Fleischatlas 2016: Deutschland Regional / Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel
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Über dieses E-Book
Immer mehr Menschen möchten wissen, wie ihre Lebensmittel und vor allem das Fleisch, das sie essen, hergestellt werden. Sie stellen sich Fragen nach den Auswirkungen der Fleischproduktion auf Umwelt, Gesundheit und Gerechtigkeit. Das ermutigt viele Initiativen und Unternehmen, sich für eine ökologische Form der Tierhaltung einzusetzen. Doch gleichzeitig werden immer neue Megaställe genehmigt, wird die Fleischproduktion für die internationalen Märkte ausgeweitet.
Der neue Fleischatlas 2016 – Deutschland Regional wirft einen Blick in die Bundesländer und zeigt anhand vieler Beispiele anschaulich, wie die gesellschaftlichen Ansprüche und die Realität der Fleischproduktion an vielen Orten weit auseinanderklaffen.
Heinrich-Böll-Stiftung
Demokratie und Menschenrechte durchsetzen, gegen die Zerstörung unseres globalen Ökosystems angehen, patriarchale Herrschaftsstrukturen überwinden, in Krisenzonen präventiv den Frieden sichern, die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Übermacht verteidigen – das sind die Ziele, die Denken und Handeln der Heinrich-Böll-Stiftung bestimmen. Sie ist damit Teil der "grünen" politischen Grundströmung, die sich weit über die Bundesrepublik hinaus in Auseinandersetzung mit den traditionellen politischen Richtungen des Sozialismus, des Liberalismus und des Konservatismus herausgebildet hat. Organisatorisch ist die Heinrich- Böll-Stiftung unabhängig und steht für geistige Offenheit. Mit derzeit 29 Auslandsbüros verfügt sie über eine weltweit vernetzte Struktur. Sie kooperiert mit 16 Landesstiftungen in allen Bundesländern und fördert begabte, gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland. Heinrich Bölls Ermunterung zur zivilgesellschaftlichen Einmischung in die Politik folgt sie gern und möchte andere anstiften mitzutun.
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Buchvorschau
Fleischatlas 2016 - Heinrich-Böll-Stiftung
Vorwort
Immer mehr Menschen möchten wissen, wie ihre Lebensmittel und vor allem das Fleisch, das sie essen, hergestellt werden. Das ist gut so. Sie stellen sich Fragen nach den Auswirkungen der Fleischproduktion auf Umwelt und Gesundheit. Sie wollen wissen, ob es bei der Futtermittel- und Fleischproduktion faire und gerechte Arbeits- und Lebensbedingungen gibt und wie die Tiere, von denen Fleisch und Wurst stammen, gehalten werden. Mehr als 80 Prozent der Deutschen sind – laut einer Umfrage des Landwirtschaftsministeriums von März 2015 – bereit, höhere Preise für Fleisch und Wurst zu zahlen, wenn sie dadurch zu besseren Haltungsbedingungen der Tiere beitragen. Nicht mehr die Preise allein bestimmen die Kaufentscheidungen, und immer mehr Menschen in Deutschland reduzieren ihren Fleischkonsum.
Das ermutigt viele unterschiedliche Initiativen, Organisationen und Unternehmen, stärker für eine nachhaltige Form der Tierhaltung und des Fleischkonsums einzutreten. Weniger ist mehr, so lautet die Devise – dafür in guter Qualität und zu fairen Preisen. Bauern, Bäuerinnen und Konsument/innen gründen gemeinsam Produktionsgemeinschaften im Rahmen der solidarischen Landwirtschaft. Züchter erhalten die alten Tierrassen. Handwerkliche Schlachtereien und Köche haben das Ziel, möglichst viele Teile vom Tier zu verwerten. Sie erwecken so fast vergessene Gerichte wie Kutteln, Blutwurst oder Zunge zu neuem Leben. Und noch ein Trend: Bauern, Schlachter und Start-up-Unternehmen schließen sich zusammen, um Fleisch von Tieren aus Freilandhaltung und aus der Region zu vermarkten, denn die Nachfrage nach solchen Produkten ist groß.
Gleichzeitig kämpfen in vielen Orten der Republik Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung. Sie waren in den letzten Jahren durchaus in der Lage, einige riesige Mastbetriebe zu verhindern. In Brandenburg wurde sogar ein Volksbegehren gegen Massentierhaltung gestartet.
Eines haben all diese Initiativen gemeinsam: sie wertschätzen eine bäuerliche Landwirtschaft, die zu einer vielfältigen Ernährung beiträgt, den Boden erhält und das Klima schützt. Die lebendige ländliche Räume erhalten will und für die ein achtsamer Umgang mit Tieren von besonderer Bedeutung ist. Zudem bleibt mit einer solchen Landwirtschaft die lokale und globale Gerechtigkeit nicht auf der Strecke.
Dieser positive gesellschaftliche Aufbruch steht jedoch im diametralen Gegensatz zu der Entwicklung des industriellen Fleischsektors in Deutschland, denn es werden immer neue Megaställe genehmigt. Die Bundesregierung und die Fleischindustrie setzen tatsächlich auf eine Ausweitung der Fleischproduktion und eine immer stärkere Exportorientierung. Immer mehr Schweine und Hühner finden deshalb aus deutschen Landen ihren Weg auf den Weltmarkt, während die Bürgerinnen und Bürger neue Wege des nachhaltigen Konsums suchen.
Diese Gegensätze möchte der Fleischatlas Regional aufzeigen. Er wirft den Blick in die deutschen Bundesländer und zeigt beispielhaft, wie die gesellschaftlichen Ansprüche und die Realität der Tierproduktion oftmals auseinanderklaffen. Immer mehr mittlere und kleine Betriebe geben die Tierhaltung auf, während neue Megaställe bewilligt werden – Nitratbelastung der Böden, prekäre Arbeitsbedingungen und Verstöße gegen das Tierschutz-recht inklusive. Aber der Atlas zeigt auch, dass es Möglichkeiten der politischen Gestaltung gibt. So hat beispielsweise Sachsen-Anhalt im letzten Jahr als erstes Bundesland einem der größten Sauenhalter der Republik die Haltung der Tiere verboten, nachdem gravierende Verstöße gegen den Tierschutz
bekannt geworden waren. Dadurch hat sich die Debatte um die Haltung von Sauen, die noch immer einen Teil ihres Lebens qualvoll in engen Kastenständen verbringen müssen, neu entfacht und endlich zu einer kritischen Debatte in Deutschland geführt. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern dürfen ab 2017 in der Geflügelhaltung keine Schnäbel und in Nordrhein-Westfalen den Schweinen nicht mehr die Ringelschwänze gekürzt werden. Beides war jahrelang gängige Praxis, da sich die Tiere aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen sonst häufig verletzen.
All diese ersten Schritte hätte es ohne den öffentlichen Druck auf die Fleischwirtschaft nicht gegeben. Der Fleischatlas Regional liefert Daten und Fakten, die helfen, dass der politische Druck auf die Bundes- und Landesregierungen weiter wächst und eine grundlegende Trendumkehr eingeleitet wird. Der Wandel in der Tierhaltung ist keine Bedrohung für den Berufsstand, sondern eine Chance für eine zukunftsorientierte bäuerliche Landwirtschaft.
Barbara Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung
Hubert Weiger, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Der große Strukturwandel
Viehhaltung und Fleischproduktion in Deutschland ändern sich schnell. Fast überall geben Betriebe auf. Doch die Erzeugung steigt, und bei gleichbleibendem Verbrauch nehmen die Exporte zu.
In Geld gemessen, ist die Landwirtschaft in Deutschland nur noch wenig bedeutend. Gemeinsam mit Fischerei und Forstwirtschaft macht sie weniger als ein Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus und beschäftigt gerade einmal 1,5 Prozent der Erwerbstätigen. Die Tierhaltung ist ihr wichtigster Produktionszweig. Von den über 50 Milliarden Euro, die die deutschen Landwirte und Landwirtinnen erwirtschaften, entfallen etwa 11 Milliarden Euro auf die Milch-erzeugung, 7,5 Milliarden Euro auf Schweinefleisch, 4 Milliarden Euro auf Rind- und Kalbfleisch und etwa 2,3 Milliarden Euro auf Geflügelfleisch. Die Erzeugung von Geflügel- und Schweinefleisch ist in den letzten zehn Jahren stark angestiegen.
Der deutliche Zuwachs der Erzeugung ging mit einem drastischen Strukturwandel einher. Mithilfe neuer Produktionsmethoden wie Melkmaschinen, automatisierter Fütterung oder Ställen mit Spaltenböden, die das Ausmisten unnötig machen,