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Roter Zirkon: Eifel-Thriller
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eBook355 Seiten4 Stunden

Roter Zirkon: Eifel-Thriller

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Über dieses E-Book

In einem hochmodernen Forschungszentrum auf dem Gelände der einstigen Nazi-Burg Vogelsang, mitten im Nationalpark Eifel, arbeitet ein internationales Expertenteam unter Leitung von Professor D'Aubert auf Hochtouren an einem Forschungsprojekt von höchster energiepolitischer Brisanz.
Forscher entdeckten in einem Milliarden Jahre alten Meteoriten einen großen roten Zirkonkristall, der zu ihrer Überraschung von einem völlig unbekannten Kraftfeld umgeben war. Die Sensation: Gegenstände im Einflussbereich dieses Kraftfeldes verlieren deutlich an Gewicht. War in diesem roten Zirkon eine Materie enthalten, die der Anziehungskraft der Erde entgegenwirkt und könnte die Erforschung dieses geophysikalischen Geheimnisses die Energieprobleme unserer Erde minimieren?
SpracheDeutsch
Herausgebermainbook Verlag
Erscheinungsdatum4. Dez. 2015
ISBN9783944124957
Roter Zirkon: Eifel-Thriller

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    Buchvorschau

    Roter Zirkon - Bert Saurbier

    www.mainebook.de

    1

    „Hey Jemy, übertönte Allen den eingeschalteten, übergroßen Flachbild-Fernseher, „wann ist Bill heute Morgen mit den beiden gestartet?

    „Ich glaube, rief sie aus der Küche zurück, „so gegen 9 Uhr. Wenn draußen bei den Murray-Grey-Rindern alles in Ordnung war, müssten sie jeden Moment nach Hause kommen. Warum fragst du?

    „Du weißt doch, erwiderte ihr Mann etwas ungehalten, „die Unterrichtsstunde beginnt in 30 Minuten, und gerade heute sollten Mia und Bob nichts davon verpassen.

    Es waren noch keine zwei Minuten vergangen, als er Jemys erfreute Stimme vernahm: „Ich glaube, sie kommen. Ja, ich kann das Knattern unseres R22 schon hören. Ich werde die zwei Wirbelwinde direkt zu dir ins Wohnzimmer schicken."

    Das Ehepaar Jemy und Allen McPhearson hatte vor 15 Jahren die 1600 Quadratkilometer umfassende Superior Rinderfarm von seinen Eltern übernommen. Mittlerweile zählte dieses im tiefsten Outback zwischen Kimberley und der Tamara-Wüste gelegene Ruby Plains-Unternehmen mit über 200.000 Rindern zu den größten Fleischexporteuren von Down Under.

    Ein Hinweis auf ihren inzwischen erlangten Wohlstand war ein auf den ersten Blick unscheinbar naiv wirkendes, 60 x 120 cm großes, vorwiegend in dunklen braunroten Farben gehaltenes Gemälde an der den Fenstern gegenüberliegenden Wand des Wohnzimmers. Ein 1985 von Rover Thomas geschaffenes Werk mit dem Titel „Tjadarung", was so viel wie Rainbow bedeutet. Rover Thomas, der bekannteste Künstler der Aborigines, in seiner Sprache hieß er Julama, starb am 11.4.1998. Posthum wurde ihm von der Universität Perth der Ehrendoktortitel verliehen. Sein bevorzugtes Thema waren die endlosen Wüsten des Outbacks. Er zählte inzwischen zur Weltklasse zeitgenössischer Maler. Seine Bilder waren gefragt und erzielten Höchstpreise.

    Dass sich Allen McPhearson, der Chef dieses riesigen Homesteads, fast zwei Stunden Zeit für diese gleich beginnende ‚School-on-the-Air‘-Sendung nahm, hatte zwei Gründe. Erstens gab es heute eine Unterrichtsstunde über Grundwissen der Astrophysik. Allen McPhearson war, warum auch immer, von den unfassbaren Unendlichkeiten des Universums fasziniert.

    Zweitens gab Jack Kelly, Dozent der ‚School on the Air’ aus Alice Springs und Organisator des anstehenden Klassentreffens, einen ausführlichen Bericht über das vorgesehene Aktivitätsprogramm ab. Die McPhearsons, einschließlich der gesamten Mitarbeitermannschaft, waren stolz und glücklich, dass man in diesem Jahr ihre Farm als Treff- und Ausgangspunkt dieser Lehrer- und Schülerbegegnung ausgewählt hatte.

    Diesen Meetings kam eine hohe soziale Bedeutung zu. Im Allgemeinen kannten sich Lehrer und Schüler nur vom Bildschirm her. Diese meist ein paar Tage dauernden Begegnungen dienten dem persönlichen Kennenlernen in fröhlicher Runde und bei gemeinsamen Tagesausflügen.

    ‚Das größte Klassenzimmer der Welt‘ gab es im australischen Outback. Auf einer Fläche, fast dreifach so groß wie Deutschland, fand der Unterricht per Bildschirm und Webcam über Satelliten-Internet statt. Im dünn besiedelten Outback lagen die Farmen Hunderte von Kilometern voneinander entfernt. Ein üblicher Schulbetrieb war nicht möglich.

    Die McPhearsons hatten vor etwa zehn Jahren nahe der Hofanlagen ein Gästehaus mit über 30 einfachen Hotelzimmern erstellt, welches dank der zunehmenden Beliebtheit von Ferien im Outback ständig auf Wochen ausgebucht war. Die Gästebetreuung gewann zunehmend an Bedeutung. Die Begegnung mit den verschiedensten Menschen aus aller Welt erwies sich als eine Art Befreiung aus der Einsamkeit des Farmerdaseins in den Unendlichkeiten des australischen Landesinneren. Ein Vorteil war, dass die Erreichbarkeit der Ruby Plains-Farm für western-australische Verhältnisse recht gut war.

    Sie waren im Besitz einer Start-Lande-Piste für kleinere Flugzeuge, eines nahen Hubschrauberlandeplatzes und einer nicht zu unterschätzenden Anbindung an drei bedeutende australische Verkehrswege. Im Nord-Westen wurde das Ruby Plains-Areal vom Great Northern Highway und im Norden vom Duncan Highway begrenzt. Die von Alice Springs ausgehende nordwestlich verlaufende Tanami Road durchquerte sogar die östlichen Regionen der Farm.

    Der Gästebereich hatte sich zu einem lukrativen wirtschaftlichen Faktor entwickelt.

    In den kommenden fünf Tagen war das Gästehaus komplett für das Klassentreffen reserviert. 22 Schüler, 5 Mädchen und 17 Jungs sowie 3 Lehrer und 4 Begleitpersonen, darunter ein Arzt und eine Krankenschwester, würden in der kommenden Woche die Gastfreundschaft der McPhearsons und ihrer Mitarbeiter genießen können. Gastgeber und Gäste fieberten gleichermaßen mit frohen Erwartungen dem Beisammensein entgegen.

    Noch ahnte niemand, dass einer der Gruppe am letzten Tag des Treffens während des Ausflugs in das nördliche Gebiet des Purnululu-Nationalparks, eine mysteriöse Begegnung haben würde. Das, was dort geschah, würde sein Leben verändern und hatte das Potenzial, die Welt aus den Angeln zu heben.

    2

    Maria D’Aubert musste sich fast gewaltsam von dem berauschenden Blick über das unendliche silbrige Blau des Pazifiks, das weit draußen vom milchigen Weißgrau des Himmels übernommen wurde, losreißen, als irgendwo im hellen geräumigen Wohnzimmer das Handy musizierte.

    „Hallo Stephan, rief sie überrascht und drehte der lichtüberfluteten Fensterfront den Rücken zu, „mit einem Anruf von dir habe ich nicht gerechnet. Es ist gerade mal 12 Uhr. Was gibt’s denn?

    „Hallo Liebes, heute Mittag bekam ich unangemeldeten Besuch von zwei Herren aus Deutschland. Du wirst genauso überrascht sein wie ich. Der eine, Carlo Hammerschmitt, seines Zeichens Staatssekretär im deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung. Der zweite Herr, Hans Rosenfeld, nach seinem Erscheinungsbild ein mit allen Wassern gewaschener, aber nicht unsympathischer Geschäftsmann. Ich vermute mal, dass in seinen Adern ein Schuss arabisches Blut fließt. Dafür sprechen seine scharf geschnittenen Gesichtszüge mit der kräftigen, leicht gebogenen Nase, die schwarzbraunen Augen und das schwarze Haar. Und jetzt wird’s interessant. Die beiden erklärten mir, dass sie wegen der Dringlichkeit und vor allem auf Grund allerhöchster Geheimnisstufe auf eine schriftliche und erst recht fernmündliche Vorankündigung hätten verzichten müssen. Sie baten mich, mir unter allen Umständen heute Nachmittag für ein ausführliches Gespräch Zeit zu nehmen. Es wäre ihnen lieber, auch wieder aus Geheimhaltungsgründen, wenn dieses Gespräch nicht in meinem Institut, sondern an einem unauffälligen Ort stattfinden könnte. Sie nahmen gerne meinen Vorschlag an, das Gespräch bei uns zu Hause zu führen. Stell dir vor, die wussten genau, wo wir in Montecito wohnen."

    Nach einer kurzen, durch die Überraschung bedingten Pause, reagierte Maria: „Das klingt eigenartig und macht mich neugierig. Was kann ich tun, soll ich etwas vorbereiten?"

    „Bitte mach dir nicht zu viel Mühe. Es reicht, wenn du einen guten Kaffee kochst und im Wohnzimmer oder besser auf der Terrasse den Tisch eindeckst. Ich werde heute Korinna und René in Goleta abholen. Ist ja vom Campus aus nur ein Katzensprung. Ich werde auch ein paar Stücke Kuchen mitbringen. Da gibt es doch, wenn ich mich recht erinnere, eine vorzügliche Konditorei nicht weit vom Kindergarten der Waldorfschule entfernt. Ich schätze, dass ich mit den beiden Kleinen so gegen 15 Uhr da bin. Die Herren wollten um 16 Uhr eintreffen. Weißt du was, meine Liebe? Ich glaube, ich bin ein wenig aufgeregt. Was die wohl im Gepäck haben? Aber irgendwie hört sich die Sache gut an. Also bis gleich. Moment, bist du noch in der Leitung? Ja! Ich wollte dir nur noch sagen, kokettierte Stephan jetzt, „du brauchst dich nicht groß herauszuputzen. Du bist so oder so immer die Schönste. Bis gleich, mein Schatz.

    „Danke, du unverbesserlicher Charmeur."

    Aus Marias Gesicht verschwand das Lächeln. Sie ließ die in diesem Moment aufkommenden sorgenvollen Gedanken, die sich in letzter Zeit immer öfter aufgedrängt hatten, widerstandslos zu.

    3

    Jack Kelly aus Alice Springs, erfahrener Organisator und Mädchen für alles, klopfte um Aufmerksamkeit bittend mit dem Kaffeelöffel gegen seine Tasse. Dieses grell klingende Signal störte und überraschte niemanden mehr, da man sich schon an diese Zeremonie nach dem gemeinsamen Frühstück gewöhnt hatte. Dennoch schenkten alle Teilnehmer des Klassentreffens dem knochigen, groß gewachsenen Mann die volle Aufmerksamkeit. Kelly blieb seiner Gewohnheit treu und fuhr sich, bevor das erste Wort über seine Lippen kam, mit den gespreizten Fingern seiner rechten Hand kräftig durch das dichte, leicht gewellte rote Haar. „Liebe Mädchen, liebe Jungs und liebe Freunde. Mit diesem Frühstück hat der fünfte und damit leider auch letzte Tag unseres Klassentreffens begonnen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen für ein dickes Dankeschön. Als erstes danke ich im Namen aller Anwesenden dem Ehepaar Jemy und Allen McPhearson von ganzem Herzen für die Gastfreundschaft. Bedanken müssen wir uns auch bei den vielen Mitarbeitern der Ruby Plains, die, ich möchte fast sagen, rund um die Uhr für uns da waren. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass dieses Klassentreffen für jeden eine bleibende Erinnerung sein wird. Wenn kein unvorhersehbares Missgeschick aufkreuzt, das kann ich euch versprechen, wird der letzte Tag heute ein ganz besonders eindrucksvolles Erlebnis werden." Kelly legte eine kleine Pause ein, um dem begeisterten Applaus Raum zu geben.

    Niemand konnte in diesem Moment ahnen, dass er mit dem Versprechen weit untertrieben hatte.

    Der jetzt einsetzende, kaum zu bremsende Rede- und Bewegungsdrang der Jugendlichen wurde erneut vom energischen Hämmern auf der gefährdeten Kaffeetasse unterbrochen. „Liebe Schülerinnen, liebe Schüler der ‚School on the Air‘. Erlaubt mir bei dieser Gelegenheit noch ein paar Anmerkungen zum tieferen Sinn dieser unserer Klassentreffen. Ihr, die ihr und eure Familien im endlosen Outback unseres Känguru-Kontinents lebt, müsst auf so viele Dinge verzichten, die bei anderen Menschen zur Selbstverständlichkeit des Alltags gehören. Mal eben um die Ecke gehen zum Einkaufen in einem klimatisierten Supermarkt oder zu einem kühlen Bierchen in der Eckkneipe. Mal eben einen Tisch bestellen in einem edlen Restaurant oder zur Post gehen, am Kiosk eine Illustrierte kaufen und einen lustigen Plausch mit dem Nachbarn halten. Ursache für dieses Andersleben sind die gewaltigen Entfernungen. Einige eurer „benachbarten Homesteads liegen weiter entfernt als Sydney von Newcastle. Allein unsere ‚School on the Air‘ versorgt mit ihrem Unterricht von Alice Springs aus ein Gebiet von 1,3 Millionen Quadratkilometern, und in diesem riesigen Klassenzimmer gibt es wegen der dünnen Besiedlung lediglich 140 Schüler. Die riesigen Distanzen sind leider auch dafür verantwortlich, dass relativ wenige Schüler an den Klassentreffen teilnehmen können. Ich muss und will an dieser Stelle nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal darauf hinweisen, dass die jährlichen Begegnungen unserer Lehrer und Schüler von elementarer Bedeutung sind. Sie helfen zu verhindern, dass ihr mit der Zeit zu weltabgeschiedenen Eremiten, zu ungenießbaren Eigenbrötlern oder spröden Zönobiten mutiert. Gott sei Dank haben die technischen Errungenschaften der letzten Jahre dazu beigetragen, die totale Isolation zu verhindern. Ich denke hier an unser Schulsystem, an den Royal Flying Doctor-Service, an Versorgungsflugzeuge und -hubschrauber. Natürlich Satellitenfunk und -fernsehen. Auch wenn es für euch junge Leute schon alltägliche Selbstverständlichkeit ist, so möchte ich bei dieser Gelegenheit nochmals auf die große Bedeutung der modernen Solar- und Windkrafttechnik hinweisen. Früher war Energie, das Lebenselixier aller Technik, im Outback wegen der immensen Transportkosten für Öl, Kohle oder Gas fast unbezahlbar.

    Waren es die Gesetze des Zufalls oder irgendwelche parapsychologischen Kraftfelder, die Jack Kelly veranlassten, die abschließenden Worte der Bedeutung der Energie zu widmen? Denn heute sollte er einem außergewöhnlichen Ereignis begegnen, das alles rund um das Thema Energie im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf stellen würde.

    „So, genug der Worte, jetzt müssen Taten folgen. Raus mit euch und verteilt euch auf die sechs bereitstehenden Pick-ups." Der dafür verantwortliche Kollege Kellys bestätigte, dass die Fahrzeuge mit allem bestückt waren, was eine Horde Schüler für einen abenteuerlichen Tagesausflug in die weitgehend unerforschte und zerklüftete Felsregion des nördlichen Purnululu-Nationalparks benötigte.

    Vier General-Motors Division GMC Allrad-Fahrzeuge mit übergroßen Rädern aus dem Ruby Plains-Fuhrpark, ein VW Amaok DK Highline TDI von der Gold-Ore-Farm und ein Isuzu D-Max Maximum, der von der Foreigne Mountain Farm gekommen war, setzten sich, eine dichte rotbraune Staubwolke aufwirbelnd, in Bewegung. Vor dem Pick-up-Konvoi lag als erste Etappe eine rund 60 Kilometer lange, holprige Schotterpiste, die sie mitten durch eine rotbraune wüstenähnliche Landschaft führte. Vereinzelte karge Hecken oder Baumgruppen gaben ein kümmerliches Bild ab. Jack Kelly, der per Funksprechanlage mit allen Fahrzeugen der Kolonne verbunden war, machte auf einige Boab Trees aufmerksam: „Diese vorwiegend in der Kimberley-Region anzutreffenden Bäume geben, wie ihr seht, ein eigenartiges Bild ab. Sie sind mit dem afrikanischen Affenbrotbaum verwandt. Die Boabbäume werden nur mäßig hoch. Schaut euch die Stämme an, die scheinen lieber in der Breite als in der Höhe zuzulegen. Im Laufe der vielen Jahre nehmen diese eine typische Flaschenform an. In diesen Stämmen kann viel Wasser gespeichert werden. Damit gelingt es dem australischen Boabbaum, längere Dürreperioden zu überstehen. Übrigens, die Aborigines behaupten, dieser Baum sei verkehrt in die Erde gesteckt worden, denn die bizarren, blätterarmen Äste sehen aus wie das Wurzelwerk eines Baumes."

    Nach gut anderthalb Stunden die Erleichterung. Der Duncan Highway mit einer angenehm befahrbaren Asphaltdecke. Bald bogen sie auf den sehr gut ausgebauten Northern Highway ab. Vorbei an Halls Creek, einer Kleinstadt in der Kimberley-Region, erreichten sie den Abzweig zum Purnululu Nationalpark.

    „Hallo, meldete sich Jack Kelly wieder über Bordfunk, „so, wir befinden uns jetzt auf der letzten Etappe unserer Anreise. Die restlichen gut 50 Kilometer werden allerdings wieder etwas unangenehmer. Auf uns wartet eine enge und jetzt in der Trockenzeit sehr staubige Strecke. Es wird bisweilen steil bergan und ebenso steil bergab gehen. Aber in etwas mehr als zwei Stunden werden wir’s geschafft haben.

    Sechs Pick-ups hielten in Reihe auf dem weitläufigen Parkplatz in der Nähe des Besucherzentrums. Als sich die rote Staubwolke verzogen hatte, öffneten sich mit etwas Verzögerung die Wagentüren. Schüler und Begleitpersonen kletterten nach der stundenlangen Fahrt ein wenig steifbeinig aus den Autos. „Alle mal herhören, machte sich Jack Kelly jetzt bemerkbar. „Nutzt die Gelegenheit, dort neben dem Besucherzentrum in dem flachen, barackenähnlichen Anbau befinden sich die Toiletten. Bitte beachtet die Hinweisschilder und geht äußerst sparsam mit dem Wasser um. Da eure Rucksäcke alle mit reichlich Getränken und ausreichend Essbarem bestückt sind, können wir auf einen Besuch des Kiosks verzichten. Ich wünsche, dass wir uns in 30 Minuten wieder hier bei den Autos treffen. Dann bis gleich.

    Als die Schüler gemächlich zum Parkplatz zurückkehrten, standen die Lehrer und die vier Begleiter bereits beisammen. Sie hatten einen Halbkreis gebildet und schenkten ihre Aufmerksamkeit einem höchstens 160 cm großen dunkelhäutigen Mann mit schulterlanger, lockiger, ebenholzfarbener Haarpracht und üppigem Vollbart. Gekleidet war diese auffallende Erscheinung mit einer verwaschenen hellblauen Jeans und einem pinkfarbenen Pullover auf grasgrünem Hemd. Statt der erwarteten Wanderschuhe trug er ein Paar knallrote Joggingschuhe mit drei parallel laufenden weißen Streifen an den Seiten. Als die Schüler eingetroffen waren, trat Jack Kelly zu dem Mann hin, legte vertrauensvoll einen Arm um dessen Schultern und schaute ihn erfreut lächelnd an: „Ich bin glücklich, euch Dawuy Unupungu, genannt Davi, vorstellen zu können. Es gibt sicherlich keinen zweiten, der die Gegend, die wir heute besuchen wollen, so gut kennt wie unser Mister Davi. Ein stolzer Ureinwohner unseres Kontinentes. Seine Vorfahren, vom Volk der Jaru, lebten seit über 20.000 Jahren in dieser Region. Bis, ja bis ein Herr Guy Baskin Anfang der Achtziger Jahre eine Serie über die bis dahin völlig unbekannten Gebiete des australischen Nothern Territory drehte. Diese Serie wurde ein Riesenerfolg. Ein weltweites Interesse an dieser geologischen Sensation flammte auf. Heute sind diese Naturwunder geschützt. 1987 wurde dieser Teil Kimberleys zum Purnululu-Nationalpark erklärt und gehört seit 2003 zum Weltkulturerbe. Die hier lebenden Menschen mussten ihre geliebte Heimat verlassen und sich in der Nähe von Halls Creek ansiedeln. Mister Dawuy Unupungu zog es immer wieder in die Heimat seiner Vorfahren und Ahnen. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir Davi gewinnen konnten, die Führung unseres heutigen Ausfluges zu übernehmen. Er wird uns zu einigen natürlichen Sehenswürdigkeiten des nördlichen Teils des Nationalparks geleiten, uns Wissenswertes und Geheimnisvolles über eine der ältesten Landschaften der Erde erzählen. Solltet ihr Fragen haben, nur zu. Unser Mister Davi wird euch keine Antwort schuldig bleiben. Immerhin ist er ein auf diese Region spezialisierter Geologe. Auch das solltet ihr wissen. Er hat an der Universität von Perth studiert und promoviert. Er legte eine Pause ein, bevor er fortfuhr: „Es gibt einige Orte auf der Welt, die uns, wie sagt man so treffend, mit offenem Mund staunen lassen. Und diese entlegene Ecke, die wir heute besuchen werden, gehört dazu. Kelly reichte Davi die Hand: „Die Schüler und wir Begleiter möchten uns bei Ihnen, lieber Davi, recht herzlich bedanken."

    Als der Applaus verklungen war, blickte der kleine Mann mit einem souveränen Lächeln in die Runde: „Auch ich darf mich bedanken für die Einladung und die Vorschusslorbeeren. Ich habe mir vorgenommen, die zur Verfügung stehenden Stunden optimal zu nutzen. Ihr, liebe Mädchen und Jungs, seid echte Kinder des Outbacks, in euren Händen, das weiß ich und das wünsche ich mir, wird einst die Zukunft dieser einmaligen Region und deren Menschen liegen. Damit ihr immer daran denkt, gibt’s heute etwas Besonderes zu sehen. Ich werde euch einen geheimnisvollen Ort zeigen, der bisher von noch keinem Besucher betreten wurde. So, auf geht’s. Er klatschte laut in die Hände. „Und wieder rein in die Autos. Wir werden dort drüben an der Wegegabelung links abbiegen und noch knappe zwei Kilometer in nordöstliche Richtung holpern. Von da an sind eure eigenen Fortbewegungswerkzeuge gefordert. Wir werden einen unwegsamen und mühevollen Fußweg zu bewältigen haben.

    Nur mit geländegängigen, allradgetriebenen Fahrzeugen war dieser stetig ansteigende und unebene Weg im Schritttempo zu bezwingen.

    „Hallo, meldete sich bald die aufmunternde Stimme Davis über die Sprechanlage. „Halten wir uns an die weise Empfehlung des berühmten Schweizer Dichters Gottfried Keller: ‚Trinkt, o Augen, was die Wimper hält von dem goldenen Überfluss der Welt’. Allerdings macht die Gegend hier auf den ersten Blick einen eher trostlosen Eindruck. Doch gönnt euch mal den zweiten Blick und schaut genauer hin. Zwischen den hier immer häufiger anzutreffenden Boab-Bäumen könnt ihr Gräser und Sträucher beobachten, denen man sonst nur noch in Süd-Afrika und in Süd-Asien begegnen könnte. Dort links zum Beispiel ist eine strauchähnliche, mehrstämmige etwa 1,60 Meter hohe, um diese Jahreszeit weiß blühende Baumgruppe zu sehen. Diese Aerva javanica-Pflanze heißt bei der indigenen Urbevölkerung Bilhangga. Ihren Extrakten wird eine stark entzündungshemmende Wirkung nachgesagt. Hallo Wolli, war jetzt im Lautsprecher zu vernehmen, „ich sehe dir an, du möchtest etwas wissen."

    „Danke Davi, kannst du mir sagen, was sind das für grüne Kreise dort drüben zwischen den Bäumen? So was hab ich bisher noch nie gesehen."

    „Ah, ja, darauf wollte ich euch auch aufmerksam machen. Es handelt sich dabei um eine für diese Region typische botanische Besonderheit. Diese grünen Ringe können einen Durchmesser von zwei bis drei Metern erreichen. Dieses Ringwachstum ist eine Eigenart des Spinifex-Grases. Zwar nimmt das Spinifex-Grasland über 25 Prozent der Gesamtfläche Australiens ein, aber dort, wo monatelang kein Regen auf sandige und nährstoffarme Böden fällt, wie hier, hat dieses Gras sich etwas Besonderes einfallen lassen. Zur Regenzeit wachsen neue Grasbüschel, die in der Dürrephase alles Wasser und alle Nährstoffe dem Boden entziehen. Nachwachsen kann das Gras nur noch am äußeren Rand der Büschel, wo der Boden noch etwas hergibt. Im Laufe der Jahre entstehen so immer größer werdende Kränze. Das Gras im Inneren verkümmert. Er wandte sich wieder an die anderen. „Liebe Freunde, euer Ausflug soll doch in erster Linie auch eine Studienreise sein. So erlaube ich mir, auch wenn es den einen oder anderen langweilen wird, auf eine weitere Besonderheit der Region aufmerksam zu machen. Schaut jetzt mal auf die rechte Seite des Weges. Hier stehen zwei wunderschöne Exemplare ihrer Gattung. Zwei so genannte Grasbäume, die zu den Lilienpflanzen gerechnet werden. Auf einem sehr kurzen Stamm wuchert ein dichter Busch grasähnlicher, spitzer und stichiger Blätter. Diese immergrüne Pflanze wird gerne wegen des fast schwarzen Stammes ‚Black Boy‘ genannt.

    „Danke dir, mein Freund Davi, für diese sachkundigen Informationen, meldete sich Jack Kelly wieder. „Wie ich soeben von dir erfahren habe, sind wir in ein paar Minuten am Ziel unserer Fahrt, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung in eine vorsintflutliche Welt. Vor uns sehen wir bereits die rote, wie eine gewaltige Mauer wirkende, über 200 Meter senkrecht aufsteigende Buntsandstein-Felswand. Wir fahren noch, so weit es die immer dichter stehenden Livistona Fächerpalmen zulassen, in die sich vor uns auftuende Schlucht hinein.

    Als die jungen Leute ausstiegen, kletterten ihre Augen ängstlich und ehrfurchtsvoll an der jetzt nur noch 8 bis 10 Meter von ihnen entfernten, senkrecht in schwindelnde Höhen aufstrebenden Felsmauer empor. Sie wollten ihren Augen nicht trauen. Tatsächlich wuchsen in der Steilwand an vereinzelten Stellen Palmen, Eukalyptus- und Felsfeigen-Bäume, die sich mit ihren Wurzeln in Spalten und Rissen der Felswand angeklammert hatten.

    „Nun hört bitte genau zu, erhob Kelly seine Stimme: „Wie ich sehe, tragen alle ihren Rucksack auf dem Rücken. Und nun kommt bitte her zu mir. Hier auf diesem Pick-up befinden sich die Schutzhelme. Jeder sucht sich einen passenden aus. Und ganz wichtig, wir bleiben alle beisammen. Sollte jemand Probleme bekommen, bitte sofort melden. Der Weg ist anstrengend, und bei Temperaturen um die 30 Grad werden wir ins Schwitzen kommen. Deshalb mein dringender Rat: Vergesst unterwegs das Trinken nicht. Hat jemand noch Fragen? Gut, wenn nicht, kann das Abenteuer starten.

    4

    Dank der Belastbarkeit der Jugend konnte der schwierige Marsch quer durchs Unterholz des Palmenwaldes der erwartungsvollen Abenteuerlust der Gruppe keinen Abbruch tun. Im Gegenteil, die Erwachsenen hatten sogar Mühe, die Springinsfeld beisammen zu halten. Es wurde gelacht, gescherzt, bewundert, gestaunt, gefragt und geantwortet, und es wurde aus Herzenslust gesungen. Die junge Lehrerin, Meggy Paton, stimmte urplötzlich mit ihrer klaren hellen Stimme Down Unders beliebtestes Volkslied ‚Waltzing Matilda’ an. Als wenn alle darauf gewartet hätten, tönten alle acht Strophen dieser heimlichen Landeshymne lautstark aus 29 Kehlen. Doch als die letzte Zeile dieser Heldenballade verklungen war, herrschte ehrfurchtsvolle Stille. Bisher der Sicht durch die Palmen verborgen, stand man plötzlich vor dem Eingang einer nur drei Meter breiten Schlucht, deren Wände über 150 Meter senkrecht aufragten. Davi hielt jetzt an und scharte die Gruppe um sich. „Diese und andere Schluchten sind in der Regenzeit von Januar bis März geschlossen. Wir werden jetzt in der regenfreien Zeit durch das ausgetrocknete Flussbett eines sonst reißenden Gebirgswassers … nein, nicht wandern sondern klettern. Schaut mal dort oben. In der majestätischen Höhe scheinen sich die Felswände fast zu berühren. Perspektivisch bedingt sehen wir nur noch einen schmalen Streifen des blauen Himmels. Da die Sonne kaum bis in die Tiefe hinein reicht, werden wir in der Schlucht eine angenehme Kühle genießen können. Das ist auch gut so. Denn der Weg durch das Flussbett wird schwierig. Wir werden pausenlos über lockeres Steingeröll balancieren und über meterhohe Felsbrocken klettern müssen. Ich mache euch jetzt schon darauf aufmerksam, dass die Schlucht nach einem Kilometer immer enger wird. Von da an passen keine zwei von euch nebeneinander. Habt bitte keine Angst. Ich kenne diese Schlucht, sie ist völlig harmlos. Von je her lebten die Stämme der Kija und der Jaru in dieser Gegend. Sie hatten hier in der Region ihre heiligen Plätze, Kultund Grabstätten, die sie bis heute verehren und für ihre Rituale nutzen. Es ist keinem Unbefugten erlaubt, diese geweihten Orte des großen Zaubers zu betreten. Aber heute werden wir eine Ausnahme machen."

    Dort, wo die Felswände bis auf knapp einen halben Meter zusammenrückten, zweigte im spitzen Winkel eine ebenso schmale Felsspalte ab, die nicht weiterzuführen schien. Denn bei einem Blick in diese dunkle Nische musste man hier eine Sackgasse vermuten. Zu aller Überraschung zwängte sich Davi hinein und winkte der Gruppe, ihm zu folgen. Und tatsächlich, etwas seitlich versetzt, tat sich ein

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