Alles auf neu: Mit Neuro-Paartherapie Beziehungsmuster durchbrechen und zusammen glücklich sein
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Buchvorschau
Alles auf neu - Christine Geschke
Christine Geschke
Alles auf neu
Mit Neuro-Paartherapie Beziehungsmuster durchbrechen und zusammen glücklich sein
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlagmotiv: Verlag Herder
Umschlaggestaltung: Jeanette Dietl/stockyimages/fotolia
E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, München
ISBN (E-Book) 978-3-451-80849-4
ISBN (Buch) 978-3-451-61379-1
Inhalt
Impressum
Vorwort
Paargeschichten aus der Hirnperspektive
Eva und Karl
Habituation und ihre Folgen
Neuropaartherapeutische Analyse
Wie funktioniert unser Gehirn?
Unser Beziehungshirn auf Partnersuche
Sophia und Florian
Die Lösung heißt Umprogrammierung
Alexandra und Julian
Selektive Wahrnehmung – eine Beziehung, zwei Geschichten
Amelie und Matteo
Nachwort
Über die Autorin
Vorwort
Gleich das Tröstliche vorweg: Kaum eine Beziehung verläuft reibungslos. Man argumentiert, diskutiert, streitet zur Not und gibt – bestenfalls – dann nach, wenn der andere die besseren Argumente hat. Oder weil man seinen Frieden haben möchte. Jedes Paar entwickelt seine eigene für sich funktionierende Bewältigungsstrategie. Es gibt aber auch diese Art von Konflikten, die sich schleifenartig und nicht selten über Jahre hinweg unerbittlich wiederholen. Solche, die das Paar nicht aufzulösen schafft. Beim besten Willen nicht. Die Frustration, die bei jedem weiteren gescheiterten Versuch entsteht, höhlt die Beziehung aus und zehrt an unseren Liebesgefühlen. Entweder resigniert das Paar dann und wird unglücklich – manchmal reift der Entschluss, sich zu trennen – oder es wendet sich hilfesuchend an jemanden wie mich. Das ist der Augenblick, in dem mich eine Mail erreicht oder das Telefon in meiner Praxis klingelt. Mit jedem Paar, das zu mir kommt, höre ich eine andere, individuelle Beziehungsgeschichte, die mich in ihren Bann zieht, mitfühlen lässt und mich in meinem beruflichen Know-how herausfordert.
Es ist allgemein bekannt, dass Konflikte, unerfüllte Sehnsüchte nach Liebe und Verlässlichkeit, instabile Beziehungs- und Verlusterfahrungen in unserer Kindheit zu späteren Beeinträchtigungen in unserem Erwachsenenleben und in unseren Partnerschaften führen. Aber könnte es sein, dass es außer den psychologischen Aspekten auch rein hirnbiologische Gründe dafür gibt, dass wir uns in Partnerschaften verhalten, wie wir es tun? Wenn es so wäre, läge dann auch in dieser neuartigen Betrachtung ein entsprechend neuer Ansatz, Probleme in Paarbeziehungen zu lösen. Und genau darum geht es in diesem Buch, in dem ich der Frage nachgehe: Was hat die Funktionsweise unseres Gehirns mit unserem Verhalten in Partnerschaften zu tun? – Eine ganze Menge, wie mir im Laufe meines Arbeitens mit Paaren klar geworden ist und was ich meinen Lesern anhand von anschaulichen Geschichten aus meinem Berufsalltag vorstellen möchte. In der Hoffnung, eine neue Sichtweise zu ermöglichen und damit ein wenig zum Glücklichsein in Liebesdingen beizutragen.
Meine Paargeschichten sind alle wahr. Die zugrunde liegende Problematik des einzelnen Falles entspricht der Wirklichkeit, die Namen, Berufe und Begleitumstände der einzelnen Charaktere sind selbstverständlich so verändert, dass die Identität meiner Klienten geschützt bleibt.
Lassen Sie sich durch diese Beispiele aus meinem Berufsalltag Anregungen dazu geben, einmal anders auf ihre Beziehung zu schauen. Erfahren Sie, wo und wie das Hirn seine Hände mit im Spiel hat. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen Ihnen dabei helfen, eine glücklichere Beziehung zu führen.
Mein Dank gilt denen, die mich tief in ihre Seele blicken ließen und mir vertrauensvoll ihre Geschichten erzählten.
Paargeschichten aus der Hirnperspektive
Eva und Karl
Es war unsere erste Sitzung. Die Tür des Fahrstuhls zu meiner Praxis öffnete sich, und es trat mir eines jener Paare entgegen, bei deren Anblick nicht der leiseste Zweifel entsteht, dass diese Menschen das Glück für sich gepachtet haben. Beide sahen gut aus. Sie trug langes, glattes, blondes Haar, war hochgewachsen und sehr schlank, was selbst unter dem voluminösen Daunenparka offensichtlich war. Auch er war groß, sein Teint von gesunder Farbe, und sein dichtes, dunkelbraunes Haar war ordentlich gescheitelt.
Die Art, wie sie mich mit festem Händedruck und offenem Blick begrüßten, wirkte selbstbewusst und kultiviert. Ich führte sie in den Therapieraum, ging hinter meinen Schreibtisch, setzte mich und bat beide, auf den Stühlen davor Platz zu nehmen.
Die anfängliche Souveränität wich allmählich einer gewissen Nervosität. Ihre Blicke schweiften unsicher durch den Raum, gelegentlich sahen sie mich kurz an, vermieden es aber, einander anzusehen. Das kenne ich und habe großes Verständnis dafür. Es ist nicht einfach, sich mit seinem Innersten zu konfrontieren. Unglückliche Gefühle und Gedanken, die womöglich aus gutem Grund lange unter Verschluss gehalten wurden, sollen nun hier preisgegeben werden. Vor einer Fremden und, meist noch schlimmer, vor dem Partner. Ich blieb ruhig, lächelte sie aufmunternd an und bat beide, so wie alle Paare vor ihnen, mir jeweils nacheinander die Geschichte ihrer Beziehung zu erzählen. Ich erklärte, dass ich aufmerksam zuhören und fleißig alle Informationen sammeln würde. Sollte mir etwas unverständlich sein, würde ich, des besseren Verständnisses wegen, kurz unterbrechen und mir darüber hinaus ein Bild ihrer Beziehungssituation machen.
Um keinem das Gefühl einer Bevorzugung zu geben, überlasse ich grundsätzlich dem Paar die Entscheidung, wer anfangen soll. Normalerweise wenden sich die Partner einander zu und klären das einvernehmlich unter sich:
»Willst du?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht fängst du besser an.«
»Na gut.«
In diesem Fall war es anders. Eva machte sich nicht einmal mehr die Mühe, wenigstens ein Kopfnicken von Karl abzuwarten, sondern konnte offensichtlich gar nicht anders, als einfach loszulegen. Es schien ihr so ein dringendes Bedürfnis zu sein, sich mit ihren angestauten Gefühlen Luft machen zu können und endlich gehört zu werden, dass die Worte nur so aus ihr heraussprudelten.
»Ich bin verzweifelt. Es fing so schön mit uns an. Ich dachte, in Karl jemanden gefunden zu haben, der zu mir und meinem unkonventionellen Leben passt. Der auch meinen Eltern gefällt. Jetzt stellt sich diese Beziehung für mich allmählich als Albtraum heraus. Ich fühle mich kontrolliert, gegängelt und bevormundet. Alles, was ich sage, muss ich auf die Goldwaage legen, um Streit zu verhindern. Ich fühle mich unfrei, dabei habe ich so lange für meine Unabhängigkeit gekämpft.«
Eva beruhigte sich nun ein wenig und wurde in ihrer Erzählung etwas konzentrierter. Ich erfuhr von ihr, dass sie Karl vor ungefähr fünf Jahren kennengelernt hat. Ihre Eltern besitzen in der Provence ein Haus, in welchem die Familie über viele Jahre die meisten Ferien verbrachte. Bis heute ist es so, dass die erwachsen gewordenen Kinder sich dorthin zurückziehen, um sich zu treffen oder dem Alltag zu entfliehen. Ihre langjährige schwierige Beziehung mit einem Mann, den sie schon aus Studentenzeiten kannte, war gerade in die Brüche gegangen und sie wollte sich von den seelischen Strapazen erholen, die der Trennungsprozess verursachte. Sie hatte das Haus für sich und wollte diesen Vorzug nutzen, um endlich einmal ihren Gedanken um die gescheiterte Beziehung nachhängen zu können und um so vielleicht den nötigen inneren Abstand zu finden. In einem Moment, in dem die Gedanken kreisten und sie vor sich hin sinnierte, klingelte das Telefon und eine französische Freundin rief an, um sie zu einem gemeinsamen Abendessen zu überreden. Eva war dann doch froh, der Einsamkeit und dem Trübsinn entkommen zu können, und ging mit. Das typisch provenzalische Restaurant hatte eine kleine Bar, an der die Gäste auf einen Tisch warteten. Karl fiel ihr dort gleich auf. Sie fand, dass er in seinem blauen Anzug konservativ und ein wenig bübchenhaft aussah, gar nicht so französisch cool und leger wie sein Freund, der neben ihm auf dem Barhocker saß. Nur sein wacher, durchdringender Blick, mit dem er seine Umgebung taxierte, erregte ihre Aufmerksamkeit. Die beiden Freunde landeten am Nebentisch, und es dauerte bis zum Dessert, ehe Karls Freund Evas Freundin nach einem Klub in der Nähe fragte, wo man noch einen Drink nehmen könnte – und bei der Gelegenheit gerne auch zusammen. So nahm das Schicksal seinen Lauf.
Eva betonte, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht im Geringsten daran interessiert gewesen war, einen neuen Mann kennenzulernen. Und schon gar nicht jemanden, der mehr der Typ ihrer Eltern war als ihr eigener. Sie war bislang bewusst mit Typen zusammen gewesen, die Ecken und Kanten hatten, die ihr eigenes Ding durchzogen. Ungeachtet elterlicher oder gesellschaftlicher Vorgaben. Karl wirkte in seiner wohlerzogenen Art auf den ersten Blick wie Schwiegermutters Liebling. Und doch ließ sie sich auf ihn ein.
Hier unterbrach Eva ihre Erzählung zum ersten Mal und sah enttäuscht, aber auch wütend zu Karl herüber. Es war mir, als würde sie sich besonders gut an diese Anfangssituation erinnern, die quasi vorauswies auf alles, was weiterhin passieren sollte.
Eva beschrieb, wie erstaunt sie war, dass sich hinter dieser aufgeräumt wirkenden Fassade ein ausgefallener, unkonventioneller und auch lustiger Charakter auftat, der ihr deshalb zunehmend gefiel. Sie verbrachten in den drei verbleibenden Provence-Wochen viel Zeit zusammen. Eva fing an, sich entgegen anfänglichen Bedenken in Karl zu verlieben. Fast zeitgleich flogen die beiden wieder zurück in ihre jeweilige Heimat – Eva nach Deutschland, wo sie eine Werbeagentur leitete, und Karl nach Schottland, wo er im Unternehmen seiner Eltern tätig war.
Die nachfolgende Zeit, so Eva, war sehr schön und aufregend. Karl und sie konnten sich regelmäßig sehen, da Karl geschäftlich häufig in Hamburg zu tun hatte. Die Beziehung ließ sich gut an. Sie verbrachten die Abende, indem sie sich im Schneidersitz gegenübersaßen, die Köpfe eng zusammensteckten,