Hambacher Feste: Nationale Einheit und Freiheit gestern und heute
Von Johann Braun
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Über dieses E-Book
Johann Braun
Johann Braun, geb. 1946 in Ludwigshafen a. Rh., war von 1983 - 1988 Ordinarius für Bürgerliches Recht, Zivilprozeßrecht, Neuere Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie in Trier und danach bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Zivilprozeßrecht, Bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie in Passau.
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Buchvorschau
Hambacher Feste - Johann Braun
Inhalt
Einleitung
Die politische Lage im Vorfeld des ersten Festes
Erwartungen an Einheit und Freiheit
Demagogenverfolgung statt Volksbeteiligung
Politisches Aufbegehren im Umfeld
Das Hambacher Fest von 1832
Der äußere Ablauf
Die Idee des Festes: nationale Einheit und politische Freiheit
Metapolitik und revolutionäre Tendenzen
Nachspiel
Die Regierungen rüsten zum Gegenschlag
Demagogenverfolgung
Trauerspiel der deutschen Demokratie
Die allgemeine Lage im Vorfeld des „Neuen Festes"
Äußere Wiedervereinigung, innere Spaltung
Das Staatsschiff gerät ins Schlingern
Das Hambacher Fest von 2018
Der äußere Ablauf
Kritik der kulturellen Überfremdung
Abbau des Rechtsstaats und Verlust bürgerlicher Freiheiten
Verfehlte Wirtschaftspolitik
Grenzen der Wirksamkeit des Staates
Was bleibt?
Demokratie und Nationalität
Moralisierung des Rechtsstaats
Endnoten
I. Einleitung
Bei dem Namen „Hambacher Fest denkt man zunächst an das Treffen national-liberaler Bürger und Burschenschafter, die sich am 27. Mai 1832 rund um die Burgruine Hambach bei Neustadt an der Haardt versammelten, um politische Änderungen einzufordern. Es war nicht das einzige Volksfest dieser Art, das in den Jahren des Vormärz gefeiert wurde, wohl aber das größte und das bedeutendste. In der Sache ging es den Beteiligten um zweierlei: um die politische Einigung Deutschlands, das damals in fast 40 selbständige Territorien aufgesplittert war, die im Deutschen Bund nur auf völkerrechtlicher Basis miteinander verknüpft waren, und um eine Umgestaltung der Regierungsform, die den Bürgern mehr politische Freiheit verschaffen sollte. Nationale Einheit und Freiheit waren die Ziele, die etwa 20 000 bis 30 000 Teilnehmer in Bewegung setzten und bei der Hambacher „Käschteburg
¹ zu einer für die damalige Zeit erstaunlichen Kundgebung zusammen brachten. Einheit und Freiheit sind auch heute noch die Leitbegriffe, die – ergänzt um den Begriff des Rechts – in der deutschen Nationalhymne als bleibende Ideale genannt werden: „Einigkeit und Recht und Freiheit/ für das deutsche Vaterland ... Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand."
Die Initiatoren und Redner des Hambacher Festes, die den etablierten Mächten ihrer Zeit die Stirn boten, waren in der Folge zahlreichen Verfolgungen und Drangsalierungen ausgesetzt. Ihre Ziele wurden erst Jahrzehnte später auf einem ganz anderen Weg doch verwirklicht. Erst in der verklärenden Rückschau erlangte das Hambacher Fest die Bedeutung eines nationalen Großereignisses, dessen Jahrestage feierlich begangen wurden. Wie in solchen Fällen üblich, wurde es dabei für unterschiedliche Zwecke vereinnahmt.² Nachdem die Hambacher Burgruine in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts restauriert worden war, stand sie auch selbst wieder für politische Veranstaltungen zur Verfügung, u.a. für Gedenkfeiern zur Erinnerung an das Fest von 1832. Nie gab es dabei jedoch ähnlich aufrüttelnde Ziele, mit denen man die amtierende Obrigkeit herausgefordert hätte, wie damals. Im Grunde feierte man sich selbst und wünschte sich dabei nichts weniger als Widerspruch.
Im Mai 2018 indessen fand in Hambach ein Treffen anderen Zuschnitts statt. Dabei ging es zwar ebenfalls um die Einheit und Freiheit Deutschlands und außerdem um den Rechtsstaat, dieses Mal jedoch nicht, um sich zu beglückwünschen, daß man dies alles längst habe, sondern um gegen den Zerfall und die Preisgabe des Erreichten aufzubegehren. Denn viele, die sich nach wie vor als Patrioten verstanden, sahen mit Sorge, daß das, was 1832 erkämpft werden sollte und auf mancherlei Umwegen endlich Wirklichkeit geworden war, im neuen Jahrtausend auf eine von niemand vorausgesehene Weise gefährdet war. Nur aus diesem Grund kam man 2018 erneut zusammen. Ähnlich wie 1832 wollte man auch jetzt wieder ein Aufbruchssignal setzen, dieses Mal jedoch nicht mit dem Ziel der Erringung, sondern der Erhaltung von nationaler Einheit und politischer Freiheit.
Diese beiden Feste, die im Zeichen derselben Leitbegriffe standen, aber unter gänzlich veränderten Verhältnissen stattfanden, fordern eine vergleichende Betrachtung geradezu heraus. Über die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts – das „philosophische Jahrzehnt unter besonderer Aufsicht der Polizei",³ wie man spöttisch gesagt hat – wird man dabei wenig Neues erfahren; denn diese Epoche ist bereits vielfach erörtert worden. Anders verhält es sich mit der Gegenwart, auf die ein solcher Vergleich ein eher ungewohntes Licht wirft.
II. Die politische Lage im Vorfeld
des ersten Festes
1. Erwartungen an Einheit und Freiheit
Die Frage nach Deutschland offenbarte schon im Alten Reich vor 1806 ein Problem. „Deutschland? aber wo liegt es?, fragten Goethe und Schiller in ihren Zahmen Xenien. „Ich weiß das Land nicht zu finden, wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.
Immerhin hatte das Land einen Kaiser, ein Reichskammergericht und eine Organisation, welche die widerstrebenden Kräfte und Religionen einigermaßen zusammenhielt. Dem jungen Hegel war dies zu wenig. „Deutschland ist kein Staat mehr", urteilte er 1802 lakonisch.⁴ Und er behielt recht. Unter dem Druck Napoleons, der sich anschickte, ganz Europa unter französische Herrschaft zu bringen, sank das alte deutsche Reich in sich zusammen. Der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. folgte die Niederlage des preußischen Heeres auf dem Fuß.
Der Zusammenbruch der