Kultstätten in Berlin: Altheidnische Heiligtümer, Opfersteine, Blocksberge und Kultplätze
Von Árpád Baron von Nahodyl Neményi (Editor)
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Buchvorschau
Kultstätten in Berlin - Árpád Baron von Nahodyl Neményi
Kapitel 1
Innenstadt
Der Tempel auf dem Petrikirchplatz.
Unsere Stadt Berlin verdankt ihre Gründung einem oder sogar mehreren heidnischen Tempeln. Als es nämlich weder Berlin, noch die Schwesterstadt Cölln gab, gab es nur eine Insel, die von zwei Armen der Spree gebildet wurde; sie war nur an wenigen sumpfigen Stellen mit dem südlich und westlich gelegenen Festlande verbunden und bei Hochwasser nur mit dem Kahn erreichbar. Vielleicht war es auch von Anfang an eine richtige Insel; das ist nicht mehr sicher zu ermitteln. Durch die Spreearme war diese Insel also vor dem unberechtigten Betreten oder dem Plündern durch Feinde relativ gut gesichert. Hier hatten unsere Vorfahren ein Heiligtum angelegt und später auch einen (oder mehrere) Tempel errichtet. Vermutlich entstanden mit der Zeit Nebengebäude, etwa für die Priester oder für Kultgegenstände, oder auch als Herberge für auswärtige Besucher. So muß die erste Siedlung um den Tempel herum auf der durch das Wasser geschützten Insel entstanden sein. Diese Siedelung hieß „Cölln (oder „Kollne
), daher noch heute der Bezirksname „Neukölln. Der Name ist nicht sicher übersetzt, von lat. „Colonia
(„Kolonie", Siedlung im eroberten Gebiet) kann der Name nicht kommen, da die Siedlung ja bereits in der Zeit vor der Eroberung der Mark Brandenburg durch Albrecht dem Bären existierte. Somit kommt nur die Übersetzung vom altnordischen kolla = Pflock um das Land zu befestigen, wendisch kolu = Pflock (vgl. lateinisch columnae = Säule), kol = Pfahl, kolna = Schuppen, einzelne Häuser im Walde³, altnordisch kollr = runder, flacher Hügel in Frage, was gut dazu paßt, daß es da um den Tempel einzelne kleine Hütten gegeben haben muß und der Tempel selbst auf einem kleinen Hügel stand. Für uns ist in diesem Zusammenhang eine Sage sehr interessant und bedeutend, nämlich die Sage „Die Gründung Berlins"⁴:
Abb. 1: Die Petrikirche um das Jahr 1690.
Einiges in dieser Sage kann nicht stimmen, so etwa der hier erwähnte wendische männliche Gott Triglav („Dreikopf). Wir wissen, daß es sich um einen griechischen Namen der dreifachen Erdgöttin handelt, daß also erst Missionierer hier eine vorgefundene germanische Gottheit in ihren Schriften mit diesem griechischen Namen bezeichneten, um ihren Lesern zu verdeutlichen, um welche Gottheit es sich handelt. Den germanischen Namen wagte man als Christ nicht zu nennen, da Gottheiten als Dämonen galten und man Sie bei Verwendung Ihrer Namen ungewollt herbeirufen könnte. Tricephalos („die Dreiköpfige
) ist ein Beiname der Hecate⁵, und Hecate ist ein anderer Name für die Mondgöttin Diana. Diana aber wurde bereits im Mittelalter mit der germanischen Göttin Perchta-Holda identifiziert. Ich gehe daher davon aus, daß der Tempel der Göttin Perchta geweiht war, die die Chronisten dann mit dem Beinamen der Diana-Hecate bezeichneten, wie auch der Römer Tacitus überall die lateinischen Namen verwendete, um seinen Lesern germanische Gottheiten nahe zu bringen. Der Beiname deutet darauf hin, daß die Göttin in einer Dreiheit (Himmelswelt, Erde, Unterwelt) verehrt wurde. Es handelt sich also um die germanische Göttin Perchta („die Bergende"), die bei den Wenden Parychta genannt wurde⁶, ansonsten auch Pertae oder Bertha heißt. Diese Form findet sich schon auf einer Votivinschrift von Vistre aus der Gegend von Nimes⁷, 3. Jh.:
»PERTAE EX VOTO«
Sie ist mit Holda oder Holle („die Verhüllende")⁸ sowie der Göttermutter Fria (Frigg) identisch. Burchard von Worms nennt sie im 11. Jh. „Friga-Holda".
Der Chronist hat also die germ. Hauptgöttin Fria/Holle/Perchta vorgefunden und diese – wie seinerzeit üblich – mit Diana/Hecate identifiziert und daher den Hecate-Beinamen Triglav verwendet. Die Gleichsetzung von Diana mit Perchta finden wir z. B. im „Thesaurus", Tegernsee 1468⁹:
»Qui credunt quod Diana, quai vulgariter dicitur fraw Percht«
Im 15. Jh. schreibt Johannes Herolt in „Sermones"¹⁰:
In einer Fassung steht statt „Frau Berthe auch „Frau Helt
(= Holle).
Warum wurde hier nun gerade diese Göttin verehrt? Perchta ist eine Göttin, der zu Ehren man Fische opferte und die Fischreichtum gewährte. Frau Perchta zieht mit der „Wilden Jagd" umher wie Diana, mit der sie die Chronisten ja immer verglichen. Die Wenden aber ernährten sich hauptsächlich von Jagd und Fischfang, so daß diese Göttin für sie eine besondere Bedeutung – hier an der fischreichen Spree – hatte. Und zum Fisch finden wir den Hinweis im deutschen Volksglauben, daß Perchta meist Fisch oder Grütze als Opfergabe fordere¹¹.
Im Jahre 1891 wurde in Schleswig ein alter Reigentanz für die Göttin Perchta aufgezeichnet, dessen Text auch den Fischer erwähnt, sowie Perchtas Wildes Heer¹²:
Übrigens soll auch auf den Müggelbergen ein Bild Triglavs gestanden haben; doch die Sage nennt hier ein Mädchen namens Bertha, was doch unzweifelhaft wiederum die Göttin Perchta ist.
Auch ansonsten enthält die Gründungssage Berlins Dinge, die so nicht stimmen können. Es wäre wohl völlig undenkbar, daß man in einem hölzernen Tempel ein geflochtenes Götterbild mit Gefangenen darin anzündet; das Feuer würde in kürzester Zeit den ganzen Tempel verbrennen und sein Rauch zuvor alle Besucher des Tempels ersticken. Niemals hätte man hier Menschen verbrennen können. Es ist also anzunehmen, daß irgendein Sagenerzähler hier ein wenig „ausgeschmückt" hat, um seiner tendenziösen Schilderung etwas mehr Spannung zu verpassen. Außerdem wollte er wohl die Missionierung der Wenden (Wandalen) rechtfertigen, indem er die übliche Barbarenpropaganda verwendete: Heiden bringen unschuldige, andersdenkende Menschen grausam um, daher sind alle Kreuzzüge (z. B. der Wendenkreuzzug) und Missionierungsmaßnahmen mehr als gerechtfertigt.
Ich habe nun auch herausgefunden, wo sich der offenbar gelehrte Sagenverfälscher die Geschichte mit dem Weidengeflecht hergeholt hat: Aus Julius Caesars „de bello gallico" (der gallische Krieg). Auch Caesar war ein Berichterstatter, der das Interesse hatte, die zu bekriegenden Stämme irgendwie schlecht aussehen zu lassen. Die Stelle handelt von Celten und einem angeblichen celtischen Ritual¹³:
Es ist nun zwar nicht meine Aufgabe, die durchaus zuweilen merkwürdigen celtischen Kulte zu rechtfertigen, aber dennoch kann das nicht unkommentiert so stehen bleiben. Caesar selbst gibt zu, daß es im Normalfall um verurteilte Verbrecher ging, die auf diese Weise hingerichtet wurden. Denn in Kulturen, wo man Gebäude aus Holz hat, gibt es keine festen Gefängnisse; die Verurteilung zu lebenslanger Haft ist also nicht möglich. Eine Ächtung (d. h. Ausstoßung aus der Gemeinschaft) kann bedeuten, daß sich der Verbrecher weiterhin betätigt, vielleicht noch zusammen mit anderen Geächteten zu einer echten Gefahr wird. Deswegen bleibt nichts anderes, als solche Leute hinzurichten, und das geschah im Rahmen eines Opfers. Daß auch Unschuldige geopfert worden sein sollen, halte ich für einen abwertenden freien Zusatz von
