Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Ring des Kardinals
Der Ring des Kardinals
Der Ring des Kardinals
eBook154 Seiten2 Stunden

Der Ring des Kardinals

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

"Er war hier – er nahm den Ring", das sind die letzten Worte, die Kardinal Medina Sidonia zu sagen vermag, bevor er stirbt. Es ist ein unheimlicher Tötungsfall, der sich im September 1914 in Sevilla ereignet und die Aufmerksamkeit vom beginnenden Ersten Weltkrieg ablenkt. Um ihn aufzudecken bedarf es einer Super-Spürnase, die sich in dem eleganten Rechtsanwalt Dr. Velasco findet.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum25. Dez. 2015
ISBN9788711446140
Der Ring des Kardinals

Ähnlich wie Der Ring des Kardinals

Ähnliche E-Books

Krimi-Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Der Ring des Kardinals

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Ring des Kardinals - Manuel Ortega

    Saga

    1. Kapitel.

    Es war die sechste Abendstunde, die soeben die grosse Glocke der gewaltigen Kathedrale von Sevilla verkündet hatte. Leise zitterte ihr dumpf verhallender Ton über die Plaza Prim hin, an deren Ostseite die „Casa Ororjo", ein vielbesuchtes kleines, besonders von den gewählten Herrenkreisen der Stadt bevorzugtes Café liegt, das jene im Süden Europas häufig vorkommende Verbindung von Kaffeehaus und Speisewirtschaft darstellt.

    Die vor dem Café aufgestellten Tisch- und Stuhlreihen waren schon dicht besetzt, denn es war die Stunde, in der man eine appetitanreizende Erfrischung in Gestalt irgend einer hellfarbigen Limonade, eines Eises oder eines Kaffees mit Sirup zu sich nahm und in der man sich traf, um seine Bekannten zu sehen, um Neuigkeiten zu hören, seine Meinungen auszutauschen, zu spielen und vor allen Dingen Zeitungen zu lesen, eine Beschäftigung, welche in den ersten Wochen des Septembermonats 1914 eine Sache von äusserster Wichtigkeit war.

    Beamte, Offiziere, Kaufleute, Börsianer, Journalisten, Künstler und berufsmässige Nichtstuer, die ihre Zeit mit Spiel, Stadtklatsch und Strassenbummeln verbrachten, trafen sich täglich, womöglich mehrere Male, in der „Casa Ororjo". Das Austauschen von persönlich Wichtigem und Nichtigem war seit Monatsfrist durch die gewaltigen Ereignisse des Weltkrieges völlig in den Hintergrund gedrängt worden und zwar so stark, dass nicht einmal das grösste Stiergefecht des Jahres in dem ungeheuren Amphitheater — der grössten Kampfarena der iberischen Halbinsel, welches mehr als 20 000 Personen fasst — vermochte, sich wie sonst in den Vordergrund der Interessen zu drängen.

    „Ach ja, seufzte an einem kleinen Tische, an welchem drei Herren sassen, ein untersetzter, sehniger Mann von echt andalusischem Aussehen, der kokett eine dunkelrote Rose zwischen den Zähnen festgeklemmt hielt und dessen Handbewegungen etwas Weiches und Anmutvolles hatten, „meine Herren, es kommt für uns Espádas sicher noch eine böse Zeit. Dieser entsetzliche Krieg wird uns eines Tages noch alle recht nervös machen, denn niemand hat mehr Interesse für unsereinen. Statt dass jetzt unsere Zeitungen ein bisschen Reklame auch für meine Wenigkeit machen, bringen sie die Bilder des Herrn Joffre und des Kronprinzen von Luxemburg.

    „Sie irren, teuerster Espáda, warf lachend Dr. José Velasco, ein eleganter Mann von geschmeidigem Körperbau ein, dessen grosse, dunkle Augen unruhig hin und her blickten; „Luxemburg hat nämlich eine Grossherzogin als Regentin, die unverheiratet ist. Sie aber meinen das Bild des Kronprinzen von Bayern, der den grossen französischen Vorstoss auf Metz im August abgeschlagen hat. Lieber Escamillo, das ist nun einmal die leidige Gewohnheit der lieben Weltgeschichte, dass sie auf Privatangelegenheiten keinerlei Rücksicht nehmen kann.

    „Caramba — recaramba, das weiss ich, lieber Doktor, gab mit unverhohlenem Aerger der beliebte Stierkämpfer Escamillo XII., mit dem Beinamen „der Schöne, zurück. „Uebrigens ist Metz inzwischen schon lange von den Franzosen erobert worden und die Engländer stehen seit vorgestern vor Hannover."

    „Das ist ja alles Unsinn, mein verehrter Freund," rief Doktor Velasco und runzelte dabei die Stirn. Er wollte gerade noch etwas hinzusetzen, als eine Anzahl über die Plaza heranstürmender Zeitungsverkäufer, die um die Wette ihre Abendblätter ausriefen, die Aufmerksamkeit der Leute auf sich lenkte.

    „Kurier! — Abendblatt! — Presse! — Nachrichten! — Eilbote! — Kaufen Sie, meine Herren, grosser Sieg des Generalissimus Joffre! Die Deutschen auf der ganzen Linie auf der Flucht! Der Kronprinz von Preussen bei Nancy gefangen genommen! Die Russen vor Breslau! Glänzender Sieg der französischen Offensive! —"

    „Hierher! — Schnell! Mir ein Blatt, mir auch — famos! Grossartig! — Alles dummes Zeug! Schwindel! Börsenmanöver — Lügen der Havas-Reuterdepeschen, das kennen wir!" So scholl es laut durcheinander, als die einzelnen noch nach Druckerschwärze riechenden, halbfeuchten Exemplare der verschiedenen Zeitungen in die Hände ihrer Käufer gelangt waren.

    Die Unterhaltung wurde lebhafter, an jedem Tische sprach man jetzt über die neuesten Kriegsnachrichten, welche die Abendausgaben der verschiedenen Blätter Sevillas enthielten, ohne dass man sich dabei bemühte, seine persönliche Ansicht und Stellungnahme für oder wider die kämpfenden Nationen zu verbergen.

    „Sehen Sie, Doktor Velasco, lachte jetzt triumphierend der Stierkämpfer, „hatte ich nicht vorhin recht mit meiner Behauptung, dass die Deutschen völlig geschlagen seien und überall zurückgehen müssen? Das war ja vorauszusehen, nicht wahr, Herr Ayala? Mit diesen Worten wandte sich der Espáda an den dritten am Tische sitzenden, älteren und würdevoll aussehenden Herrn mit einem französisch zugestutzten Knebelbart, der bisher schweigend der Unterhaltung seiner beiden Bekannten zugehört hatte. Señor Ayala war Inspektor in der berühmten staatlichen Tabakfabrik von Sevilla, in der Tausende von Arbeiterinnen mit der Herstellung von Zigarren und Zigaretten beschäftigt sind.

    „Aber sicher, lieber Espáda, wer kann denn da überhaupt noch im Zweifel sein?" gab mit Würde und der Miene eines Granden Inspektor Ayala zurück, indem er einen missbilligenden Blick auf Dr. Velasco warf.

    „Ja, ja, lachte kokett der Stierkämpfer, der inzwischen seine Rose aus dem Munde genommen hatte und dessen Finger mit bewunderungswürdiger Kunstfertigkeit eine Zigarette zu drehen begannen; „mein lieber Doktor, ich weiss, Sie sind ein Deutschenfreund. Ist es nicht so?

    Der Angeredete lächelte fein.

    „Meine Herren, Sie verkennen mich völlig. Ich sagte nie, dass ich ein Freund Deutschlands wäre. Ich sagte nur, und das wiederhole ich Ihnen auch heute, ich hege eine ausserordentliche Bewunderung für dieses Volk, und ich glaube nicht ein Drittel von dem, was uns die englischen und französischen Nachrichtenbureaus täglich auftischen, und bedauere nur, dass unsere Zeitungen mit wenigen Ausnahmen all dies dumme Zeug gedanken- und unterschiedslos nachdrukken. Sie wissen, meine Herren, mein Beruf als Rechtsanwalt verlangt es, dass ich täglich viele Zeitungen lesen muss, und da erfahre ich denn doch so manches, was zwischen den Zeilen steht und gerade das Gegenteil von dem ist, was die Herren Engländer und Franzosen behaupten."

    Señor Ayala machte bei diesen Worten ein beleidigtes Gesicht. Er rückte unruhig auf seinem Stuhle hin und her, ergriff das auf dem Tische vor ihm stehende mit einer gelben Flüssigkeit gefüllte Glas, in das er vorher von Zeit zu Zeit einige Eisstückchen hineingeworfen hatte, leerte es auf einen Zug, holte einige Münzen aus der Tasche und warf diese auf die Marmorplatte des Tisches. Dann erhob er sich steif und verabschiedete sich mit gemessener Höflichkeit von seinen Bekannten.

    Dr. Velasco, der inzwischen aus seinem aus Stroh geflochtenen Etui eine kleine Zigarre von nussbrauner Farbe herausgezogen und in Brand gesetzt hatte, klopfte dem Stierkämpfer liebenswürdig auf die Schulter, bot ihm gleichfalls eine Zigarre an und meinte lachend:

    „Nun, Espáda, Sie haben mir heute noch gar nichts über Ihr neuestes galantes Abenteuer erzählt. Wenn auch beinahe die ganze Welt von Krieg und Kriegsgeschrei erfüllt ist, so wollen wir Männer Sevillas doch nicht vergessen, dass es in unserer Stadt auch noch schöne Frauen gibt, denen man den Hof machen muss, he —?"

    Escamillos Augen leuchteten auf, er lachte, so dass seine schönen weissen Zähne blitzten, legte die inzwischen fertig gedrehte Zigarette vorsichtig auf die Tischplatte und betrachtete seine prachtvollen Brillantringe an den wohlgepflegten Fingern.

    „O — o, lieber Doktor, da haben Sie nun recht, die schönen Frauen dürfen wir nicht vergessen; heute weniger denn je."

    „Vor allem die blonde Inez nicht, die neue Zarzuela-Sängerin im Alcázar-Theater, der Sie seit einigen Tagen auf Tod und Leben den Hof machen."

    „Woher wissen Sie denn das?" fragte schnell der Stierkämpfer.

    „Woher ich das weiss? — Nun, sehr einfach, ich bin ja Stammgast in diesem Theater und sehe Sie dort seit einigen Abenden immer in der rechten Orchesterloge auftauchen, wenn die Zarzuelaa) beginnt."

    „Pst, nicht so laut, lieber Doktor; morgen weiss es ganz Sevilla, dass ich jetzt der hübschen Juez den Hof mache. Was sollen dann alle meine schönen Verehrerinnen und die Damen der Gesellschaft dazu sagen?"

    „Die werden Ihnen sicher die Augen auskratzen, Sie schlimmer, ungetreuer Mann, Sie! — Besonders die Damen der guten Gesellschaft, von denen ja nicht wenige in Sie verschossen sein sollen."

    Geschmeichelt lächelte der Espáda und streckte dem Doktor seine rechte Hand hin.

    „Sie sind der beste Advokat von Sevilla und mein Freund. Nichts für ungut! — lieber Doktor."

    Der Rechtsanwalt musste über diese offene Schmeichelei lachen. Inzwischen war der Espáda aufgestanden, und auch Dr. Velasco erhob sich.

    „Sie müssen mich für heute entschuldigen, teurer Escamillo; ich muss nämlich noch meinen alten Freund, den Monsignore Guzman, den Sie ja wohl auch kennen, besuchen. Er sitzt hinten im Café bei seinem geliebten Schachspiel. Uebrigens, dort an dem Tisch da drüben winkt Ihnen eben ein Herr zu."

    Escamillo sah interessiert nach der Richtung, welche die erhobene Hand Dr. Velascos andeutete. „Ach ja, ganz recht, das ist ein zukünftiger Kollege von mir, mein Schüler — vielleicht einmal „ein kommender Mann."

    Die beiden reichten sich die Hände.

    „Auf Wiedersehen, lieber Doktor!"

    „Auf Wiedersehen, lieber Espáda."

    Dr. Velasco ging nun sogleich in das Innere der „Casa Ororjo" und gelangte durch eine Glastüre in einen kleinen Raum, der nach rückwärts lag und in dem mehrere Spieltische aufgestellt waren, an denen kleine Gruppen von meist älteren Herren sassen, welche dort Domino und Schach spielten. Man hörte fast nur das Klappern der Steine und sah durch den dichten Tabaksqualm hindurch eine Anzahl Männerköpfe, deren Träger mit gespannter Aufmerksamkeit den Fortgang des Spiels verfolgten, an dem sie beteiligt waren.

    Unter den anwesenden Personen fiel ein älterer schlanker Herr mit bartlosem, blassem Gesicht auf, der sich trotz seines vorgerückten Alters in seiner Haltung und im Ausdruck seiner Gesichtszüge etwas Jugendliches bewahrt hatte und der Dr. Velasco bei dessen Eintritt in das Spielzimmer lebhaft zuwinkte. Dieser Herr war Monsignore Guzman, der Privatsekretär und Hausbibliothekar des Kardinals Medina Sidonia von Sevilla, eine sowohl in der Gesellschaft als auch in den breitesten Schichten der Bevölkerung der andalusischen Hauptstadt wohlbekannte Persönlichkeit.

    Monsignore Guzman hatte seine theologische Ausbildung auf einem berühmten Priesterseminar Spaniens erhalten, jedoch dann später nicht die Weihen genommen, sondern war Hauslehrer und Erzieher in einem deutschen Fürstenhause geworden und hatte auf einer Romreise, die er als Kunstfreund und Sammler unternahm, Gelegenheit gehabt, die Bekanntschaft des spanischen Kardinals Medina Sidonia zu machen, der damals als Sekretär des Heiligen Stuhles das hohe Vertrauen des Papstes genoss. Kardinal Medina Sidonia, ein eifriger Förderer von kirchenkünstlerischen Bestrebungen, schenkte dem vielbelesenen und geistreichen Don Guzman seine persönliche Freundschaft, und als ihn der Heilige Stuhl als Kardinal nach Sevilla entsandte, lud er den ehemaligen Prinzenerzieher ein, zu ihm nach Sevilla zu kommen, und bot ihm dort die Stellung eines Privatsekretärs und Hausbibliothekars an, welche jener auch annahm. Eine ansehnliche Reihe von Jahren bekleidete nun bereits Monsignore Guzman diese Stellung am Hofe seines alten Freundes, der trotz seines biblischen Alters von 85 Jahren noch körperlich rüstig und geistig rege war. Seine Vorliebe für Malerei und Dichtkunst hatte dem Kardinal im Laufe der Jahre eine ansehnliche Reihe von gleichgesinnten Freunden gewonnen, mit denen er in einem lebhaaften Gedankenaustausch stand, und in seiner Eigenschaft als Schirmherr der grossen Calderon-Gesellschaft in Spanien erwuchs ihm viel schriftliche Arbeit, welche ihm sein unermüdlich tätiger Privatsekretär und Bibliothekar abnehmen musste.

    Ausser einer sehr umfangreichen und besonders an alten, wertvollen Drucken und Büchern reichen Bibliothek besass der Kardinal noch eine kleine, aber äusserst wertvolle Sammlung von alten Edelsteinen, auf deren Besitz er nicht wenig stolz

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1