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Die große Fälschung: Band 2: Der Flächenbrand
Die große Fälschung: Band 2: Der Flächenbrand
Die große Fälschung: Band 2: Der Flächenbrand
eBook133 Seiten1 Stunde

Die große Fälschung: Band 2: Der Flächenbrand

Von P. M.

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Über dieses E-Book

"In neunhundert Jahren wird dort, wo deine Hütte steht, ein Autobahnbrückenpfeiler verankert sein."

"Ich weiß. Wo wir hier liegen, wird eine Einfamilienhaussiedlung stehen. Gelangweilte Kinder werden sich mit Drogen betäuben, Hausfrauen sich mit Tabletten, Alkohol und Fernsehen über die Runden bringen. Männer mit Arbeit, Autos und gefährlichen Hobbys."

"Sie werden uns verfluchen."

"Sie werden nichts von uns wissen. Sie werden alles für notwendig und unabwendbar halten. Sie werden sogar Angst vor einem Rückfall ins finstere Mittelalter haben. Dafür haben wir gesorgt."
SpracheDeutsch
HerausgeberHirnkost
Erscheinungsdatum1. Nov. 2020
ISBN9783947380398
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    Buchvorschau

    Die große Fälschung - P. M.

    Im Rathaussaal von Tuckstett hängt eine große Landkarte aus Leinen, ein richtiger Alptraum für Firmenhistoriker. Vorläufig sind Spanien, Nordafrika, Vorderasien und Westasien von Island bis zum Ural eingezeichnet. Doch Erweiterungen auf zusätzlichen Leintüchern, zum Beispiel nach China oder bis zur Hudson Bay, sind jederzeit möglich. Die Welt wird bald die ganze Stirnwand bedecken. Grüne Fähnchen bezeichnen Landstriche, die schon ‚ausgeschert‘ sind – vorläufig unsere vier ehemaligen Reichsstädte, die umliegenden Dörfer und angrenzende Gebiete, von denen wir fast täglich hören, dass sie samt ihren Herren oder auch ohne diese zu uns übergetreten sind.

    Rote Fähnchen markieren Städte, von denen wir wissen, dass sie bald ‚reif‘ sind – ein rundes Dutzend bis hinauf zur Ostsee und hinunter nach Grado an der Adria. Weiße Fähnchen bezeichnen Gegenden und Orte, aus denen wir Besucher oder Delegationen empfangen haben, also gute Kontakte. Dazu gehören Braga, Cordoba, Ramsbury, Rodez, Blois, Masowien, Kiew, Bologna usw. Gelbe und schwarze Fähnchen stehen für die Truppen unserer Feinde, je ein Fähnchen für hundert Ritter oder Fußknechte. Uns steht im Frühling wahrscheinlich ein Heer von dreitausend Rittern und fünftausend Fußsoldaten gegenüber, wobei diese Truppen heute noch weit verstreut sind und sich zuerst sammeln müssen. Da wird unsere Strategie ansetzen, denn wir werden versuchen, die kaiserliche Dampfwalze gar nicht erst entstehen zu lassen. Jetzt schon brennen hie und da Burgen besonders eifriger, kaisertreuer Ritter bis weit nach Franken und Sachsen hinein. Unsere entschiedensten Feinde sind jene Ritter, denen Adelheid Güter in Mittel- und Süditalien versprochen hat. Ich verstehe sie ganz gut: Endlich haben sie eine realistische Chance, aus dem Dreck heraus und in den Süden zu kommen. Überhaupt ist das Klima noch eine Schwachstelle unseres Aufstands. Erst wenn der Weg zum Mittelmeer frei wird, haben wir gewonnen.

    Doch wir machen Fortschritte. Soeben habe ich ein weißes Birkenrindenfähnchen auf die lakonische Südspitze der Peloponnes gesteckt, denn neben mir steht eine Delegation aus der Stadt Monemvasia. Wie immer, wenn eine wichtige Delegation eintrifft, versammeln sich allerlei Leute im Rathaussaal. Sie kommen in Arbeitskleidern, aus Herbergsküchen und Schweineställen. Das Kaminfeuer und die Körper der Versammelten haben die Luft aufgewärmt und gewürzt. An den Wandhaken hängen dicke Pelze, Schaffelljacken, Wollmäntel, Kappen, Halstücher. Die meisten haben auch die Stiefel ausgezogen. Ich selbst zeige mich schon lange in meinen nun surrealistisch-konstruktivistisch gemusterten, selbstgestrickten Wollpullovern (à la Mondrian) und errege damit jedes Mal viel Aufsehen. Imitationen sind hie und da schon aufgetaucht. Wir haben die Möblierung des Saals verändert. Statt steifer Bänke haben wir nun eine bequeme Sofalandschaft, ein gemütliches H, geöffnet zur Weltkarten- oder Chemineeseite, je nach Traktanden.

    Die monemvasische Gruppe besteht aus drei jungen und einem alten Mann. Es sind die drei Brüder Alexis, Ioannis und Theodoros sowie ihr Onkel Chrisostomos. Die Brüder sind zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt, haben alle dichte, gestutzte schwarze Bärte, dicke Augenbrauen und dunkle Augen. Alexis ist rundlich, Ioannis hager, Theodoros bleich und schüchtern – der Intellektuelle der Gruppe. Der Onkel ist ein graumelierter, skeptischer Mittfünfziger, der wenig sagt und oft freundlich nickt. Er ist Weinhändler und hat sich auf die Reise nur widerwillig und aus Familiensolidarität eingelassen. Die vier Männer tragen unauffällige Kleider aus grauem und braunem Tuch, denn sie sind nicht darauf aus, die Aufmerksamkeit von Zöllnern, Räubern und betrügerischen Gastwirten zu erregen. Doch ihre spitzen Mützen mit den langen Ohrenklappen sind innen mit feinstem, schwarzem Zobel gefüttert. Sie sprechen alle Sprachen. Wo ein Wort Althochdeutsch fehlt, springe ich ein. Die vier verneigen sich befremdend förmlich vor der locker gruppierten Gesellschaft, die amüsiert, aber freundlich zurücknickt. Die meisten sitzen im Schneidersitz oder schräg angelehnt auf den Kissen. Alexis, der Rundliche, stellt ein bauchiges Zehnliterfässchen auf einen Tisch und fragt:

    »Habt ihr Becher?«

    »Immer!«, schallt es von verschiedenen Seiten. Einige junge Leute eilen zum Schrank und bringen Trinkgefäße aus Ton, Zinn und Holz. Alexis sticht das Fässchen umständlich an und verkündet mit piepsiger Stimme:

    »Dies ist Monemvasierwein, Jahrgang 971, ein Süßwein erster Qualität, sonst für Fürstenhöfe reserviert. Aber da wir in dieser Gegend keine Fürsten mehr finden konnten, bitten wir euch, ihn zu kosten.«

    Die Degustation wickelt sich zügig ab. Alexis füllt die Becher, die sofort zirkulieren und von ‚Ahs!‘, ‚Ohs!‘ und ekstatischen ‚Mhms!‘ begleitet werden.

    »Dieses bescheidene Fässchen hat eine lange Reise hinter sich«, erzählt dann sein Bruder Theodoros. »Wir sind im Oktober in Monemvasia aufgebrochen …«

    Er zeigt mit einer Gerte auf das weiße Fähnchen auf dem Leintuch.

    »… mit einer gemischten Ladung von Wein, Stoffen, Glas, Gewürzen und Kosmetika. Per Schiff, auf unserem Gemischtwarenladen zu Wasser, überquerten wir das ägäische Meer und kamen nach Konstantinopel. Dort wickelten wir die ersten Geschäfte ab und nahmen weitere Waren an Bord. Wir waren eine Gesellschaft von zwanzig Händlern, dreißig privaten Leibwächtern und vierzig Sklaven. Dazu die Schiffsbesatzung. Nach Konstantinopel kamen wir zuerst zu den wilden Bulgaren, denen wir wenig Wein und Stoffe gegen viel Gold verkauften. Die Armen haben keine Ahnung von den Weltmarktpreisen. Dann ging’s durch das Gebiet der Petschenegen den Dnjepr hinauf, mit Geleitschutz von den Normannen, die dort Waräger heißen. In Kiew haben wir ein Kontor. Dort luden wir die meisten unserer Waren aus. Wir bildeten ein Joint Venture mit normannischen, litauischen und friesischen Händlern und zogen weiter nach Norden. So kamen wir bis Nowy Torg und Nowgorod und dann mit der letzten Knarr nach Wollin in Pommern. Auch dort haben wir ein Depot. In Wollin haben wir vom Tannenbaum-Aufstand gehört, allgemein als ‚diese Schweinerei in Mitteleuropa‘ bekannt. Da wir ohnehin den ganzen Winter durch in Wollin festgesessen wären, entschlossen wir uns, die beschwerliche Reise durch Schnee und Sturm zu wagen, um die neuen Wunder zu sehen …«

    »Mein Neffe ist nämlich Philosoph«, erklärt der alte Chrisostomos mit einem um Entschuldigung bittenden Grinsen, »und nur beschränkt für den Handel tauglich. Er interessiert sich mehr für Sitten und Gebräuche fremder Völker als für ordentliche Gewinne.«

    »Aha, die ersten Ethnologen kommen«, ruft ein Mädchen vom Bau dazwischen, »der Anfang vom Ende.«

    »Oder es sind Spione«, ergänzt ein finsterer Alter.

    Theodoros hebt beschwörend die Hände.

    »Natürlich sind wir Händler und immer auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Aber diesmal kommen wir als Freunde. Wir kommen vor allem, um euch zu warnen. Was wir in Wollin und Magdeburg gehört haben, wird euch gar nicht gefallen. In Händlerkreisen werdet ihr furchtbar verleumdet. Man wirft euch Wirtschafts- und Handelsfeindlichkeit vor. Die von euch vertriebenen Kaufleute heizen die Propaganda gegen euch an …«

    »Umso besser!«

    »Händler sind Blutsauger, das wisst ihr selbst am besten«, sagt die schwarzgelockte Bauarbeiterin ganz ruhig.

    »Das ist richtig«, antwortet Theodoros unbeeindruckt. »Wir stellen Preisunterschiede fest und leben davon, doch wir machen sie nicht. Wir reisen, riskieren unser Leben, verschieben Waren – und dafür wollen wir auch bezahlt werden. Es ist eine Tragödie, dass es keine anderen Formen des Austauschs unter Menschen gibt. Doch wie ihr wisst, wird der direkte Verkehr unter den Völkern von den Herren aller Art systematisch unterbunden. Das Symptom dieses Übels ist der Handel mit Geld. Doch darüber können wir später reden. Es ist ein Kriegsfonds der vereinigten Händler zur Finanzierung des Vernichtungsfeldzugs gegen euch eröffnet worden. Die reichsten Handelshäuser von Venedig bis Nowgorod beteiligen sich daran. Am kaiserlichen Hof ist man überglücklich. Es können jetzt den Rittern nicht nur italienische Landgüter, sondern auch hohe Prämien in Gold und Silber angeboten werden. Die kaiserliche Armee wird sozusagen zur Privatarmee der vereinigten Kaufherren. Es werden überall Söldner rekrutiert, bis hinauf nach Schweden und hinunter nach Toulouse. Der Abschaum Europas kommt aus seinen Löchern. Eure Feinde organisieren sich.«

    »Und was schlagt ihr vor?«, fragt Arthur, der Schmied.

    Alexis antwortet:

    »Da wir auf der Seite der Republik stehen und gegen Papst und Kaiser sind, möchten wir euch helfen – soweit das in unseren bescheidenen Kräften steht. Was wir hier in Tuckstett gesehen haben, hat uns vollkommen überzeugt. Ihr seid eine wahre Republik, demokratisch, vernünftig, effizient. Auch wir haben genug von Monarchen, Tyrannen und ihren Klüngeln. Kurz und gut: Wir sind bereit, in eine planetare Baisse zu investieren.«

    Gelächter, Schmunzeln,

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