheilt werden konnte.

    Er stand hoch über der endlos erscheinenden Weite der Lichtebene, auf dem einzigen Turm der Letzten Bastion, die in majestätischer Pracht die Ebene und den Abgrund trennte. Unter ihm toste die Brandung eines purpurroten Ozeans.

    Auf dem Turm, in halber Höhe zwischen Meer und Wolkendecke, herrschte Stille. Irgendwo landeinwärts wühlte ein Wirbel die Atmosphäre auf, und Wind kam über die Ebene heran. Die frische Brise kühlte Myzelhinns Gesicht, nur nicht seine brennenden Augen.

    Wie schon so oft vorher wandte er den Blick in jene Richtung, in der er den Grenzwall wusste. Das Tiefenland war flach, keine Krümmung schuf die Illusion der Endlichkeit in Form eines Horizonts. Auch kein Dunst trübte die Sicht. Dennoch blieben die Berge unsichtbar in der Ferne.

    Mehr als eine Milliarde Kilometer lagen zwischen der Letzten Bastion und den Bergen; sogar das Licht brauchte eine Stunde, diese Distanz zu überwinden. Und ein Jahr mehr bis Starsen. In der Ferne verschwand alles im Goldlicht des Schöpfungsbergs.

    Myzelhinns Augen waren besonders beschaffen. Nach und nach, in visionärer Deutlichkeit, sah er das zerklüftete Massiv des Grenzwalls. Wie ein grimmiges Ungeheuer, das unter seiner eigenen Last zusammengebrochen war, erstreckte sich der Wall von einem Rand des Tiefenlands zum anderen: eine titanische Mauer zwischen der Lichtebene und der grauen Wildnis von Ni. Die zerklüfteten Hänge reichten hinauf zur Tiefenkonstante und vereinten sich dort mit der lückenlosen Wolkendecke, die vom Berg der Schöpfung bis zur verlorenen Stadt am jenseitigen Ende der Welt den Himmel verhüllte.

    Das Goldlicht brach sich an Klippen aus Silber und Chrom, an eisernen Graten und kupfernen Steilwänden, an Simsen aus Stahl und aus Bronzemoränen. Uranflöze teilten mit dunklen Strichen Hänge aus blitzendem Zinn; Gletscher aus schillernder Formenergie kalbten lautlos an Wismutbergen; und weit im Osten ergoss sich ein strudelnder Quecksilberfluss in eine Schlucht aus purem Zirkonium.

    Dort lag der Platinpass, der einzige gangbare Weg über den Grenzwall.

    Myzelhinns Vision verblasste. Er hatte die drei Kundschafter und das Tabernakel von Holt gesehen ...

    Sie haben vollbracht, was keinem vor ihnen gelungen ist, erkannte er. Sie haben die wahnsinnigen Wächter der Grube passiert und sind mit dem Tiefenfahrstuhl nach Starsen gelangt. Sie haben die Mauer um Starsen überwunden und die kosmische Weite des Tiefenlands durchquert. Sie haben das Vagenda erreicht und sind als Gefangene der Grauen Lords nach Ni gereist. Dort konnten sie den Verlockungen der Macht und dem Gift des Graueinflusses widerstehen und aus den Kerkern der Lordrichter fliehen. Nun haben sie den Platinpass überquert und sind auf dem Weg zum Rand der Welt, zur Letzten Bastion, zum Berg der Schöpfung – und Zorn begleitet sie. Weil sie unwissend sind ...

    Eine Bewegung am Fuß der königsblauen Bastion erregte Myzelhinns Aufmerksamkeit. Er beugte sich über die Brüstung des Turmes und spähte in die Tiefe. Ein Wurm mit fahlweißer Haut, von einem faustgroßen, pulsierenden Organ golden durchschimmert, glitt durch die Fluten aus flüssiger Formenergie. Der Lla Ssann schien nach einem Weg in die Letzte Bastion zu suchen.

    Myzelhinn erkannte ihn sofort: Suu Oon Hoo, der letzte Tiefenschwimmer, der mit den Vitalenergieströmen des Vagendas zur Lichtebene gelangt war. Nur Suu Oon Hoo konnte so verrückt sein und hoffen, dass sich die Tore der Bastion für ihn öffneten.

    In dem Moment entdeckte ihn der Lla Ssann. »Ich verachte dich«, wisperte Hoos telepathische Stimme in Myzelhinns Bewusstsein. »Ich verachte dich für deinen Verrat, für dieses Verbrechen, das beispiellos in der Geschichte der Tiefe und des Hochlands ist. Ich verfluche dich und deinesgleichen für das, was ihr den Völkern der Tiefe angetan habt. Ihr seid schlimmer als die Grauen Lords, schlimmer als der Tod. Es gibt keine Worte, die das Ausmaß eures Verbrechens beschreiben könnten. Über Äonen haben die Völker der Tiefe euch treu gedient, und zum Lohn für ihre Dienste habt ihr sie dem Graueinfluss geopfert. Ich wünschte, ich könnte euch alle töten ...«

    Nichts und niemand kann das, dachte Myzelhinn. Wir Raum-Zeit-Ingenieure haben den Tod besiegt.

    Er wandte sich ab, drehte dem zornerfüllten Lla Ssann den Rücken zu, und war nach zwei Schritten bei dem Schacht, der 1000 Meter abwärts reichte. Der Schacht glühte im königsblauen Licht der Psi-Energie, die unter dem Willen Myzelhinns die Festigkeit molekular verdichteten Stahls angenommen hatte.

    Mit einem letzten Schritt sprang Myzelhinn in die Tiefe.

    Kein Kraftfeld bremste seinen Sturz; kein Sicherheitsmechanismus wurde aktiv, um ihn vor dem tiefen Fall und dem Tod am Grund des Schachtes zu bewahren. Nackte, glatte Wände, die fugenlos nach unten führten – das war alles.

    Trotzdem stürzte Myzelhinn nicht. Er sank sacht. Die Luft wurde dichter und bildete ein schützendes Polster, und der Boden empfing ihn weich und federnd, wie er es verdient hatte.

    Dienstbeflissene Elemente ... Ein Lächeln, bitter und melancholisch zugleich, umspielte Myzelhinns Lippen.

    Verstehst du nun, Suu Oon Hoo?, dachte er. Begreifst du endlich, wie unerfüllbar dein Wunsch ist? Wie willst du jemanden töten, der Raum und Zeit, Materie und Energie als Verbündete hat? Wenn die Waffe versagt, die du auf dein Opfer abfeuerst? Wenn das Gift, das du ihm einflößt, zu wohlschmeckendem Wasser wird? Vor allem, wenn sich deine Mordlust in Liebe verwandelt, sobald du mir gegenüberstehst?

    Myzelhinn lauschte.

    Stille erfüllte die Bastion. Schon vor langer Zeit war Ruhe in den Gewölben der Psi-Festung eingezogen. All die vielen Stimmen, die einst die Säle mit quirligem Leben erfüllt hatten, waren verklungen. Bald würde die Stille endgültig der einzige Bewohner der Bastion sein.

    Aber noch war das Werk nicht vollendet.

    Myzelhinn dachte wieder an Suu Oon Hoo und seufzte. Dieser Hass ... Es schmerzte, mit einem so negativen Gefühl verfolgt zu werden. Hass, der den Tiefenschwimmer dazu trieb, die Gefahren des Purpurmeers auf sich zu nehmen, um jene zu töten, die er für Verräter hielt ... Was wussten die Lla Ssann schon von Verrat? Sie sahen nur die Oberfläche: das Vagenda versiegt, das Tiefenland grau ... weil Verrat im Spiel war. Sie fühlten sich ungeheuerlich hintergangen und reagierten auf die einzige ihnen mögliche Weise, mit verzweifeltem Hass. Die Lla Ssann, die Hüter des Vagendas, die wie die Tiziden, die Jaschemen, die Chylinen und die Archivare von Schatzen zu den ältesten und zuverlässigsten Getreuen gehörten, versuchten in ihrem Zorn das Unmögliche – sie wollten jene töten, für die der Tod nur ein bedeutungsloses Wort war.

    Myzelhinns Lachen hallte kühl von allen Seiten zurück. Nicht einmal die Jaschemen, die so klug und mächtig waren, dass sie lange dem Graueinfluss und den Angriffen der Lords widerstehen konnten, hatten herausgefunden, warum Myzelhinn und die anderen seiner Art gegen jede Gefahr gefeit waren.

    Mit schnellen Schritten durchmaß er den Bogengang, der den Turm an der Südmauer der Bastion mit dem Saal der Zeit-Porträts verband. Niemand begegnete ihm. Die Bastion war groß und der Weg zum Bildersaal weit, dennoch verzichtete Myzelhinn darauf, den Raum oder die Zeit seinen Wünschen gefügig zu machen, sodass aus Metern Millimeter und aus Minuten Sekunden wurden.

    Selbst er, dem die Zeit nichts bedeutete, hatte zuweilen Anlass, sich ihren Gesetzen zu unterwerfen.

    Myzelhinn war verwirrt von seinem plötzlichen Bedürfnis nach Ruhe. Nach einer Atempause vor der entscheidenden Begegnung mit den Kundschaftern der Hohen Mächte, den drei Rittern der Tiefe, die den Platinpass im Grenzwall überquert hatten und nun in die Lichtebene eindrangen. Ungezählte Generationen waren im Tiefenland geboren worden und gestorben, ohne dass sich in der Letzten Bastion etwas verändert hatte. Und nun, da die größte Umwälzung seit dem Scheitern der Rekonstruktion bevorstand, versuchte er Zeit zu gewinnen ...

    Es ist die Furcht vor dem Versagen, dachte er. Die Furcht vor einem erneuten Fehlschlag unserer Pläne. Zweimal sind wir schon gescheitert, mit katastrophalen Folgen. Versagen wir erneut, werden die Konsequenzen extrem: Dann wird das Tiefenland untergehen und alle unsere Schutzbefohlenen werden sterben ...

    Myzelhinn blieb schwer atmend stehen. Er war lange Fußmärsche nicht gewohnt.

    Schnurgerade verlief der Gang durch die Bastion. In kilometerweiter Ferne, wo Wände, Boden und Decke zu einem vagen blauen Fleck zu verschmelzen schienen, war das Tor zum Saal der Zeit-Porträts.

    Des Laufens müde, befahl er dem Raum, sich stärker zu krümmen, damit die Entfernung zum Bildersaal schrumpfte. Binnen eines Augenblicks lag das Halbrund des riesigen offenen Tores vor ihm. Er brauchte nur mehr einen Schritt, dann befand er sich am Ziel.

    Der Bildersaal war keineswegs das größte Gewölbe in der Letzten Bastion, jedoch das einzige, das Myzelhinn eine gewisse Ehrfurcht einflößte. Die Decke wölbte sich in schwindelerregende Höhe, die Rückwand lag so weit entfernt, dass die perspektivische Verzerrung sie in ein handtellergroßes Rechteck verwandelte, und jeder Laut erzeugte ein fernes, vielfach reflektiertes Echo.

    Myzelhinn zögerte. Die Leere und die Stille bedrückten ihn. Er war lange nicht hier gewesen, hatte diesen Bereich gemieden. Die Atmosphäre im Allerheiligsten seines Volkes weckte Erinnerungen an die Zeit der Hoffnung, an Tausende Gesichter, die er seit Äonen nicht mehr gesehen hatte, an Freunde, die den grauen Weg gegangen waren.

    Myzelhinns Herz krampfte sich zusammen, gequält von dem einzigen Schmerz, den ein Wesen wie er fühlen konnte. In endlosen Reihen hingen Bilderrahmen aus goldenem Licht und verstofflichter Vitalenergie an den Wänden aus goldenem Licht – 150.000 Rahmen, und fast alle waren leer.

    Er sah hinauf zu jener Stelle, wo ein Farbtupfer zwischen den leeren Rahmen aufblitzte: ein Zeit-Porträt. Sein Blick glitt weiter, fand das zweite, das dritte, das vierte und schließlich das fünfte Porträt.

    Nur fünf, dachte er bedrückt. Fünf von 150.000!

    Es brauchte eiserne Willenskraft, im Saal der Zeit-Porträts zu bleiben und nicht vor dem Entsetzen zu fliehen. Stumm und von endloser Traurigkeit erfüllt, hielt Myzelhinn den Blick auf das letzte der fünf Bilder gerichtet.

    Es war das Porträt eines verwachsenen, knapp einen Meter großen Humanoiden mit brauner, faltiger Haut, runzlig und verschrumpelt wie die Schale eines alten Apfels. Der Rumpf war schmächtig, schien kaum kräftig genug, die Last des wuchtigen, kahlen Kopfes zu tragen. Das Gesicht wurde von großen braunen Augen beherrscht, und sie muteten dunkel und tief wie Brunnenschächte an. Die Nase und der Mund waren dagegen verschwindend klein. Die schlenkernden Arme reichten bis zu den Knien der kurzen Beine, die unter dem Gewicht von Rumpf und Kopf krumm geworden waren; die Füße zehenlos, von dunklem Horn überzogen und auf grotesk anmutende Weise überdimensioniert.

    Seit Hunderttausenden von Tiefenjahren hing das Porträt an der Wand des Bildersaals im Herzen der Letzten Bastion, und in diesem eigentlich unvorstellbaren Zeitraum hatte es sich ebenso wenig verändert wie Myzelhinn selbst.

    Das Porträt war dreidimensional, doch kein Holo. Es war stofflich-materiell, aber keine Materieprojektion. Es zeigte eine Sekunde aus dem Leben einer Intelligenz, deren Dasein schon Milliarden Jahre währte – eine Sekunde, aus dem Zeitstrom herausgeschnitten und in einem Rahmen aus Vitalenergie konserviert.

    Porträt und Porträtierter waren identisch. Zwei Ausgaben ein und derselben Person, vom Abgrund der Zeit getrennt, aber durch eine Technik vereint, die viele Naturgesetze zu ihren Werkzeugen gemacht hatte.

    Myzelhinn konzentrierte sich auf das Bild, und wie so oft vorher erfüllte es seine Bitte um ein Zwiegespräch. Das Porträt erwachte übergangslos aus tausendjährigem Schlaf. Der Schädel drehte sich, die dunklen Augen glänzten, und die schmalen Lippen öffneten sich.

    »Myzelhinn!«, sagte das Porträt mit seiner hohen, fast piepsend klingenden Stimme. »Bist du es wirklich? Ich habe geträumt ... Viele Träume ... Wie lange, Myzelhinn? Wie viele Tiefenjahre sind seit deinem letzten Besuch verstrichen?«

    »Fast tausend Jahre«, antwortete er.

    Tausend Jahre, Jahre, Jahre, wisperte das Echo, bis es sich in der Weite des Gewölbes verlor.

    »Tausend!« Das Porträt sah nach rechts und links, nach oben und unten. Es blickte zur gegenüberliegenden Wand, zu den goldgefassten leeren Rahmen, die sich lückenlos aneinanderreihten, vom Boden bis hinauf zur hohen Decke, von der äußersten rechten bis zur äußersten linken Seite. Nur Rahmen, keine Bilder.

    »Nildefin!«, schrie das Zeit-Porträt verzweifelt. »Wo ist das Bildnis Nildefins? Wo? Bei deinem letzten Besuch hing es noch dort, mir genau gegenüber ... Und Jhaam! Jhaams Porträt ist auch verschwunden! Außerdem Foolgal, Douburlen, Laschiin ... Alle sind fort! Was ist seit deinem letzten Besuch geschehen?«

    »Tausend Tiefenjahre sind eine lange Zeit«, sagte Myzelhinn leise. »Schon bei unserem letzten Gespräch gab es nicht einmal mehr vierzig von uns. Dann, vor elf Tiefenjahren, geschah das Unglück. Wir entdeckten, dass die psionischen Siegel des Tores am Berg der Schöpfung schwächer geworden waren. Nildefin, Jhaam, Foolgal, Douburlen, Laschiin und fünfundzwanzig andere zogen zum Berg, brachen die Siegel und öffneten das Tor – gerade weit genug, um eine Nachricht ins Hochland zu senden, einen Hilferuf an die Kosmokraten. Aber das Tor wurde instabil, und als die dreißig versuchten, die Verbindung aufrechtzuerhalten, da atmete die Tiefe sie ein. Wir konnten ihnen nicht helfen, wir kamen zu spät.«

    »Also sind auch sie den grauen Weg gegangen«, stellte das Porträt bekümmert fest. »War es tatsächlich ein Unglück, oder ...?«

    »Es war eine Falle der Lords«, antwortete Myzelhinn. »Sie haben irgendwie von unserem Vorhaben erfahren und versucht, den Ruf an die Kosmokraten zu verhindern. Als ihnen das nur unvollständig gelang, zerrten sie die dreißig in die Tiefe.«

    »Und der Hilferuf?«, fragte das Porträt. »Wurde er beantwortet? Haben die Kosmokraten Hilfe geschickt?«

    Myzelhinn presste die Lippen zusammen. Die alte Bitterkeit schnürte ihm sekundenlang die Kehle zu.

    »Hilfe ... Ja, sie haben Hilfe geschickt, die Hohen Mächte jenseits der Materiequellen. Wir haben sie um die sofortige Entsendung einer Streitmacht gebeten, mächtig wie die Heerscharen Ordobans. Wir haben sie angefleht, schnellstens Hilfe zu schicken. Wir haben eingestanden, dass wir die Kontrolle über das Tiefenland verloren haben und dass es ohne Unterstützung von außen zur Katastrophe kommen muss. Wir haben erklärt, dass es nicht um uns geht, sondern um die Rettung der Tiefenvölker. Wir haben die Situation schonungslos dargelegt ...« Myzelhinns Stimme überschlug sich vor Erregung. Er zwang sich zur Ruhe, sprach gepresst weiter. »Für diesen Hilferuf mussten dreißig von uns den grauen Weg gehen. Wir, die wir übrig blieben, trösteten uns mit der Hoffnung, dass uns die Kosmokraten nicht im Stich lassen würden. Also warteten wir. Auf eine Armee oder auf Beauftragte der Kosmokraten vom Rang der Sieben Mächtigen, ausgerüstet mit den notwendigen Mitteln, die es ermöglichten, die Verbindung von der Tiefe zum Hochland wiederherzustellen, die Macht der Lords zu brechen und den Graueinfluss zu besiegen.«

    »Und?«, drängte das Zeit-Porträt. »Wie schnell ist die Armee eingetroffen? Ist die Verbindung von der Tiefe zum Hochland bereits wiederhergestellt? Wen haben die Kosmokraten geschickt?«

    »Drei Kundschafter«, sagte Myzelhinn stockend. »Nur drei. Sie tragen die Aura der Kosmokraten und sind Ritter der Tiefe!«

    Myzelhinn und das Zeit-Porträt sahen einander an.

    »Du weißt, was das bedeutet?«, fragte das Porträt.

    Myzelhinn reagierte mit einer bestätigenden Geste. »Das Tiefenland hat für die Pläne der Kosmokraten seine Bedeutung verloren. Sie sind überzeugt, nicht mehr auf unsere Hilfe bei der Reparatur des Moralischen Codes angewiesen zu sein. Die Kosmokraten werden das Tiefenland opfern.«

    »Weil Ordobans Suche nach Äonen erfolgreich war«, sagte das Porträt. »Ordoban hat TRIICLE-9 endlich gefunden! Und ...«, es zögerte, »... die Kosmokraten haben das Kosmonukleotid vielleicht schon für die Rückkehr in die Tiefe präpariert. TRIICLE-9 wird sich endlich wieder in die Doppelhelix einfügen und ... und ...«

    »Und das Tiefenland wird im selben Moment in das Normaluniversum stürzen.« Myzelhinns Stimme klang ausdruckslos; nur seine Augen verrieten etwas von seinen Gefühlen: Verbitterung, Entsetzen, Zorn – und Resignation. »Dann unterliegt das Tiefenland den anderen physikalischen Gesetzen und wird in Myriaden Bruchstücke zerfallen. Die Völker der Tiefe werden dabei sterben.«

    »Ausgeschlossen«, hauchte das Porträt. »So etwas können die Kosmokraten nicht zulassen!«

    »Sie sind allwissend. Ihnen ist bekannt, welche Folgen es haben wird, wenn der Moralische Code beschädigt bleibt. Sie opfern die Tiefenvölker, um sehr viel größere Opfer zu vermeiden. Das ist es, was Allwissenheit bedeutet: der Zwang, grausam zu sein, damit noch schrecklichere Grausamkeiten vermieden werden ...«

    Und alles ist unsere Schuld, dachte Myzelhinn verzweifelt. Wir haben versagt, haben unsere Chance vertan, den Moralischen Code zu reparieren. Den Kosmokraten bleibt deshalb keine andere Wahl, unabhängig davon, welche Folgen dies für uns und das Tiefenland haben wird.

    Er wandte sich ab, ging mit stockenden Schritten davon. Das Gespräch mit dem Zeit-Porträt hatte ihn aufgewühlt, statt seine Gedanken zu klären.

    »Ihr müsst etwas tun!«, rief ihm das Porträt hinterher. »Ihr müsst die Tiefenvölker vor der Katastrophe retten!«

    »Wir versuchen es«, sagte Myzelhinn; er sprach leise, mehr zu sich selbst als zu dem Zeit-Porträt. »Aber wir sind nur noch fünf.«

    »Ihr seid Raum-Zeit-Ingenieure!«, erinnerte das Porträt. »Ihr seid die Einzigen, die es schaffen könnten!«

    2. Auf dem Vagendaplateau

    Bericht Atlan:

    Das Vagenda – 1000 Meter hoch über dem Tiefenland erstreckte sich das Plateau aus rostrotem Material scheinbar endlos vor uns. Endlich waren wir alle oben angekommen. Und nun? Wir befanden uns im Zentrum des Tiefenlands, ebenso weit von der gigantischen Stadt Starsen wie von der sagenumwobenen Lichtebene entfernt. Jeweils sechs Lichtmonate, eine gigantische Distanz. Ihr werdet erkennen müssen, dass dort oben auf dem Plateau nicht das Gelobte Land ist. Was Lordrichter Krart gesagt hatte, spukte mir immer noch durch den Kopf. Er hatte uns davon überzeugen wollen, dass es besser sei, wenn wir die Seiten wechselten. Hinüber zum Grauleben? Das hätte bedeutet, alles zu verraten, für das wir bislang gekämpft hatten. Niemals! Auch wenn wohl nur eine kurze Frist blieb, bis Krart mit seinen Armeen uns nachsetzte.

    »Atlan!« Im Helmfunk meines TIRUNS erklang plötzlich die Stimme der Spielzeugmacherin. »Mein Ritter ist verschwunden«, jammerte sie. »Er antwortet nicht auf meine Funkanrufe.«

    Vor Kurzem war Jen Salik dicht hinter mir gewesen. Ich vermutete, dass er vielleicht ein Stück zurückgeblieben war. Dann hätte ihn durchaus der Schuss eines Verfolgers treffen können. Über den TIRUN registrierte ich keinerlei Gefühlsschwingungen von Jen.

    Ich bremste meinen Flug ab und machte kehrt. Meiner Ansicht nach konnte Jen nur hinter dem Heer der Exterminatoren sein, wenn er überhaupt noch irgendwo war.

    »Folgt weiterhin dem Tabernakel!«, wies ich meine Gefährten und den Großen Exterminator an. »Es genügt, wenn Clio mich begleitet.«

    »Wohin willst du?«, hörte ich die arrogante Stimme des Jaschemen Caglamas Vlot. Ich sah mich nach dem Technotor um und entdeckte ihn, zusammen mit seinem Kollegen Fordergrin Calt, in der Nähe von Tengri Lethos-Terakdschan.

    »Nach Jen Salik suchen«, antwortete ich. »Lasst euch dadurch nicht stören.«

    »Keineswegs«, erwiderte Calt.

    Ich hatte mich längst daran gewöhnt, dass die Technotoren hin und wieder ihre Aktivgestalt wechselten. Aktuell hatten Calt und Vlot ein humanoides Aussehen angenommen.

    Clio flog dicht neben mir. Ich deutete schräg nach unten und wusste, dass sie mich verstand. Die Exterminatoren bewegten sich zu dicht gestaffelt, als dass wir zwischen ihnen ausreichend große Lücken gefunden hätten. Über ihnen zu fliegen, hätte uns die Sicht zum Rand des Plateaus genommen. Also blieb nur, unter ihrer Formation hinwegzutauchen.

    Es dauerte knapp eine Minute, dann hatten Clio und ich den Pulk der in weiße Schutzanzüge gekleideten Tiefenpolizisten unterflogen und befanden uns wieder nahe am Rand des Vagendaplateaus. Sekunden später waren wir schon darüber hinaus und sahen unter uns die 1000 Meter senkrecht abfallende spiegelglatte Wand.

    Gut zehn Kilometer vom Fuß des Plateaus ragte einer der golden leuchtenden Großspeicher auf. Dahinter versank die Ebene in grauem Dämmerlicht, dessen Anblick mich frösteln ließ. Ich ahnte mehr als ich es sah, dass dort die Armeen Lordrichter Krarts aufmarschierten. Es konnte nicht lange dauern, bis dieser Sturm losbrach.

    »Jen!«, hörte ich Clio über Funk rufen. »Mein Ritter, wo bist du?«

    Der Luftraum war leer, und irgendwo in der Wand hing Jen Salik auch nicht. Ich ließ mich tiefer absinken. In Sichtweite gab es noch keine Streitkräfte der Grauen Lords. Clio überholte mich und landete unsanft in einem Gebüsch, das unter ihrem Gewicht zusammenbrach.

    »Hast du dich verletzt?«, fragte ich.

    »Nein«, gab die Spielzeugmacherin einsilbig zurück.

    Ihr Verhalten ist nicht in Ordnung!, raunte mein Extrasinn.

    Sicher, Clio befand sich in einem Ausnahmezustand. Ihre Sorge um Jen war so übersteigert wie die meisten ihrer Gefühle. Aber gerade deshalb hätte ich ihr Verhalten erst dann als ungewöhnlich beurteilt, falls sie sich völlig normal verhielt.

    Meine Sorge um den Freund wuchs ebenfalls, zumal die Sensoren des SERUNS absolut keine Spur von ihm anmaßen. Jen Salik schien sich in des Wortes voller Bedeutung in nichts aufgelöst zu haben.

    Oder er hat sich entfernt!, gab der Logiksektor zu bedenken.

    Das war auch eine Möglichkeit. Nur, warum hätte Jen das tun sollen?

    Ich sah mich nach dem Wrack der Gondel um, mit der wir vom Kyberland hierhergekommen waren. Es lag unverändert in der Nähe eines der wenigen noch funktionierenden Vitalenergiespeicher. Vielleicht hatte Jen etwas aus dem Wrack holen wollen. Das erschien mir zwar unwahrscheinlich, ich musste dem aber dennoch nachgehen. Die Frage war nur, was ihn daran hinderte, auf Clios und meine Funkanrufe zu antworten. Ein Unfall?

    Oder ein Spähtrupp der Grauen Armeen hat ihn überwältigt, meinte der Extrasinn.

    Die Armeen der Grauen Lords standen mindestens vier Kilometer jenseits des Ringes der Aktivatorspeicher. Das schloss einzelne Aktivitäten aber nicht aus.

    Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das Wrack der Tiefengondel, fand es aber nicht mehr. Irritiert flog ich weiter und blickte suchend nach allen Seiten. Unmöglich, dass die Gondel in den wenigen Sekunden verschwunden war, in denen ich nicht auf sie geachtet hatte. Ein Objekt dieser Größe.

    »At...«, klang es im Helmfunk auf, mehr nicht.

    »Clio?«, rief ich.

    Die Spielzeugmacherin antwortete nicht. Ich wandte mich um, sah sie aber nirgends. Überhaupt: Nicht nur Clio und das Gebüsch, in dem sie gelandet war, die ganze Ebene war nicht mehr da. Ebenso das Plateau, die Großspeicher und sogar der graue Dunst weiter draußen.

    Eine Falle!, stellte der Logiksektor fest, wenn auch reichlich spät.

    »Landen!«, wies ich den TIRUN an und musterte das kaum wahrnehmbare Flimmern, das rings um mich in der Luft hing.

    Es war zweifellos eine Falle, in die ich geraten war – und es bedurfte keiner großen Phantasie, mir auszurechnen, dass auch Jen Salik irgendwo in dieser Falle steckte.

    »Ist da jemand?«, hörte ich Jen Saliks Stimme im Helmfunk. Meine Füße berührten gerade den Boden, der nicht zur Ebene rings um das Vagenda gehören konnte, jedenfalls bestand er aus einer bläulich schimmernden, glasähnlichen Substanz.

    »Ich bin hier – Atlan!«, antwortete ich. »Wo steckst du, Jen?«

    Das Flimmern in der Luft war stärker geworden. Es schmerzte den Augen.

    »Ich bin hier, zwischen unsichtbaren, aber nicht durchsichtigen Wänden«, hörte ich den Terraner. »Bisher hat sich niemand blicken lassen.«

    »Zwischen unsichtbaren Wänden?«, wiederholte ich zweifelnd und musterte die Ortungsanzeigen des TIRUNS. »Unsere Augen sind erfahrungsgemäß höchst unzulänglich, wenn es um Dinge geht, mit denen sie während der Evolution nie konfrontiert wurden. Das trifft nicht für die Ortung zu. Warum habe ich nur Fehlanzeige im Display?«

    »Das darfst du nicht mich fragen«, gab Jen zurück.

    Normalerweise hätte mein TIRUN ihn über die Funksignale längst angepeilt. Aber nicht einmal das funktionierte in dieser Falle. Was konnte das bloß sein?

    Vielleicht solltest du lieber fragen, wer diese Falle gestellt hat, meldete sich der Logiksektor. So etwas kennen wir im Tiefenland noch nicht. Vor allem ist es unwahrscheinlich, dass die Grauen Lords mit solchen Mitteln arbeiten. Wenn sie diese Art von Waffe besäßen, wären sie längst damit gegen euch vorgegangen.

    Das leuchtete ein, half mir aber nicht weiter.

    »Die Funktionskontrollen spielen verrückt«, hörte ich Jen murmeln. Es klang, als spräche er zu sich selbst.

    »Die Kontrollen deines TIRUNS?«, erkundigte ich mich.

    »Ja. Sie zeigen Rotwerte. Bei dir auch?«

    Ich warf einen Blick auf die Anzeigesymbole. »Bei mir grün. Offenbar sind die Systeme deines TIRUNS ausgefallen. Aber das ist nahezu unmöglich.«

    »Deshalb dachte ich, sie spielen verrückt. Aber ich habe tatsächlich ein Problem mit den Systemen. Die Temperatur steigt und der Kohlendioxidgehalt der Atemluft nimmt zu, wenn auch nur minimal.«

    »Kannst du den Schutzschirm aktivieren?«, fragte ich.

    »Schon versucht«, gab Jen zurück. »Keine Reaktion. Wie ist das bei dir?«

    »Erledigt. Schirm ist aktiv.«

    Trotzdem ist anzunehmen, dass das besondere energetische Umfeld die Systeme deines TIRUNS bald ebenso stören wird, kommentierte der Extrasinn.

    »Jen, was macht dein Internklima?«, fasste ich nach.

    »Wird schlechter«, antwortete er. »Aber es ist noch nicht schlimm.«

    Er konnte mir nichts vormachen. Ich hörte an seiner Stimme, dass er Angst hatte. Das konnte nur bedeuten, dass es schon schlimmer war, als er sich eingestehen wollte.

    »Wenn es extrem wird, musst du den Helm öffnen!«, mahnte ich ihn.

    Das dürfte der Sinn des Ganzen sein!, analysierte mein Extrasinn.

    Besser als erstickt!, dachte ich zurück.

    »Warum bist du eigentlich hierher zurück?«, wandte ich mich wieder an den Freund.

    »Ich hatte etwas im Wrack der Gondel vergessen. Aber du kannst mich totschlagen; ich erinnere mich nicht, was.«

    »Möglicherweise bist du parapsychisch beeinflusst worden«, überlegte ich laut. »Doch warum ausgerechnet du?«

    Jen erwiderte etwas. Ich achtete nur nicht darauf, weil plötzlich die Funktionskontrollen meines Anzugs flackerten. »Ich muss den Helm öffnen«, war das Nächste, was ich von Jen hörte.

    »Dann warte nicht damit!«, sagte ich. »Wahrscheinlich werde ich deinem Beispiel gleich folgen. Wenn wir uns wenigstens sehen könnten.«

    Er lachte leise. Ich hörte über Funk, dass er den Helm manuell zurückklappte. In der nächsten Sekunde schrie er entsetzt auf – und dann war es totenstill.

    »Jen?«, rief ich besorgt. Er antwortete nicht, und ich hörte nicht einmal mehr sein Atmen. Freilich konnte das daran liegen, dass sein Helmfunk ausgefallen war. Ich fürchtete jedoch, dass die Erklärung schlimmer war.

    Jäh wurde es finster. Ich hatte das Gefühl, einen Schlag mit einer Stahlstange auf den Schädel zu bekommen, und sackte in mich zusammen. Allerdings behielt ich das Bewusstsein; ich nahm alles, was ringsum vorging, sogar mit nie erlebter Klarheit wahr.

    Ich lag auf einer Art Bahre aus schimmerndem Metall, die auf einem Podest in einer leeren Kuppelhalle stand. Leer war die Halle nur für meine Augen. In mentaler Hinsicht wimmelte sie von allen möglichen Lebewesen. Sie erschienen mir fremdartig und vertraut zugleich – und keines war wie das andere. Sie hatten nur eines gemeinsam: Sie strahlten eine fast unglaubliche Friedfertigkeit, Nächstenliebe und Zuversicht aus.

    Wie lange dieser Zustand andauerte, würde ich wohl niemals erfahren. Irgendwann zerriss ein heftiger Windstoß alle meine Wahrnehmungen. Ich wollte die Arme nach ihnen ausstrecken, hatte aber keine Kontrolle über meinen Körper.

    Nach einer Weile spürte ich eine Hand auf der Stirn, und ein ovales Gesicht mit bernsteingelben Augen blickte auf mich herab. Es ist alles in Ordnung, Atlan!, empfing ich die geistige Botschaft von Lethos-Terakdschan. Auch mit Jen.

    Ich atmete auf – und in dem Moment griff die Ohnmacht nach mir ...

    Ebenso unvermittelt kam ich wieder zu mir.

    Ich setzte mich auf. Mir gegenüber kauerte der Hathor. Seine silbrige Haarmähne wehte im Wind. Er kümmerte sich um Jen Salik, den er in leicht aufrecht sitzender Haltung stützte, und dem es offenbar recht gut ging. Ich atmete auf und sah mich nach Clio um.

    »Sie wurde vom Haluter abgeholt«, sagte Lethos-Terakdschan. »Ich fürchte, dass sie am schlimmsten unter dem Zugriff gelitten hat. Domo Sokrat behauptete sogar, sie hätte ihre Immunität gegen den Graueinfluss verloren. Klar, er hält das für einen Vorteil, doch das ist es nicht.«

    »Ganz bestimmt nicht«, pflichtete ich Lethos bei. »Aber was meinst du mit ›Zugriff‹?«

    »Das ist einfach«, antwortete Jen, als hätte er nur darauf gewartet. »Jemand hat versucht, mein Bewusstsein anzuzapfen. Wohl auch bei dir, und bei Clio ebenso.«

    »So einfach ist es leider nicht«, berichtigte der Hathor. »Es stimmt grundsätzlich, was Jen sagte, aber es kompliziert möglicherweise unsere Mission. Er wurde gezielt als Opfer ausgewählt und in eine Falle mit offenbar sechsdimensionaler Komponente gelockt. Ich frage mich, nach welchen Kriterien der Fallensteller ihn auswählte.«

    »Immerhin ist er ein Ritter der Tiefe«, sagte ich.

    »Nicht der einzige hier«, wandte Tengri ein. »Du bist ebenfalls ein Ritter der Tiefe – und ich bin es in gewissem Sinne auch.«

    »Ich bin es nur auf Zeit. Und du bist eigentlich als der Hüter des Domes Kesdschan und des Ordens der Ritter eine Ausnahme in unserer Runde«, überlegte ich. »Jen unterscheidet sich von uns dadurch, dass er seinen Status schon besaß, bevor er im Dom Kesdschan den psionischen Ritterschlag erhielt.«

    In ihm hat sich die ÜBSEF-Konstante eines früheren Ritters der Tiefe reinkarniert!, ergänzte mein Extrasinn.

    Der Hathor sah mich eigentümlich an. Ich erkannte sofort, dass er ähnliche Gedankengänge wie ich verfolgte.

    »Jen hat mit dem Ritterwissen Harden Coonors etwas an sich, das ihn von uns beiden unterscheidet«, sagte Tengri. »Gravierender erscheint mir die Tatsache, dass sich der Fallensteller einer Methode bediente, die in ferner Vergangenheit von den Kontaktsuchern meines Volkes entwickelt wurde: das Krysoptera. Es ist eine Art dimensional übergeordneter Molekülwäsche, obwohl auch diese Erklärung eher verwirrt als klärt.«

    »Krysoptera«, wiederholte ich. »Nie gehört. Besteht die Möglichkeit, dass du dich irrst?«

    »Nein«, antwortete der Hathor. »Theoretisch wäre das möglich, aber ich konnte die Verwendung des Krysoptera bereits nachweisen. Nur die mit seiner Hilfe hergestellte einseitige Verbindung lässt sich mit dem geistigen Schwert des Diddor-Sanskari durchtrennen – und genau das habe ich

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