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Staub & Sternenstaub - Meine Lebensgeschichte
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eBook383 Seiten5 Stunden

Staub & Sternenstaub - Meine Lebensgeschichte

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Über dieses E-Book

“Dieses Buch ist durch und durch erstaunlich. Ich kann nicht sagen, wie oft ich geweint habe, richtig geweint. Es ist so berührend, so packend, so realistisch. Katherine Anne Lee kann unendlich stolz sein auf ihr Romandebüt. Es ist eine ausgezeichnete Geschichte, und Lees Fähigkeit, den Leser zu berühren, ist bemerkenswert. Sie ist eine begabte Autorin, und ich werde verfolgen, ob sie noch mehr schreibt.” Keenly Kristin (US Blogger)

“Dieses Buch ist anders als alle, die ich zuvor gelesen habe, und es gefiel mir, dass Mollie mir von der ersten Seite an etwas bedeutete, von dem Moment an, als sie den Leser bittet, sie Mollie zu nennen. Es ist definitiv eines der besten Bücher, die ich gelesen habe.” Futures blog

“Am Ende des Buches hatte ich das Gefühl, ein Mitglied meiner Familie verloren zu haben.” Hello Magazine

In einer geschützten Traumwelt in der englischen Kleinstadt Church Stretton aufwachsen, sich verlieben und heiraten. So sollte sie sein, die Zukunft, von der jedes kleine Mädchen träumt. Eine gerade Linie, ein perfekter Lebensweg. So begann alles, kurz vor den 1920er-Jahren.
Doch das Leben ist nicht wirklich so, oder? Das Leben ist nicht immer fair und nimmt Wendungen, die wir nicht verstehen. Und so stand der erste Sturz in die tiefste Düsternis schon kurz bevor. Ein eisiger Schneesturm traf mich, hinterließ eine Spur der Verwüstung und zog ohne Erklärung weiter.
Das Leben ließ mich nicht im Stich, und nachdem ich wieder auf die Beine gekommen war, machte es mir das allergrößte Geschenk. Mir wurde eine große und erfüllte Liebe zuteil. Aber das Leben steht nicht still, und Momente lassen sich nicht einfrieren. Es geht weiter und erzählt seine eigene Geschichte. Es dauerte nicht lange, dann kam der nächste Sturz.

Dies ist meine Geschichte. Dies ist Mollies Geschichte.

Das Glück von gestern gehört uns nicht mehr, und was morgen sein wird, liegt noch nicht in unseren Händen. Nur das Jetzt ist für einen kurzen Moment unser eigen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBookBaby
Erscheinungsdatum21. Okt. 2015
ISBN9783952443842
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    Buchvorschau

    Staub & Sternenstaub - Meine Lebensgeschichte - Katherine Anne Lee

    Impressionen

    Meine Lebensgeschichte verdient es erzählt zu werden. Der Verlauf meiner Lebenslinie war nicht flach, sie zeigte Ausschläge nach oben und unten. Diese Höhen und Tiefen sind es, die ich heute das Leben nenne. Dazu gehören der tiefste und dunkelste Schmerz, der einen zu zerreißen droht, ebenso wie größte Glücksmomente von Liebe und Freude. Beides bewirkt, dass man sich lebendig fühlt. Dass man da ist, mitten im Leben. Erst, wenn das Leben vorüber ist, gibt es keinerlei Ausschläge mehr. Oder vielleicht doch? Wer weiß, ob ich nicht selbst nach meinem Tod noch etwas bewerkstelligen kann?

    Ich heiße Mary, Mary Eileen Cooke, oder „Mollie", wie Freunde und Familie zu mir sagen. Also nennen Sie mich bitte Mollie.

    *****

    Alles nahm zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinen Anfang. Ich wurde an einem kalten Septembermorgen als erstes Kind der Familie Price geboren. Das Jahr spielt keine Rolle. Wir alle haben unsere kleinen Geheimnisse. Aber es war vor dem Zweiten Weltkrieg, so viel bin ich bereit zu verraten. Den Zweiten Weltkrieg sollte ich gründlich zu spüren bekommen, doch dazu komme ich später. Ich wuchs jedenfalls mit zwei Brüdern nahe der walisisch-englischen Grenze als echtes Mädchen vom Lande auf. Wir drei waren eine ganz schöne Rasselbande. Am liebsten hielten wir uns draußen auf, wo wir umherstreiften und spielten. Für Kinder ist es herrlich, auf dem Land groß zu werden. Wir rannten die Hügel hinauf und hinunter, spielten im Wald Verstecken, lagen im Gras und ließen uns den Wind durch die Haare streichen. Wenn wir spät nach Hause kamen, die Hände matschverschmiert, unsere Kleider voller Grasflecken und das Haar zerzaust, war uns der Ärger unserer Mutter sicher. Aber wir fanden, es war den Ärger wert, so viel Zeit wie möglich in unserer Fantasiewelt im Wald oder oben auf den Hügeln zu verbringen.

    *****

    Nach der Schule rannten wir mit Geschrei die Straße hinauf, sorglos und voller jugendlichem Optimismus. Meine Beine waren immer etwas kürzer als die der anderen. Ich weiß wirklich nicht, was Gott im Sinn gehabt hatte, als er mich schuf. Daher war ich immer die Letzte, die über den Weidezaun sprang und im weichen Gras landete. Doch mit Witz und Schlagfertigkeit machte ich die kurzen Beine wett, und so empfand ich mich nie als Verliererin.

    Ein kurzer, steiler Anstieg führte hinauf in den Wald. Wenn wir die großen Stufen, die den Weg markierten, bezwungen hatten, standen wir keuchend und mit Schweißperlen auf der Stirn an der Schwelle zu einem kühlen Märchenland. Das ist der Moment, in dem das Abenteuer beginnt. Wir stehen vor den großen Toren zu unserem geheimen magischen Königreich. Kribblig vor Aufregung und ein klein wenig ängstlich – wer oder was mag sich schließlich sonst noch in den Wäldern aufhalten? – treten wir mit weichen Knien durch dieses Tor. Die mächtigen Bäume schützen den moosweichen Pfad vor der Sonne. Ihre Wurzeln ähneln Spinnenbeinen, nur sind sie viel größer und eignen sich prima als Versteck. Die moosbewachsenen Stellen zwischen den hohen Riesen sind die Heimat von Farnen, die größer sind als wir. Aber am liebsten mag ich die wilden Waldblumen, insbesondere die zarten rosa Schwertlilien. Ich pflücke sie gern und stecke sie in meine blonden Locken. Meist ein kurzes Vergnügen, denn sobald meine Brüder mich damit erwischen, jagen sie mir nach und zerzausen mein Haar, bis ich aussehe wie ein Wildfang. Mein Bruder John Leslie, den wir einfach Les nennen, verkündet begeistert, was wir heute spielen. Verstecken!

    Spielgelände ist der ganze Wald, und bei dem Gedanken beginnen meine Knie erneut zu schwächeln. Wer beim Wettrennen zum Weidezaun Letzter war, muss als Erster zählen. Also ich. Die Regeln lauten wie folgt: Wer zählt, ist der Hüter des Königsbaums. Der Königsbaum ist hoch und ausladend, steht mitten auf einer Waldlichtung und ist von mannshohen Farnen umgeben, die wie das königliche Personal aussehen. Dieser majestätische Gigant ist die Stelle, wo ich zähle. Ich bin sein Ritter in silberner Rüstung, der ihn vor den Holzfällern, meinen Brüdern, beschützt. Sobald ich einen Holzfäller erblicke, muss ich zu meinem König zurückrennen und ihn als Erste, vor meinen Feinden, berühren. Wenn ich das schaffe, ist mein König in Sicherheit, und die Holzfäller haben das Spiel verloren.

    Das Spiel beginnt. Ich stelle mich an den Baum, mache die Augen zu und beginne, bis hundert zu zählen. 1, 2, 3, 4 …

    Um das Gleichgewicht zu halten, klammere ich mich an den Baum. Ich umarme ihn förmlich. 9, 10, 11, 12 … Der Baumstamm ist rau und dick. Er fühlt sich kräftig an, voller Leben. 20, 21, 22, 23 …

    An manchen Stellen wächst Moos auf der Rinde, das sich weich und heimelig anfühlt. 30, 31, 32, 33 …

    Aufregung schießt durch meine Beine nach oben, direkt in meinen Bauch. 41, 42, 43, 44 …

    Bei knapp der Hälfte der Zeit sind die Geräusche, die meine Brüder vor lauter Aufregung verursachen, weit weg. Das Knacken der Zweige, die unter ihren schnellen Schritten brechen, ist nicht mehr zu hören. 53, 54, 55, 56 …

    Während ich den Baum umarme, glaube ich, die Lebensenergie zu spüren, die durch seine Adern rauscht. Er fühlt sich mächtig an, voll alten Wissens. 60, 61, 62, 63 …

    Meine Gedanken schweifen ab. Es fühlt sich an, als würde die Energie des Baumes in meinen Körper einsickern und mich an entlegene Orte entführen. 69, 70, 71, 72 …

    Mit jeder Zahl wird meine silbern glänzende Rüstung robuster. 79, 80, 81, 82 …

    Etwas huscht über meine Finger, und ich springe zurück ins 20. Jahrhundert, fast schreie ich auf. Aber ich darf meine Augen nicht öffnen, bevor ich die Hundert erreiche. Also atme ich tief ein und aus, um meine Nerven zu beruhigen. Ich war nie ein Angsthase. Himmel … Ich hoffe, es ist weg, bitte lass es nicht giftig sein, lass es keine spitzen Zähne haben. 90, 91, 92, 93 …

    Ich beruhige mich und kehre in meine Rolle als Ritter in silberner Rüstung zurück. Ich werde meinen König nicht im Stich lassen. 98, 99, 100.

    „Ich komme!", rufe ich laut und öffne meine Augen.

    Ich bin ganz allein mit dem Baum und seinem grünen Personal. Einen Augenblick lang vergesse ich das Spiel und meine Rolle. Auf Zehenspitzen gehe ich über den weichen, moosbewachsenen Untergrund und berühre sanft die feinen und leicht klebrigen Farne. Ich fühle mich wie eine Fee in einem Zauberwald. Ich drehe mich auf Zehenspitzen um meine eigene Achse und tanze elegant durch das Farnkraut und um meinen Baum herum. In meiner Fantasie bin ich leicht, grazil und habe zarte, durchscheinende Flügel auf dem Rücken. Ich springe von einem Blatt zum nächsten und rolle mich in die Spitzen der Farne ein. Meine goldenen Locken wehen sanft in der Luft und verraten meine Anwesenheit.

    Aus der Krone des Königsbaumes dringt ein Knacken, das mich sogleich wieder in die Realität zurückholt. Kleine Rindenstücke und einige orangebraune Blätter segeln zu mir herunter, und ich glaube, den Schweif eines Eichhörnchens zwischen den Blättern verschwinden zu sehen.

    Zurück im Hier und Jetzt strecke ich die Brust raus, um die zunehmende Aufregung in meinem Bauch im Zaum zu halten. Ich bin ein Jäger, also ducke ich mich und gehe in gebückter Haltung. Langsam bewege ich mich durch den Wald, meine Blicke huschen von einer Seite zur anderen und nehmen die kleinste Bewegung um mich herum wahr. Alle meine Sinne sind hellwach, registrieren jede Veränderung. Ein leises Rascheln in einem nahen Busch lässt mich vor Schreck erstarren. Ich drehe mich um und suche panisch nach meinem König. Er ist nicht sehr weit von der Stelle entfernt, wo ich mich befinde. Ich mache mich bereit zu rennen und beobachte den feindlichen Busch aus dem Augenwinkel. Aber nichts geschieht, und ich nähere mich noch ein paar Schritte. Das Rascheln verstummt, da ist nichts. Verärgert über meine unnötige Angst trete ich mit meinen kurzen Beinen gegen den Busch und füge mir selbst Schmerzen und höchstwahrscheinlich einen weiteren blauen Fleck zu. Weniger vorsichtig spaziere ich nun weiter durch unser Spielgelände. Wo sind sie? Warum muss immer ich zählen? Vor lauter Ärger bemerke ich zunächst nicht, dass der Baum vor mir gelb gesäumt ist. Genauso gelb wie der Pullover meines kleinen Bruders.

    „Rrrrraaaaahhhh …" Frederick William, oder einfach Fred, springt aus seinem Versteck und stürmt mit Gebrüll auf mich zu. Blitzschnell drehe ich mich auf dem Absatz um und renne mit einem lauten Schrei zu meinem König zurück. Ich kann Fred dicht hinter mir hören. Äste knacken unter unseren Füßen, als wir durch das Farnkraut rennen. Ein plötzlicher Plumps und ein Aufschrei hinter mir lassen mich vermuten, dass Fred über eine Baumwurzel gestolpert ist. Aber ich kann es nicht riskieren, mich umzudrehen. Meine Brüder haben mich auf diese Weise zu oft hereingelegt. Ich erreiche meinen König und schlage ihm sanft auf die Rinde. Wir sind gerettet – einen Augenblick lang zumindest, ein Holzfäller fehlt noch.

    Hinter mir taucht Fred zwischen den Blättern auf. Er schluchzt und sein Haar ist zerzaust. Auf seiner braunen Hose ist ein dicker grüner Streifen zu sehen. Er versucht seine Tränen zu verbergen und wischt sich mit seinen schmutzigen Händen über das Gesicht, sodass er wie ein Indianer mit Kriegsbemalung aussieht. Schmollend kommt er zu mir und meinem geretteten König. Er lehnt sich an den Baumstamm, lässt sich daran in die Hocke hinuntergleiten und beginnt, Blattreste von seiner Hose zu klopfen. Mit einem triumphierenden Lächeln drehe ich mich um meine eigene Achse und gebe vor, meine Muskeln zu dehnen. Fred schnieft nur. Einer noch, nur noch einer.

    Mit frisch gestärktem Selbstbewusstsein verlasse ich das sichere Terrain, weiß aber, dass Les nur schwer zu schlagen sein wird. Während ich mich bis in die Nähe des moosbewachsenen Pfades vorwage, luge ich hinter jeden Baum, ohne meinen König und meinen ersten Gefangenen aus den Augen zu lassen. Ich folge dem Pfad und komme bald zu einem kleinen Bach, der durch den Wald zu einem Teich fließt. Mein Vater und Les waren vor einiger Zeit zum Angeln hier. Das Wasser ist sehr kühl und frisch. Das meiste davon kommt aus den Bergen herunter. Es ist ein idealer Laichplatz für Süßwasserfische, und große Schwärme versammeln sich im Teich. Dad und Les waren an jenem Tag sehr erfolgreich mit ihrem Fang, und am Abend gab es bei uns Fisch und Bratkartoffeln. Die Kartoffeln und die Erbsen stammten aus dem Gemüsegarten unserer Mutter. Es war ein Festmahl, und ich sehe Les noch vor mir, wie er am Esstisch neben meinem Dad saß, seine Wangen vor Stolz gerötet. Seither ist das Wasser sein Element, und das bedeutet, ich muss vorsichtig sein. Er muss ganz nah sein. Ich kann ihn fast riechen. Auf Zehenspitzen hüpfe ich den Bach entlang. Ein wunderbar flacher Stein fällt mir ins Auge. Ich hebe ihn auf und reibe den Sand ab. Der Stein hat eine schöne dunkelgraue Farbe und eine glatte Oberfläche. Mit seiner runden, flachen Form ist er ein idealer Hüpfstein. Ich stecke ihn mir in die Rocktasche, für später – bestimmt gehen wir zurück zum Teich.

    Abgelenkt durch meinen Fund bemerke ich zunächst das Paar blauer Augen nicht, das mich vom Baum hinter mir ausspioniert. Doch sekundenschnell überkommt mich das sichere Gefühl, beobachtet zu werden. Als ich mich umdrehe, um mich dem Verursacher dieses Gefühls zu stellen, blicke ich in Les’ blaue Augen. Augen, von denen ich später einmal sagen werde, dass sie einen völlig in ihren Bann schlagen! Mit dem Gebrüll eines Bären springt Les aus seinem Versteck. Ich kann jetzt nur noch rennen. Rennen um das Leben meines Königs.

    Les ist dicht hinter mir. Ich spüre, wie er nach meinen Schürzenbändern greift, um mich aufzuhalten. Wie ein Kaninchen hüpfe ich von einer Stelle zur nächsten, sodass er mich nicht zu fassen kriegt. Wir rennen durch den Farn, und Fred ruft und jubelt. Buff

    Les ist gestolpert, fliegt in einem spektakulären Bogen zu Boden und kommt mit einem deutlichen Plumps auf. Meines Königs Beine haben mich ein zweites Mal gerettet. Ich renne zu meinem König hin und umarme ihn vor Freude.

    Les taucht mit verstrubbelten Haaren auf, und etwas Blut tropft von seiner Unterlippe auf sein braunes Hemd. Er schaut wütend. Wie konnte er gegen seine kurzbeinige Schwester verlieren?

    Er gibt mir einen harten Stoß, um meinem Siegesgejubel ein Ende zu setzen, und wischt sich mit dem Handrücken über seine Lippen.

    „Na los, brüllt er. „Gehen wir zum Teich!

    Zu dritt streifen wir durch den mannshohen Farn hinunter zum moosbewachsenen Pfad und laufen am Bach entlang. Fred hat einen langen Stock gefunden und zieht damit im Gehen eine Linie neben seine Fußstapfen. Ich schließe in meiner Rocktasche die Hand um meinen Hüpfstein und spüre seine glatte Oberfläche. Ich kann es kaum erwarten, ihn über das Wasser hüpfen zu sehen.

    Der Teich liegt mitten im Wald, in einer friedlichen Lichtung. Auf einer Seite steht eine alte Holzbank, die dazu einlädt, sich auf ihr niederzulassen und auf das sanft fließende Wasser zu schauen. An der Bank angekommen, beginnen meine Brüder sofort, die Gegend nach Steinen abzusuchen. Ich platziere meinen Stein wie eine Trophäe auf der Bank, die alt und vom englischen Wetter gezeichnet ist. Auf der Rückenlehne steht, dass die Bank von einer Mrs. Stevens gestiftet wurde und dass sie sich hier gerne ausruhte und beobachtete, wie die Fische aus dem Wasser sprangen, wenn sie versuchten, Fliegen zu fangen. Verliebte und sonstige Besucher haben viele Sprüche in das Holz geritzt. All das unnötige Zeug, das Menschen gerne schreiben.

    Auch ich suche die Umgebung ab und finde noch mehr geeignete Steine. Wir drei stehen am Ufer und geben uns alle Mühe, die Steine dicht über die Wasseroberfläche hüpfen zu lassen. Wieder und wieder kommen sie auf dem klaren Wasser auf und versinken schließlich im dunklen Blau. In diesem Spiel ist Les der unbestrittene Meister. Sein ruhiges Wesen und seine kräftigen Arme sind die ideale Kombination, um die Steine weit über das Wasser hüpfen zu lassen. Ich bin mit meinen Steinen weniger erfolgreich. Sie hüpfen ein paarmal, aber dann gehen sie schnell unter. Ich beschließe, meinen Trophäenstein zu behalten, und lasse ihn wieder in meine Rocktasche gleiten. Da ich keine Hüpfsteine mehr habe und mir das Spiel allmählich langweilig wird, stromere ich durch den Wald rund um den Teich. Ich pflücke hübsche Blumen in Gelb und Knallrosa für eine Kette. Blumen haben mich schon immer fasziniert. Mit zwei Brüdern kurz nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Land groß zu werden, hat mich zäh werden lassen. Aber trotzdem habe ich schöne Dinge wie zarte Blumen, die Perlen meiner Mutter und hübsche Kleider schon immer gemocht. Ich bin gerne ein Mädchen.

    Nachdem ich einen Strauß Blumen gepflückt habe, setze ich mich auf die Bank und flechte die Blumen sorgsam ineinander.

    Meine Brüder sind nicht weit. Sie krempeln ihre Hosen hoch und streifen ihre Schuhe ab. Les will einen Fisch mit bloßen Händen fangen, so wie unser Großvater es uns gezeigt hat. Fred, von etwas ungestümerem Naturell, will einen mit einem Stockschlag erwischen. Sie waten in das kalte blaue Wasser. Fred zögert ein wenig, als er merkt, wie kalt es ist. Aber er will seinem Bruder nicht nachstehen und bei den Mädchen auf der Bank bleiben … nun ja, bei mir.

    Beide bringen sich in Position, stehen reglos knietief im Teich und spähen ins Wasser. Fred verliert die Geduld. Er holt mit seinem Stock aus, schlägt auf das Wasser und verursacht eine riesige Fontäne. Kleine Wellen jagen quer über den Teich und kräuseln die glatte Oberfläche. Les ärgert sich und bedeutet Fred mit einem Winken, sich von ihm zu entfernen, was der aber nicht wirklich kapiert.

    Als sich das Wasser wieder beruhigt hat, beugt Les sich vor, taucht seine Arme ins Wasser und wartet. Es ist friedlich im Wald. Wir hören nur den Gesang miteinander zwitschernder Vögel. Die Blätter der Bäume rascheln, und es klingt, als würden sie sich unterhalten. Wusch

    Les’ Hände schließen sich mit einem Klatschen, und er spritzt sich dabei versehentlich kaltes Wasser ins Gesicht. Ein großer Fisch springt aus dem Teich und fällt sogleich wieder rücklings hinein. Er ist seinem drohenden Schicksal entkommen und kann sich ungehindert wieder zu seinem Schwarm gesellen. Les flucht und gibt Wörter von sich, die wir eigentlich gar nicht kennen sollten. Sein dunkelblondes Haar ist nass, und Wasser tropft ihm von der Stirn. Er tritt in das blau schimmernde Wasser und spritzt seinen kichernden Bruder nass. Fred weicht überrascht einen Schritt zurück, rutscht aus und fällt rückwärts in den Teich. Schnell springt Les zu ihm, packt ihn am Hemdkragen und zieht ihn aus dem Wasser.

    Fred prustet und ringt nach Luft, und ich stehe stocksteif da, vor Schreck erstarrt. In unserer Jugend lernte man auf dem Land nicht schwimmen. Les zerrt Fred aus dem Wasser und lässt ihn auf das weiche Moos am Ufer plumpsen. Fred ist tropfnass und hustet immer noch Wasser heraus. Ich setze mich neben ihn und lege meinen Arm um ihn. Langsam wird es dunkel im Wald, und wir kommen zu spät zum Abendessen.

    Als Fred sich beruhigt hat, stehen wir auf und gehen Hand in Hand den Pfad hinauf. Den Weg zurück, den wir gekommen sind, am Königsbaum vorbei und durch das Tor hinaus. Wir rennen mit ausgestreckten Armen den steilen Berg hinunter und fühlen uns wie menschliche Flugzeuge. Die Luft weht uns durchs Haar, wir fühlen uns frei. Frei dorthin zu gehen, wo immer der Wind uns hinträgt. Ich bin ein wilder Vogel, der in die Ferne fliegt. Ohne zu wissen, was als Nächstes auf mich wartet. Wäre es nicht wunderbar, einfach die Flügel auszustrecken und zu fliegen? Ich würde in die Berge fliegen, dorthin, wo das grünste Gras und die buntesten Blumen wachsen. War das eine Vorahnung?

    Während wir die Straße zu unserem Haus hinuntergehen, fällt uns auf, in welchem Zustand wir sind. Fred ist tropfnass. Ich habe Schmutzflecken überall auf meiner Schürze und an den Ärmeln. Les’ Hose ist voller Grasflecken und sein Hemd mit getrocknetem Blut verschmiert. Mum wird nicht erfreut sein. Wir schauen uns an, kichern und laufen fröhlich auf unser gemütlich erleuchtetes Zuhause zu.

    Wir leben in einer kleinen, typisch englischen Haushälfte mit zwei Zimmern im ersten Stock und einem im Erdgeschoss. Die meiste Zeit sind wir im Erdgeschoss. Edie, unsere Mum, hat uns einen gemütlichen Küchen- und Essbereich mit Wohnzimmer eingerichtet. Auf der Rückseite der Küche befinden sich eine kleine Speisekammer und die Hintertür, die in den Hof führt, zum Schuppen, der uns als Bad dient, und zum Gemüsegarten. Im Winter zögere ich den Moment, in dem ich zum Waschen in den Schuppen springe, möglichst lang hinaus. Es ist eiskalt dort drin. Kein Ort, an dem man sich lange aufhalten möchte.

    Im ersten Stock teilen wir drei uns ein Zimmer. Meine Brüder schlafen in einem Stockbett, und ich habe ein Einzelbett auf der anderen Seite des Raums. Von unserem Zimmerfenster aus können wir auf die ruhige Straße und auf unsere geliebten Hügel von Strefford blicken. Stundenlang kann ich zuschauen, wie sich die Schafe langsam von einem grünen Flecken zum nächsten bewegen. Oben auf den steilen Hängen sehen sie aus wie kleine weiße Schneeflocken. Oft stelle ich mir vor, einen Luftpinsel in der Hand zu halten und Linien von einem weißen Punkt zum nächsten zu malen. Geheime Hügelzeichnungen, die nur ich allein sehen kann. Der zweite Raum im oberen Stock ist das winzige Schlafzimmer unserer Eltern. Oft wacht nachts einer von uns wegen eines schlechten Traumes oder eines Unwetters auf oder ist einfach zu aufgedreht, um schlafen zu können. Dann schleichen wir auf Zehenspitzen über den Gang in das Schlafzimmer unserer Eltern und kriechen heimlich in ihr warmes Bett.

    *****

    Aber zurück zur Geschichte. Wir drei stehen also vor unserem gemütlich erleuchteten Haus und kichern. Fred und ich treten von einem Bein auf das andere und hoffen, dass der andere das nicht merkt: Es wird einen Wettlauf zur Toilette geben.

    Die Vorhänge sind noch nicht zugezogen, und es dauert nicht lange, bis Mum uns durch das Fenster erblickt. Ruhig kommt sie herüber und öffnet die Haustür. Ihr Gesichtsausdruck ist streng, und sie mustert uns von oben bis unten.

    „Ihr seht aus, als müsstet ihr alle in die Badewanne, sagt sie ohne auch nur die geringste Andeutung eines Lächelns. „Na los, kommt herein und zieht hier eure Schuhe aus. Jawohl, genau hier!

    Wir sehen sie mit großen Augen an, ziehen unsere Schuhe aus und folgen ihr ins Haus.

    „Mollie, du badest als Erste. Les, hilf mir bitte, die Wanne zu füllen. Auf dem Herd kocht Wasser."

    In der Küche hat Mum unsere große Zinkwanne schon für uns vorbereitet. Sie ist bereits halb mit Wasser gefüllt. Les trägt einen Topf mit kochendem Wasser hinüber und leert ihn in den bereitstehenden Zuber.

    Mum hilft mir aus den Kleidern, und ich setze mich hinein. Ich kann meine Beine gerade so ausstrecken, und das warme Wasser reicht mir bis zum Bauchnabel. Es ist toll, die Erste zu sein. Das Wasser ist noch warm und sauber.

    Mum wäscht mich mit einem großen gelben Schwamm und Seife und massiert etwas Haarwaschmittel in meine nassen blonden Locken. Ich genieße diesen Augenblick.

    „Tauch unter!", befiehlt sie. Meine Knie steigen aus dem Wasser auf und mein Kopf senkt sich nach unten. Unter Wasser presse ich meine Augenlider zusammen, damit mir das Haarwaschmittel nicht in den Augen brennt. Mum kämmt mein Haar mit den Fingern, um das Haarwaschmittel auszuwaschen. Allmählich geht mir die Luft aus und meine Knie werden kalt, und so beschließe ich, dass es Zeit ist, wieder aufzutauchen. Mum steht schon mit einem Handtuch bereit.

    Als ich trocken bin, schlüpfe ich in meinen Schlafanzug und hole aus meiner Rocktasche schnell meine kleinen Schätze hervor. Mein perfekter Hüpfstein braucht ein sicheres Zuhause. Jetzt sind meine Brüder mit Baden dran, und ich springe hinauf in unser Zimmer.

    Unter meinem Bett steht meine Schatzkiste. Es ist eine alte Schuhschachtel, die ich mit hübschen Herbstblättern verziert habe. Ich habe meine Initialen aus violettem Papier ausgeschnitten und sie mitten auf den Deckel geklebt. Innen ist die Schachtel mit dem Seidenpapier ausgelegt, in das die Schuhe ursprünglich eingewickelt waren. Hier bewahre ich alle möglichen Kleinigkeiten auf, die ich gefunden habe. Ich bin eine Sammlernatur.

    Sorgfältig breite ich die Schätze auf meinem Bett aus. Ich kann mich an die Geschichte jedes einzelnen Stücks erinnern. Mit einem stolzen Lächeln sehe ich mir meine Sammlung an. In einer Art offizieller Zeremonie lege ich meinen neuen Fund hinzu und gebe den Stücken Zeit, sich miteinander bekannt zu machen. Ich kann hören, dass Fred unten fertig ist mit seinem Bad. Ich muss mich beeilen. Meine Schätze sind mein heimliches Eigentum. Ich will nicht, dass meine Brüder sie in Unordnung bringen, eines meiner Lieblingsstücke kaputtmachen oder sogar wegnehmen. Sorgfältig lege ich die einzelnen Stücke wieder in meine Schuhschachtel. Bevor ich meinen neuen Hüpfstein dazulege, beschließe ich, ihn mit einem großen „M zu markieren. Schnell nehme ich von unserem gemeinsamen Schreibtisch einen rosafarbenen Filzschreiber und male mitten darauf den Großbuchstaben „M. Das sieht hübsch aus. Der Stein liegt kühl und schwer in meiner Hand. Ich streichle ihn mit dem Daumen und schließe meine Augen. Ich glaube zu spüren, wie das kühle Wasser des Baches über den Stein fließt und ihn formt, ihm seine rauen Kanten abschleift. Jahre über Jahre müssen vergangen sein, bis der Stein seine perfekte Kieselform gefunden hat. Ich halte einen Zeugen der Vergangenheit in der Hand, voller Geschichten über unseren geheimen Wald, den Bach und die Fische darin, die ihren Weg durch den Wald hinab bis in den Teich gefunden haben. Ihre Flossen strichen über den Stein. Die Zeit vergessend stehe ich in unserem Kinderzimmer, meine Augen sind geschlossen, und mein Stein liegt in meiner Hand. Ich nehme die Geschichten aus der Vergangenheit in mir auf. Nun befinden sie sich hier, in meiner Hand, in meinem Zimmer, und werden bald in meiner Schatzkiste liegen.

    Gerade als ich meine Schachtel wieder unter meinem Bett verstaue, betritt Fred das Zimmer. Auch sein Haar ist nass vom Waschen, und seine Wangen glühen vor Wärme. Zum Glück interessiert er sich nicht besonders für das, was ich gerade mache. Er geht zu seinem Schulranzen hinüber und holt ein Buch heraus. Das erinnert mich daran, dass auch ich noch Hausaufgaben zu erledigen habe. Fred liebt die Schule und lernt gerne. Er ist sehr eifrig. Die Zahlen sind seine besten Freunde. Ich mag alles, was mit Handarbeiten und Werken zu tun hat, die anderen Fächer interessieren mich jedoch nicht besonders. Aber ich bin gerne mit meinen Freundinnen auf dem Schulhof.

    „Wir haben eine halbe Stunde, um unsere Hausaufgaben zu machen, teilt Fred mir mit. „Um halb sieben kommt Dad heim, und es gibt Essen.

    Wir stecken unsere Nasen in die Bücher, und bald schließt auch Les sich uns an, der das Pech hatte, als Letzter gebadet zu werden.

    Vollkommen in unsere Hausaufgaben versunken, bemerken wir nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Wir werden in die Realität zurückgeholt, als wir hören, wie sich unten die Haustür öffnet und wieder schließt. Warmer Bratenduft erfüllt unser Haus. Les hebt den Kopf. „Dad ist da!", ruft er, schlägt sein Buch mit einem lauten Knall zu und rennt die Treppe hinunter. Les liebt Dad. Er ist ein echter Daddy-Junge. Fred und ich verstauen unsere Bücher in unseren Schulranzen und gehen ebenfalls nach unten.

    Dad, Mum und Les sind in der Küche. Les erzählt Dad bereits eifrig von unserem heutigen Abenteuer.

    „Ich war im Teich, Dad. Und ein echt riesiger Fisch ist über meine Hand geschwommen. Ich konnte seine Haut spüren. Aber er war zu glitschig. Er ist entkommen. Und dann habe ich Fred gerettet. Er ist ausgerutscht und in den Teich gefallen", erklärt er aufgeregt und ohne Pause. Dad sieht ihn mit einem stolzen Lächeln an.

    „Mach dir nichts draus, Les. Wir können am Wochenende hingehen und es

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