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Wir sind der Kosmos: Die Grundlagen eines neuen Welt- und Menschenbildes: Jüdische Mystik und moderne Psychologie
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Wir sind der Kosmos: Die Grundlagen eines neuen Welt- und Menschenbildes: Jüdische Mystik und moderne Psychologie
eBook379 Seiten4 Stunden

Wir sind der Kosmos: Die Grundlagen eines neuen Welt- und Menschenbildes: Jüdische Mystik und moderne Psychologie

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Über dieses E-Book

Die Brücke zwischen dem wissenschaftlichen Denken der Neuzeit und der uralten Weisheit wird Jahr für Jahr breiter. Dabei spielt die jüdische Mystik, speziell die kabbalistische Tradition, eine immer größere Rolle. Manche Erkenntnis der modernen Wissenschaft wurde von den großen Weisen vergangener Jahrhunderte vorweggenommen ohne dass dies in das breite Bewusstsein Einzug hielt.
Prof. Edward Hoffman ist einer der weltweit angesehensten Brückenbauer zwischen Kabbala und Psychologie. Er zeigt auf, welche Tiefendimensionen des Bewusstseins die jüdische Mystik erschlossen hat und auf welche Weise ihre Erkenntnisse eine befruchtende Synthese mit einer spirituell ausgerichteten Psychologie eingehen können. Er weist in beiden Geisteswelten nach, inwiefern der Mensch eingebettet in ein größeres Ganzes ist.
Wahre Einsichten in die Tiefe der menschlichen Psyche sind universell und gehören der ganzen Menschheit. Dieses Buch legt ein bewegendes Zeugnis für den Dialog zwischen den Welten ab!

SpracheDeutsch
HerausgeberCrotona Verlag
Erscheinungsdatum12. Mai 2020
ISBN9783861911876
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    Buchvorschau

    Wir sind der Kosmos - Edward Hoffmann

    Titel der amerikanischen Originalausgabe:

    The Way of Splendor

    Rowman & Littlefield Publishers, INC, Maryland 20706

    © 2007 Edward Hoffman

    Deutsche Ausgabe:

    1. Auflage 2020

    © Crotona Verlag GmbH & Co.KG

    Kammer 11

    83123 Amerang

    www.crotona.de

    Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

    Übersetzung aus dem Amerikanischen: Astrid Ogbeiwi

    Umschlaggestaltung: Annette Wagner

    ISBN 978-3-86191-187-6

    Zum Gedenken an meine Großeltern

    Inhalt

    Vorwort zur Jubiläumsausgabe

    Vorwort

    Einführung zur Jubiläumsausgabe

    Einführung

    Kapitel Eins

    Jüdische Mystiker: Sucher der Einheit

    Kapitel Zwei

    Wir sind der Kosmos

    Kapitel Drei

    Die heilige Welt des Körpers

    Kapitel Vier

    Techniken für inneren Frieden

    Kapitel Fünf

    Die Ekstase wecken

    Kapitel Sechs

    Rückkehr zum Ursprung: Träume und Musik

    Kapitel Sieben

    Die jenseitige Dimension

    Kapitel Acht

    Leben und Tod: Die unsterbliche Seele

    Kapitel Neun

    Das neue Land des Geistes

    Glossar

    Anmerkungen

    Literaturverzeichnis

    VORWORT ZUR JUBILÄUMSAUSGABE

    Rabbi Zalman M. Schachter-Shalomi

    Es ist mir noch sehr gut in Erinnerung, wie ich dieses wichtige, bahnbrechende Buch von seinem Verfasser erhalten habe, denn es macht deutlich, welchen Wert Kabbala für die heutige Psychologie hat. Dieses uralte, bedeutsame System jüdisch-mystischen Denkens kann viel zum Verständnis tiefgreifender und schwer verständlicher Prozesse in der menschlichen Psyche beitragen. Damals fanden Bücher über Yoga, Zen-Buddhismus, Taoismus, Sufismus und die Weisheit der amerikanischen Ureinwohner in der westlichen Kultur völlig zu Recht großen Zuspruch – und weckten die Aufmerksamkeit von Wegbereitern in den Geisteswissenschaften. Doch kurioserweise wurde das Judentum von diesen Denkern offenbar fast vollständig ignoriert. Es war gleichsam so, als hätte unsere große Tradition nichts über Bewusstseinserweiterung und die Welt des Visionären zu sagen. Doch als chassidisch ausgebildeter Rabbiner, der am Hebrew Union College in Cincinnati in „Human Relations" promoviert wurde und zuvor an der Boston University unter Howard Thurmans inspirierender Leitung seinen Master in Seelsorge gemacht hatte, wusste ich sehr wohl um die Relevanz des Chassidismus für unsere Zeit.

    Seit über zweihundert Jahren begleitet die Galaxie seiner Rebbes Männer und Frauen, die um geistlichen Rat ersuchen, in so zeitlosen Fragen wie Gesundheit, Lebensunterhalt, Familie und Gemeindeleben. Tatsächlich gehörten zu dieser Begleitung schon seit Langem Techniken zur Weiterentwicklung und Befreiung der Seele, die die „offiziellen" Gebiete der Psychologie und Psychotherapie noch gar nicht erkannt hatten und die daher auf ihren Karten der menschlichen Seelenlandschaft noch nicht verzeichnet waren.

    In breit gefächerten Gesprächen mit dem Theoretiker Abraham Maslow von der Brandeis-University zeigte sich mir deutlich, inwiefern die Kabbala den Blickwinkel sowohl der humanistischen als auch der transpersonalen Psychologie erweitern kann – jenen boomenden Gebieten, auf denen Maslow in den 1950ern und 1960ern Pionierarbeit geleistet hatte. Doch der Prozess einer intellektuellen „Verbindung der Punkte" zwischen der jüdischen Mystik und psychologischen Visionären wie William James, Carl Gustav Jung, Alfred Adler, Fritz Perls, Wilhelm Reich und eben Maslow war noch nicht vollzogen. Das heißt, bis dies Dr. Edward Hoffman mit Wir sind der Kosmos überzeugend gelang.

    Für mich war sofort erkennbar, dass sein umfassendes Verständnis sowohl der jüdischen Spiritualität als auch der heutigen Psychologie zu einer Glanzleistung geführt hatte. Genau genommen war mein Gedanke: „Endlich ist das Buch geschrieben, das so lange gefehlt hat! Jetzt konnte die Kabbala nicht mehr als irrelevant für die wissenschaftliche Spitzenforschung über unsere höheren Potenziale abgetan werden. Der Chassidismus konnte nun nicht mehr im akademischen Papierkorb veralteter Theologien und Philosophien landen. Die humanistische und die transpersonale Psychologie, die Gebiete erschlossen hatten, zu denen die akademische Psychologie keinerlei Verbindung hatte, konnten diese heiligen Bestandteile des Judentums nun als wichtige Beiträge annehmen, die des Studiums, der Reflexion und der praktischen Anwendung wert sowie zur „Neuformatierung in unserem hoch technisierten Zeitalter geeignet waren.

    Daher sehe ich mit großer Freude, dass anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Jubiläums von Wir sind der Kosmos diese Ausgabe erscheint. Ihr Inhalt ist auch heute noch für grundlegende Interessen in Psychologie und Seelsorge sowie auf verwandten Gebieten in höchstem Maße relevant. Themen wie Meditation, Traumarbeit, Gipfelerlebnisse, Willenskraft und Intentionalität, altruistisches Verhalten, Kreativität und seelisches Wohlbefinden haben heute in der therapeutischen Arbeit und in der Persönlichkeitsbildung allemal zentralere Bedeutung erlangt als je zuvor.

    Auch zeigt das weltweit wieder aufflammende Interesse am Studium der Kabbala, dass ihre Lehren die Seele des Menschen nach wie vor inspirieren und beflügeln. Ich bin mir sicher, dass dieser ermutigende Trend anhält und noch wachsen wird. Dieses Buch ist auch heute, da auf diesem Gebiet bereits vieles erschienen ist, noch ein Grundlagenwerk, das seinen Leserinnen und Lesern eine bedeutende Hilfe zum Verständnis einiger jüngerer Werke über Kabbala und Chassidismus sein kann.

    Seit der Erstausgabe dieses Buches haben Edward Hoffman und ich an vielen Schriften zusammengearbeitet, unter anderem an unserem Buch Sparks of Light: Counseling in the Hassidic Tradition. Es ist meine Hoffnung, dass dieses Buch in ähnlicher Weise bei psychologisch orientierten Leserinnen und Lesern auf der ganzen Welt zu Synergien führt. Möge sich kraft dieser Energie die glanzvolle Vision der Kabbala in unserer Zeit wahrhaft erfüllen.

    Boulder, Colorado

    VORWORT

    Die Kabbala, der esoterische Zweig des Judentums, hat jahrhundertelang viele Menschen aller Glaubensrichtungen in ihren Bann gezogen. Sie bietet eine detaillierte, umfassende und schlüssige Weltanschauung über das Wesen des menschlichen Daseins und unsere Beziehung zum Kosmos. Ihr kraftvoller, poetischer Blick hat in fast jedem Land der Erde die Fantasie von Juden und Nichtjuden gleichermaßen angeregt. Doch in moderner Zeit wird diese faszinierende Tradition vielen Menschen erst ansatzweise wieder bewusst.

    Meine eigene Auseinandersetzung mit diesem weitläufigen und provokativen Thema hat sich mit den Jahren stetig vertieft. Da ich als Kind eine orthodoxe Jeschiwa (eine hebräische Ganztagsschule) besucht habe, faszinieren mich die visionären Aspekte des Judentums seit ich denken kann. Meine Lehrer hielten natürlich keinen formellen Kabbala-Unterricht ab. Das wäre verboten gewesen. Außerdem hätten wir die komplexen Feinheiten der jüdischen Mystik in unserem zarten Alter ohnehin nicht begreifen können. Doch durch das Nacherzählen von Legenden und Geschichten eröffneten sie uns einen verlockenden Einblick in eine andere Welt. Mein Großvater mütterlicherseits war jahrelang ein führender amerikanischer Kantor; und obwohl ich erst fünf Jahre alt war, als er starb, hatte er mir doch ein Bewusstsein für die Kraft des jüdischen Geistes zur Überwindung der Beschränkungen der verbalen Sprache eingeträufelt.

    Später dann, in den 1960er Jahren, näherten sich meine religiöse und meine säkulare Bildung wieder an, als die uralten asiatischen Traditionen wie eine Flutwelle über den Westen hereinbrachen – und zunächst die Studenten sowie innerhalb weniger Jahre auch breitere Gesellschaftsschichten erfassten. Ich erinnere mich, dass ich mitten im Abschluss meines Grundstudiums der Psychologie an der Cornell University mit beträchtlicher Erregung Martin Bubers aufrüttelnde Werke über die jüdische Mystik und den Chassidismus las. Auf ihre Art erschienen sie mir als eine eigentümliche Ergänzung zu den völlig anderen Schriften über Yoga, Hinduismus und Buddhismus, die ich ebenfalls verschlang.

    Aber ich gestehe, dass ich mich erst sieben Jahre später, als ich an der University of Michigan meine Dissertation in Psychologie abschloss, wieder der kabbalistischen Tradition zugewandt habe. Gershom Scholems maßgebliche Bücher über die Geschichte der Kabbala waren nicht für Psychologen gedacht, beschrieben aber dennoch offenbar klar umrissene Theorien über die menschliche Psyche. Seine tadellos dokumentierten Hinweise auf das kabbalistische Interesse an Träumen, Meditation und veränderten Bewusstseinszuständen weckten meine Neugier. Die Symbolik war zwar tatsächlich verworren, doch vielleicht übersah die neue Sorte der humanistischen und transpersonalen Psychologen – in ihrer voreiligen Asien-Begeisterung – ein äußerst relevantes, vergessenes Erkenntnissystem.

    Ich befasste mich eingehender mit den wichtigsten Werken der Kabbala und entdeckte, dass meine Vorahnung richtig gewesen war. Die jüdisch-visionäre Tradition war beileibe nicht das Sammelsurium mittelalterlicher Ängste und abergläubischer Vorstellungen, als das sie oft dargestellt wurde, sondern offensichtlich ein riesiges – wenn auch zunächst verwirrendes – Schatzhaus psychologischer Erkenntnisse und Spekulationen. Im Sommer 1978 fasste ich meine ersten Entdeckungen in einem Aufsatz mit dem Titel „The Kabbalah and Humanistic Psychology" für die Jahrestagung der American Psychological Association zusammen. Von den Reaktionen sehr ermutigt, erweiterte ich meine Beobachtungen zu einem Artikel, der kurz darauf im Journal of Humanistic Psychology erschien. Wenig später gelang es Freunden und Kollegen, mich zu einer noch umfassenderen Darstellung dieser Ideen zu überreden. Diese Aufgabe war eine äußerst erfreuliche.

    Hier ist es mein Ziel, die psychologischen Erkenntnisse der Kabbala einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, die mit den Feinheiten jüdischer Philosophie und Mystik nicht vertraut ist. Dieses Buch soll eine Brücke zur eigentlichen kabbalistischen Überlieferung sein; es ist nicht als Ersatz für die ursprünglichen Quellen angelegt, sondern vielmehr als ein Führer durch deren oft komplexes und schwieriges Gelände. Zu diesem Zweck stütze ich mich ganz wesentlich auf wichtige kabbalistische Schriften und verwende, wo immer dies passend scheint, direkte Zitate.

    Wenn ich auch aus meinem beruflichen Blickwinkel heraus schreibe, so möchte ich doch unbedingt betonen, dass dieses Werk die Kabbala keineswegs auf die Begriffe der modernen Psychologie reduzieren will. Einen solchen Ansatz halte ich überdies für wenig sinnvoll oder gar wünschenswert. Was unsere innere Struktur und unsere höheren Potenziale anbelangt, haben die kabbalistischen Denker uns heute sehr viel zu bieten. Vor allem aber umfasst das jüdisch-esoterische System eine religiöse Dimension, und letztlich muss man ihm in dieser Sphäre begegnen. Wenn es diesem Buch irgendwie gelingt, die Großartigkeit dieser Tradition zu erhellen, dann hat es seinen Zweck erfüllt.

    EINFÜHRUNG ZUR JUBILÄUMSAUSGABE

    In dem Vierteljahrhundert seit ich Wir sind der Kosmos geschrieben habe, hat es in der Psychologie und in unserer gesamten Kultur viele spürbare Veränderungen gegeben. Unter Therapeuten und Seelsorgern regte sich damals zwar ein erstes professionelles Interesse an Spiritualität, doch größtenteils schlief es noch. Die Kabbala selbst war außerhalb jüdischer Gelehrtenkreise und vereinzelter chassidischer Gemeinden kaum bekannt. Für die meisten gebildeten Menschen war sie eine Tradition, die sich mit verworrenen Ideen und überkommenen Praktiken verband. Diese Sicht hat sich dramatisch gewandelt. In zunehmendem Maße empfinden innovative Denker in helfenden und Gesundheitsberufen die jüdische Mystik als einen Urquell des Wissens. Seit dieses Buch erstmals erschienen und dabei auf breites Interesse gestoßen ist, wurde unmissverständlich deutlich, dass kabbalistische Adepten schon seit Langem wertvolle Erkenntnisse zur spirituellen Bereicherung unseres Alltags – und zu einem effektiveren Umgang mit den Herausforderungen in Beziehung und Familie, bei Fragen des Lebensunterhalts und des körperlichen Wohlbefindens – bieten. Deshalb gibt es heute überall in den Vereinigten Staaten Kurse über die jüdisch-mystische Lehre und Praxis.

    In einer Art und Weise, die noch vor nicht allzu langer Zeit völlig unwahrscheinlich erschienen wäre, stößt auch die Kabbala weltweit auf wachsendes Interesse. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa und Asien ist das Interesse an jüdischer Mystik stetig gewachsen. Menschen unterschiedlicher spiritueller Herkunft und Zugehörigkeit wenden sich auf der Suche nach psychologischen Erkenntnissen und praktischer Anleitung zu mehr Lebensfreude der Kabbala zu. Solche Motive sind selbstverständlich nicht an geographische oder nationale Grenzen gebunden. Als ein Beispiel für diesen bedeutsamen Trend sind jüngst Wir sind der Kosmos sowie eine große Martin-Buber-Anthologie in einer japanischen Ausgabe erschienen. Die Übersetzer, die ich persönlich als intellektuelle Kollegen kenne, betrachten die jüdische Spiritualität als universell bedeutungsvoll und relevant. Eine solche Auffassung steht natürlich in exakter Übereinstimmung mit der traditionellen kabbalistischen Ansicht, wonach die Essenz der Menschenseele grenzenlos ist.

    Wenn das Interesse an jüdischer Mystik weiterhin international wächst, welche Entwicklungen mögen dann vor uns liegen? Es ist faszinierend, aber auch lohnend, darüber zu spekulieren, denn wie die Kabbala lehrt, ist die Fantasie eine kostbare und nützliche Kraft, um eine wünschenswerte Realität in die Tat umzusetzen. Aufgrund realistischer Beobachtungen und meiner Intuition komme ich zu folgenden durchaus verlockenden Vorhersagen:

    Erstens, ich bezweifle nicht, dass die umfangreiche kabbalistische Literatur aus allen Zeiten heutigen Leserinnen und Lesern in immer größerem Umfang zugänglich gemacht werden wird. Schon viel zu lange liegen diese Schriften – aus pulsierenden jüdischen Siedlungen vom Mittelmeer bis nach Osteuropa – im staubigen Dunkel. Eine neue Gelehrtengeneration ist bereits dabei, längst vergessene Schriften wieder ins Licht heutiger Aufmerksamkeit zu rücken. In ähnlicher Absicht verfassen Historiker neue Werke über das Leben jüdischer Mystiker, wie zum Beispiel über das des Baalschem, des Begründers des Chassidismus – oft unter Verwendung bisher unzugänglichen Primärquellen-Materials. Solche Wissenschaft bietet neue Einblicke in spirituelle Bewegungen, Trends und Aufbrüche, die für unsere dynamische Zeit höchst relevant sein könnten.

    Zweitens wird es wahrscheinlich mehr interdisziplinäre Forschung geben, und sei es nur deshalb, weil sie früher so selten war. Bemühungen, scheinbar so disparate Gebiete wie Psychologie und Geschichte – oder sogar Psychologie und Religion – miteinander zu verknüpfen, verliefen oft ineffektiv und sogar irreführend. Das schlimmste Beispiel aus moderner Zeit sind wohl die fehlgeleiteten Versuche von Freudianern, erhabenes religiöses Denken und religiöse Kreativität auf kleinliche Motive und dunkle unbewusste Triebe zurückzuführen. Glücklicherweise geriet diese entgeistigte und reduktionistische Sicht so gründlich in Misskredit, dass endlich neue Gelegenheit zu sinnvoller interdisziplinärer Forschung besteht. Die humanistische Psychologie mit ihrem Schwerpunkt auf unseren ungenutzten Potenzialen, Gipfelerlebnissen und höheren Fähigkeiten erscheint als ein besonders geeigneter Partner für ein solches Unterfangen.

    Drittens wird die jüdische Mystik infolge kulturübergreifender gegenseitiger Befruchtung wahrscheinlich selbst auf neue authentische Art und Weise wachsen. Die in unserer Zeit aufgekommenen neuen Technologien, etwa das Internet, sowie globale Reiseerleichterungen ermöglichen in einem in der Menschheitsgeschichte bisher ungekannten Umfang, dass uralte spirituelle Traditionen sich direkt begegnen und voneinander lernen können. So steckt zum Beispiel ein echter nachhaltiger Dialog zwischen Buddhismus und Kabbala immer noch in den Kinderschuhen. Es ist faszinierend zu spekulieren, welche dynamischen Erkenntnisse über Mensch und Welt aus diesem Austausch hervorgehen könnten. Ähnlich könnten auch aus der sich abzeichnenden Begegnung zwischen der Kabbala und den Neurowissenschaften (die heute scheinbar zu den unspirituellsten Gebieten zählen) bemerkenswerte Entdeckungen über unsere Innenwelt hervorgehen – etwa zu Eigenwahrnehmung und Träumen, Gefühlen und Intentionalität, Meditation, Intuition und ekstatischen Bewusstseinszuständen. Es ist durchaus möglich, dass die Erforschung der jüdischen Mystik auf neue wissenschaftliche Gebiete hinausläuft, die es heute noch gar nicht gibt – vielleicht zu Aspekten von Zeit und Raum.

    Wenn überhaupt etwas sicher ist, dann dass die jüdische Mystik viele aufregende Geheimnisse enthält, die nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden. Wir können unsere Suche an praktisch jedem beliebigen Ausgangspunkt beginnen; je stärker er die eigene Lebenserfahrung widerspiegelt, desto besser. Wenn diese Neuausgabe von Wir sind der Kosmos dazu beiträgt, das Interesse an derartiger Forschung zu wecken, dann hat sie ihren Zweck erfüllt.

    EINFÜHRUNG

    Die Kabbala war zwar lange Jahre dem Vergessen anheimgefallen, doch heute erlebt das Interesse daran offenbar eine wahre Renaissance. Bereits in den 1960er Jahren wurde mit der Wiederentdeckung der Bedeutung vieler alter spiritueller Traditionen auch der Reiz der Kabbala erneut spürbar. Immer mehr Menschen aus vielen verschiedenen Glaubensrichtungen fühlten sich zu diesem uralten Zweig des Judentums hingezogen. Auf der ganzen Welt findet zunehmend eine Auseinandersetzung mit diesem Fundus verborgener Weisheit statt. Für diesen ermutigenden Trend sind ganz offensichtlich mehrere interessante Entwicklungen verantwortlich.

    Vor allem gilt die Beschäftigung mit dem lose als „jüdische Mystik" bezeichneten Gebiet inzwischen als weitaus weniger zweifelhaft oder despektierlich. In weiten Teilen des 19. und 20. Jahrhunderts hätten jüdische Akademiker und andere Experten dieses Thema nicht angerührt – aus Angst, in den Ruf eines okkultistischen Dilettanten zu geraten. Vielleicht waren sich diese Wissenschaftler ihrer erst kürzlich und unter großen Mühen erworbenen Zulassung in die heiligen Hallen westlichen Universitätslebens noch nicht ganz sicher. Daher wollten sie auf gar keinen Fall öffentlich mit anscheinend abergläubischen, unwissenschaftlichen Inhalten in Verbindung gebracht werden. Zum Beispiel wissen wir heute, dass Freud kein geringes Interesse an der Kabbala hatte, seine Beschäftigung damit jedoch ein Leben lang absichtlich unter Verschluss hielt. Vom unverhohlenen Spott einiger jüdischer Rationalisten abgesehen, haben westliche Denker der Moderne diese Tradition komplett ignoriert.

    In neuerer Zeit beginnen jedoch überall auf der Welt Wissenschaftler mit erkennbar beeindruckenden Referenzen, sich intensiv um dieses Forschungsgebiet zu bemühen. Mit einer bisweilen an Verehrung grenzenden Hochachtung arbeiten sie daran, die längst vergessenen Schriften zu entdecken, zu analysieren und zu übersetzen. Auch wenn – wie die Forscher klar erkannt haben – die beeindruckenden Lehren der Kabbala nicht zum üblichen modernen Denken passen, sind es ihre Ideen trotzdem wert, ernst genommen und beachtet zu werden.

    Eine Folge moderner wissenschaftlicher Auseinandersetzung ist, dass das kabbalistische System dem heutigen Publikum nach und nach besser zugänglich gemacht wird. Manuskripte, die jahrzehntelang in staubigen Archiven abgelegt waren, werden jetzt im technischen Zeitalter wieder ans Licht gehoben. Zum ersten Mal können nun einige, wenngleich gewiss nicht alle, der wichtigsten kabbalistischen Schriften ohne jahrelange mühevolle religiöse Ausbildung gelesen werden. Dass an amerikanischen Colleges seit Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre das Fach „Judaistik Einzug hielt, hat die Neugier auf diese uralte jüdische Strömung weiter befördert. Angeleitet durch die Bücher von Martin Buber und Gershom Scholem, begannen Studenten, diesen faszinierenden Ansatz in seiner Tiefe und Tragweite zu erforschen. Auf diese Weise konnte das Studium der Kabbala bis in etablierte Intellektuellenkreise vordringen. Ein positiver Indikator hierfür ist, dass inzwischen seit etlichen Jahren an großen Universitäten Dissertationen über verschiedene Aspekte der kabbalistischen und der chassidischen Bewegung angenommen werden, und zwar auf Gebieten, die von der Literatur bis zur Psychologie reichen. Mehr noch, gegenwärtig räumen mehrere Fachzeitschriften diesem zuvor verunglimpften Thema regelmäßig Platz ein, und ihre „Dachorganisationen fördern Vorträge über dieses Thema bei nationalen Kongressen.

    Tatsächlich übt die Kabbala heute zunehmend Anziehungskraft auf Menschen aus, die sowohl das menschliche Bewusstsein als auch die sich anbahnende Synthese zwischen Wissenschaft und Mystik besser verstehen wollen. Im Laufe der letzten zehn bis fünfzehn Jahre haben Forscher in den alteingeführten spirituellen Traditionen wiederholt erstaunliche Erkenntnisse über unsere seelische und körperliche Struktur entdeckt. So erschienen zum Beispiel noch bis vor kurzem Geschichten über indische Yogis, die Puls, Atemfrequenz oder Körpertemperatur willentlich beeinflussen konnten, geradezu absurd. Doch in den heutigen Biofeedback-Labors und Praxen erlernen ganz normale Menschen ähnliche Leistungen manchmal innerhalb weniger Wochen. Auch die östlichen Meditationsformen zugeschriebene Heilwirkung galt als abergläubische Übertreibung. Doch heute verschreiben Ärzte und Heilpraktiker auf der ganzen Welt Patienten mit einem breiten Spektrum chronischer Krankheiten – wie etwa kardiovaskulärer Erkrankungen, Bluthochdruck und sogar Krebs – mit großem Erfolg Varianten der klassischen Meditation. Daher erscheinen die uralten spirituellen Disziplinen mit jedem Tag weniger praxisfern.

    Viele, die sich für die spannende Suche nach unserem höchsten Potenzial interessieren, kennen die Kabbala bis jetzt nur vage. Dennoch bietet uns die jüdisch-visionäre Tradition einen tiefen Einblick in das grundlegende Wesen des menschlichen Bewusstseins. So ist zum Beispiel ihre Sicht der Träume annähernd siebenhundert Jahre älter als die moderne Psychologie und doch in mancher Hinsicht heute etablierten Auffassungen um einiges voraus. Die kabbalistische Betonung von Gesang und Tanz als wirksamen Instrumenten der Heilung nimmt die heutige Musiktherapie vorweg. Ähnlich steckt in ihrem Modell alltäglicher und veränderter Bewusstseinszustände eine verblüffende Voraussicht der neuesten Theorien über die Funktionsweisen des menschlichen Geistes. Selbst da, wo sie scheinbar höchst spekulativ ist – etwa wenn es um das Wesen von Prophetie und Hellsichtigkeit, innere Vorgänge in der „Todesstunde" und den Fortbestand unseres Bewusstseins nach dem physischen Tod geht – werden ihre Aussagen von vielen innovativen Forschern zunehmend ernst genommen.

    Zugleich kommt heute ein wesentlicher Einfluss für die Verbreitung der Kabbala aus den Reihen des Judentums selbst. In der Gründungszeit Israels erläuterte der Großrabbiner für Palästina, Abraham Isaak Kook, viele Jahre lang Themen der jüdischen Mystik. Er erachtete die Sehnsucht nach dem Transzendenten für ein menschliches Grundbedürfnis und dessen Erfüllung für unser höchstes Ziel. Bis zu seinem Tod im Jahr 1935 predigte er außerdem die Einheit unseres körperlichen, emotionalen und spirituellen Selbst und sagte dabei zum Beispiel: „Die Melancholie verbreitet sich als bösartiges Leiden überall in Körper und Geist."¹ In den kommenden Jahren werden seine Lehren – von denen einige in neuerer Zeit ins Englische übersetzt und von seinem Sohn Zwi Jehuda Kook in Israel veröffentlicht wurden – die Kabbala zweifellos breiteren Kreisen verständlich machen.

    Chassidische Gruppen, insbesondere die Chabad-Lubawitsch-Bewegung, haben in den letzten Jahren gemeinsame Anstrengungen unternommen, die Juden zu erreichen, die auf der Suche nach einer gefestigteren spirituellen Identität sind und die der verbreitete, rein kulinarische „Bagels and Lox [Mohnbagel mit Frischkäse und Räucherlachs]"-Zugang zum Judentum unbefriedigt lässt. Chassidische Organisationen sprechen anscheinend Menschen, die bereits verschiedene östliche Meditationsformen praktiziert haben, besonders stark an. In den Chabad-Zentren (Chabad ist die formelle Bezeichnung der Lubawitscher Chassidim) der meisten großen nordamerikanischen Städte finden zunehmend öfter Kurse in „jüdischer Meditation" und esoterischer Psychologie statt. Ihr Schwerpunkt liegt in diesem Fall auf den Lehren ihres Gründers Rabbi Schneur Salman von Ladi, der Ende des 18. Jahrhunderts gelebt hat. Andere Programme verlangen weniger Hingabe als die der Lubawitscher, betonen aber in ähnlicher Weise die Einheit zwischen dem visionären Weg und gängigen jüdischen Werten.

    Die Kurse greifen in unterschiedlichem Ausmaß auf die Originaltexte zurück, haben aber alle zum Ziel, ihre Schüler in der Meditation nach klassischen kabbalistischen Methoden anzuleiten. Auch von offizieller jüdischer Seite wird inzwischen stellenweise eine Verbindung hergestellt zwischen jüdischer Esoterik und dem heutigen Wissensdurst in Bezug auf ekstatische Erfahrungen und unsere inneren kreativen Zustände. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die jüdische Reformbewegung, die sich vor nahezu zweihundert Jahren erhoben hat, um die – wie sie meinte – Rückständigkeit der Tradition zu bekämpfen, nun das Bedürfnis verspürt, der kabbalistischen Sicht wieder den ihr zustehenden Platz im Judentum einzuräumen. Ausdrücklich anerkennend, wie attraktiv autoritäre Sekten für manche junge Juden heute wirken, loben die Rabbiner jetzt die transzendenten Offenbarungen, die die Kabbala zu bieten hat. Noch vor einem Jahrzehnt wäre dies undenkbar gewesen.

    Kurzum, mehr denn je im technischen Zeitalter zeigen heute Menschen – sowohl in der säkularen Welt als auch in etablierten jüdischen Kreisen – Bewusstsein und Respekt für dieses uralte Wissenssystem. Seinen vollen Anschluss an die breitere jüdische Kultur oder an die innere Sehnsucht des Westens, der Zen-Buddhismus, Yoga und eine Unzahl östlicher Zugänge zur höheren Natur menschlicher Fähigkeiten bereitwillig aufgenommen hat, hat es jedoch noch nicht gefunden. Daher gibt es zwar buchstäblich Dutzende Bücher, die die genannten Disziplinen mit moderner Psychologie verbinden, doch kein einziges, das sich auf diese Weise mit der Kabbala beschäftigt.

    Das Hauptaugenmerk von Wir sind der Kosmos: Jüdische Mystik und moderne Psychologie liegt daher auf den psychologischen Aspekten der Kabbala; denn zu den Erkennungszeichen der jüdischen Mystik zählt auch die Betonung der Alltagsrelevanz der visionären Erfahrung. Wie zahlreiche Wissenschaftler festgestellt haben, will dieser Weg als eines seiner grundlegenden Ziele die Eingeweihten lehren, das göttliche Element ins alltägliche Tun und Lassen einzubringen. Nach einem Blick auf die historische Entwicklung und die metaphysischen Thesen der Kabbala werde ich mich mit Themen wie der kabbalistischen Sicht der menschlichen Gefühle, der Beziehung zwischen Körper und Geist, der Beschaffenheit unseres Bewusstseins und unseres Potenzials zur Selbsttranszendenz auseinandersetzen. Zum Schluss werde ich meine Erkenntnisse über kabbalistische Auffassungen zu so spannenden Fragen wie Parapsychologie, Leben nach dem Tod und Reinkarnation darlegen.

    Ein Hauptthema, das sich bei der Arbeit an diesem Buch herauskristallisiert hat – und in diesem Fall noch dazu zunächst völlig unbeabsichtigt war – ist die offensichtlich gegebene erstaunliche Übereinstimmung zwischen der Kabbala und anderen alten spirituellen Traditionen. Natürlich sind sehr wohl Unterschiede zwischen diesen weltweiten Disziplinen festzustellen, weitaus auffälliger erscheinen jedoch ihre Gemeinsamkeiten. Wenngleich sie sich in ihren Ideen zweifellos gegenseitig befruchtet haben, bin ich dennoch überzeugt, dass dieses Phänomen auch ein Hinweis auf die Möglichkeit zur Verallgemeinerung und Relevanz der Schlussfolgerungen ist, die in diesen Wissenssystemen vorzufinden sind. Außerdem war ich immer wieder beeindruckt von dem Optimismus und dem Vertrauen zum Unternehmen Mensch, die diesen jahrhundertealten Herangehensweisen gemeinsam ist. In einer schwierigen und verwirrten Zeit rückt die Bedeutung der uralten spirituellen Traditionen für die Menschheit immer drängender ins Bewusstsein.

    Mit ihrem grundsätzlichen Glauben an die Heiligkeit des Lebens, mit ihrer Betonung des Höheren in uns allen und mit ihrer unerschütterlichen ethischen Verankerung im Judentum enthält die Kabbala eine universelle und zeitgemäße Bedeutung.

    KAPITEL EINS

    Jüdische Mystiker: Sucher der Einheit

    Der Jude hat den Vorteil, die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins in seiner Geistesgeschichte vorweggenommen zu haben. Ich meine damit die … Kabbala.

    Carl Gustav Jung

    Wo die Philosophie endet, dort beginnt die Weisheit der Kabbala.

    Rabbi Nachman von Bratzlaw

    Der Begriff „Kabbala geht auf das Mittelalter zurück und kommt von der hebräischen Wortwurzel für „empfangen. Die Kabbala enthält ein umfassendes, detailliertes und schlüssiges Bild unserer Beziehung zur Welt. Metaphysische Abhandlungen von

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