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Das goldene Pentagramm
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eBook345 Seiten4 Stunden

Das goldene Pentagramm

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Über dieses E-Book

Der Astrophysiker Dr. Kai Stern entdeckt bei der Begutachtung
eines Teleskops in einem Museum ein ominöses Buch. Es trägt
die Aufschrift „Pythagoras“ und ist voller verschlüsselter
Botschaften und Rätsel. Rat suchend wendet sich Kai an einen
Experten, der ihn drängt, das Buch zu vernichten. Denn Kai
befindet sich in Gefahr. Nicht nur er interessiert sich für das
Buch, auch ein Geheimbund sucht danach. Der rothaarige
Silvio, Mitglied der Gruppe, heftet sich ihm an die Fersen.
Unbeirrt reist Kai nach Frankreich zur Kathedrale von
Chartres und besucht das Ulmer Münster, um die Rätsel der
heiligen Geometrie zu lösen. Doch die Vorfälle häufen sich:
Kai landet im Kerker, hat einen mysteriösen Unfall. Seine
Freundin Sarah wird entführt. Die Spur führt ins italienische
Sorrent. Ein Fels, markant wie ein Löwenkopf, das Zeichen
des Pentagramms und eine geheimnisvolle Höhle. Hat
Pythagoras Kai den Weg zum Ziel seiner Suche gezeigt?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Juni 2018
ISBN9783837221251
Das goldene Pentagramm

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    Buchvorschau

    Das goldene Pentagramm - Peter Wender

    Newton

    Prolog

    Am schwachen Schimmer, welcher aus dem Schlüsselloch zu ihm drang, erkannte Kai, dass es wieder Tag war – der dritte. Seither saß er in diesem dunklen Kerker. Er hatte seit drei Tagen nichts gegessen und mit niemandem gesprochen. Da von der Decke in regelmäßigen Abständen Wasser tropfte, konnte er dieses in der hohlen Hand auffangen und so zumindest etwas Flüssigkeit aufnehmen.

    Der Raum war nicht sehr groß. Auf einer Seite befand sich ein schmaler, etwa zehn Meter langer abschüssiger Gang, an dessen Ende ein Schacht nach unten führte. Aus der Tiefe hörte man das Geräusch fließenden Wassers, vielleicht handelte es sich um einen Abwasserkanal.

    Seine wichtigste geistige Tätigkeit bestand darin, sich immer wieder den gleichen Text aufzusagen, einen Text, den er auf keinen Fall vergessen durfte, denn das wäre möglicherweise sein Todesurteil gewesen.

    Mehrfach schon hatte er geglaubt, Geräusche wahrzunehmen, aber immer hatte er sich getäuscht. Diesmal jedoch nicht. Draußen waren Schritte zu hören, aber die Tür wurde nicht geöffnet. Durch den schmalen Spalt unter der Tür wurde ein Zettel geschoben. Obwohl seine Augen seit Tagen an die Dunkelheit gewöhnt waren, konnte er nur mit großer Mühe lesen, was auf dem Zettel stand:

    Wo ist das Buch?

    Erster Teil

    1

    Das Telefon klingelte. Kai kam gerade aus dem Bad und nahm den Hörer ab. Eine Dame meldete sich.

    „Mein Name ist Müller von der Stadtverwaltung. Sind Sie der Astrologe Dr. Kai Stern?"

    „Astrologe? Nein, ich ganz bestimmt nicht! Woher haben Sie denn meine Telefonnummer?", fragte er, leicht amüsiert.

    „Ich habe die Universitätsverwaltung angerufen, weil ich jemanden suche, der sich mit Teleskopen auskennt. Dort wurde ich dann mehrfach verbunden, bis mir schließlich jemand Ihre Nummer gab und mir sagte, dass Sie Astrologe sind."

    „Ich bin Astronom, genauer gesagt, Astrophysiker. Aber worum geht es denn genau?"

    „Wie Sie vielleicht schon gehört haben, müssen wir unser Museum in der Oststadt wegen Baufälligkeit schließen, das Gebäude muss abgerissen werden. Auf dem Museumsdach befindet sich eine kleine Sternwarte, und wir wissen noch nicht genau, was wir mit dem Teleskop anfangen sollen, ob es noch den Ansprüchen einer heutigen Sternwarte genügt. Wäre es möglich, dass Sie das Teleskop fachmännisch überprüfen?"

    „Ich habe viel mit Teleskopen gearbeitet und kenne mich schon aus. Wann kann ich mir das gute Stück denn ansehen?"

    „Möglichst bald, da wir bereits dabei sind, die Exponate aus dem Museum zu transportieren. Zum Glück haben wir schon neue Räume erhalten, das Museum soll aber völlig umgestaltet werden."

    Kai wollte keine Details über die Neugestaltung des Museums erfahren.

    „Ich könnte am Freitag um fünf Uhr nachmittags in der Sternwarte sein. Dann würde ich zunächst bei Tageslicht das Teleskop überprüfen, allerdings müsste ich noch die Dunkelheit abwarten. Nur so kann ich den Zustand des Teleskops bewerten. Das Wetter ist ja gerade sehr gut für Himmelsbeobachtungen geeignet."

    „Das ist wirklich nett von Ihnen. Ich werde den Museumsleiter informieren, er erwartet Sie dann. Vielen Dank!"

    Der Museumsleiter führte Kai die Treppe zur Sternwarte hinauf. Er schloss die Tür auf, dann betraten sie einen kleinen, fensterlosen Raum, der aber durch die geöffnete Kuppel genügend Tageslicht erhielt.

    „Entschuldigen Sie, dass wir hier so viele Dinge aus dem Museum abgestellt haben, aber wir brauchten den Raum einfach als Zwischenlager. Ich hoffe, es stört Sie nicht."

    „Das ist für mich kein Problem", beruhigte ihn Kai.

    „Die Sternwarte ist schon seit längerer Zeit aus Sicherheitsgründen geschlossen. Deshalb haben wir auch das Teleskop abgedeckt."

    Umständlich entfernte der Museumsleiter die Schutzplane. Was dann zum Vorschein kam, überraschte Kai. Er sah ein kunstvoll verziertes Instrument, sicher eine Einzelanfertigung. Es handelte sich um ein Spiegelteleskop feinster Bauart, welches nach einer gründlichen Reinigung ein Schaustück in jedem astronomischen Museum darstellen würde. An der Seite war ein winziger, golden eingravierter Stern mit fünf Zacken zu sehen.

    „Wissen Sie etwas über die ehemaligen Besitzer?", fragte Kai und deutete auf die Gravur.

    „Wir wissen eigentlich nur, dass dieses Teleskop aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts stammt. Mitglieder einer vermutlich astronomischen Vereinigung haben sich hier vor und auch noch während des Zweiten Weltkrieges getroffen. Es wird sogar spekuliert, dass es sich um einen Geheimbund gehandelt haben soll. Leider gibt es darüber weder Unterlagen noch Aufzeichnungen."

    Er wurde unterbrochen, da vier Arbeiter keuchend die Treppe hochkamen.

    „Wir sind unten fertig. Wir sollen hier noch einen Schrank abholen."

    An einer Wand stand ein großer Holzschrank, der mit kunstvollen Einlegearbeiten verziert war. Trotz ihrer speziellen Tragegurte hatten die Arbeiter große Mühe, den schweren Schrank nach unten zu transportieren.

    „Der Schrank stammt noch aus der gleichen Zeit wie das Teleskop, erklärte der Museumsleiter. „In ihm waren astronomische Instrumente und Sterntafeln untergebracht.

    Der Museumsleiter schien in Eile zu sein.

    „Ich denke, Sie kommen allein zurecht. Bitte lassen Sie mir einen kurzen Bericht über Ihre Ergebnisse zukommen. Und vergessen Sie nicht, Ihre Arbeitszeit zu notieren. Das ist wichtig für Ihre Bezahlung." Mit diesen Worten verabschiedete er sich von Kai.

    Kai war nun allein in der Sternwarte und begann mit seinen Untersuchungen. Er richtete das Teleskop auf den blauen Himmel und drehte an den Stellschrauben. Nach einiger Zeit erblickte er einen blassen Stern. Auch der Tageshimmel ist vollständig von Sternen überdeckt, die jedoch von der Helligkeit überstrahlt werden und deshalb nicht mit dem bloßen Auge, sondern nur durch das Teleskop zu sehen sind.

    Der blasse Stern verschwand sehr schnell aus dem Blickfeld. Kai klopfte mehrmals leicht gegen das Teleskop, schließlich war der Stern wieder sichtbar.

    „Da scheint die Nachführung etwas zu klemmen", sagte er zu sich selbst.

    Wegen der Erddrehung muss ein Teleskop ständig nachgeführt werden, da sonst bei diesen starken Vergrößerungen die Himmelsobjekte nur sehr kurze Zeit im Blickfeld bleiben.

    Kai prüfte das Teleskop systematisch und machte sich Notizen. Als es zu dämmern begann, öffnete er aus Gewohnheit die Kuppel, damit sich das Teleskop der Außentemperatur anpassen konnte, da Temperaturunterschiede im Teleskop dieses leicht verziehen können und so die Präzision des Instrumentes beeinträchtigen.

    Er musste jetzt auf die Dunkelheit warten. Viel Platz war nicht im Raum, aber die Stelle, an welcher vorher der Schrank stand, war groß genug, um hier einigermaßen bequem auf dem Hocker, den er an die Wand schob, sitzen zu können. Die Wände bestanden aus Natursteinen, und der Schrank hatte an dieser Wand in den letzten Jahrzehnten seine Spur in Form einer deutlich helleren Stelle hinterlassen.

    Kai setzte sich auf den Hocker und begann, seinen Bericht zu schreiben. Soweit er es bisher beurteilen konnte, war das Teleskop leider doch nur noch ein Museumsstück. Modernen Anforderungen, insbesondere der Fotografie oder sogar der Spektralanalyse, genügte es nicht mehr. Aber als Glanzstück eines Museums konnte es immer noch dienen. Kai hatte sich einen Vordruck angefertigt und füllte diesen gewissenhaft aus.

    Draußen war es bereits dunkel. Kai legte seinen Bericht auf den Boden, rieb sich die Augen und lehnte sich an die Wand. Ein Stein knirschte leicht. Kai drehte sich um und bemerkte, dass dieser Stein nicht fest saß. Er wunderte sich, als er sah, dass der Stein perfekt eingepasst war.

    Merkwürdig. Alle anderen Steine sind einbetoniert, nur dieser nicht.

    Er holte sein Taschenmesser und begann, diesen Stein vorsichtig herauszulösen. Schließlich konnte er ihn mit beiden Händen aus der Wand ziehen und auf den Boden legen.

    Hinter dem Stein befand sich ein Hohlraum. Kai leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein und sah, dass sich ein Gesteinsbrocken der Mauer gelöst hatte und in dem Hohlraum lag.

    Aber unter diesem Stein sah er etwas liegen!

    Vorsichtig tastete Kai das Innere der kleinen Höhle ab. Schließlich bekam er den Gegenstand, welchen er gesehen hatte, zu fassen. Mit etwas Gewalt konnte er ihn von dem Gesteinsbrocken, der auf ihm lag, befreien. Vorsichtig zog er seine Hand, die schon aufgeschürft war, aus der Wandöffnung.

    „Geschafft!", keuchte er.

    Mit einer Hand wischte er den gröbsten Staub ab und betrachtete nun genauer, was sich in dem Versteck in der Mauer verborgen hatte.

    Es war ein Buch.

    Der Ledereinband war leicht beschädigt und ließ keinerlei Beschriftung erkennen. Er öffnete das Buch. Auf der ersten Seite stand nur ein Wort:

    Πυθαγορας

    Darunter befand sich die Zeichnung eines merkwürdigen Sternes mit elf Zacken, welche unregelmäßig angeordnet waren.

    Kai hatte in seiner Schulzeit an einer Griechisch-AG teilgenommen und konnte mit etwas Mühe das Wort entziffern: Pythagoras.

    Bei dem Versuch, die Seite umzublättern, bemerkte Kai, dass die meisten Seiten zusammengeklebt waren, ein Feuchtigkeitsschaden, wie er vermutete. Er war sich unschlüssig, was er mit dem Buch machen sollte. Schließlich wickelte er es in Zeitungspapier ein und verstaute es in seiner Umhängetasche.

    Dann schob er den am Boden liegenden Stein wieder in die Wandöffnung und brachte ihn in seine ursprüngliche Position. Der zusätzliche Staub fiel auf dem ungereinigten Boden nicht weiter auf, und so deutete nichts mehr darauf hin, dass Kai hier ein Versteck ausfindig gemacht hatte.

    „Das Buch wäre ohne mich der Abrissbirne zum Opfer gefallen", murmelte Kai vor sich hin. Vielleicht würde er es auch dem Museumsleiter übergeben, dachte er. Aber er war doch sehr gespannt zu erfahren, was er entdeckt hatte.

    2

    Der grauhaarige, elegant gekleidete Herr war am Ende seines Vortrages angekommen. Die Entwicklung der Firma im laufenden Jahr konnte er als sehr positiv darstellen, was nicht zuletzt auch sein Verdienst als Geschäftsführer war.

    „Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend", verabschiedete er sich von der Vollversammlung.

    Nachdem der lang anhaltende Applaus abgeklungen war, ergriff schließlich der Versammlungsleiter kurz das Wort. Er bedankte sich bei Herrn Dr. Schneider für den Vortrag und löste die Versammlung auf.

    Vor dem Firmengebäude standen noch viele Teilnehmer in Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Dr. Schneider musste mehrfach Hände schütteln, man beglückwünschte ihn zu seinem Erfolg.

    „Ich muss nach Hause", entschuldigte er sich schließlich, setzte sich in sein Auto und fuhr los.

    Nach einigen Minuten, als er sich sicher war, dass ihm kein anderes Auto folgte, wechselte er die Richtung. Sein Ziel befand sich am anderen Ende der Stadt. Dort angekommen, stellte er seinen Wagen in einer Tiefgarage ab und fuhr mit dem Aufzug in das zwölfte Stockwerk eines Hochhauses.

    Das Ein-Zimmer-Appartement, welches er betrat, wirkte durch seine stilvolle Einrichtung sehr einladend. Schwere Ledermöbel waren um einen großen Tisch gruppiert. Dr. Schneider öffnete eine Flasche Wein, stellte vier Gläser auf den Tisch und füllte sie jeweils zur Hälfte mit dem erlesenen Getränk.

    Er musste nicht lange warten. In kurzen Abständen erschienen drei weitere Herren. Zuerst kam der Älteste. Er stellte seinen Stock in eine Ecke und humpelte zu dem großen Tisch. Danach traten gleichzeitig ein untersetzter Herr mittleren Alters ein sowie Silvio, ein jüngerer Mann mit rotem Haar. Silvio, ein Neffe von Dr. Schneider, galt in seiner Kindheit als etwas zurückgeblieben. Er absolvierte eine Schlosserlehre, war aber, nach Schneiders Ansicht, ziemlich clever und bekam in Schneiders Firma eine Stelle im handwerklichen Bereich.

    Dieses Treffen war vorher nicht vereinbart. Aber Dr. Schneider hatte seinen Vortrag zuvor nicht, wie üblich, mit den Worten „Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen schönen Abend" beendet. Er sprach von einem wunderschönen Abend. Was wie eine launige Formulierung klang, war in Wirklichkeit das verabredete Zeichen für ein Treffen dieser vier Männer, ein Treffen, welches geheim gehalten wurde.

    Die Männer nahmen in den Ledersesseln Platz und prosteten sich zu. Dann kam Schneider sehr schnell zur Sache.

    „Nachdem wir bei unserer Suche zunächst erfolgreich waren, treten wir ja, wie ihr wisst, seit einigen Jahren auf der Stelle. Der letzte Hinweis, den wir herausgefunden hatten, hatte den Wortlaut:

    Die Sterne weisen den Weg.

    Damit konnten wir, trotz aller Bemühungen, bisher nichts anfangen. Jetzt habe ich zufällig etwas entdeckt, was uns möglicherweise weiterhelfen könnte."

    Schneider stand auf, ging zu seiner Tasche und kam mit einer Zeitung zurück. Nachdem er sich wieder gesetzt hatte, nahm er eine Seite aus der Zeitung, knickte sie um und legte sie auf den Tisch, direkt unter das Licht einer Schreibtischlampe. Der Zeitungsartikel hatte die Überschrift:

    „Oststadtmuseum und Sternwarte werden geschlossen."

    Darunter erschien eine Fotografie der Sternwarte, auf welcher deren „Schmuckstück", wie es in dem Zeitungsartikel hieß, das Teleskop aus der Vorkriegszeit, groß abgebildet war.

    Die Anwesenden sahen sich den Zeitungsausschnitt an und überflogen den Artikel.

    Schneider, der zwischenzeitlich ein Vergrößerungsglas auf den Tisch gelegt hatte, forderte die anderen auf, das Bild des Teleskops genauestens zu betrachten.

    Zunächst konnte keiner etwas Auffälliges entdecken.

    „Seht ihr diese dunkle Stelle an der Seite?", fragte Schneider.

    „Das sieht aus wie ein winziger Stern", meinte einer der Männer.

    „Was für ein Stern ist es genau, was meint ihr denn?", wollte Schneider wissen. Offenbar war ihm sehr daran gelegen, zunächst die Meinung der anderen zu hören.

    Nacheinander untersuchten die Männer das Bild mit und ohne Vergrößerungsglas.

    „Es sieht aus wie ein Stern mit fünf Zacken."

    Plötzlich wurden die Männer aufgeregt. Denn schließlich gab es keine Zweifel mehr:

    Es handelte sich um ein Pentagramm!

    „Hier also haben sie sich getroffen", ergriff Schneider das Wort.

    Die Sterne weisen den Weg. Dieser Satz bekommt jetzt einen Sinn, sogar einen doppelten."

    „Das bedeutet aber, dass wir dort suchen müssen, in dieser Sternwarte, meinte der Älteste. „Und zwar möglichst bald, denn das Gebäude soll demnächst abgerissen werden, ergänzte er.

    3

    Am Samstag, morgens um acht Uhr, läutete ein Monteur in Arbeitskleidung an der Tür des Oststadtmuseums. Er wartete, läutete ein zweites Mal und machte sich dann kurz an der Tür zu schaffen, öffnete sie und trat mit seinem Werkzeugkoffer ein. Danach drückte er die Tür, welche außen keine Klinke hatte, wieder zu.

    Er ging hoch zur Sternwarte. Auch hier war die Tür verschlossen, aber auch diese öffnete er ohne Mühe. Er nahm seinen Werkzeugkoffer und legte eine Zange und mehrere Schraubenschlüssel auf den Boden. So konnte er eine Reparatur vortäuschen, falls überraschend jemand erscheinen sollte. In seiner Hosentasche befand sich sogar ein zerknitterter Reparaturauftrag.

    In Wirklichkeit hatte er aber etwas anderes vor. Zu diesem Zweck ergriff er einen Gummihammer und begann damit, den Raum systematisch abzuklopfen. Zuerst klopfte er mehrfach auf jeden Stein des Fußbodens. Dazu musste er immer wieder abgestellte Gegenstände umstellen.

    Nicht nur der Fußboden sah ähnlich aus wie ein Kopfsteinpflaster. Auch die Wände bestanden aus Natursteinen. So arbeitete er gezielt weiter, Stein für Stein. Er musste immer wieder auf einen Hocker steigen, um auch die oberen Steine zu erreichen. Aber er führte diese Tätigkeit sehr gewissenhaft aus. Zwischendurch unterbrach er sein Klopfen. Dann nahm er seine Mütze ab, wischte sich den Schweiß von seinem Gesicht und von seinen roten Haarspitzen und lauschte auf Geräusche, aber er schien der Einzige in diesem Gebäude zu sein.

    Er hatte sich nun bis zu einer hellen Fläche in der Mitte einer Wand vorgearbeitet. Hier musste wohl ein Schrank gestanden haben. Er beklopfte weiterhin jeden Stein und wollte eben eine Pause einlegen, als sich die Klopfgeräusche plötzlich anders anhörten. Er klopfte ein weiteres Mal auf diesen Stein.

    Es klang hohl!

    Er drückte auf diesen Stein – der Stein gab nach!

    Nun hebelte er langsam den Stein aus der Mauer. Schon im Tageslicht konnte er in das Loch in der Mauer blicken. Mit einer Taschenlampe suchte er den Hohlraum gründlich ab. Er sah nur einen in der Höhle liegenden Stein. Er brach einen weiteren Stein aus der Mauer, zog den innen liegenden Stein aus dem Hohlraum und schaufelte hektisch mit beiden Händen den Schutt aus der Höhle.

    Es war nichts zu finden!

    Er setzte sich auf den Boden, nahm sein Taschentuch und wischte sich Schweiß und Staub aus dem Gesicht. Da fiel sein Blick auf ein kleines Stück Papier, welches auf dem Schutthaufen lag. Er nahm den Papierfetzen und betrachtete ihn. Das Papier sah aus wie die herausgerissene Ecke einer Buchseite, genauer gesagt waren es zwei zusammenklebende Ecken. Das konnte nur eins bedeuten:

    Jemand war ihm zuvorgekommen!

    4

    Das Wetter an diesem Sonntagmorgen war alles andere als einladend, der Dauerregen ging teilweise in Schnee über. Der April hatte sich bisher nur kurz von seiner schönen Seite gezeigt.

    Kai freute sich darauf, den heutigen Tag in seiner Wohnung zu verbringen. Seine Dachgeschosswohnung hatte zwei Zimmer, ein Bad und eine winzige Küche, der ein Abstellraum angeschlossen war. Die Möblierung stammte noch aus seiner Studentenzeit. Der geräumige Schreibtisch war meistens mit Büchern, Zeitschriften und Papieren überfüllt. Auch unter der Dachschräge stapelten sich alle möglichen Arbeitsmaterialien. Die beiden Bücherregale konnten seine vielen Bücher kaum noch fassen. Ihm fehlte allerdings der Platz für ein weiteres Regal. Er war jedoch der Ansicht, dass dieses Chaos zu ihm passe, und er fühlte sich ganz wohl dabei.

    In dem Raum befand sich neben dem Fernsehgerät ein Sofa, auf welchem Kai die Stapel zwischenlagerte, die sich auf seinem Schreibtisch türmten, wenn er an diesem, so wie heute, arbeiten musste.

    Kai hatte vor, einen bereits begonnenen Artikel für eine Fachzeitschrift zu beenden. Aber er konnte sich nicht richtig konzentrieren, der Gedanke an seinen Fund ließ ihn nicht los. So holte er schließlich das Buch aus seiner Verpackung und begann damit, den Umschlag mit einem feuchten Tuch zu reinigen. Dann klopfte er Sand und Staub aus dem Buchinneren und reinigte die Seiten, so gut es ging, mit einem Malerpinsel. Nachdem er das Buch zum Trocknen hingestellt hatte, machte er sich einen Kaffee.

    Zehn Minuten später saß er mit dem Buch an seinem Schreibtisch. Mit einem Messer löste er behutsam die zusammengeklebten Seiten. Trotz aller Vorsicht konnte er kleinere Beschädigungen an den Seiten nicht vermeiden. Als alle Seiten frei waren, ging er in die Küche und klopfte noch einmal den restlichen Sand aus dem Buch.

    Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch, trank einen Schluck seines inzwischen lauwarm gewordenen Kaffees und begann damit, die Öffnung des Buches zu zelebrieren.

    Πυθαγορας

    Die erste Seite mit diesem Wort und dem merkwürdigen, elfzackigen Stern kannte er bereits. Er schlug Seite für Seite auf, sah sich alles genau an, verstand aber kaum etwas. Das Papier war, wie er bereits vermutet hatte, in altgriechischer Sprache bedruckt. Er sah kurze Texte, teilweise nummeriert, möglicherweise handelte es sich um Buchauszüge oder um Aphorismen. Mit seinen wenigen Kenntnissen der griechischen Sprache konnte er zumindest die Namen Pythagoras und Epikur entziffern.

    Er blätterte weiter und sah einen Text, dessen erste fünf Wörter ihm nicht so schwierig erschienen. Am Tag zuvor hatte er sich ein Altgriechisch-Lexikon besorgt und begann damit, diesen Text zu übersetzen.

    Εν αρχη ην ο λογος

    Dieser Satz stammte aus der Bibel! Im Anfang war das Wort. Johannes, 1,1. So beginnt das Johannesevangelium. Er fragte sich nun, wer dieses Buch besessen haben könnte, und vor allem, warum sich der Besitzer so viel Mühe gemacht hatte, das Buch zu verstecken. Die Texte, zumindest die aus der Bibel, waren alles andere als geheim. Eine Antwort auf diese Frage erhielt er, als er bei den letzten Blättern des Buches angekommen war. Diese Seiten waren nicht bedruckt, aber beschrieben. Trotz des schon angegriffenen Papiers konnte man die Schrift gut lesen, da keine schwarze Tinte, sondern Tusche benutzt wurde. In Druckbuchstaben waren die Seiten mit kleinen, deutlich voneinander getrennten Absätzen beschrieben, von denen manche nur aus einer Zeile bestanden.

    Er las die ersten beiden Absätze.

    DIE STERNE ZEIGTEN DEN WEG

    PYTHAGORAS,

    ZWISCHEN MUSIK UND HEILIGER QUELLE

    Er dachte lange über die Bedeutung dieser Zeilen nach, konnte jedoch nicht das Geringste damit anfangen. Er las weiter, doch auch die nächsten Zeilen waren verwirrend formuliert und ergaben für ihn keinen Sinn. Sollte es sich um eine verschlüsselte Botschaft handeln, so sah er sich nicht in der Lage, diese zu entschlüsseln. Wo sollte er anfangen?

    5

    Kai hatte den halben Vormittag telefoniert. Er suchte nach einem Experten für altgriechische Philosophie, welcher insbesondere mit der Lehre des Pythagoras vertraut war. Er hatte sowohl die philosophischen als auch die altphilologischen Fakultäten mehrerer Universitäten angerufen. Nun saß er vor seinem Blatt, auf welchem sich Stichworte, Telefonnummern und Namen befanden, die er während seiner Telefonate notiert hatte.

    Eine Telefonnummer einer philologischen Fakultät hatte er eingekreist. Aber wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem Herrn, an den Kai verwiesen wurde, um einen Epikur-Experten, der wenig Verständnis dafür hatte, dass Kai sich mit Pythagoras beschäftigte, einem Philosophen, von dem keine eigenen Schriften existierten, über den nur Sekundärliteratur zu finden sei, was wissenschaftliches Arbeiten nach der Meinung dieses Experten unmöglich mache.

    Kaum hatte Kai aufgelegt, klingelte sein Telefon erneut. Es war Sarah.

    „Du, wir können uns heute nicht zum Mittagessen treffen, bei mir geht es absolut nicht. Aber was hältst du davon, wenn wir heute Abend zu Giovanni gehen?"

    „Die Edelpizzeria? Dort isst man wirklich gut, aber es ist teuer!"

    „Gönn’ dir was! Also um halb sieben?"

    Das klang mehr wie eine Aufforderung, nicht wie eine Frage. Sarah war eine ehemalige Schulfreundin. Sie hatten sich während des Studiums aus den Augen verloren. Nach ihrem Studium der Germanistik und der Kunst arbeitete Sarah nun als Deutschlehrerin an einem Gymnasium, zufällig in der gleichen Stadt wie Kai und sogar ganz in seiner Nähe.

    Kai wartete schon im Giovanni, als Sarah eintraf. Sie umarmten sich kurz zur Begrüßung.

    „Lange nicht gesehen!"

    „Sorry, dass ich mich verspätet habe, aber ich komme direkt von der Schule. Wie ich sehe, hast du etwas für mich."

    Kai gab ihr sein Manuskript, welches er am Nachmittag noch einmal überarbeitet hatte. Sarah und er bildeten eine kleine Zweckgemeinschaft. Sie las und korrigierte seine Manuskripte, denn er war der Meinung, dass auch eine wissenschaftliche Arbeit sprachlich korrekt abgefasst sein sollte. Er wiederum half ihr in technischen Dingen, wie etwa bei Computerproblemen.

    Der Kellner kam und nahm ihre Bestellung auf.

    „Heute keine Schinkenpizza?", wunderte sich Kai.

    „Nein, ich esse seit meinem Geburtstag vegetarisch. Wie du siehst, habe ich mich nicht nur äußerlich verändert, indem ich meine langen Haare abgeschnitten habe. Ich habe vor einiger Zeit wieder einen Bericht gesehen über die Massentierhaltung, da wurde mir richtig übel. Tiere werden auf engstem Raum zusammengepfercht, einige sind verletzt oder sogar tot, Tiere mit gebrochenen Knochen werden Hunderte von Kilometern weit transportiert, so etwas möchte ich nicht mehr unterstützen. Außerdem haben Antibiotika bei uns Menschen an Wirkung bereits eingebüßt, da wir diese mit dem Fleisch der mit Antibiotika vollgestopften Schlachttiere in uns aufnehmen."

    Der Kellner brachte eine Flasche

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