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Con Vaal-Keres: Eine abenteuerliche Reise voller Gefahren
Con Vaal-Keres: Eine abenteuerliche Reise voller Gefahren
Con Vaal-Keres: Eine abenteuerliche Reise voller Gefahren
eBook661 Seiten10 Stunden

Con Vaal-Keres: Eine abenteuerliche Reise voller Gefahren

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Über dieses E-Book

Auf der mörderischen Jagd nach einem Verräter, welche Kyra Con Vaal-Keres und ihre Gefährten durch das ganz Land führt, geraten sie immer mehr in den Bann einer mächtigen Hexe, deren böse Machenschaften Kyras Heimat Zerylias in Finsternis und Verderben zu stürzen drohen. Aber auch Kyras Vergangenheit birgt ein düsteres Geheimnis, ein Mysterium, von dem sie selbst erst noch erfahren soll. So sieht sie sich schon bald mit weiteren Gegnern konfrontiert, die ihr zukünftiges Schicksal über viele Jahre hinweg besiegeln werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum28. Okt. 2019
ISBN9783750442979
Con Vaal-Keres: Eine abenteuerliche Reise voller Gefahren
Autor

Hubert Walser

Hubert Walser, geboren in Tirol ist freier Autor. Nach seinem Werk Con Vaal-Keres, einer Fantasygeschichte kehrt er mit einem Thriller zurück in die Gegenwart von Zerylias.

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    Buchvorschau

    Con Vaal-Keres - Hubert Walser

    sollte.

    11. Jahr der Herrschaft von

    Kaiser Markolitus ka-Art Sasur Laros VII

    im Jahr Mil609

    Kapitel 1 - Auf Geheiß des Jarls

    Syri, die seit Kurzem zur Dienerschaft von Kyra Con Vaal-Keres zählt, kommt aufgeregt die große Treppe des Palas auf Burg Vaals hinaufgelaufen.

    „Herrin, soeben wurde von einem Boten des Jarls ein wichtiger Brief abgegeben!", ruft sie mit einem fröhlichen Lächeln. Verdutzt bleibt Syri stehen, schaut sich in der kleinen Bibliothek um, kann Kyra aber nirgendwo sehen.

    „Herrin, wo seid ihr? Ich habe eine wichtige Nachricht für euch!", ruft Syri erneut.

    „Ich bin hier im Kaminzimmer. Woher wollt ihr wissen, dass es eine wichtige Nachricht ist?"

    „Weil es der Botenjunge gesagt hat."

    „Ah, der Botenjunge, erwidert Kyra schmunzelnd."

    Jetzt wo Syri vor Kyra steht und mit ausgestreckter Hand den Brief überreicht, färbt sich ihr Gesicht purpurrot.

    „Danke, mein Kleines. Wisst ihr, wo Liliana ist?"

    „Nein Herrin, aber ich kann sie für euch suchen", trillert Syri. Ohne auf eine Antwort zu warten, läuft sie schon wieder los, um kurz darauf mit der Köchin Nora zusammenzustoßen.

    „Pass doch auf du dummes Ding!", schimpft Nora und ruft ihr nach, wo das Wasser bleibe. Syri aber lacht nur, nimmt sich im Vorbeilaufen einen Apfel aus einer Schale und begibt sich auf die Suche nach Liliana. Kurz darauf findet sie Kyras Gefährtin hinter dem Palas bei der Schmiede nahe den Stallungen.

    „Liliana, unsere Herrin schickt mich, ihr sollt in die Bibliothek kommen, es geht um einen wichtigen Brief!"

    „Welchen wichtigen Brief?", fragt Liliana.

    „Den, den der Jarl geschickt hat."

    „Und was steht in dem Brief?"

    „Das weiß ich doch nicht."

    „Woher wisst ihr dann, dass er wichtig ist?"

    „Weil es – ich weiß es eben."

    „Aha, gut, dann mache ich mich auf den Weg zu unserer Herrin. Möchtet ihr mich begleiten?"

    „Ja gerne. Irgendwann möchte ich auch eine so gute Bogenschützin werden, wie ihr es seid. Könnt ihr mir das Bogenschießen beibringen? Natürlich nur, wenn es unsere Herrin erlaubt."

    „Sicher erlaubt uns das Kyra. Kommt, ich zeige euch, wie das geht. Auf diese Weise könnt ihr anfangen zu üben", sagt Liliana, als sie bei dem kleinen Schießstand vorbeikommen, der sich vor dem Eingang des Palas befindet. Liliana nimmt nun einen Armschutz und einen leichten Bogen, prüft Spannung und Sehne und gibt beides Syri.

    „Vergesst nie, euch vorher einen Armschutz anzulegen. Achtet darauf einen guten Stand zu haben, nehmt Pfeil und Bogen, schön langsam die Sehne spannen, tief einatmen, zielen und loslassen", erklärt Liliana. Schon saust der erste Pfeil in Richtung Zielscheibe, verfehlt diese aber, was bei Syri helles Lachen auslöst. Im selben Moment geht die Tür des Palas auf und Nora kommt, laut mit sich selbst schimpfend, heraus.

    „Dieser verdammte Köter hat schon wieder ein Stück von meinem besten Braten gestohlen! Arko, wo bist du, du verdammter Köter. Warte nur, bis ich dich ertappe, dann ziehe ich dir dein räudiges Fell über die Ohren!"

    Verdutzt bleibt Nora vor Liliana und Syri stehen, als sie die beiden erblickt.

    „Syri! Habe ich euch nicht gesagt, ihr sollt Wasser holen? Immer muss ich alles zweimal sagen! Hier, nimm den Eimer und bring mir Wasser! Wie soll ich sonst für unsere Herrin kochen?"

    Mit einem derart heftigen Schwung, dass Syri auf dem Hintern landet, drückt Nora ihr den Eimer in die Hände und verschwindet wieder in Richtung Küche.

    „Blöde Kuh, schimpft Syri, rafft sich auf und geht schmollend zum Brunnen. „Immer nur arbeiten, arbeiten, nichts als arbeiten, hört man sie laut ihren Unmut kundtun.

    „Schön euch zu sehen!, sagt Kyra mit besorgter Stimme, als Liliana die Bibliothek betritt. „Kommt, setzt euch zu mir! Möchtet ihr ein Glas Wein mit mir trinken?

    Ohne auf eine Antwort zu warten, stellt Kyra zwei smaragdgrün schimmernde Gläser hin und füllt sie aus einer Karaffe mit tiefrot leuchtendem Wein.

    „Jarl Gorwald bittet mich morgen zu ihm zu kommen. Würdet ihr mich begleiten?", fragt Kyra.

    „Natürlich komme ich mit. Bedrückt euch noch etwas?"

    „Der Jarl verlangt von mir, Haras Kerber nach Auland zu eskortieren. Ich will aber mein Anwesen nicht für so lange Zeit verlassen. Außerdem befürchte ich, dass Gorwald während meiner Abwesenheit unsere Burg zu übernehmen versucht. Mir ist zu Ohren gekommen, dass er seinen Herrschaftssitz verlegen will"

    „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, sagt Liliana. „Wie will er das vor dem Kaiser rechtfertigen?

    „Er würde es vermutlich als Treuebruch von mir ihm gegenüber darstellen. Ihr wisst ja, dass ich ihm meine Loyalität schwören musste, um mein Erbe antreten zu dürfen. Außerdem weiß ich noch nicht, wer mich auf dieser Mission begleiten soll. Ihr wisst selbst, die Reise nach Auland und zurück dauert mindestens sieben bis acht Monde!"

    „Und warum sollt ihr Haras nach Auland bringen?", fragt Liliana verwundert.

    „Ich weiß es nicht. Das steht nicht in dem Brief."

    „Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als unserem Jarl einen Besuch abzustatten. Hoffentlich kredenzt er uns nicht seinen selbst gemachten Wein. Der ist schrecklich sauer und schmeckt überhaupt nicht", murrt Liliana.

    „Da müssen wir wohl durch. Aber lasst uns über euch reden, sagt Kyra, nachdem sie einen Schluck Wein getrunken hat. „Wie geht es euch mit Kaim?

    Bei dieser Frage bekommt Liliana einen roten Kopf, was bei Kyra ein amüsantes Lächeln auslöst.

    „Kein Grund rot zu werden. Ihr beide passt gut zueinander."

    „Glaubt ihr? Und wie steht es mit euch?, fragt Liliana, um von sich abzulenken. „Wir kennen uns jetzt schon beinahe sieben Jahre. Meines Wissens habt ihr in dieser Zeit von keinem einzigen Mann gesprochen, der euer Herz erwärmen könnte. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man glauben, ihr mögt keine Männer! Vielleicht suche ich euch einen schönen Mann!

    Kyra zuckt nur mit ihren Schultern, ehe sie sagt: „Ich weiß nicht, mir ist im Moment nicht danach. Ich habe für einen Mann sowieso keine Zeit."

    „Keine Zeit? Für die Liebe muss man immer Zeit haben. Ihr wisst nicht, was ihr dabei alles versäumt!", schwärmt Liliana.

    „Ach ja? Erzählt mal, was versäume ich denn? Etwa kalte Füße im Bett oder lautes Schnarchen?", gibt Kyra trotzig zur Antwort.

    Am nächsten Morgen im kleinen Speisesaal des Palas, dem Haupthaus der Burg.

    „Wie viele Karaffen Wein haben wir gestern getrunken?", fragt Liliana müde.

    „Ich weiß es nicht, aber mein Kopf sagt zu viele."

    „Viel zu viele!, hört man Nora aus der Küche rufen. „Wenn ihr so weiter macht, sind bis zum Winter alle Weinfässer leer!

    „Ach Nora, schimpf doch nicht, das Leben ist viel zu kurz, um immer nur mürrisch zu sein! Ihr müsst euch auch mal etwas Gutes gönnen", meint Liliana. Nora gibt daraufhin nur einen griesgrämigen Laut von sich, ehe sie mit ihrer Arbeit fortfährt.

    „Es wird wohl das Beste sein, wenn wir uns gleich auf den Weg zu Jarl Gorwald machen! Die frische Luft wird uns sicher gut tun", meint Kyra nach dem Morgenessen.

    „Etwas stimmt heute nicht, sagt Liliana und schaut sich besorgt um, während sie auf den Weg zur Stadt sind. „Ein Drache!, ruft sie plötzlich und feuert auch schon den ersten Pfeil in Richtung des Monsters ab. Tosendes Brausen und Fauchen, geradeso als würde sich der Schlund der Unterwelt auftun, tönt durch das Tal. Feuer, Schwefel und Rauch verdunkeln die Sonne.

    „Ein Drache! Ein Drache!" Fassungslos und voll Furcht ergreifen die Bewohner des sonst so friedlichen Tales die Flucht, doch die Bestie scheint überall zu sein.

    „Hilfe, Hilfe! Hilft uns denn keiner?", schreien die flüchtenden Bauern angsterfüllt.

    „Jetzt davonlaufen und vielleicht doch noch ein Opfer dieses Monsters zu werden? Nein nicht mit mir! Da sterbe ich lieber mit meiner Waffe in der Hand. Vorher werde ich es diesem verdammten Ungeheuer noch so richtig zeigen", denkt sich Kyra. Danach begibt sie sich in ihren ersten Kampf mit einem Drachen. Furchtlos und entschlossen, mit einer Selbstsicherheit, die sie sonst so noch nie gespürt hat, spannt sie die Sehne ihres Bogens. Kurz darauf zischt auch schon ihr erster Pfeil dem Monster entgegen. Jetzt schießen auch Soldaten, die von der nahe gelegenen Burg herbeigeeilt sind, nach dem Drachen. Und tatsächlich, langsam zeigen die vielen Pfeile einen ersten Erfolg. Mit einem markerschütternden Getöse landet dieses Ungetüm Feuer speiend und wild um sich schlagend, in der Nähe des westlichen Wachturms. In diesem Moment ist der Drache zwar flugunfähig, aber dennoch um nichts weniger gefährlich.

    „Jetzt gibt es kein zurück mehr", sagt sich Kyra, zieht ihr Schwert und stürzt sich todesmutig in den Kampf. Liliana hingegen schießt einen Pfeil nach dem anderen diesem Ungeheuer entgegen.

    „Jetzt nur nicht von den riesigen Fangzähnen ertappt werden", denkt sich Kyra. Jeder Hieb, mit dem sie das ledrige, ja schon fast panzerartige Ungetüm trifft, scheint sie mehr und mehr zu stärken. Ein Gefühl der Macht und Entschlossenheit durchfährt ihren Körper bei jeder Wunde, die sie diesem Ungeheuer zufügt. Doch der Drache gibt sich noch lange nicht geschlagen. Mit seinem riesigen Schwanz, der mit fünf Stacheln besetzt ist, schleudert er zwei Soldaten, die von hinten einen Angriff wagen, zur Seite. Eine Feuerwalze aus seinem Maul versengt die umliegende Steppe. Als sich der Rauch verzieht, erhebt sich der Drache erneut in die Lüfte, um Feuer speiend sein Vernichtungswerk fortzuführen. Aber auch Kyra, Liliana und einige unerschrockene Soldaten geben nicht auf und zwingen dieses Monster abermals mit ihren Pfeilen zu Boden. Doch der Drache scheint hundert Leben zu haben, und diejenigen, die noch nicht die Flucht ergriffen haben, werden immer weniger.

    „Werden wir das schaffen, werden wir dieses Biest je zur Strecke bringen? Wenn mich jetzt nur nicht meine Kraft verlässt!", denkt sich Kyra fortwährend. Tosend, feuerrot und brennend heiß, ja fast schön, schießt im nächsten Moment eine Flammenwand aus dem Maul des Ungeheuers auf Kyra zu. Gerade noch in letzter Sekunde kann sie sich in eine Bodenmulde werfen, um nicht verbrannt zu werden.

    „Wenn er jetzt noch ein paar Schritte näherkommt, ist es aus mit mir", fährt es ihr durch den Kopf.

    Doch der Drache scheint plötzlich abgelenkt zu sein.

    „Wer stürzt sich noch in diesen fast aussichtslosen Kampf und eilt uns zu Hilfe", fragt sich Kyra, ehe sie sieht, wer ihre Rettung ist. Drei Schildmaiden, die später einmal zu ihren treuesten Gefährtinnen zählen werden, kämpfen genauso furchtlos wie entschlossen gegen dieses Monstrum an. Und siehe da, der Drache wirkt tatsächlich angeschlagen.

    „Jetzt nur nicht nachlassen, vereint müssen wir es schaffen!", sagt Kyra immer wieder, um sich selbst Mut zuzusprechen. Erneut bäumt sich der Drache auf, als wollte er sich noch größer machen. Doch es ist ein letztes Aufbäumen, welches den Drachen durchströmt, bis er schließlich leblos zu Boden kracht. In diesem Moment will noch niemand daran glauben, dass dieser Kampf vorbei ist. Vorsichtig nähern sich Kyra und einige unerschrockene Kämpfer dem Drachen, stets darauf vorbereitet, erneut angegriffen zu werden. Doch es ist vorbei. Der Drache ist besiegt.

    „Seltsam, dieses Gefühl, so ein Ungeheuer getötet zu haben, denkt sich Kyra, war es doch ihre erste Begegnung mit so einem Monster. Plötzlich kommt ihr ein schrecklicher Gedanke in den Sinn: „Liliana! Wo ist sie? Ist ihr etwas zugestoßen? Laut schreiend und bang vor Angst um ihre Gefährtin rennt sie zu jener Stelle, wo sie Liliana das letzte Mal gesehen hat.

    „Liliana, wo seid ihr? Liliana antwortet mir!", ruft Kyra verzweifelt. Jetzt erst sieht sie, wie vielen Menschen dieser Kampf das Leben gekostet hat. Hinter einem verkohlten umgestürzten Baumstamm findet sie schließlich ihre Gefährtin. Über ihrem rechten Auge klafft eine tiefe Wunde und ihr linkes Bein, welches Liliana fest umklammert, sieht auch nicht besser aus.

    „Was ist mit euch? Was ist mit eurem Bein?"

    „Nichts, nur ein Kratzer. Es geht schon wieder, ich brauche nur eine kurze Verschnaufpause", sagt Liliana, während sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zur Seite dreht.

    „Ihr seid doch verletzt. Lasst mich euer Bein sehen!", ruft Kyra. Ohne zu zögern, zieht sie ihren Dolch und schneidet Lilianas Hosenbein in Längsrichtung auf. Entsetzt starren beide auf die große Wunde, aus der Lilianas Herz ständig Blut pumpt. Inzwischen kommen die ersten Dienstboten aus der Burg, um zu helfen.

    „Ich brauche etwas zum Verbinden", ruft Kyra einer Dienstmagd zu, woraufhin diese ihrer Schürze zerreißt, um damit Lilianas Bein zu verbinden. Mittlerweile eilt auch Marula herbei, die sich als Heilerin gut auf Verletzungen aller Art versteht.

    „Helft mir, wir müssen Liliana in den Palas bringen!", ordnet Marula an, als sie die Verwundete am Boden liegen sieht. Behutsam wird Liliana, die inzwischen ihr Bewusstsein verlohen hat, auf die Burg gebracht. Dort gibt Marula sofort Anweisung, heißes Wasser und sauberen Leinenstoff zu bringen.

    „Alle anderen raus!", befiehlt sie, als sie damit beginnt, die Wunde zu untersuchen. Besorgt steht Kyra hinter Marula, obwohl sie weiß, dass Liliana in besten Händen ist.

    „Keine Sorge, das wird schon wieder. Es ist nur eine große Fleischwunde. Der Knochen ist nicht gebrochen", erklärt Marula, nachdem sie die Verletzung gesäubert und untersucht hat. Anschließend näht sie die offene Wunde gekonnt mit einer Nadel und einem feinen Garn zusammen.

    „Die Schramme über dem Auge sieht schlimmer aus, als sie ist, meint Marula anschließend. „Die müssen wir nur verbinden. So bleibt Liliana ein schönes Andenken an diesen Kampf.

    Kyra weicht für den Rest des Tages nicht mehr von der Seite ihrer Gefährtin. Etwas später, als es Abend wird, bringt ihr Nora eine Schale heiße Brühe und sagt: „Herrin, ihr müsst etwas essen, um bei Kräften zu bleiben."

    „Danke Nora, aber mir ist im Moment nicht nach Essen. Kann man schon sagen, wie viele diesen sinnlosen Kampf mit ihrem Leben bezahlen mussten?"

    „Fünf von unseren Soldaten und drei Bauersleute sind tot", kann Nora berichten.

    „Weiß man auch schon, wer die drei Unbekannten waren, die uns beim Kampf so unerschrocken beigestanden haben?"

    „Nein, die hat man hier noch nie gesehen. Jedoch sollen sie nach dem Kampf in Richtung Stadt gegangen sein, weiß Nora zu berichten. Es ist schon Mittag des nächsten Tages, als Liliana zum ersten Mal ihre Augen öffnet und sagt: „Ihr habt die Hose meiner besten Rüstung zerschnitten. Trotzdem bin ich glücklich, euch hier bei mir zu sehen.

    „Liliana bin ich froh, dass ihr wach seid! Trinkt einen Schluck Brühe, das wird euch Kraft geben! Habt ihr große Schmerzen?"

    „Nein, ich bin nur müde, antwortet Liliana. In diesem Moment kommt Marula in die Kemenate und meint mit besorgtem Blick: „Ihr habt noch einmal Glück gehabt! Es hätte nicht viel gefehlt und ihr währt verblutet. Hier, ich habe euch einen Tee gekocht. Trinkt ihn, damit der Schmerz nachlässt.

    Kyra stützt daraufhin Lilianas Kopf, während Marula ihr einen Schluck Tee zu trinken gibt und aufmunternd sagt: „Vertraut mir, morgen wird es euch wieder besser gehen."

    „Sicherlich, wenn ich euren Tee überlebe", erwidert Liliana, ehe sie zurück auf ihr Kissen sinkt. Kurz darauf schläft sie wieder ein. Durch das kleine Fenster der Kemenate fällt schon das erste Tageslicht, als Liliana die Augen öffnet. In ihrem Kopf scheinen hundert Pferde zu galoppieren und ihr Bein schmerzt. Doch als sie den Kopf zur Seite dreht, erblickt sie Kyra neben ihr.

    „Guten Morgen, wie geht es euch heute?", erkundigt sich Kyra sichtlich erleichtert.

    „Seid ihr die ganze Nacht hier bei mir gesessen?", fragt Liliana, worauf Kyra nur stumm mit einem sanften Lächeln antwortet.

    „Danke, sagt Liliana mit leiser Stimme. „Allerdings befürchte ich, ihr müsst heute ohne mich zum Jarl gehen. Richtet ihm bitte aus, dass ich untröstlich bin, weil ich seinen vorzüglichen Wein nicht probieren darf.

    „Keine Sorge, ich bringe euch welchen mit."

    „Nein, danke! Marula sagt, dass ich keinen Wein trinken darf, solange ich im Bett bleiben muss."

    „Ja, genau das habe ich gesagt. Dafür bringe ich euch meinen besonderen Tee", erwidert Marula, als sie Lilianas Kammer betritt.

    „Wie soll man da gesund werden? Fürchterlicher Wein, fürchterlicher Tee! Warum hat niemand Mitleid mit einer kranken und verletzten Frau?"

    „Ich sehe schon, bei Marula seid ihr in guten Händen. Ich muss euch jetzt leider verlassen. Der Jarl wartet sicher schon auf mich. Ach ja, bevor ich es vergesse: Ich soll euch einen Gruß von Kaim bestellen. Er hat sich gestern nach euch erkundigt."

    Wie ein Wirbelwind kommt plötzlich Tamara in die Kammer gelaufen und Marula kann sie gerade noch davon abhalten, sich auf Lilianas Bett zu werfen.

    „Tamara, Liebes, Liliana tut das Bein sehr weh, weshalb wir ganz vorsichtig mit ihr sein müssen! Verstehst du das?", fragt Marula das kleine Mädchen, worauf dieses mit einem Kopfnicken antwortet.

    „Weißt du, der böse Drache hat Liliana ins Bein gebissen."

    Tamara nickt abermals, nimmt Lilianas Hand und fragt: „Tut es fest weh, Tante Liliana?"

    „Nein, jetzt ist es schon viel besser", meint Liliana und lächelt Tamara an.

    „Ich bleibe heute bei dir, dann bist du morgen wieder gesund", meint das kleine Mädchen mit tröstenden Worten.

    „Nun gut, jetzt wo ich weiß, dass zwei so gute Betreuerinnen auf euch achten, kann ich ruhigen Gewissens zum Jarl gehen. Also, Tamara, gib mir gut Acht auf die beiden!"

    Auf dem Weg zu den Stallungen trifft Kyra Adi, der auf einem Steinsims sitzt und eine kleine Figur aus Holz schnitzt.

    Als er Kyra sieht, zeigt er stolz sein Meisterwerk und erklärt, dass er für Tamara eine Puppe anfertige. Adi ist ein Waisenjunge, dessen Eltern einen Bauernhof bewirtschafteten. Dieser gehörte zum Anwesen Vaals und wurde beim letzten Hochwasser, bei dem auch seine Familie ums Leben kam, völlig zerstört. Seitdem darf Adi auf Vaals leben und wünscht sich nichts sehnlicher, als Pferdewirt zu werden.

    „Adi, ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Geh zum Stallmeister und sag ihm, er soll mein Pferd satteln! Danach kannst du es zum großen Burgtor bringen. Ich muss dort mit Assmar noch etwas besprechen."

    Mit einem lauten „Juhu! macht sich der Junge überglücklich auf den Weg zu den Stallungen. Dabei erfüllt es ihn mit Stolz, für die Herrin der Burg Vaals das Pferd holen zu dürfen. Assmar At Temur ist nicht nur der erste Hauptmann der Wache, sondern auch einer von Kyras engsten Vertrauten, auf den sie sich immer verlassen kann. Bei der Zugbrücke der Toranlage findet sie Assmar, tritt zu ihm hin und sagt: „Der Jarl hat mich zu sich rufen lassen. Habt ihr in letzter Zeit etwas über eine Reise von Haras Kerber nach Auland gehört? Ich soll ihn dorthin begleiten.

    „Nein, aber in der Stadt geht das Gerücht um, dass Gorwald seine Tochter mit dem Sohn des Jarls von Auland verheiraten möchte. Vielleicht muss er dort die Hochzeit ausrichten."

    „Gut, jetzt kann ich mir vorstellen, warum ich Haras nach Auland bringen soll", antwortet Kyra. In diesem Moment führt Adi voller Stolz Kyras Pferd durch das Burgtor.

    „Danke mein Junge, das hast du gut gemacht!, sagt Kyra, als ihr Adi die Zügel übergibt. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schwingt sich Kyra auf ihr Pferd und reitet los. „Hoffentlich passiert heute nichts, denkt sie sich, als sie über die Steinbrücke reitet, die den Halsgraben zur Burg überspannt. Auf dem Weg in die Stadt beobachtet sie, wie einige Soldaten den toten Drachen mit Pferdegespannen wegschleifen.

    „Verdammt großes Ding", meint einer der vielen Zuschauer, die das Geschehen verfolgen. Ein anderer wiederum glaubt zu wissen, dass zwei neue Drachen geboren werden, wenn man einen tötet. Mit dem Pferd ist es nicht weit bis zur Stadt und es freut Kyra zu sehen, dass wieder Normalität einkehrt. Die Bauern sind längst zurück auf ihren Feldern und Äckern, und einige fahrende Händler preisen wie gewohnt ihre Waren am Straßenrand an.

    „Vielleicht kann ich in der Stadt etwas über die drei Frauen in Erfahrung bringen, die uns gestern beim Kampf gegen den Drachen unterstützt haben. Aber zuerst muss ich zum Jarl, denkt sich Kyra, während sie auf das Stadttor zureitet. Auch in Meretos ist der Alltag wieder eingekehrt und niemand kümmert sich um die Reiterin in den engen Gassen. Erst als sie auf das Tor des Herrschaftssitzes zureitet, fragt eine Wache, was sie hier wolle. Als der Soldat aber erkennt, wer im Sattel sitzt, wird Kyra sofort das Tor geöffnet. Hinter dem Tor erstreckt sich ein weitläufiger Hof, auf dem reges Treiben herrscht. Soldaten üben sich im Schwertkampf, bei der Schmiede wird ein Wagenrad repariert und aus der hintersten Ecke hört man ein Schwein quieken, welches zum Schlachten aus dem Stall geführt wird. Vor den Pferdestallungen, aus denen ein Knecht kommt, steigt Kyra vom Pferd, gibt diesem die Zügel in die Hand und sagt: „Nehmt mein Pferd und gebt ihm zu saufen. Ihr braucht es aber nicht abzusatteln, ich reite so bald als möglich zurück zur Burg!

    Als Kyra die schwere Tür zum Herrschaftshaus aufschiebt, kommt ihr ein Diener des Jarls entgegen, verneigt sich und sagt: „Herrin Con Vaal-Keres, der Jarl erwartet euch bereits. Bitte folgt mir in den Rittersaal!"

    In der Vorhalle begegnen sie Lira, Gorwalds Tochter, die mit lautem Gelächter um die Ecke biegt.

    „Lira, wartet nur, bis ich euch zu fassen bekomme, dann wird euch das Lachen schon noch vergehen!", hört man ihre Kammerzofe aus dem Zimmer schimpfen. Mit einem lauten Quietschen öffnet der Diener die Tür zum Rittersaal, wo Jarl Gorwald breitbeinig hinter einem Tisch sitzt, der in der Mitte des Raumes steht.

    „Ah, da seid ihr ja! Kommt herein und setzt euch, ich habe schon auf euch gewartet. Wie mir berichtet wurde, habt ihr gestern meinem Land und der Stadt einen großen Dienst erwiesen. Mein Dank sei euch gewiss, obwohl meine Männer dieses Monster sicherlich auch zur Strecke gebracht hätten."

    „Jarl Gorwald, ihr habt mich rufen lassen. Was kann ich für euch tun?", fragt Kyra, um sich Gorwalds Überheblichkeit ihr gegenüber nicht länger anhören zu müssen.

    „Setzt euch und probiert zuerst meinen Wein!", wiederholt sich Gorwald. Mit einer Handbewegung bedeutet er seinem Mundschenk, Kyra einen Kelch mit Wein zu kredenzen.

    „Wo ist Haras? Geht und meldet ihm, dass Kyra Con Vaal-Keres bereits eingetroffen ist", befiehlt Gorwald schroff seinem Mundschenk. Kurz darauf erscheint Haras Kerber.

    „Ihr habt mich rufen lassen, Jarl Gorwald?"

    „Natürlich habe ich das, setzt euch! Also: Ich habe beschlossen, dass es für meine Tochter Lira an der Zeit ist, vermählt zu werden. Torsten, Mogal Art Koruss Sohn scheint mir eine gute Wahl zu sein. Aus diesem Grund werdet ihr, Haras, nach Auland reisen und an meiner Stelle mit Jarl Mogal die Bedingungen aushandeln. Kyra Con Vaal-Keres wird euch begleiten, damit ihr sicher nach Auland kommt."

    „Mit Verlaub Jarl Gorwald: Ihr habt selbst genügend Soldaten die in eurem Dienst stehen, um Haras nach Auland zu begleiten. Aus welchem Grund soll ich diese beschwerliche Reise antreten?", entgegnet Kyra sofort.

    „Weil ich das so will! Und ihr, Haras, braucht nicht zu fragen, warum! Ich bin der Jarl. Ich bestimme, was zu tun ist!"

    „Glaubt ihr nicht, dass Lira mit neun Jahren zu jung für eine Heirat ist?", hakt Kyra nach.

    „Keineswegs! Außerdem ist es in meinem Sinne, das Haus Gorwald mit dem Haus Koruss zu vereinen. Morgen in drei Tagen brecht ihr auf. Ihr alle dürft euch jetzt entfernen! Ihr habt sicher noch einiges vorzubereiten!"

    Mit einer Handbewegung, als wollte er sie aus dem Raum fegen, signalisiert Gorwald seinem Gast und Haras zu gehen. Auf dem Flur begegnen sie Lusara, Gorwalds Frau, die Kyra besorgten Blickes bittet, ihr zu folgen.

    „Kyra, meine Liebe, ihr habt ja gehört, was mein Mann mit unserer lieben Tochter vorhat. Ich weiß, ihr könnt das nicht verhindern, nur traue ich Haras nicht. Ich habe das seltsame Gefühl, er führt etwas Böses im Schilde. Etwas, das meiner Familie, Lira oder auch euch schaden könnte. Aus diesem Grund bitte ich euch, vorsichtig zu sein!"

    „Da mir sowieso nichts anderes übrig bleibt, als Haras nach Auland zu begleiten, werde ich ihn im Auge behalten. Ich kann euch aber nichts versprechen", antwortet Kyra.

    „Natürlich nicht. Trotzdem danke ich euch schon im Voraus. Wie geht es eurer Freundin Liliana? Ich habe gehört, dass sie bei dem Drachenangriff schwer verletzt wurde?"

    „Sie hat noch einmal Glück gehabt. Ihre Verletzungen sind nicht lebensgefährlich. Allerdings wird sie das Bett eine Zeit lang hüten müssen."

    „Entbietet ihr meine besten Grüße! Sie möge schnell wieder genesen", sagt Lusara.

    „Danke, das werde ich ausrichten."

    „Gut, dann halte ich euch nicht länger auf. Ihr habt sicherlich noch viele Vorkehrungen für eure Reise zu treffen."

    Auf dem Weg zu den Pferdestallungen will Kyra ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: „Wie soll ich in so kurzer Zeit eine Reise nach Auland vorbereiten? Im Übrigen wollte ich auch noch nach den drei Frauen suchen, die uns gestern beim Kampf gegen den Drachen beigestanden haben. Es wird wohl am besten sein, wenn ich zuallererst in Loras Schenke gehe. Mir knurrt ohnehin schon der Magen vor Hunger."

    „Lasst es euch schmecken", sagt Lora, als sie das von Kyra bestellte Essen und einen Krug Wein bringt.

    „Danke. Habt ihr kurz Zeit für ein Gespräch?", fragt Kyra.

    „Natürlich, wie kann ich euch helfen?"

    „Wisst ihr etwas von drei Frauen, die seit Kurzem hier in der Stadt sein sollen?"

    „Wenn ihr jene Drei meint, die gestern mit euch gegen den Drachen gekämpft haben – ja, die sollen sich bei Tinwei einquartiert haben. Seid aber vorsichtig! Man erzählt sich jetzt schon in der Stadt seltsame Dinge über sie."

    „Was für Dinge sollen das sein?"

    „Naja, ihr wisst schon, drei Frauen allein bei Tinwei. Darüber hinaus sollen sie so gut wie ein Mann mit dem Schwert umgehen können. Und überhaupt: Frauen mit Waffen? Das passt irgendwie nicht so recht!"

    „Warum? Ich trage doch auch eine Waffe."

    „Das ist etwas anderes. Ihr seid die Herrin von Vaals. Euch gebührt es, eine Waffe zu tragen. Jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss wieder an meine Arbeit."

    Kyra lässt sich das Essen schmecken, trinkt ihren Wein und bleibt noch einen Moment sitzen. Anschließend legt sie eine Münze auf den Tisch und macht sich auf den Weg. Draußen ist es schon dunkel und der Nordwind erfrischt ihren Geist.

    „Wie friedlich die Stadt ist, wenn sie schläft! Ein paar Schritte werden mir jetzt sicher guttun", denkt sie sich. Kurz darauf steht Kyra vor der Tür des Spinnhauses, dem sein Besitzer den Namen einsamer Ritter gegeben hat. Aus der Schenke, oder was auch immer dieses Haus sein mag, dringen laute Musik und Gelächter.

    „Woher kommt eigentlich dieser seltsame Name für eine Schenke? Da muss ich mich einmal beim Besitzer erkundigen. Aber vorher wäre es mir wichtiger, wenn ich meine drei unbekannten Kampfgefährtinnen von gestern antreffen würde", sagt Kyra zu sich selbst.

    Als Kyra anschließend die Tür öffnet und eintritt, schlägt ihr eine Wolke aus Bratenduft, Bierdunst und allerlei andere Gerüche entgegen. Hinten in dem großen Raum, von dem eine Treppe in den oberen Stock führt, erblickt sie eine von den drei Frauen. Gunar der Barde beginnt gerade mit einer Lobeshymne auf Kyra, die Retterin von Meretos, als sie einer der Gäste erkennt.

    „Ein Hoch auf unsere Retterin!", ruft der schon angetrunkene Mann und hebt seinen Krug, um sogleich rücklings mit dem Stuhl umzufallen. Dies wiederum löst bei so manchem Gelächter aus und lenkt von Kyras Anwesenheit ab. Es dauert eine ganze Weile, bis sie sich in dem verrauchten und überfüllten Raum zum Tisch der drei Frauen durchzwängen kann.

    „Ah, unsere Drachenbezwingerin! Kommt und setzt euch zu uns, wir haben etwas zu feiern! Oder wie seht ihr das?, begrüßt sie Anja. Auf eine derart freundliche Einladung war Kyra nicht gefasst und so sagt sie: „Seid gegrüßt, edle Schildmaiden. Ich bin Kyra Con Vaal-Keres und wollte mich noch bedanken. Ohne eure Hilfe wäre der gestrige Kampf gegen den Drachen wohl anders ausgegangen!

    „Naja, wir hatten nichts zu tun, also haben wir uns gedacht, warum nicht? Es ergibt sich nicht jeden Tag die Möglichkeit, gegen einen Drachen zu kämpfen. Oh entschuldigt, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt: Also, ich bin Anja De Portur, das ist Deleilah und dieser Blondschopf dort drüben heißt Erin At Farber. Wir sind nur auf der Durchreise und haben kein bestimmtes Ziel. Wie aber seid ihr dazu gekommen, sich mit so einem Monster anzulegen?"

    „Ich bin die Herrin der Burg Vaals und der dazugehörigen Ländereien. So gesehen war es meine Pflicht, mein Eigen und das Leben meiner Gefolgsleute zu schützen", erklärt Kyra, ehe sie Tinwei an ihren Tisch ruft.

    „Bringt uns noch einen Krug von eurem besten Wein, wir haben etwas zu feiern. Außerdem geht die Rechnung meiner Kampfgefährtinnen heute auf mich."

    „Ihr wisst aber, wie man sich Freunde macht! Erzählt mal, wie verbringt eine Burgherrin ihre Zeit, wenn sie nicht gerade mit einem Drachen kämpft?", fragt Erin.

    „Wie schon gesagt: Mir gehört das Anwesen Vaals, zu dem einige Gutshöfe gehören. Die Verwaltung dieser Liegenschaft erfordert eine Menge an Arbeit. Außerdem geben meine Soldaten anderen Grafen und Edelleuten gelegentlich Geleitschutz, wenn diese sich auf Reisen nicht sicher fühlen."

    „Ich könnte mir vorstellen, dass so ein Geleitschutz vielleicht auch etwas für uns wäre. Wir könnten gut etwas Gold für unsere Reisekasse gebrauchen. Allerdings liegt es uns fern, euch ins Handwerk zu pfuschen. Also keine Sorge, wir werden bestimmt keine Konkurrentinnen werden, meint Erin gelassen. Anja hingegen ist der Meinung, dass sie so eine Aufgabe schon reizen würde. Also erkundigt sie sich bei Kyra, ob sie gegenwärtig einen derartigen Auftrag habe, den sie vielleicht abgeben möchte. Kyra zögert einen Moment, ehe sie sagt: „Ja, ich habe solch einen Auftrag. Dieser setzt aber eine längere Reise voraus, die ich unter keinen Umständen antreten möchte.

    „Wo liegt dann das Problem?", fragt Deleilah.

    „Mir ist nicht nach einer Reise nach Auland. Ich will nicht so lange fort sein. Aber es nützt nichts, der Jarl hat es befohlen, und deshalb bleibt mir keine andere Wahl."

    „Und warum können das nicht eure Soldaten erledigen?", möchte Anja wissen.

    „Weil der Jarl ausdrücklich darauf besteht, dass ich einen seiner Männer nach Auland bringe. Außerdem verlangt er von mir, dass wir schon in drei Tagen aufbrechen. Zu allem Überdruss ist mir Liliana, meine engste Vertraute und Begleiterin ausgefallen. Sie wurde gestern bei dem Drachenkampf schwer verletzt. Es geht ihr zwar den Umständen entsprechend gut, aber an eine Reise ist in nächster Zeit nicht zu denken. Wie wäre es mit euch? Hättet ihr nicht Lust in meinen Dienst zu treten? Ich muss euch aber warnen: Die Reise nach Auland dauert mindestens drei oder vier Monde und ist nicht ungefährlich. Außerdem ist Haras Kerber, so der Name des Mannes, den ich dorthin begleiten soll, ein richtiges Scheusal, das niemand mag. Des Weiteren werden wir die meiste Zeit unter freiem Himmel schlafen müssen."

    „Gibt es auch etwas Positives das ihr uns sagen könnt?", möchte Deleilah wissen.

    „Sicher. Jeder der in meinen Dienst tritt bekommt eine neue Rüstung, Waffen nach seiner Wahl und erhält die Hälfte des Soldes im Voraus. Dies verpflichtet jeden, der damit einverstanden ist, mir für die Dauer der Reise zu folgen."

    „Klingt gut, wann brechen wir auf? Ich bin dabei! Wie seht ihr das – Erin – Anja?", meint Deleilah dazu.

    „Natürlich sind wir dabei! Wir können euch doch nicht allein gehen lassen. Wer weiß, was ihr sonst noch anstellt. Vorausgesetzt, die Herrin von Vaals kann uns als Schildmaiden gebrauchen."

    „Gute Kämpfer kann ich in meiner Truppe immer gebrauchen. Und dass ihr gut kämpfen könnt, habt ihr gestern eindrucksvoll bewiesen. Jetzt aber werde ich mich auf den Weg zurück zu meiner Burg machen. Falls ihr daran Interesse haben solltet, begebt euch morgen zum Westtor der Burg. Ich werde Assmar, meinem Hauptmann Bescheid geben."

    „Guten Morgen, wie geht es euch heute? Habt ihr noch große Schmerzen?, fragt Kyra, als sie am nächsten Tag bei Liliana vorbei schaut. Ihre Freundin blickt dabei noch ganz verschlafen aus dem Bett und meint: „Abgesehen davon, dass mich Marula ständig mit ihrem Tee zu vergiften versucht, geht es mir recht gut. Außerdem juckt es mich in den Zehen, mich in den Sattel zu setzen, um einen prächtigen Hirsch zu jagen.

    „Das mit dem Vergiften habe ich gehört!", ertönt es schroff aus der Küche.

    „Ist doch so! Warum kann euer Tee nicht nach Honigwein schmecken?"

    „Weil es dann keine Medizin mehr ist. Und wer krank ist, bekommt keinen Wein, sondern Medizin!"

    „Seht ihr liebste Freundin, wie ich geknechtet werde? Wie soll ich jemals wieder gesund werden? Aber erzählt, wie war es gestern beim Jarl?", meint Liliana mit einem Lächeln.

    „Er verlangt von mir, dass ich Haras nach Auland begleite. Dort soll er die Vermählung von Gorwalds Tochter Lira mit dem Sohn von Mogal Art Koruss ausrichten. Außerdem will er, dass ich schon übermorgen aufbreche."

    „Das geht nicht. Wer soll euch begleiten?", wirft Liliana ein.

    „Erinnert ihr euch an die Hilfe, die wir von den drei Schildmaiden beim Kampf gegen den Drachen bekommen haben?"

    „Natürlich. Was aber haben die mit unserer Reise zu tun?"

    „Ich habe gestern die drei Frauen im Spinnhaus getroffen und sie gefragt, ob sie nicht Interesse hätten, in meinen Dienst zu treten und mich als Söldnerinnen zu begleiten. Wie es aussieht, haben sie keine Einwände. Ihr hingegen werdet während meiner Abwesenheit meine Aufgaben übernehmen. Assmar und Kaim bleiben auch hier. Swen, Talar, Marula und Tristan kommen mit mir. Wenn alles gut geht, hoffe ich bis zum Winter wieder zurück zu sein, erklärt Kyra. Plötzlich kommt Syri aufgeregt in die Kemenate gelaufen: „Herrin, Herrin! Beim Burgtor stehen drei unbekannte Frauen, die mit euch sprechen möchten.

    „Danke Syri, das sind meine neuen Söldnerinnen, die mich vielleicht nach Auland begleiten werden. Geh und geleite sie einstweilen in den Palas, und sag Nora, dass wir Gäste haben. Ich komme gleich nach."

    „Ich hoffe nur, dass diese Fremden auch zuverlässig sind. Wir wissen so gut wie nichts über sie. Die Reise nach Auland ist kein Honiglecken. Außerdem werdet ihr mir fehlen. Und nehmt euch vor Haras in Acht, ich traue diesem Mann nicht! Er ist kein guter Schwertkämpfer, aber für einen Meuchelmord würden seine Fähigkeiten auf jeden Fall ausreichen. Und wenn er schon nicht mit dem Schwert umgehen kann, so ist er ein ausgezeichneter Bogenschütze. Er kann auf dreißig Fuß einen Raben im Flug treffen", warnt Liliana.

    „Sorgt euch nicht, ich werde schon aufpassen. Mit euch als einstweilige Herrin von Vaals weiß ich, dass ich mir während meiner Abwesenheit um meine Burg keine Sorgen machen muss. Jetzt aber muss ich mich um meine Gäste kümmern."

    „Gäste?", fragt Liliana verwundert.

    „Noch stehen diese Frauen nicht in meinem Sold. Also sind sie meine Gäste. Ich schau später noch einmal bei euch vorbei. Genießt den Tee, solange Marula noch hier ist."

    Im Speisesaal warten bereits Anja, Erin und Deleilah. Nora kommt ebenfalls gut gelaunt mit einem großen Tablett voller Köstlichkeiten und sagt: „Endlich haben wir Gäste! Es kommt sonst nie jemand zu Besuch, dem ich mit meiner Kochkunst verwöhnen kann. Dabei koche ich doch so gerne!"

    „Schön, dass ihr gekommen seid. Bitte setzt euch. Ich hoffe, ihr habt etwas Hunger mitgebracht, damit wir unsere Nora glücklich machen können. Ich werde euch jetzt noch einmal meine Auflagen erläutern. Danach könnt ihr endgültig entscheiden, ob ihr damit einverstanden seid und in meinen Dienst treten wollt."

    Kurz erklärt Kyra ihre Bedingungen, und es dauert nicht lange, bis der Vertrag mit einem Handschlag besiegelt wird. Anschließend zeigt Kyra ihren drei neuen Gefährtinnen die Burg, ihre Quartiere und stellt sie den wichtigsten Leuten vor. Als sie bei ihrem Rundgang an Vetter Lohrs Schmiede vorbeikommen, sagt Kyra zu diesem: „Vetter Lohr, hier sind drei neue Söldnerinnen. Könnt ihr sie bis übermorgen mit neuen Rüstungen und Waffen ausstatten? Sie stehen seit heute in meinem Dienst und werden mich nach Auland begleiten."

    „Natürlich kann ich das. Wir haben in unserer Rüstungskammer immer genügend Waffen und Rüstungen auf Vorrat", meint Vetter Lohr seinen Blick bewundernd zu Deleilah gerichtet.

    „Gut, dann werde ich euch jetzt mit unserem Schmied und Waffenmeister allein lassen, sagt Kyra. „Ich muss noch einiges erledigen. Sucht euch aus, was ihr benötigt oder was euch gefällt.

    Als Kyra am Abend des übernächsten Tages im Rittersaal des Herrenhauses mit dem Jarl zusammentrifft, erkundigt sich dieser erwartungsvoll: „Habt ihr eure Reise vorbereitet? Ich bestehe darauf, dass ihr euch baldigst auf den Weg macht."

    „Jarl Gorwald, es ist alles in die Wege geleitet für die Reise nach Auland. Morgen früh, wenn der Hahn das erste Mal kräht, brechen wir auf. Sorgt bitte dafür, dass Haras rechtzeitig beim westlichen Wachturm ist und seine eigene Verpflegung bei sich hat! Es steht ihm frei, auf seinem Pferd zu reiten oder auf einem meiner Wagen mitzufahren. Ich hoffe, dass wir in gut einem Mond den Todespass erreichen. Danach werden noch 65 oder ein paar Tage mehr vergehen, bis wir in Auland sind. Haras bleiben sechs Tage, um alles zu erledigen. Spätestens nach sieben Tagen brechen wir auf, damit wir noch vor dem ersten Schneefall den Todespass überqueren können."

    Zurück auf ihrer Burg möchte Kyra mit ihren Gefährten, welche sie begleiten werden, noch einmal alle wichtigen Punkte besprechen. Swen, der schon seit einiger Zeit Marula den Hof macht, soll dieser in gefährlichen Situationen beistehen, weil sie nie darin ausgebildet wurde, mit einer Waffe umzugehen. Dennoch möchte Kyra während dieser Reise nicht auf Marulas Heilkünste verzichten. Tristan und Talar werden die beiden Wagen lenken. Ihre neuen Söldnerinnen Anja, Erin und Deleilah geben dem Tross Geleitschutz."

    Kapitel 2 - Der Aufbruch

    Wer hat bestimmt, dass wir beim ersten Hahnenschrei aufbrechen! Es regnet, und mir ist kalt! Kyra Con Vaal-Keres, kommt sofort zu mir!", brüllt Haras.

    „Soll ich ihm gleich eins auf Maul geben? Oder nehmen wir ihm sein Pferd? Dann kann er laufen, damit ihm warm wird. Außerdem wie redet er mit euch. Nur weil er der Berater des Jarls ist, gibt ihm das noch lange nicht das Recht, auf den euch gebührenden Respekt zu verzichten", meint Swen. Kyra schüttelt nur den Kopf, wendet ihr Pferd und reitet zu Haras.

    „Haras Kerber, ihr habt hier überhaupt nichts zu befehlen! Ich leite diesen Tross! Wenn es euch nicht passt, könnt ihr liebend gern allein reiten! Also zügelt eure Stimme und tut, was man euch befiehlt! Noch so ein Ausrutscher und ihr werdet die Konsequenz daraus tragen müssen."

    Ohne auf eine Antwort zu warten, setzt sich Kyra an die Spitze des kleinen Wagenzuges und gibt das Kommando zum Aufbruch. Nach ein paar Meilen gesellt sich Anja neben sie.

    „Was habt ihr zu Haras gesagt, weil er plötzlich so ruhig ist? Oder ist er beleidigt?"

    „Was könnte uns Besseres passieren, als wenn er mit uns bis Auland nicht mehr sprechen würde?", gibt Kyra grimmig zurück.

    „Mit welchen Überraschungen rechnet ihr eigentlich? Banditen, Drachen, Gesetzlose?"

    „Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es eine zermürbende Reise wird. Aber erzählt mir doch etwas von euch. Woher kommt ihr eigentlich?", möchte Kyra wissen.

    „Ich habe bis vor ein paar Jahren in Dreiseental gelebt, wo ich auch geboren wurde. Mehr gibt es über mich nicht zu berichten."

    „Ihr sprecht wohl nicht gerne über eure Vergangenheit. Sehe ich das richtig?"

    „Nein ich spreche nicht gerne über meine Vergangenheit, aber ich werde euch sicher noch von mir erzählen. Nur nicht jetzt."

    „Wie ihr meint. Reitet ein Stück voraus! Vielleicht könnt ihr etwas Wild für den Abend erlegen. In einer Stunde machen wir die erste Mittagsrast!"

    Ohne ein weiteres Wort, aber mit einem Nicken der Zustimmung, gibt Anja ihrem Pferd die Fersen. Der Regen hat indes aufgehört und die Wolken lockern auf. Nach gut einer Stunde kommt Anja mit einem erlegten Reh zurück.

    „Unser Nachtmahl", sagt sie und präsentiert stolz ihre Jagdbeute.

    „Gut, dann machen wir Halt, um uns zu stärken, bestimmt Kyra. Jeder weiß sofort, was er zu tun hat. Nur Haras bleibt im Sattel sitzen. Verächtlich blickt er den anderen bei ihrer Arbeit zu. Bei dieser Mittagsrast gibt es nichts anderes als etwas Dörrfleisch und Brot, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Als sie wenig später aufbrechen, brüllt Haras zornig: „Wo bleibt mein Mittagessen?

    Niemand schenkt ihm auch nur die geringste Beachtung, was ihn noch wütender macht. Kyra weist ihn daraufhin mit folgenden Worten zurecht: „Ihr werdet hier nicht bedient Haras Kerber! Schlimm genug, dass wir für eure Verpflegung sorgen müssen. Die nächste Rast machen wir am Abend. Jetzt aber reiten wir los."

    Bis zum ersten Nachtlager kommen sie gut voran. Schnell ist ein Lagerfeuer entfacht und das Reh, welches Anja erlegt und aufgebrochen hat, wird über dem Feuer gebraten. Nur widerwillig gesellt sich Haras zu ihnen, um sich ebenfalls zu stärken.

    „Morgen seid ihr an der Reihe, das Holz für das Feuer zu suchen", sagt Kyra zu Haras, als er sich ein Stück vom gebratenen Reh nimmt.

    „Ich werde die erste Nachtwache übernehmen. Swen, ihr löst mich nach Mitternacht ab. Sobald der Morgen graut, setzen wir unsere Reise fort!", entscheidet Kyra. Es wird eine kalte Nacht und am Morgen ist jeder froh, dass es weitergeht.

    Der Tag beginnt nebelig, und es regnet schon wieder. Erst am Nachmittag hört der Regen auf und langsam kommt die wärmende Sonne zum Vorschein. Haras, der sich schon am zweiten Tag über die unkomfortable Art des Reisens mit dem Pferd beschwert hat, sitzt seit der Mittagsrast auf einem der Wagen.

    „Was denkt ihr, fragt Anja, „tut dem armen Haras heute der Allerwerteste weh? Oder hat er ihn sich jetzt schon nach dem ersten Tag wund geritten?

    „Hoffentlich bleibt er auch in Zukunft auf dem Wagen, damit wir unsere Ruhe haben ", sagt daraufhin Kyra.

    „So ein Weichling von Mann, der es keine zwei Tage im Sattel aushält! Der wäre nichts für mich", meint Anja.

    „Warum? Wie müsste ein Mann nach eurer Vorstellung sein, mit dem ihr es aushalten könntet?", erwidert Kyra.

    Anja denkt kurz nach und hält den Kopf etwas zur Seite, um zu erklären, wie der Mann ihrer Träume aussehen soll, als Talar von der Spitze des Trosses zurückruft: „Reiter voraus!"

    Es ist zwar auf dieser Straße nichts Ungewöhnliches, dass man anderen Reisenden begegnet, jedoch kommen diese in vollem Galopp auf sie zu. Als Kyra und ihre Gefährten auch noch sehen, dass die Reiter ihre Schwerter gezogen haben, greifen sie ebenfalls zu ihren Waffen. Sogar Haras macht sich mit Pfeil und Bogen auf seinem Wagen bereit.

    „Jetzt wird sich zeigen, ob Haras vom Kämpfen etwas versteht, oder nur eine große Klappe hat!", meint Anja noch schnell, bevor sie ihren Bogen spannt und seitlich der Straße auf einen herangaloppierenden Reiter anlegt. Als dieser drei Pferdelängen von ihr entfernt ist, lässt sie die Sehne ihres Bogens los. Im nächsten Augenblick durchbohrt ihr Pfeil den Hals des Mannes.

    „Verdammter Narr", denkt sie sich dabei, während sie auf den nächsten Reiter anlegt. Dieser kann aber ihrem Pfeil ausweichen und steht nach einem Sprung vom Pferd vor ihr. Rasch zieht Anja ihr Schwert, um kampfbereit auf ihren Gegner zu treffen. Dieser Mann scheint jedoch ein erfahrener Schwertkämpfer zu sein, der ihre Angriffe gekonnt zu parieren versteht. Hieb für Hieb wehrt er Anjas Schläge ab, bis es ihm gelingt, mit einem unerwarteten Ausfallschritt einen Treffer zu landen. Dies ruft bei dem Mann ein Gefühl der Überlegenheit hervor. Sich des Sieges sicher, will er zu einem mächtigen Schlag ausholen und hebt mit beiden Händen sein Langschwert über den Kopf, um es auf seine Gegnerin niederzuschmettern. Diesen kurzen Moment nützt Anja und stößt ihm ihr Schwert in seinen Bauch. Mit einem gekonnten Schritt zur Seite weicht sie dem herabfahrenden Langschwert aus. Dabei gelingt es ihr, noch in derselben Drehung den Mann zu enthaupten. Einzig der guten Machart ihrer Lederrüstung und den eingelegten Silberplatten ist es zu verdanken, dass Anja bei dieser Attacke lediglich eine kleine Schnittwunde am Oberarm davonträgt. Als sie sich eine kurze Verschnaufpause gönnt, sieht sie, dass Erin unweit von ihr durch zwei Angreifer in Bedrängnis gerät. Mit drei großen Schritten ist Anja an der Seite ihrer Gefährtin, um mit einem Doppelhieb einen der beiden außer Gefecht zu setzen. Erin, die jetzt wieder mehr Freiraum hat, geht zu einem Angriff über. Kurz darauf gelingt es ihr, ihrem Gegner mit einem mächtigen Hieb den Schädel zu spalten. Als die letzten zwei noch lebenden Wegelagerer ihre aussichtslose Lage erkennen, ergreifen sie Hals über Kopf die Flucht. Einer der beiden rennt dabei direkt auf Talar zu und versucht sich ohne jegliche Deckung seinen Weg freizukämpfen. Dabei stürzt er geradewegs in die Klinge von Talars Schwert. Ungläubig, mit weit aufgerissenen Augen starrt der Mann Talar an, ehe ihn die Kraft verlässt und er tot zu Boden sinkt. Der letzte Angreifer lässt daraufhin seine Waffen fallen und läuft, von panischem Schrecken gepackt, am Wagen auf dem Haras steht, vorbei. Nur ein paar Schritte weiter, trifft den Flüchtenden ein Pfeil. Haras hat den Mann gnadenlos in den Rücken geschossen. Obwohl es schon an der Zeit wäre, einen geeigneten Platz für das Nachtlager zu suchen, beschließt Kyra noch eine Stunde weiterzuziehen, um diesen Ort des Todes zu verlassen. So finden sie nach einigen Meilen schließlich einen passenden Platz für ihr Lager. Jeder verrichtet stillschweigend seine Arbeit, weil niemandem nach einem Gespräch zumute ist. Am nächsten Morgen scheint die Stimmung auch nicht besser zu sein. Nur das Wetter zeigt sich von seiner allerbesten Seite. Erst am Nachmittag, als sich Kyra etwas zurückfallen lässt, um neben Deleilah zu reiten, lockert sich die angespannte Stimmung.

    „Bereut ihr es jetzt, in meinen Dienst getreten zu sein?, möchte Kyra wissen. Ohne auch nur einen Augenblick nachzudenken, antwortet Deleilah: „Nein, wieso? Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Freude am Leben, außer beim Drachenkampf! Aber ganz im Ernst: Ihr habt uns gewarnt, dass es kein Honiglecken sein wird. Sicherlich, solche Kämpfe sind hart, aber wir haben ihn nicht begonnen. Somit trifft uns auch keine Schuld am Tod dieser Wegelagerer.

    „Gut, wenn ihr das so seht. Ich hoffe nur, dass wir jetzt einige Tage ohne Aufregungen weiterkommen. Hat heute eigentlich schon jemand etwas Wild erlegt? Ich bekomme langsam Hunger."

    „Talar konnte am Vormittag zwei Gänse schießen. Sie liegen bei Tristan im Wagen und sollten für das Nachtmahl reichen", weiß Deleilah zu berichten. An diesem Abend nach dem Essen vergnügen sich Swen und Talar bei einem Würfelspiel. Deleilah und Erin haben sich schon in ihre Schlafdecken gerollt, als Anja zu Kyra ans Feuer kommt.

    „Lebt ihr allein auf eurer Burg? Ich meine, habt ihr dort einen Mann?", möchte Anja von Kyra wissen.

    „Nein, ich habe keinen Mann, warum interessiert euch das?", antwortet Kyra verwundert.

    „Oh, verzeiht, es war dumm von mir, euch das zu fragen. Ich wollte nur … Vergesst meine Frage!"

    „Nein, ist schon in Ordnung. Wir haben eine lange Reise vor uns, und es schadet nicht, wenn jeder von uns etwas mehr über den anderen weiß. Es tut auch gut, von Zeit zu Zeit über etwas anderes zu sprechen als nur über Pflichten. Meine beste Freundin Liliana, die beim Drachenkampf verletzt wurde, sagte vor ein paar Tagen zu mir, ich sollte mich nach einem Mann umsehen. Ich wüsste nicht, was ich versäume. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das will. Außerdem fehlt mir dafür im Moment die Zeit. Wie sieht das bei euch aus?"

    „Was meint ihr? Männer?"

    „Ja, Männer, Liebe und alles, was dazugehört."

    Nachdenklich stochert Anja bei dieser Frage im Feuer, ehe sie verlegen sagt: „In meinem Leben hat es noch keinen Mann gegeben. Ihr müsst wissen: Meine Familie war eine verarmte Adelsfamilie, und deshalb wollte mich mein Vater mit dem Sohn eines wohlhabenden Kaufmannes in Dreiseental verheiraten. Noch in derselben Nacht, als er mir von seinem Vorhaben berichtet hat, habe ich meine Sachen gepackt und Reißaus genommen. Ja, ich bin vor einer Heirat davongelaufen. Danach hat es sich für mich nie ergeben, dass ich … Ihr wisst schon, was ich meine."

    „Aus welchem Grund seid ihr davon gelaufen?"

    „Ich sage nur, kugelrund, klein, rote Wangen – nein, so stelle ich mir keinen Mann vor, mit dem ich mein Leben verbringen möchte! Wisst ihr, für mich muss ein Mann nicht unbedingt ein großer Held sein, aber er sollte schon zu mir passen."

    „Keine von euch beiden hat bis jetzt etwas Großartiges versäumt, ertönt es von Erins Schlafplatz. „Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war acht Jahre lang verheiratet. Glaubt mir, ich vermisse keinen einzigen Tag!

    „Warum habt ihr dann geheiratet?", möchte Kyra wissen.

    „Ich war jung, zu jung, und habe geglaubt, er wäre meine große Liebe. In Wirklichkeit war er dauernd betrunken. Untertags habe ich für einen halben Silberling in einer Färberei geschuftet, und am Abend, wenn mein lieber Mann von der Schenke nach Hause gekommen ist, hätte ich für ihn die Geliebte spielen dürfen."

    „War euer Mann Schankwirt, oder hat er in der Schenke gearbeitet?", fragt Kyra unbekümmert, obwohl es nicht üblich ist, dass ein Adeliger als Schankwirt arbeitet.

    „Nein, gearbeitet hat er nicht. Er hat dort nur das bisschen Geld, das ich mühsam in der Färberei verdient habe, versoffen und verhurt. Das einzige Positive, was ich aus dieser Beziehung mitnehmen durfte, ist mein Adelsprädikat. "

    „Aber es wird wohl auch gute Ehemänner geben?", meint Anja unbekümmert.

    „Sicher gibt es die, aber glaubt mir, die wollen keine Frauen, die mit dem Schwert besser umgehen können als mit dem Kochlöffel. Nein dieses Leben wäre nichts für mich. Seid ehrlich, wer von euch möchte jeden Tag zu Hause am Herd stehen, jedes Jahr ein Kind bekommen und immer dicker werden?", antwortet Erin.

    „Warum dicker werden?", fragt Kyra.

    „Weil so ein Leben einfach nur träge ist, und das Einzige, was einem dann noch Freude macht, ist essen", glaubt Erin zu wissen.

    „Und dicker werden, sagt Anja und setzt sogleich fort: „Bei all dem, was ihr mir erzählt, werde ich mir das Heiraten gut überlegen und bleibe derweil lieber meinem Schwert treu.

    „Ich hätte auch ein Schwert, dem ihr treu und ergeben sein könntet", mischt sich Haras grinsend in das Gespräch ein.

    „Haras, verschwindet, sonst vergesse ich mich und ihr bekommt meine Peitsche zu spüren!", schimpft Erin.

    „So eine seid ihr also, grinst Haras. Im selben Augenblick steht Swen hinter Haras, packt ihn am Schopf und sagt: „Noch ein Wort und ihr bekommt meine Fäuste zu spüren! Für heute ist es besser, ihr nehmt eure Decke und schlaft bei den Pferden!

    „Das werdet ihr noch bereuen! Sobald wir wieder zurück in Meretos sind, lasse ich euch auspeitschen! Ich bin der Berater des Jarls und werde schon bald das Adelsprädikat Con genießen! Jarl Gorwald hat es mir versprochen", schreit Haras und verschwindet in der Dunkelheit.

    „Ihr mögt zwar der Berater des Jarls sein, euer sozialer Stand gleicht dem eines Bauern", ruft ihm Swen nach. Trotz dieser Unstimmigkeiten gleichen die nächsten Tage einander wie ein Ei dem anderen. So kommt es, dass sie ohne Schwierigkeiten am frühen Nachmittag des achten Reisetages Kadella, die zweitgrößte Stadt Zerylias, erreichen. Kyra beschließt daraufhin, den Nachmittag zu nutzen, um vor der Stadt das Lager aufzubauen. Weiterziehen will sie erst am nächsten Tag. Haras aber möchte die kommende Nacht nicht im Lager verbringen, sondern in der Stadt in einer Schenke übernachten.

    „Gut, wie ihr meint. Helft mit, das Lager aufzubauen und die Tiere zu versorgen, danach könnt ihr machen, was ihr wollt! Am frühen Morgen setzen wir unsere Reise fort", sagt Kyra gleichgültig. Nur widerwillig versorgt Haras sein Pferd, sammelt trockenes Holz für das Lagerfeuer und füllt seinen Wasserschlauch. Ohne ein Wort zu sagen, geht er danach zu Fuß in die Stadt.

    „Was denkt ihr, wie spät wird es morgen werden, bis er zurückkommt?", fragt Marula.

    „Ich weiß es nicht. Aber irgendwie habe ich ein komisches Gefühl, dass Haras in der Stadt etwas anzettelt. Erin, ihr stammt doch aus dieser Stadt? Versucht herauszufinden, wohin er geht und ob er sich mit irgendjemandem trifft! Unternehmt aber nichts, er soll nicht merken, dass wir ihm misstrauen", sagt Kyra. Schon bald darauf macht sich Erin bereit, um in die Stadt zu gehen. Sie trägt nun nicht mehr ihre Lederrüstung, sondern eine Tunika und ein Kopftuch, unter dem sie ihr blondes Haar versteckt.

    „Solange ich Haras

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