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Bathromaan: Band 2 - Heimkehr
Bathromaan: Band 2 - Heimkehr
Bathromaan: Band 2 - Heimkehr
eBook460 Seiten6 Stunden

Bathromaan: Band 2 - Heimkehr

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Über dieses E-Book

Lisa ist mit dem Gargoyle Fay unterwegs und kämpft sich durch Altea.
Bathromaan rückt immer näher, allerdings auch der fünfte Vollmond!
Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit!
Nach einem Streit bleibt Fay einige Nächte fern und Lisa befürchtet, dass sie von dem Gargoyle im Stich gelassen wurde.
Doch dann kommt sie in die Stadt Beryll und Lisa wird klar, was es mit dem Verschwinden von Fay auf sich hat. Lisa muss all ihren Mut zusammennehmen und gerät, bei dem Versuch ihrer Freundin zu helfen, in Lebensgefahr!
Elai verfolgt währenddessen sein eigenes Ziel und will nach Myra gelangen. Dort, in der Stadt der Gargoyles, hofft er eine Möglichkeit zu finden, seinen Bann aufzuheben.
Wird es Lisa und Fay gelingen, das Tor rechtzeitig zu erreichen? Bekommt Elai das, was er sich von seiner Reise nach Myra erhofft?
Es geht weiter! Tauche ein und begleite Lisa auf ihrer unglaublichen Reise, durch ein gefährliches Land!
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Nov. 2020
ISBN9783752600513
Bathromaan: Band 2 - Heimkehr
Autor

Janine Gut

Janine Gut wurde 1981 in Erfurt geboren. Mit 16 Jahren zog es sie mit ihrer Familie in den Thüringer Wald. Während ihrer Ausbildung, die allerdings in Weimar stattfand, verbrachte Janine viel Zeit im Zug. Bei den langen Fahrten entstanden die ersten Ideen von Lisa und einem Abenteuer in einer fremden Welt. Etwas später zog Janine mit ihrer Familie weiter in den Südschwarzwald und Bathromaan geriet in Vergessenheit. Janine lernte ihren Mann Michael kennen, zog auf die Baar und gründete eine Familie. Während der Elternzeit kam das alte Skript von Bathromaan wieder zu Tage. Der Wunsch, ihren Jugendtraum vom eigenen Buch zu erfüllen, wuchs. Dennoch dauerte es weitere 8 Jahre um Bathromaan zu veröffentlichen.

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    Buchvorschau

    Bathromaan - Janine Gut

    Kapitel 1 – Allianz

    Wasser kochte in Elais kleinem Kochtopf. In das Wasser gab er verschiedene Kräuter aus seinem Erste-Hilfe-Beutel. Den hatte er sich vor Jahren selbst zusammengestellt. Die getrockneten Kräuter tauschte er regelmäßig aus, da sie mit der Zeit an Wirkung verloren. In dem Topf kochte er Faden und Stoffstreifen aus. Er brauchte diese Dinge steril. Das heiße Wasser goss er über einen Stein und legte die Sachen darauf, damit sie trocknen konnten. Anschließend kochte er erneut Wasser und gab andere Kräuter dazu. Dieses hier würde er zur Reinigung der Wunde benötigen. Alkohol für eine Desinfektion hatte Elai nicht. Es musste so gehen!

    Der Wolf schlief noch immer und Elai musste sich die Verletzung ansehen. Sie war zu groß, um von alleine abzuheilen. Er musste sie säubern und nähen! Vorsichtig trat er nahe an den Wolf heran, um seine verletzte Schulter zu begutachten. Elai legte vorsichtig seine Hand an das Fell und roch an der Wunde. Sie war noch nicht alt und ließ sich somit gut behandeln. Der Wolf erwachte aus seinem Dämmerschlaf und knurrte Elai an. Dieser trat sofort einen Schritt zurück. Diese Zähne konnten alles mit ihm anrichten! Der Wolf war in seinem verletzten Zustand genauso gefährlich, wie im gesunden! Entwaffnend hob Elai die Hände.

    „Sachte! Ich möchte mich nur um deine Verletzung kümmern! Warte kurz!" Elai ging zu seiner Feuerstelle zurück und holte ein großes Stück angetautes Wildschweinfleisch. Um dem Wolf zu zeigen, dass er ihm vertraute, lief er nahe zu ihm hin und legte ihm das Fleisch vor das Maul. Dass er dabei Angst hatte und sein Herz im Stakkato schlug, versuchte er zu verbergen. Fest blickte er dem Wolf in die Augen.

    „Für dich, damit du wieder zu Kräften kommst."

    Der Wolf schnupperte, dann griff er mit seinen Eckzähnen danach und mit einem Happen war das Stück verschwunden. Seine Reißzähne waren so lang wie Elais Hand. Elai hoffte, dass er nicht den nächsten Happen abgab.

    Doch der Wolf winselte leise und legte seinen Kopf wieder auf den warmen Felsboden. Er schloss die Augen und atmete ruhig. Elai atmete tief durch, holte sein abgekochtes, inzwischen etwas abgekühltes Wasser und das vorher ausgekochte Tuch. Als er mit dem Tuch die Wunde berührte, zuckte der Wolf kurz zusammen. Elai hielt inne und schaute zu dem Kopf des Tieres hinüber. Doch er regte sich nicht weiter und Elai machte weiter. Es war ein unglaublich bizarres Bild, welches die beiden abgaben.

    Elai wusch die Wunde sorgfältig aus. Er musste immer wieder Wasser nachkochen, da er nur diesen einen, kleinen Topf hatte. Elai fand noch mehr Wunden, über den ganzen Rücken verteilt, die er nach und versorgte. Er stellte auch fest, dass es sich um eine Wölfin handelte. Sie musste mit diesen Drachen in einen Kampf geraten sein. Fürsorglich wusch er alle Wunden aus und die Wölfin ließ es geschehen.

    Nachdem Elai alle Wunden gereinigt hatte, machte er sich daran, die große, ungefähr armlange Verletzung an der Schulter zu nähen. Eine gebogene Nadel, ähnlich geformt wie ein Angelhaken, hielt er in das heiße Feuer, um sie zu desinfizieren, dann führte er den bereits ausgekochten Faden ein. Es war ein normaler Leinenfaden. Etwas Anderes hatte er nicht. Dann trat er zu der Wölfin und strich ihr sanft über das Fell.

    „Das wird jetzt etwas zwicken. Ich nähe deine Wunde zusammen." Die Wölfin zuckte lediglich mit den Ohren, als Zeichen, dass sie ihn gehört hatte. Friedlich lag sie da und hielt die Augen geschlossen. Elai nahm das als Zustimmung und begann mit seiner Arbeit. Sie zuckte kurz, als die Nadel in ihre Haut drang, doch dabei blieb es. Elai nähte die große Wunde mit Sorgfalt zu.

    Für die kleineren Verletzungen kochte Elai eine Paste aus den Kräutern, die er mit sich führte. Anschließend trug er sie dünn auf. Auf die genähte Wunde legte er ein Stück ausgekochtes Leinen und schmierte die Paste auf den dünnen Stoff. So konnte der Wirkstoff durchsickern, ohne dass die Wunde verschmutzte.

    Nach und nach verfütterte Elai sein erlegtes Wildschwein an die Wölfin. Es waren nur Häppchen, wenn man die Größe des Tieres bedachte und mit Sicherheit wurde sie davon nicht satt. Doch sie fraß artig nur das, was Elai ihr gab. Außer zum Fressen und Trinken bewegte sich die Wölfin nicht. Die meiste Zeit schlief sie. Das war auch nötig, damit die Wunden gut verheilen konnten.

    Am dritten Tag war das Wildschwein aufgebraucht und auch Elais Körner gingen gegen Null. Etwas ratlos stand Elai dick angezogen, am Eingang der Höhle und schaute hinaus. Noch immer schneite es und er hatte bisher keine Möglichkeit gehabt, sich anhand der Sterne zu orientieren. Die Sicht war heute jedoch besser, als alle anderen Tage zuvor und er überlegte, wie er Nahrung besorgen konnte. Doch traute er sich nicht wirklich aus der Höhle heraus, aus Angst, dass er sie nicht wiederfinden würde. In dieser Eiswüste sah alles gleich aus und auch seine Fußspuren würden schnell zugeweht sein.

    Er erschrak heftig, als sich der Rhaban lautlos aber humpelnd an ihm vorbei schob. Langsam trottete die Wölfin in das leichte Schneegestöber. Elai blieb abwartend am Höhleneingang stehen und schaute in die verschneite Landschaft vor ihm. Die Wölfin wurde zu einem Schatten und verschwand.

    Die Zeit verging und sie ließ sich nicht mehr blicken. Elai wollte nicht daran glauben, dass die Wölfin einfach so das Weite gesucht hatte. Er wartete noch eine ganze Weile und sein Pelz war bereits dick mit Schnee bedeckt, als er sich entschloss das Warten aufzugeben. Er klopfte sich den Schnee von den Schultern und wollte sich abwenden, da bemerkte er wieder einen Schatten im Schneetreiben. Elai verharrte und erkannte den Rhaban, der humpelnd auf ihn zukam. Augenblicke später sah er, dass die Wölfin etwas im Maul trug. Sie war auf der Jagd gewesen und schleppte ein junges Wildschwein im Maul. Sie ließ ihren Fang vor Elai in den Schnee fallen. Dieser bekam erneut eine Gänsehaut, als er in die Augen der Wölfin blickte. Es war ein sehr intensiver Blick und Elai spürte eine enorme Intelligenz und starke Emotionen. Sie war ihm dankbar.

    Nach ihrem stillen Austausch humpelte die Wölfin in die Höhle zurück und überließ Elai die Beute. Dieser machte sich sofort daran das Tier zu zerlegen. Viel Blut floss nicht mehr, doch was sollte er mit den Überresten tun? Wenn er sie vergrub, würde das sicher wieder Drachen anlocken? Da er jedoch keine andere Wahl hatte, musste er doch im Schnee graben. Aus seiner gewonnenen Erfahrung grub er das Loch tiefer und das portionierte Fleisch kam an eine andere Stelle. Einen Teil nahm er mit in die Höhle.

    Die Wölfin lag an dem kleinen See und trank von dem warmen Wasser. Elai legte das Fleisch zu der noch kalten Feuerstelle und ging zu dem Rhaban hin. Sorgfältig prüfte er die Naht.

    „Sie ist gut verheilt und die Jagd hat nur kleine Spuren hinterlassen. Ich mache noch etwas von der Paste. Einen winzigen Rest Kräuter habe ich noch." Als Antwort stupste der Rhaban ihn mit der Nase an. Elai musste leise lachen.

    „Schon gut!"

    Kapitel 2 – Streit

    Zwei weitere Nächte brachten Lisa und Fay damit zu, das Eismeer zu überqueren. Gojis Proviant reichte weit, dennoch teilten sie ihn gut ein. Hunger zu haben war eine schlimme Sache. Das Glück einen Schneehasen zu fangen, ereilte sie kein weiteres Mal. Sie hatten weder Holz für ein Feuer gefunden, noch haben sie jagen können. Im Eismeer gab es rein gar nichts. Fay hatte Lisa die berechtigte Frage gestellt, wie diese Menschen lebten, um sich mit Obst, Gemüse und Fleisch versorgen zu können, oder wo sie das Holz für Feuer herhatten. So erzählte Lisa dem Gargoyle von den Lebensbedingungen in Neshima, skizzierte die Schlucht und die Höhle in ihrem Buch.

    Der Gargoyle war fasziniert von der Stadt und ihrem Geheimnis. Sie gingen davon aus, dass die Höhle von warmen Quellen versorgt wurde und so eine Oase bildete. Solche Orte gab es mit Sicherheit mehrere!

    Der Rhaban war ihnen nicht mehr über den Weg gelaufen. Beide waren der Wölfin unendlich dankbar für ihre Hilfe, aber sie blieb ein ungelöstes Rätsel. Lisa seufzte. Was auch immer noch auf sie zukommen würde: sie musste lernen alleine klar zu kommen. Wehmütig dachte sie wieder an Elai. Es tat weh, ihn nicht mehr an ihrer Seite zu wissen.

    Ach Elai, dachte sie. Wenn ich nur wüsste, wo du gerade bist und was du machst. Ich kann verstehen, dass du deine Reise abgebrochen hast, aber ich vermisse dich so. Vielleicht gibt es ja doch einen Weg? Bloß welchen? Hätte ich nur einen Kraél, dann könnte ich dir sagen, dass es mir gut geht!

    Mit etwas Bauchgrummeln beobachteten beide den Himmel, an dem die Monde wanderten. Noch war genug Zeit, um das Tor in Bathromaan zu erreichen, aber die Uhr tickte und es war noch weit bis dorthin. Der Himmel hatte etwas aufgeklart und stellenweise funkelten Sterne in den Wolkenlücken.

    Für Fay war das ein wichtiger Moment, um sich neu zu orientieren. Sie waren zu weit nördlich gekommen, durch die Stürme und das dichte Schneetreiben. Der Kompass hatte im Eismeer nicht funktioniert. Etwas in diesen Bergen sorgte dafür, dass die Nadel verrücktspielte. Sie drehte sich langsam – gegen den Uhrzeigersinn – im Kreis. Ein eigenartiges Schauspiel und wenn man an übersinnliche Dinge glauben würde, war es sicher auch gespenstig. Lisa und Fay schoben es allerdings auf die geologische Umgebung.

    In der folgenden Nacht leuchteten die Monde hell vom Himmel. Es war klar und kalt. Das Licht der Monde verzauberte das Land unter ihnen, mit einem malerischen Licht. Ab und zu mussten sie sich verstecken, da Fay Drachen bemerkt hatte. Die Drachen waren meist in kleinen Rudeln unterwegs.

    Die Umgebung hatte sich inzwischen verändert. Das stetige Eis war weniger geworden und graue Felsen ragten schroff in die Höhe. An einigen Sonnenhängen wuchs ein dünner Grasflaum. Diese Veränderung der Vegetation und des Klimas, ließ hier anderes Leben zu. Das bedeutete für die Torikais mehr Nahrung. Auch Harpyien hatten hier, in den rauen Felsen ihre Population. Lisa konnte die grausamen Wesen an den Schreien erkennen. Fay wurde vorsichtiger und flog nah am Boden. Das machte ihr etwas zu schaffen, da sie so niedrig über den Boden kaum Thermik zum Gleiten hatte.

    „Wir sollten zusehen, dass wir aus den Bergen herauskommen! Es ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, dich tagsüber ungeschützt zu wissen!" Doch die ständigen Begegnungen mit einzelnen Rudeln der Torikai, ließ ein schnelles Vorankommen nicht zu. Dank Gojis Extrarationen waren sie bisher gut versorgt und ihre Trinkwasserschläuche ließen sich problemlos an kleinen Bächen mit Schmelzwasser füllen.

    Kurz vor Sonnenaufgang begegneten sie erneut einem Rudel Drachen. Der Gargoyle hörte die Torikais, bevor sie zu sehen waren. Die Tiere machten einen Heidenlärm und stritten vermutlich um frisch gerissene Beute. Fay flog noch tiefer hinab und änderte die Richtung, weg von der streitenden Horde. Gleichzeitig musste sie die Windrichtung beachten und mit dem Wind fliegen, damit sie nicht gewittert werden konnten.

    An einer geschützten Stelle im Fels landete Fay. Von hier konnten sie die Torikais sehen. Sie waren zu dritt und stritten sich, wie erwartet, um ein erlegtes Tier. Die Drachen waren in einem totalen Rausch und ihre Mäuler mit Blut verschmiert. Alleine dieser Umstand sorgte dafür, dass sie die neue potentielle Beute nicht witterten. Fay kletterte mit Lisa auf dem Rücken an der sichtgeschützten Seite der Felswand nach oben. Mühelos stieß Fay sich ab und glitt lautlos durch die Luft. Am Horizont dämmerte es bereits. Sie brauchten dringend einen geschützten Platz für den Tag!

    Einen geeigneten Unterschlupf fanden sie jedoch erst einige Kilometer weiter, mit genügend Distanz zu den Jägern. Hoch oben im Fels hatten sie eine kleine Öffnung ausgemacht. Es sah von weitem aus, wie der Eingang zu einer Höhle, allerdings sehr klein. Genau richtig, um keinen ungebetenen Besuch zu bekommen.

    Zielstrebig flog Fay darauf zu. Da die Öffnung zu klein war, um direkt hinein zu fliegen, landete der Gargoyle am steilen Fels unterhalb dem Eingang und bohrte sich mit seinen Klauen in das Gestein. Lisa hatte gelernt sich gut festzuhalten und klebte an ihrem Rücken fest, auch als der Flug abrupt stoppte. Der Fels fiel steil ab und führte weit in die Tiefe. Ein Sturz bedeutete den Tod.

    Mit ihrer Höhenangst hatte Lisa nach wie vor zu kämpfen, doch die Umstände zwangen sie, die Angst beiseite zu schieben und so zu funktionieren, wie es erforderlich war. So auch jetzt, als Fay wie eine Spinne am Felsgestein hing und von Lisa verlangte, in die Felsöffnung zu klettern. Fay hatte zuvor einen Blick hineingeworfen, um keine böse Überraschung zu erleben. Doch nichts deutete auf einen Bewohner hin. Lisa war nur Zentimeter von dem Eingang entfernt. Aber Fay loszulassen und nach der Felskante zu greifen, kostete Lisa eine unglaubliche Überwindung. Sie traute sich nicht nach unten zu schauen und ließ eine Schwinge von Fay los. Mit klopfendem Herzen und zittrigen Fingern griff sie nach der Felskante. Der Stein bröckelte leicht unter ihren Fingern. Lisa musste Fay vertrauen, dass sie im Notfall eingriff. Sie ließ die zweite Schwinge los, griff nach dem Felsen und zog sich in den Höhleneingang hinein. Ihr war schon schwindelig bei dem Gedanken, dass es gut einhundert Meter in die Tiefe ging, auch wenn sie jetzt festen Boden unter sich spürte.

    Die Höhle hatte nur einen schmalen, flachen Eingang, durch den sie kriechen mussten. Nach einem halben Meter wurde der Raum höher und auch breiter. Lisa konnte nun stehen. Die Höhle maß ungefähr fünf Quadratmeter und bot für den heutigen Tag genug Schutz. Es war stockfinster hier drinnen, nur das sanfte Dämmerlicht drang durch die Öffnung herein. Fay konnte nicht stehen, dafür war die Höhlendecke zu niedrig. Zwangsläufig setzte sie sich.

    Lisa öffnete ihren Rucksack.

    „Obst haben wir noch und etwas von Gojis Brot. Mehr wie einen Tag wird der Proviant allerdings nicht mehr reichen."

    Fay reckte sich so gut es in der engen Höhle ging.

    „Ich esse erst, wenn ich wieder wach bin. Vielleicht finden wir morgen eine Siedlung, um etwas Proviant zu bekommen." Sie blickte zu dem schmalen Höhleneingang.

    „Am besten setze ich mich davor und blockiere den Eingang. So kann niemand unerwartet zu Besuch hereinkommen."

    Wenig später, als die Sonne aufgegangen war, lag Lisa schlafend auf ihr Fell gebettet und ein versteinerter Gargoyle hockte mit leicht gespreizten Schwingen vor dem Eingang und riegelte ihn ab.

    Es erwies sich als richtig, dass Fay sich schützend vor die schmale Öffnung gehockt hatte. Lisa schlief tief und fest, als sie von einem Kratzen und Fauchen aufgeweckt wurde. Panisch schreckte Lisa auf und kroch rückwärts an die Höhlenwand. Sekunden später realisierte sie, wo sie sich befand. Es war noch immer dunkel in der Höhle, nur wenig Tageslicht drang herein. Das Kratzen und Fauchen kam vom Eingang, wo ein Torikai versuchte in die Höhle zu kommen. Allerdings kam er nicht an Fay vorbei und das machte ihn noch wütender. Mit seinen kalten Augen fixierte er Lisa und rammte immer und immer wieder gegen den erstarrten Gargoyle. Ein paar Mal passierte nichts, doch plötzlich wurde Fay ein kleines Stück nach vorne geschoben.

    Lisa reagierte, bevor der Drache registrieren konnte, was da gerade passiert war. Sie zog ihren Dolch, sprang zum Eingang und zog ihre Klinge über die Schnauze des Drachen. Das Metall war so scharf, dass es durch die ledrige Haut drang und ihn verletzte. Der Torikai kreischte vor Schmerz, bäumte sich auf und schlug sich den Schädel hart am Felsen an. Lisa setzte nach, traf ihn erneut und der Torikai zog sich zeternd zurück.

    Zitternd blieb Lisa sitzen und starrte auf den Eingang. Blut glitzerte auf der Klinge ihres Dolches. Der Torikai kam nicht zurück. Es dauerte eine Weile, bis Lisa sich soweit von ihrem Schrecken erholt hatte, dass sie wieder schlafen konnte.

    ***

    Lisa wurde nicht noch einmal besucht. Nachdem Fay erwachte, zogen sie gleich weiter. Die Landschaft veränderte sich zusehends. Die Berghänge wurden grüner und es wuchsen bereits Büsche und Bäume. Die Felsen waren nicht mehr ganz so schroff und das Bergland wurde sanft und hügelig. Von den gewaltigen Eismassen war nichts mehr zu sehen. Ein reißender Strom Schmelzwasser fraß sich durch die Landschaft. Diesem gigantischen Fluss folgten Fay und Lisa.

    In der Regel gab es an Flüssen Siedlungen und sie brauchten dringend Proviant. Nach weiteren Kilometern konnten sie die erste Zivilisation erkennen. Felder waren angelegt und kleine Bauernhäuser standen vereinzelt an den Hängen. Kühe standen auf den Weiden und muhten alarmiert, als der Gargoyle über sie hinweg flog.

    „Wo sind wir hier?", wollte Lisa wissen.

    „Ich weiß es nicht. Ich war hier noch nie!", war Fays Antwort.

    „Von den Höfen könnten wir Proviant bekommen, aber die Nacht ist noch jung. Wir fliegen lieber weiter, vielleicht ergibt sich noch eine andere Möglichkeit!" Doch in dieser Nacht überflogen sie lediglich Land, das bewirtschaftet wurde. Eine größere Siedlung oder eine Stadt fanden sie nicht. Nicht weit von einem Bauernhof entfernt, machten sie Rast. Fay fand den Platz geschützt genug für den Tag. Lisa sollte sich auch etwas ausruhen und später zu dem Hof gehen und Lebensmittel besorgen. Geld hatten sie noch genug.

    Als der Tag hereinbrach und Lisa sich in ihrem Fellmantel kuschelte, träumte sie von einem beheizten Zimmer in einem Gasthaus, von einer weichen Matratze und einem kuscheligen Federbett. Und sie träumte von Elai, der lachend vor ihr stand, seine Hände waren gefüllt mit kaltem Wasser. Sie sah, wie er die Hände über ihr öffnete und das Wasser auf sie herabstürzte. In dem Moment, als das Wasser ihr ins Gesicht spritzte, war Lisa hellwach. Sie richtete sich auf und blickte sich erschrocken um. Da war kein Elai, aber ihr Gesicht war tatsächlich nass!

    Wasser tropfte auf ihren Kopf und Lisa blinzelte verwirrt nach oben. An dem Gestein über ihr hatten sich einige Tautropfen gesammelt und den Halt verloren. Erneut klatschte ein Wassertropfen in ihr Gesicht. Ärgerlich wischte sie sich das Wasser aus dem Gesicht und stand auf. Fay hockte versteinert neben den Felsen, halb hinter einem Busch versteckt. Sie war fast unsichtbar. Nur wenn man wusste, dass sie dort saß, konnte man sie auch erkennen. Lisa schaute zum Himmel hinauf. Sanfte Wolken schwebten über sie hinweg. Die Sonne stand hoch, also musste es bereits Mittag sein.

    Lisa legte ihren Fellmantel ab, der ihr als Decke gedient hatte und stopfte ihren Zopf unter ihren Hut. Ihren Busen hatte sie sorgfältig abgebunden, damit man nicht sofort die Frau in ihr erkannte. Sie nahm ihren Rucksack und begab sich auf dem Weg zu dem Bauernhof, der ganz in der Nähe war. Ihr Magen knurrte, doch sie hatte nichts mehr zum Essen. Alles war restlos aufgebraucht. Jetzt hoffte sie, dass die Bauern freundlich waren und sie nicht wegschickten.

    Als sie sich dem Hof näherte, kamen drei Hunde bellend auf sie zugelaufen. Lisa wurde es etwas mulmig, da sie nicht wusste, wie sich die Tiere verhalten würden. So blieb sie erst einmal stehen und ließ die Hunde ankommen. Schwanzwedelnd umkreisten sie Lisa. Neugierig streckten sie ihr die Köpfe entgegen. Lisa drehte ihre Handflächen nach außen und ließ sich beschnuppern. Ein Hund bellte laut und Lisa zuckte erschrocken zusammen, sie erkannte jedoch, dass er noch immer mit dem Schwanz wedelte.

    Freund oder Feind? Als Antwort auf ihre Gedanken, begannen die anderen zwei Hunde an ihren Händen zu lecken. Das kitzelte und Lisa musste lachen. Ein Pfiff drang vom Hof zu ihnen herüber, die Hunde machten prompt kehrt und flitzten zu ihrem Herrn zurück. Lisa wischte sich die Hände an der Hose ab und folgte ihnen. Ein kräftiger Mann um die vierzig, mit Vollbart und einer gefährlich aussehenden Mistgabel in der Hand, wartete auf Lisa. Die Hunde wuselten um ihn herum und bellten Lisa freudig zu.

    Lisa überlegte, wie sie sich vorstellen sollte. In Neshima hatte man sich tief verbeugt, an der Küste hatte man sich lediglich zugenickt. Der Mann schaute sie grimmig und erwartungsvoll an. Lisa blieb mit etwas Abstand vor ihm stehen und deutete eine Verbeugung an, während sie ihm fest in die Augen schaute.

    „Guten Tag. Ich bin auf Wanderschaft und wollte Euch fragen, ob ich etwas Proviant bei Euch kaufen kann."

    Der Bauer fixierte Lisa und musterte sie von oben bis unten. Ihr war es etwas mulmig zumute, so begutachtet zu werden, aber da musste sie durch. Die Hunde schleckten an ihren Händen und winselten, die Schwänze wedelten vergnügt. Der Bauer nickte und antwortete brummend.

    „Da die Hunde dich scheinbar mögen, sollte ich nichts dagegen haben. Komm mit." Er drehte sich um und lief zum Haus. Lisa konnte ihr Glück kaum fassen, nickte – obwohl er es nicht mehr sehen konnte – und lief ihm nach.

    „Vielen Dank …, Sir."

    „Spar dir das Sir, ich heiße Alfred.", brummte er und lief weiter. Zum Haupthaus war es noch ein ganzes Stück zu laufen. Die Hunde rannten voraus. Neben dem Wohnhaus befanden sich die Stallungen. Dort wurde fleißig gearbeitet. Eine Herde Kühe und Schafe befanden sich auf den Weiden. Lisa fand die Gegend sehr schön, doch die Torikais sicher auch. Schließlich gab es im Eismeer nicht sehr viel zu fressen. Sicher mussten die Höfe wie eine Speisekammer für die Biester sein.

    Alfred führte Lisa zum Wohnhaus und bat sie herein. Küche und Wohnzimmer bildeten einen großen Raum und es war sehr gemütlich. Am Herd stand eine ältere Frau.

    Sicher die Großmutter, dachte Lisa. Sie kochte mit mehreren Töpfen und ein schmackhafter Geruch von gebratenem Fleisch und Gemüse schwebte in der Luft. Hungrig sog Lisa den Duft ein. Ihr Magen antwortete mit einem Knurren.

    „Ich habe einen Wanderer zum Essen mitgebracht", brummte Alfred.

    In einem alten Sessel am Kamin saß ein alter Mann. Dieser schaute sofort auf und begutachtete den Besucher, ebenso die Großmutter. Lisa war ganz und gar nicht wohl in ihrer Haut. Sie verbeugte sich leicht.

    „Guten Tag. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, aber ich wollte nicht zum Essen bleiben, lediglich etwas Proviant erwerben."

    Im selben Moment ging die Tür auf und der Rest der Familie trat ein. Alfreds Frau, gefolgt von zwei Töchtern und drei Söhnen. Zwei der Söhne waren bereits junge Männer und sahen ihrem Vater sehr ähnlich. Der Jüngste war sicher erst sechs Jahre alt. Man sah ihm an der Nasenspitze an, dass er ein Lausbub war. Die beiden Mädchen waren ungefähr acht und zwölf Jahre alt und trotz ihres Lebens auf dem Bauernhof, wirkten sie wie junge Damen. Beide machten einen Knicks vor dem Besucher. Lisa verbeugte sich höflich.

    „Guten Tag." Lisa erklärte, dass sie nicht stören wollte und einfach später nochmal wiederkommen wollte, doch keiner der Familienangehörigen ließ sie gehen. Alle waren gespannt, was der Wanderer zu erzählen hatte. Fremde kamen nicht oft vorbei. Lisa betrachtete die Familie und griff zögernd nach ihrem Hut. Sie hatte gelernt, den Hut in einem Hause abzusetzen, da es zum guten Ton gehörte. Sie wollte ihren Gastgebern gegenüber nicht unhöflich sein. Als sie ihren Hut vom Kopf zog, fiel ihr der Pferdeschwanz über die Schultern. Alle betrachteten Lisa erstaunt, außer Alfred und der Großvater.

    So saß sie nun am Tisch der Familie, mit frischen Braten, Lauchgemüse und Kartoffeln auf dem Teller. Lisa war unglaublich hungrig, aber das Essen musste warten, bis es erlaubt wurde. Schließlich war sie ein Gast und auch sie hatte eine Erziehung genossen. Die Fragen strömten auf Lisa herein, von der sie keine einzige beantworten konnte, weil sofort die Nächste gestellt wurde. Die Großmutter lachte und Alfred schlug mit der Faust auf den Tisch, dass das Besteck und die Teller schepperten. Lisa zuckte erschrocken zusammen und die Kinder verstummten augenblicklich, nur die Großmutter lachte noch immer.

    „Jetzt ist Ruhe! Erst wird gegessen, dann könnt ihr Fragen stellen!" Alfred sprach eine Art Tischgebet, das Lisa vom Inhalt her etwas eigenartig fand. Doch sie fügte sich dem Ritual. Während dem Essen sprach niemand ein Wort. Aber Lisa war der Mittelpunkt und alle Augen waren auf sie gerichtet. Sie lief rot an und versuchte ohne Fehler zu essen, was einem schwerfällt, wenn man permanent beobachtet wird. Anschließend wollte sie beim Aufräumen und dem Abwasch helfen, aber Großmutter verbannte Lisa an den Esstisch, wo sie nun endlich die Fragen beantworten durfte.

    Als sie das Eismeer erwähnte, wurden die Kinderaugen groß.

    „Du bist durch das Eismeer gekommen? „Wie ist es da? „Zu Fuß etwa? „Wie heißt du? „Wie ist es auf der anderen Seite der Berge? „Etwa ganz alleine?

    Fragen über Fragen. Lisa schluckte und schaute in die neugierigen Gesichter. Alfred musterte sie eindringlich. Ihm waren Fremde offensichtlich ein Gräuel, auch wenn er gastfreundlich war und Lisa Essen gab.

    „Also …!" Lisa bemerkte einen Hund neben sich und begann ihn zu kraulen. Das Tier lenkte sie für einen Moment ab und die Streicheleinheiten gaben ihr etwas Halt.

    „Mein Name ist Lisa."

    „Ist das nicht gefährlich, alleine?", unterbrach die jüngste der Töchter, Emely.

    „Ich bin nicht alleine. Eine Freundin begleitet mich. Sie schläft allerdings im Moment und hat mich beauftragt, Proviant zu besorgen."

    So wurde sie ausgefragt. Zum Schluss wussten alle, wie es auf der anderen Seite, südlich des Eismeeres war, wie das Meer aussah und dass sie das Eismeer in der Luft überquert hatte, nicht zu Fuß.

    „Bist du auf einem Drachen geritten?", fragte Emely mit großen Augen. Lisa schüttelte den Kopf. Noch immer kraulte sie die Ohren des Hundes.

    „Nein. Meine Freundin kann fliegen, aber sie ist kein Drache!"

    Lisa schaute zu Alfred, der sie noch immer kritisch musterte.

    „Kommen diese Torikais nicht bis ins Tal? Gestern noch haben wir kleine Gruppen getroffen. Das ganze Vieh muss doch verlockend sein? Wie haltet ihr sie fern?"

    „Torikai ist ein Begriff aus dem Eismeer, brummte er. „Hier nennen wir sie einfach nur Drachen. Vor ihnen brauchen wir uns nicht zu fürchten, sie kommen nicht bis zu uns. Das liegt an der Verteidigungsanlage des Himmelsdorns.

    „Himmelsdorn?"

    Alfred nickte. „Beryll. Der Sitz unseres Königs."

    Alfred schickte die Kinder hinaus und Lisa bekam den gewünschten Proviant. Mit dem Gold, das sie noch von Elloin hatte, konnte sie hier ohne Probleme bezahlen. Die Familie wünschte ihr eine gute Weiterreise und Lisa bedankte sich noch einmal für die Gastfreundlichkeit.

    Etwas später war sie wieder an ihrem Lagerplatz und briet ein frisches Stück Fleisch für Fay. Der Sonnenuntergang stand kurz bevor und ihre Freundin würde Hunger haben. Während das Fleisch schmorte und die Sonne am Horizont verschwand, hörte sie ein leises Niesen aus dem Gebüsch. Lisa erschrak, richtete sich auf und zog ihren Dolch. Mit wildem Herzschlag beobachtete sie das Dickicht.

    „Wer ist da?", fragte sie so hart sie konnte. Ein leises Fluchen und Flüstern erklang, dann knackten Zweige und drei der Kinder vom Bauernhof standen vor ihr. Samuel, der zweitälteste der Jungen, Emily und auch der Lausbub Joe traten betreten aus dem Gebüsch hervor.

    „Was macht ihr denn hier?" Lisa steckte den Dolch wieder zurück. Sie war unglaublich erleichtert, dass sie es nicht mit Banditen zu tun hatte.

    Die Kinder drucksten herum. Schließlich war es Samuel, der das Wort ergriff.

    „Es tut uns leid. Wir wollten dich nicht belauschen. Aber du hast so geheimnisvoll von deiner Freundin erzählt und da sind wir neugierig geworden!" Suchend blickten sich die Kinder auf dem kleinen Platz um. Lisa war alleine, ein kleines Feuer brannte und ein Fleisch hing aufgespießt über der Glut.

    „Aber wo ist sie?"

    Lisa seufzte. Es hatte ja doch keinen Sinn ein Geheimnis daraus zu machen. In wenigen Minuten würde ein lebendiger Gargoyle neben ihr stehen. Lisa ging zu dem Busch, hinter dem Fay sich etwas versteckt hatte und zog die Zweige beiseite. Die Kinder staunten.

    „Das ist eine Statue!, bemerkte Samuel etwas kritisch. Lisa nickte. „Ja, sie ist eine Statue. Aber in wenigen Minuten nicht mehr.

    Die Kinder wurden Zeugen des seltsamen Schauspiels und waren sprachlos. Sprachlos war auch Fay, die in drei fremde Gesichter blickte, als sie aufwachte. Begeistert war sie nicht, das ließ sie Lisa auch spüren.

    „Sie sind mir gefolgt, was sollte ich denn tun? Es waren nur noch Minuten, bis du aufgewacht wärst." Beschwichtigend zeigte sie auf das Stück Fleisch über dem Feuer.

    „Ich habe dir was gekocht. Kartoffeln liegen auch noch in der Glut!"

    Lisa erlaubte den Kindern noch eine Weile zu bleiben. Sie mussten allerdings versprechen, dass ihre Entdeckung ein Geheimnis bleiben musste. Als es etwas später wurde, drängte Samuel zum Aufbruch.

    „Vater wird sich sicher fragen, wo wir bleiben." Alle drei wünschten Lisa und Fay eine angenehme Weiterreise und verabschiedeten sich.

    Fay war noch immer schlecht gelaunt.

    „Wozu verstecken wir uns, wenn du nicht aufpasst, wer dir folgt?"

    „Es tut mir leid, Fay! Ich kenne mich mit diesem Leben hier nicht aus. Ich hatte nicht das Gefühl in Gefahr zu sein! Und was ist so schlimm daran, wenn die Menschen von eurer Existenz wissen? Ihr seid für die Menschen doch keine Gefahr! Wäre es nicht einfacher, mit ihnen zu leben? Schau dir Yaris und Miko an. Sie fanden dich bewundernswert und nicht gefährlich. Die Kinder ebenso. Selbst auf Elloins Schiff wussten sie von dir und du wurdest nicht gejagt. Machst du dir da nicht selbst das Leben schwer?"

    Fay wurde noch wütender und ihre Augen loderten rot auf. Lisa trat erschrocken einen Schritt zurück, fing sich dann aber wieder. So hatte sich der Gargoyle schon seit Wochen nicht mehr gezeigt.

    „Findest du?", fauchte Fay.

    „Es gibt hier keine Harmonie zwischen Mensch und Gargoyle. Faszination ist eine Sache und die siegt meist am Anfang. Doch irgendwann finden sie uns gefährlich für ihre Kinder oder für ihr Vieh und dann sind wir wie ein Dorn, den man entfernen muss. Nicht umsonst sind wir so weit abseits angesiedelt. In Myra und dem Umland leben keine Menschen!"

    Fay holte tief Luft.

    „Die Menschen haben in Altea normalerweise nichts verloren. Ihrem Trieb nach Herrschaft und Eroberung sind wir erlegen und es gibt nur noch wenige menschenfreie Gebiete. Der Osten von Altea ist weitgehend von ihnen verschont geblieben. Dennoch breitet sich der Mensch weiter und weiter aus. Nichts ist vor ihm sicher. Alles muss er beherrschen! Und was er nicht kennt und fürchtet, das muss weichen! Eine Allianz zwischen Gargoyles und Menschen – hahaha!" Fay lachte irr. Sie fauchte erbost und drehte sich von Lisa weg. Auf allen Vieren hechtete sie über die kleine Wiese und sprang in die Luft. Fay segelte einfach davon. Lisa seufzte. In welches Wespennest hatte sie denn nun gestochen? Sie setzte sich an das Feuer und rührte mit einem Stock in der Glut.

    Kapitel 3 – Beryll

    Es verging die ganze Nacht, in der Lisa am Feuer saß und auf Fay wartete. Doch der Gargoyle kam nicht zurück. Die langsam dicker werdenden Halbmonde standen am Himmel und lugten hin und wieder hinter der Wolkendecke hervor. Lisa machte sich Vorwürfe, tatsächlich nicht besser aufgepasst zu haben, ob ihr jemand folgte. Dann wäre dieser Streit gar nicht erst entstanden. Im Morgengrauen löschte sie das Feuer und schulterte ihr Gepäck. Die Winterkleidung brauchte sie nicht mehr und war nur Ballast. Vielleicht konnte sie es wieder loswerden? Fay würde nun definitiv schlafen und Lisa brauchte keine Bedenken mehr zu haben, ob sie sich verpassen würden. Lisa war enttäuscht und wütend. Nun war sie doch auf sich alleine gestellt. Da sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte, lief sie zu dem Bauernhof zurück. Dort war man sehr erstaunt über ihr Auftauchen.

    „Meine Freundin und ich haben uns getrennt. Ich muss nun alleine weiter. Könnt ihr mir den Weg erklären, bis zur nächsten Stadt?" Zudem fragte sie, ob sie wüssten, wo sie die Fellkleidung verkaufen könnte.

    „Es sind aber ein paar gute Stunden zu Fuß, bis nach Beryll", erklärte Alfred mit einem bedenklichen Gesichtsausdruck. Lisa musste über seine Fürsorglichkeit lächeln.

    „Vielen Dank. Das werde ich schon schaffen!" Alfreds Blick fiel auf das Schwert an ihrem Gürtel. Anschließend zeichnete er Lisa den Weg in ihr Skizzenbuch, der bis nach Beryll – dem Himmelsdorn – führen würde. Die Winterkleidung blieb auf dem Hof. Alfred gab ihr das Gold vom Vortag zurück und packte ihr noch etwas gerauchten Schinken und frisch gebackenes Brot ein.

    „Du bist eine tapfere junge Frau. Pass auf dich auf!" Solche fürsorglichen Worte eines Fremden rührten Lisa und sie bedankte sich herzlich. Winkend verabschiedete sie sich. An einer Weggabelung tauchte Samuel hinter einem Baum auf. Lisa erschrak, da sie nicht mit ihm gerechnet hatte.

    „Ach, du bist es. Mensch, du hast mich ganz schön erschreckt. Ich muss endlich lernen mit offenen Augen zu laufen. Du hättest auch ein Bandit sein können." Lisa versuchte locker zu klingen.

    „Dass ihr euch getrennt habt, haben wir zu verschulden, nicht wahr?" Samuel kam sofort auf den Punkt. Lisa legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.

    „Wir hatten einen kleinen Streit. Das wird wieder."

    Samuel schaute noch schuldbewusster drein.

    „Es war meine Idee gewesen, gestand er. „Dir zu folgen, meine ich.

    „Mach dir keine Gedanken, wiegelte Lisa ab. „Fay hat ein hitziges Gemüt und anscheinend schlechte Erfahrungen gemacht. Ich denke heute Nacht wird sie wieder bei mir sein. Lisa hoffte es inständig.

    ***

    Während ihrer Wanderung ging es stetig bergab. Lisa lief zeitweise auf breiten Wegen, die als Handelsroute dienten. Da sie vor Wegelagerern Angst hatte, zog sie sich etwas in den Wald zurück. Das Rauschen des gewaltigen Flusses, begleitete sie. Nicht weit entfernt musste der Fluss sein Bett haben. Lisa schaute hin und wieder auf die Karte und ihren Kompass. Seit sie das Eismeer hinter sich gelassen hatten, funktionierte er wieder einwandfrei. Es war inzwischen später Nachmittag und Lisa taten die Füße weh. Laut den Angaben der Karte müsste sie Beryll bald erreichen. Da Lisa aus Sicherheitsgründen nicht auf der Straße unterwegs war, musste sie über Wurzeln und Felsbrocken klettern. Das Tosen des Flusses wurde lauter und vor ihr öffnete sich der Wald.

    Neugierig ging sie weiter und blieb staunend an einem Abgrund stehen. Rechts neben ihr, in weniger als zwanzig Metern entfernt, stürzte ein riesiger Wasserfall in die Tiefe. Der Wasserfall hatte eine leichte Rundung nach innen, so dass Lisa die enorme Breite des Wasserlaufs gut erkennen konnte. Der Fluss war bestimmt um die fünfzig Meter

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