Jorge: Begegnungen mit einem, der nicht Papst werden wollte
Von Miguel Hirsch
()
Über dieses E-Book
Ähnlich wie Jorge
Ähnliche E-Books
Franziskus: Der Papst der Armen - die exklusive Biografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Franziskus-Komplott: Der einsame Papst und sein Kampf um die Kirche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer schwarze Schatten des Papstes: Die Wahl des Kardinals Ratzinger Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Interview mit Papst Franziskus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlles oder nichts: Der große Wurf der Päpste Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJohannes Paul II. - Vermächtnis und Hypothek eines Pontifikats Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Ratzinger Code Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNichts als die Wahrheit: Mein Leben mit Benedikt XVI. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAus dem Konzil geboren Aus dem Konzil geboren: Wie das II. Vatikanische Konzil der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBenedikt XVI.: in F.A.Z. und Sonntagszeitung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOscar Romero: Anwalt der Armen. Eine Biografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHandwerker der Hoffnung: Papst Franziskus und der interreligiöse Dialog Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJohannes XXIII.: Der Friedens- und Konzilspapst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBergoglios Liste: Papst Franziskus und die argentinische Militärdiktatur. Eine Geschichte von verschwundenen Menschen und geretteten Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBenedikt XVI.: Sein Leben, sein Denken, seine Botschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnd er bewegt sie doch: Wie Papst Franziskus Kirche und Welt verändert Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchafft der Papst die Kirche ab?: Katholischer Glaube und liberale Geisteshaltung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBenedikt von Nursia: Der Werdegang eins spirituellen Meisters - Inspiration für heute Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIm Auge des Sturms: Franziskus, die Pest und die Heilung der Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPaul Schneider – Der Prediger von Buchenwald: Neu herausgegeben von Elsa-Ulrike Ross und Paul Dieterich Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Zurück zu Gott: Der Weckruf von Notre-Dame. Schriften zum Zeitalter der Gottvergessenheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLudwigs Geheimnis und der Heilige Gral Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFranziskus im Heiligen Land: Päpste als Botschafter des Friedens: Paul VI. - Johannes Pauls II. - Benedikt XVI. - Franziskus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerausgeforderter Glaube: Zwischenrufe zu Zeitfragen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie unbewegliche Kirche: Franziskus und die verhinderte Revolution Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFranz von Assisi - Freiheit und Geschwisterlichkeit in der Kirche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKleines Lexikon religiöser Quertreiber: von Urs von Balthasar bis zu Leopold Ziegler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer bin ich? Bonhoeffer als Seelsorger und Zeitgenosse: Auf der Suche nach einer Identität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDietrich Bonhoeffer: Seelsorge im religionslosen Zeitalter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGott und seine Geschichte: Der Präfekt der Glaubenskongregation über Bibel und Glaube Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Christentum für Sie
glauben-hoffen-singen: Liederbuch der Freikirche der S.-T.-Adventisten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStephen Hawking, das Universum und Gott Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5BasisBibel. Die Kompakte. eBook: Die Bibel lesen wie einen Roman. Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Die Bibel: Revidierte Einheitsübersetzung 2017. Gesamtausgabe. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom innersten Grunde - Mystische Schriften Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWarum Gott?: Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit? Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Gemeinsames Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNachfolge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Buch Henoch (Die älteste apokalyptische Schrift): Äthiopischer Text Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBibel trifft Koran: Eine Gegenüberstellung zu Fragen des Lebens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Gespräch mit Gott: Beten mit den Psalmen Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Pardon, ich bin Christ: Neu übersetzt zum 50. Todestag von C. S. Lewis Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Der Heilige Gral und Sexualmagie: Die Geheimlehre des Gral Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Berufung: Eine neue Sicht für unsere Arbeit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Kinderbibel Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Unsere schönsten Weihnachtslieder: Wie sie entstanden, was sie verkünden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie flache Erde oder Hundert Beweise dafür, daß die Erde keine Kugel ist Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeilsame Worte: Gebete für ein ganzes Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLeben in der Nachfolge: Texte von Dietrich Bonhoeffer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen99 neue Weihnachtsgeschichten: Zum Vorlesen in Familie, Kindergarten, Schule und Gemeinde Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Gott oder nichts: Ein Gespräch über den Glauben Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Elberfelder Bibel - Altes und Neues Testament: Revision 2006 (Textstand 26) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Bibel: 100 Bilder - 100 Fakten: Wissen auf einen Blick Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon der Freiheit eines Christenmenschen: Einer der bedeutendsten Schriften zur Reformationszeit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der Rebell - Martin Luther und die Reformation: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie "Christliche Identität" - formen, bewahren und sprachfähig machen: Eine Einführung in die Systematische Theologie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFüße, Fotos, Paprika: Kinder von 7 bis 12 Jahren machen biblische Geschichten. 15 kreative Methoden – 30 fertige Entwürfe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAugustinus: Die Bekenntnisse - Confessiones: Eine der einflussreichsten autobiographischen Texte der Weltliteratur Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNein sagen ohne Schuldgefühle: Gesunde Grenzen setzen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Jorge
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Jorge - Miguel Hirsch
Miguel Hirsch
JORGE
Begegnungen mit einem,
der nicht Papst werden wollte
Logo_herder.jpgImpressum
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal
unter Verwendung eines Fotos von
© dpa/picture_alliance
ISBN (E-Book) 978-3-451-80142-6
ISBN (Buch) 978-3-451-33456-6
Meiner Mutter Irene
und meinen Kindern
Bettina, Pablo und Camila gewidmet
Miguel Hirsch
Der Autor bedankt sich ausdrücklich bei folgenden Personen, die eine wertvolle Mitarbeit beim Zustandekommen dieses Buches geleistet haben:
Marcelo Biasatti, Pablo Graziano, Ricardo Moscato, Elsa Kelly, German Proffen, Gisela und Maximo Stürckow, Mariano de Vedia, Andres Wertheim
Inhalt
EIN NEUER PAPST
Montag, 11. Februar 2013
Die Frage nach dem Nachfolger – aus südamerikanischer Sicht
Das Vorkonklave und die Folgen
Adios, Buenos Aires
Vorentscheidung, Wahl und erste Reaktionen
Die Welt freute sich – mit einer Ausnahme
DER JESUIT »VOM ENDE DER WELT«
Das krisenreiche Verhältnis zur Familie Kirchner
Politische Verortung
Schwere Anschuldigungen
Die entscheidende Rolle von Aparecida
Den meisten Medien ein Unbekannter
Der Rabbi und »der Dicke«
Bergoglios liebstes Revier: die Elendsviertel
Die »curas villeros«
Die Wahlheimat Flores
Erste Liebe?
Das Erlebnis der Berufung
Die Gesundheit
Das Studium
Bergoglios akademischer Weitblick
»Momo«, der Gewerkschafter
Immer wieder Deutschland
ERSTE SCHRITTE IM NEUEN AMT
Die Amtseinführung – beiderseits des Atlantiks
Die erste Reise
Ein unverkennbarer Stil
Bergoglios Denken und Handeln
Verwalter und Wirtschafter
Der Argentinier im Vatikan und der Deutsche in Buenos Aires
Ein Weggefährte
Adressaten wichtiger Botschaften
Wer bin ich, zu verurteilen?
Der Weltjugendtag: Geburtsstunde des Pontifikats
Perspektiven
Anmerkungen
Zum Autor
EIN NEUER PAPST
Montag, 11. Februar 2013
In der Wohnung von Alejandro Russo klingelte am frühen Morgen das Handy. Der Rektor der Kathedrale von Buenos Aires traute der Botschaft zunächst nicht. »Der Papst ist zurückgetreten«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Eine Viertelstunde früher, um 11.54 Uhr MEZ, hatte die Deutsche Presse-Agentur dpa per Blitzmeldung folgende Nachricht in die Welt gesetzt: »Papst Benedikt XVI. gibt Pontifikat am 28. Februar auf.« Die Welt hielt den Atem an. Sieben Minuten später folgte die Klarstellung der dpa: Papst Benedikt XVI. habe bei einem Treffen mit Kardinälen in einer lateinisch gehaltenen Rede angedeutet, wegen seiner angeschlagenen Gesundheit sein Amt zum 28. Februar abgeben zu wollen. Radio Vatikan sprach im deutschen Programm – eine von 39 Sendesprachen – vom Amtsverzicht des Papstes. Es wurde vor allem eine Frage diskutiert: Warum sah sich Joseph Ratzinger plötzlich nicht länger in der Lage, die Weltkirche zu regieren? War Benedikt XVI. krank oder am Ende seiner Kräfte? War er ins Visier der Mafia geraten? Oder hatte er Petri Stuhl geräumt, um es auf diese Weise den Kurienmitgliedern heimzuzahlen, die ihm mit Skandalen und Unterlassungen das Regieren so erschwert hatten?
In Buenos Aires, in 13.000 Kilometern Entfernung, feierten die Argentinier an diesem heißen Montagmorgen den Karneval. Millionen Menschen hatten die Brückentage Montag und Dienstag zwischen dem Wochenende und dem Aschermittwoch dazu genutzt, einen Kurzurlaub einzulegen. Die pulsierende Hauptstadt Argentiniens, der kulturelle Mittelpunkt Südamerikas, mit ihren fast drei Millionen Einwohnern war wie leergefegt. Eine Geisterstadt. Alejandro Russo setzte sich sofort nach Erhalt der Nachricht mit dem Kardinal der Erzdiözese Buenos Aires, dem Jesuiten Jorge Mario Bergoglio, in Verbindung.
»Eminenz, der Papst ist zurückgetreten. Wissen Sie etwas davon?«
Den als Sohn italienischer Einwanderer am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires geborenen Bergoglio, der 1958 als damals 22-Jähriger in das Noviziat des Jesuitenordens eingetreten war, erreichte der Anruf in dem kleinen, einfachen Dienstzimmer, das er an der Kathedrale hatte, nur 100 Meter vom Regierungspalast (der Casa Rosada) entfernt, also direkt an der Plaza de Mayo, mitten im Regierungsviertel der argentinischen Hauptstadt.
»Ich bekomme einen Anruf nach dem anderen, aber aus Rom hat mich bislang noch niemand informiert. Weißt du Näheres?«, fragte Bergoglio bei Russo nach.
»Ich habe die Papstrede gerade im Fernsehen gesehen.«
»Wo bist du jetzt?«
»Bei mir zu Hause. Ich liege im Bett.«
»Dann zieh dich an und komm zu mir ins Büro.«
Russo brauchte keine halbe Stunde, um die Calle San Martín 42 zu erreichen und durch einen kleinen Nebeneingang zu Bergoglios Dienststelle zu gelangen. Der Kardinal, dessen Wohnung sich im gleichen Gebäude, dem Sitz des Erzbischofs von Buenos Aires, befand, telefonierte gerade.
»Grazie, grazie«, hörte er Bergoglio sagen.
»Warum bedankst du dich?«, fragte Russo.
»Sie wollen für mich beten«, erwiderte Bergoglio und bezog sich damit auf die letzten Worte seines Gesprächspartners aus dem Vatikan: »Pregiamo per te.« Einigen in Rom war bekannt, dass Bergoglio seit seiner Bischofsernennung immer um ein Gebet bat. Es ist eines seiner Markenzeichen, mit dem er zum Ausdruck bringen möchte, dass er sich der Grenzen seines Wirkens bewusst ist und sich stets auf Gottes Hilfe angewiesen weiß.
Joseph Ratzinger habe eine revolutionäre Geste vollbracht, die einen Umschwung in der Geschichte des Vatikans bedeuten würde – so Bergoglios erste Stellungnahme, die er Russo nach Beendigung seines Telefonats anvertraute.
Noch am Vortag hatte er, wie stets, Klartext geredet und die Argentinier dazu aufgerufen, dem »Imperium des Geldes« und dessen teuflischen Auswirkungen abzuschwören und sich dem Wechsel zu öffnen. »Langsam gewöhnen wir uns daran, über die Medien die traurige Realität der heutigen Gesellschaft verkündet zu bekommen. Wir leben mit einer tödlichen Gewalt zusammen, einer Gewalt, die uns umbringt und Familien auseinanderdividiert, einer Gewalt, die Kriege und Konflikte schürt«,¹ hatte er zu Beginn der Fastenzeit erklärt.
Die Frage nach dem Nachfolger – aus südamerikanischer Sicht
In Brasilien, dem größten Land Südamerikas, galt seit der Bekanntgabe des Rücktritts von Benedikt XVI. Dom Odilo Pedro Kardinal Scherer aus der Megalopolis São Paulo als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf den Stuhl Petri. Der Nachfahre deutscher Einwanderer aus dem Saarland, der außer Deutsch und Portugiesisch auch Englisch und Französisch beherrscht, 2007 in den Kardinalsstand berufen wurde und die größte brasilianische Diözese leitet, galt als konservativ und weltgewandt. Wegen des Weltjugendtages, der im Juli 2013 in Rio de Janeiro stattfand, schaute man mit besonderem Interesse auf den jüngsten der fünf Kardinäle, die Brasilien zur Papstwahl zum Konklave entsandte – schließlich würde die Stadt am Zuckerhut zum Ziel der ersten Auslandsreise des neuen Heiligen Vaters werden. Zwar wusste in Brasilien vor Mitte März noch niemand, ob der neue Würdenträger beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro die Massen auf Portugiesisch begrüßen würde – aber heißt es nicht im Volksmund, dass Gott ein Brasilianer sei?
Die Brasilianer ihrerseits sahen in Kurienkardinal Leonardo Sandri, der mit 69 Jahren sechs Jahre älter als Kardinal Scherer und neben Jorge Mario Bergoglio zweiter argentinischer Kardinal im Konklave war, ebenfalls einen ernstzunehmenden Kandidaten. Sandri, der bereits als Nuntius in Mexiko und Venezuela gewesen war, hatte in seiner damaligen Position als Substitut im vatikanischen Staatssekretariat in der Nacht vom 2. April 2005 die traurige Aufgabe zu erfüllen, auf dem Petersplatz den Tod von Johannes Paul II. zu verkünden. Sandri wurde 2007 von Benedikt XVI. zum Kardinal ernannt.
Jorge Bergoglio, stärkster Konkurrent von Joseph Ratzinger beim Konklave von 2005, wurde 1997 zum Erzbischof von Buenos Aires und 2001 zum Kardinal ernannt. Er galt wegen seines Alters von 76 Jahren eher als ein Außenseiter für die Nachfolge des zurückgetretenen Papstes. Bergoglio hatte Benedikt XVI. bereits im Dezember 2011 seinen Amtsverzicht angeboten. Längst hatte der Jesuit geplant, in die Residenz für ältere Priester zu gehen, in das schlichte Heim in der Straße Condarco im Stadtteil Flores, wo er geboren wurde. Aber Benedikt XVI. entschied anders und verlängerte Bergoglios Amtszeit als Erzbischof dieser großen Diözese um weitere zwei Jahre – weit mehr als eine päpstliche Höflichkeitsgeste, die in solchen Situationen üblich ist. Trotzdem rechnete der Argentinier im Innern fest damit, noch im Laufe des Jahres 2013 aus diesem Amt entlassen zu werden, auch wenn er gegenüber seinen engsten Mitarbeitern durchaus nicht den Anschein erweckte, wegen seines Alters oder aus gesundheitlichen Gründen abdanken zu müssen.
Der Gedanke, dass sich die Zukunft des Kardinals außerhalb von Buenos Aires abspielen könnte, war den meisten Vertrauten von Jorge Bergoglio völlig fremd. Zu tief war Bergoglio in den Sitten und Gebräuchen seiner geliebten Geburtsstadt verwurzelt. Es gab jedoch auch Stimmen, die dem Kardinal in Europa dennoch nicht unerhebliche Chancen einräumten, darunter die Mitglieder der argentinischen Bischofskonferenz. So hatte deren Sprecher, Federico Walls, schon wenige Stunden nach dem historischen Rücktritt von Papst Benedikt XVI. erklärt, dass Bergoglio in ganz Lateinamerika ein sehr respektierter Kandidat sei.² Während bei den Buchmachern in der britischen Hauptstadt der Name von Jorge Bergoglio weit abgeschlagen auf Platz 44 zu finden war, hatten offenbar einige wenige in den kirchlichen Kreisen von Buenos Aires den Kardinal nicht gänzlich abgeschrieben.
Warum auch sollte Jorge Mario Bergoglio dieses Mal erneut am Votum der Kardinäle scheitern? Schließlich war der Argentinier vielen der Kardinäle, die am letzten Konklave vor acht Jahren teilgenommen hatten, sehr gut in Erinnerung geblieben. Schon damals galt der Südamerikaner einigen italienischen wie französischen Medien als weltoffener, behutsamer Vermittler.
Die Regierung in Buenos Aires, wie es hieß, favorisierte den kanadischen Kardinal Marc Ouellet, den Präfekten der Kongregation für die Bischöfe und Vorsitzenden der Kommission für Lateinamerika. Für die meisten Kurienkardinäle galt Bergoglio zunächst als Außenseiter. Nicht so für den Kardinalbischof und Leiter des Konklaves Giovanni Battista Re, einen engen Freund und starken Befürworter seiner Kandidatur. Re könnte hinsichtlich einer Mehrheitsfindung eine entscheidende Rolle auf dem Weg Bergoglios zum Oberhaupt der katholischen Kirche gespielt haben. Viele Kardinäle begrüßten, dass der Argentinier über keine eigene Lobby verfügte. Nach Auskunft der ehemaligen Menschenrechtlerin Alicia Oliveira – einer langjährigen Freundin und Vertrauten von Bergoglio, deren jüngster Sohn sein Patenkind ist – soll es um Héctor Aguer, den Erzbischof der argentinischen Provinzhauptstadt La Plata, Kreise gegeben haben, die seine Kandidatur kolportierten. Oliveira kennt Bergoglio seit Anfang der 70er-Jahre und ist auf Einladung von Cristina Kirchner zur Amtseinführung nach Rom in der Präsidentenmaschine mitgeflogen.
Der neue Papst solle ein