Kräutertabak: Die europäische Tradition des Kräuterrauchens
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Buchvorschau
Kräutertabak - Christa Öhlinger-Brandner
Das erste Kräutertütchen
Vor etwas mehr als fünf Jahren kam während meiner Ausbildung zur Kräuterpädagogin eine meiner Kolleginnen mit einem selbst gedrehten Tschick (Zigarette) in der Hand auf mich zu. Ihr voraus wehte ein angenehmes Duftwölkchen.
„Mia tuat des guat …" (Das tut mir gut) war ihr kurzer Kommentar. Das machte mich neugierig und wir kamen ins Gespräch. Ich, von Natur aus eher ein übervorsichtiger Angsthase, wollte dann auch wissen, was das ist. „Das sind Kräuter …". Welche genau, wusste meine Kollegin nicht. Sicher war sie sich nur, dass die Mischung nichts mit Hanf oder anderen psychoaktiv wirkenden Kräutern zu tun hatte.
Die Mischung meiner Kollegin befand sich in einem kleinen Plastiksackerl, versehen mit einem kleinen Aufkleber mit der Aufschrift Ritualräucherkräuter zum stolzen Preis von 9,90 Euro. Welche Kräuter sich darin befinden, wurde nicht erwähnt. Nur der folgende Beschreibungstext: „Naturreine Kräutermischung (ohne Tabak) zum traditionellen Rauchen in der Pfeifenzeremonie oder zum Räuchern." Und das Bild eines Friedenspfeife rauchenden Indianers war zu sehen.
Wäre meine Kollegin nicht absolut vertrauenswürdig gewesen, dann hätte ich definitiv keinen Versuch gestartet, mir ein Tütchen mit dieser geheimnisvollen Mischung zu drehen. Es gelang nur sehr wenig zufriedenstellend, denn Erfahrung hatte ich damit nicht, und so war das dann eher ein krummer Glimmstängel, aus dem vorne und hinten die Kräuter herausrieselten.
Nichtsdestotrotz war es ein genüssliches Raucherlebnis und das erste Mal in meinem Leben, dass ich Rauch vorsichtig fast inhalierte.
Das war der Anfang des Kräuterrauchens.
Keine französische Inspiration
Meine ersten Rauchversuche startete ich, abgesehen von drei Zügen an einem Stückchen Waldrebe Clematis vitalba während eines Aufenthalts in Straßburg, 20 Jahre vor der ersten selbst gewuzelten Kräuterzigarette in Hirschbach im Mühlviertel. Der eintönige Alltag eines Kindermädchens in Straßburg mit wenigen Haushaltspflichten führte mich eines Tages zur Idee, mir mit einem Packerl Zigaretten etwas Abwechslung und Inspiration in den ruhigen französischen Alltag zu rauchen. Gefallen gefunden hatte ich an der französischen Sprache und dem französischen Wein und ich fühlte mich nach drei Monaten in Frankreich bereits ein wenig als Gallierin. Der Slogan „Liberté toujours" (Für immer Frieden) war in früheren Zeiten mit der von mir ausgewählten französischen Zigarettenmarke verbunden und sprach mich an. Anziehend fand ich auch, dass die typisch französische Zigarette mit Persönlichkeiten wie Pablo Picasso, Jean-Paul Sartre und Albert Camus in Verbindung gebracht wurde. Ich saß in Straßburg oft in Cafehäusern und versuchte mit dem Lesen der französischen Philosophen meine Sprachkenntnisse zu verbessern – ohne dabei zu verstehen, was ich las. Vom Rauchen der französichen Tabakmischung erhoffte ich mir wohl unbewusst, den Franzosen näher zu kommen. Das gelang nicht. Zwei Züge und der Versuch zu inhalieren scheiterten kläglich. Mit den Gallierinnen hatte ich mir zum Einstieg eine Mischung ausgesucht, die es doch etwas in sich hat und mit allerhand Zusatzstoffen ausgestattet ist, unter anderem auch mit Ahornsirup und Invertzucker. Gedacht ist diese Beifügung dafür, die Schärfe des Tabakrauchs zu maskieren und zu neutralisieren.
Für mich war der Tabakrauch trotz Zuckertunke viel zu stark, es kratzte im Hals, war scheußlich und ich wusste, das wird nichts mit dem Rauchen. Stattdessen suchte ich Trost in vielen Tartes au frommage (öst. Topfentorten, dt. Käsesahnetorten) und im französischen Wein, den mir der Großvater meines Aupair-Kindes zu manchem opulenten Menü mit viel Freude servierte. Er selbst war der Einzige in der Familie, der den flüssigen alkoholischen Freuden Frankreichs reichlich zusprach, und hatte in mir endlich eine Partnerin für seinen französischen Lebensstil gefunden. Nach acht Monaten in Frankreich hatte ich acht Kilo mehr.
Ein mexikanischer Brauch und ein europäisches Menü
Mein nächster Rauch-Impuls fand einige Jahre später statt. Mein Mann, ein gemeinsamer Freund und ich hatten es uns zur Gewohnheit gemacht, einmal im Monat ein besonderes Menü zu kochen, das unsere Gaumen mit bisher noch nicht gekannten Aromen amüsieren sollte. Die beiden Männer legten mit beachtlichen Kochkünsten die Latte sehr hoch, und so kam es, dass ich das erste Mal in meinem Leben einen Hasen zerlegte und mein Faible für das Mittelalter mit einem Menü aus dem 12. Jahrhundert auslebte: Kaninchen in süßsaurer Sauce, dazu Erbsenpüree und Feigenröllchen. Unser Freund war vom Menü sehr angetan und meine Ehre als Absolventin einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe war gerettet. So wie man es bereits vor mehr als 3000 Jahren im fernen Mexiko gemacht hatte, bot mir unser Freund nach dem feinen Schmausen einen Zigarillo an.
Dieses schöne Ritual, das dem Rauchen in seiner ursprünglich gedachten Form, jener der Zeremonie, der Huldigung eines schönen Ereignisses und der Vertiefung der Kommunikation sehr nahe kommt, beeindruckte mich.
Unser Freund mit spanischen Wurzeln liebt Zigarillos und ich fand am Duft der Chemie-Vanille und der Möglichkeit nur zu paffen, ohne den Rauch inhalieren zu müssen, Gefallen. Von diesem Abend an habe ich dann zu besonderen Anlässen Zigarillos gepafft bis zu jenem Tag, als mich meine Kollegin in Hirschbach an ihrer Kräuterzigarette ziehen ließ.
Die ersten eigenen Mischungen
Als Inspiration für meine erste eigene Kräuterzigarette stand dann auch die Ritualräuchermischung meiner Kollegin aus der Kräuterpädagogenausbildung Pate. Aufgrund von Duft und Informationen jener, die bereits Kräuterzigaretten probiert hatten, war klar, dass ein zentrales Element der Ritualräucherkräuter die südamerikanische Damianapflanze Tunera diffusa spielte. Angeblich soll die Pflanze sowohl bei Frau als auch Mann ihr aphrodisierendes Potenzial entfalten. In der südamerikanischen Heimat trägt sie auch die vielversprechende Bezeichnung „Die dem Mann das Hemd auszieht". Außerdem gilt sie als Fruchtbarkeitspflanze und als Nervenstärkungs- und Asthmamittel. Bei den Indianern ist sie eine Entspannungsdroge.
In Europa taucht die südamerikanische Schönheit in Zusammenhang mit dem Nikotinentzug auf. Diese Informationen hatte ich damals noch nicht.
Die Ritualräucherkräutermischung enthielt neben dem Damianakraut noch feine rosa Blättchen, die ich kurzerhand als Rosenblüten identifizierte, und gelbe Blütenteile, die möglicherweise von der Ringelblume Calendula officinalis stammten. Der Rest war nicht zuordenbar. Da mich vor allem die heimischen Kräuter ansprechen, kreierte ich dann die folgende Komposition: Damianakraut und Spitzwegerich aus der Apotheke wurden von mir mit kleinen feinen Huflattichblättern und Mädesüßblüten, die ich gesammelt hatte, sowie mit Minze, Ringelblumenblüten und Rosenblütenblättern aus dem eigenen Garten gemischt. Von Huflattich und Spitzwegerich wusste ich damals schon, dass diese beiden Kräuter als Tee genossen eine positive Wirkung auf die Lunge haben, und deshalb fanden sie Eingang in die Mischung. Mädesüß riecht gut und ist eine meiner Lieblingspflanzen, die Rosenblüten waren auch in der Kräuterzigarette meiner Kollegin enthalten und Minze verbrennt angeblich sehr schadstoffarm. Die Ringelblumenblütenblätter waren das vermeintlich gelbe Element in der Ritualräucherkräutermischung. Aber wahrscheinlich waren es Löwenzahnblütenblätter, die auch im Kräutertabak eines deutschen Anbieters verwendet