apropos Clara Haskil
Von Eike Wernhard
()
Über dieses E-Book
Da Clara Haskil nicht zu Konzessionen an das Publikum bereit war, blieb sie fast ihr ganzes Leben lang auf die materielle Unterstützung von Freunden und Mäzenen angewiesen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Künstlerin der Durchbruch zu einer internationalen Karriere. Ihr verinnerlichtes, von allem Pathos entschlacktes Spiel verkörperte jetzt ein neues musikalisches Ideal. Auftritte mit den musikalischen Größen ihrer Zeit sowie zahlreiche Tourneen machten die Pianistin nun weltberühmt.
Eike Wernhard, selbst Pianist, geht in seinem Essay zu Clara Haskils wechselvollem Leben auf ihre Musikinterpretationen ein und erinnert an »Magische Augenblicke« ihrer Konzertaufführungen.
Ähnlich wie apropos Clara Haskil
Ähnliche E-Books
Clara Schumann: Ein Leben für die Musik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAnna Mahler: Bildhauerin – Musikerin – Kosmopolitin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchumann Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMilchfrau in Ottakring: Tagebuch einer russischen Frau - Mit einem Vorwort von Dietmar Grieser Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Wolfgang Amadeus Mozart: Musikführer - Band 1: Instrumentalmusik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDrei Frauenschicksale Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLeier und Schwert - Deutsche Freiheitslieder: Illustrierte Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Erlkönig und 17 andere Balladen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMozart: Musiker-Biographien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSophie Charlotte oder Ein anderes Preußen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSpohr: Eine Musikerbiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNicht Werther und nicht Lotte: Schumann - Brahms / Zeugnisse einer Freundschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin seidenes Nachthemd: Ihre Welt war auf Wandel nicht angelegt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenÖsterreich intim: Erinenrungen 1892 bis 1942 Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Gustav Mahler: Musikführer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeber: Eine Musikerbiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Klang der Erde: Historischer Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen"... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!": Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungenfrauen macht musik. Maria Theresia zum 300. Geburtstag: Österreichische Musikzeitschrift 01/2017 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRebellische Pianistin: Das Leben der Grete Sultan zwischen Berlin und New York Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenChristian Funke - Musiker und Genuss-Sachse: Biografisches Porträt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWo dein sanfter Flügel weilt: Schuberts letzte Symphonie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Salon ins Leben: Jazz, Populärkultur und die Neuerfindung des Künstlers in der frühen Avantgarde Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDirigent im Schatten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWagner: Eine Musikerbiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeliebte Ukraine: Auf literarischer Spurensuche zwischen Donezk und Anatevka Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInka Bause: Moderatorin. Sängerin. Botschafterin. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSophies Vermächtnis: Von Hannover nach Sibirien. Die tragische Geschichte der Kunstsammlerin Sophie Lissitzky-Küppers und ihrer geraubten Bilder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNeckar, Nil, und Waldorfschule Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen"Sie spielte wie im Rausch": Die Schauspielerin Maria Orska Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Künstler und Musiker für Sie
Möglichkeiten: Die Autobiografie Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Christian Funke - Musiker und Genuss-Sachse: Biografisches Porträt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPussy Riot! Ein Punk-Gebet für Freiheit: Nautilus Flugschrift Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Johann Sebastian Bach. Weihnachtsoratorium Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEmilie Mayer: Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerztöne: Lauschen auf den Klang des Lebens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Klang der Stille Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Leben mit Adolf Loos Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJohann Sebastian Bach. Messe in h-Moll BWV 232: Bärenreiter Werkeinführungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch singe meine Sorgen und male mein Glück: Gespräche mit Malka Marom Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Vater Helmuth Rilling Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGiacomo Puccini: Wohllaut, Wahrheit und Gefühl Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5DAS IST ALPHA!: Die 10 Boss-Gebote Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Spirit of Shaolin: Eine Kung-Fu-Philosophie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCarl Flesch: und seine Sommerkurse in Baden-Baden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMy Thoughts Exactly: Das Leben, wie ich es sehe Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5The Long Hard Road Out Of Hell Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWas wäre, wenn?: Ein Gespräch mit Sieglinde Geisel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMozart - Sein Leben und Schaffen: Die Biografie von Wolfgang Amadeus Mozart (Genius und Eros) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGlenn Gould oder das innere Klavier Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeiner Müller – Anekdoten: Gesammelt und herausgegeben von Thomas Irmer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen007 - Live And Let Die: Die Filmtagebücher Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Pakt Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Johann Sebastian Bach: Der größte Komponist der Musikgeschichte: Leben und Werk Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFrauen in der Kunst - Visionär. Mutig. Unangepasst. Unterschätzt.: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHalo: Die Geschichte hinter Depeche Modes Albumklassiker Violator Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMozarts Briefe: Ausgewählt Korrespondenz (1769 - 1791) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGesammelte Briefe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für apropos Clara Haskil
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
apropos Clara Haskil - Eike Wernhard
(PDF)
Inhalt
Essay
Eike Wernhard, Magische Augenblicke
Bilder
Stimmen
»Eure alte Tante C.« Briefe an Joachim Röntgen
Theodor Balan, Der Wahrheit nahe
Ein Gespräch mit Madeleine Lipatti
Jérôme Spycket, Mit der Hand Zeichen geben
Hommage an Clara Haskil. Ein Abend in Vevey
Igor Markevitch, Eine Stadt hält den Atem an
K. H. Ruppel, Avantgarde im feudalen Salon
Hugues Cuenod, Entre nous
Auf jede Note ein Wort. Ein Filmporträt
Alain Lompech, Mit ängstlichem Erstaunen
Lebensdaten
Disko- und Bibliographie
Text- und Übersetzungsnachweise
Klappentext
Eike Wernhard
Magische Augenblicke
»So erfüllt jetzt der schmeichelnde Ton der Musik die Luft und jede Luftwelle erzittert vor Freude, und doch darf nur der Finger innehalten, so verstummen alle diese beredten Geister, so fällt das glänzende Gebäude zusammen, und keine Spur aller der Kristalle und funkelnden Regenbogen bleibt zurück, die sich jetzt so majestätisch auf und nieder bewegen. Wenn nicht alles vergänglich wäre, o was fänden wir dann noch zu klagen Ursach?«
Ludwig Tieck
Musik braucht die Gegenwart. Sind die großen Interpreten der Vergangenheit verstummt, erinnern nur noch die Beschreibungen derer, die sie erlebt haben, an ihre Kunst. Nur durch die Überlieferung ihrer Zuhörer sind der Kastrat Farinelli, dessen Gesang den spanischen König Philipp V. zu Tränen rührte, oder Maria Agujari, die mit ihren Koloraturen einst Mozarts Bewunderung erregte, und viele andere zu Mythen geworden. Wir gleichen den Gefährten des Odysseus, die sich die Ohren zugestopft hatten und den Gesang der Sirenen nur durch dessen Reaktion wahrnahmen, wenn wir zwar die Wirkung der alten Interpreten auf ihre Zeitgenossen kennen, aber nicht wissen, wie sie tatsächlich gespielt und gesungen haben.
Selbst seitdem es die Möglichkeit gibt, den musikalischen Augenblick zu konservieren, sind Beurteilungen eigener oder gar fremder Erinnerungen an frühere Konzerterlebnisse nur bedingt verifizierbar. Nicht nur die Wiedergabe, sondern auch zeitbedingte ästhetische Kriterien, die Situation des Hörers, historische Umstände und die künstlerische Präsenz des Interpreten beeinflussen die musikalische Rezeption. Die Suggestion, die einst von legendären Musikerpersönlichkeiten ausging, ist oft kaum noch nachvollziehbar.
Wer Clara Haskil nicht im Konzert erlebt hat, kann sich nur eine vermittelte Vorstellung von ihrer Kunst machen. Denn es war nicht nur ihr Klavierspiel, sondern auch ihre Ausstrahlung, die das Publikum in den Jahren ihres Ruhms faszinierte und ihre Auftritte zu jenen magischen Augenblicken verklärte, die sich durch kein Medium festhalten lassen. Dabei hatte ihre Weltkarriere erst spät begonnen, erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem sie jahrzehntelang vergeblich versucht hatte, sich auf dem internationalen Konzertpodium zu etablieren. Dass es die Jahre der Not waren, die die Rezeptionshaltung veränderten und das Publikum für ihre Kunst sensibilisierten, ist einer der Versuche, ihren späten Erfolg zu erklären.
Als nach ihrem plötzlichen Tod am 7. Dezember 1960 in Brüssel Nachrufe und Würdigungen erschienen, gab es kaum einen Autor, der bei der Beschreibung ihrer Persönlichkeit nicht in den Tonfall hagiographischer Schwärmerei verfiel. Clara Haskil hatte mit ihrem verinnerlichten, von allem Pathos entschlackten Klavierspiel dem klassischen Ideal von sublimer Schlichtheit entsprochen, und wie bei keiner anderen Musikerin des zwanzigsten Jahrhunderts hatte sich in ihrer Biographie das Klischee eines entbehrungsreichen und leidgeprüften Künstlerschicksals erfüllt, das in keuscher Reinheit ganz der Musik geweiht war. Schließlich schien auch ihr Aussehen diese Vorstellung zu bestätigen: Die frühen Photographien zeigen ein Mädchen von madonnenhafter Schönheit, und die späten Aufnahmen porträtieren eine vergeistigte, von körperlicher Krankheit gezeichnete Frau. So konnte der Mythos Clara Haskil entstehen, und er lebt bis heute fort.
Wie bei allen großen Pianisten offenbarte sich auch das Talent Clara Haskils in früher Jugend.* Das am 7. Januar 1895 als Kind jüdischer Eltern in Bukarest geborene Mädchen hatte schon im Alter von drei Jahren die Begabung, eine Melodie ohne Kenntnis des Notentextes auf dem Klavier wiederzugeben. Diese Begabung wurde unter der Anleitung ihrer Mutter Berthe ausgebildet, und schon bald spielte Clara einem Lehrer des Bukarester Konservatoriums eine Sonatine von Mozart nach dem Gehör nach und transponierte sie in eine andere Tonart.
In diese Zeit ihrer ersten musikalischen Entwicklung fällt der Tod des Vaters Isaac, der 1899 an den Folgen einer Lungenentzündung starb, die er sich bei dem Versuch zugezogen hatte, aus der in einer kalten Winternacht in Brand geratenen Wohnung möglichst viele Wertgegenstände zu retten. Von nun an war seine Witwe bei der Finanzierung des Lebensunterhalts für sich und ihre drei Töchter auf die finanzielle Unterstützung ihres jüngsten Bruders, Isaac Moscuna, angewiesen.
Im Alter von fünf Jahren wurde Clara ins Bukarester Konservatorium aufgenommen, dessen akademische Unterrichtsmethode jedoch ihrer besonderen musikalischen Phantasie nicht gerecht wurde. Dank eines Stipendiums der rumänischen Königin, der sie mehrmals vorgespielt hatte, war es der Familie möglich, Clara 1902 zur weiteren Ausbildung nach Wien zu schicken, wo ein anderer Bruder ihrer Mutter, Avram Moscuna, als Junggeselle lebte. Als Mediziner gescheitert, weil er nach einer Fehldiagnose nicht mehr praktizieren durfte oder wollte, erklärte er sich bereit, für seine Nichte zu sorgen. Nachdem sich Berthe Haskils Hoffnung zerschlagen hatte, mit den beiden anderen Töchtern nachzukommen, wurde die Existenz des hochbegabten Schützlings zu Avrams Lebensinhalt. Zwischen Clara und ihrem Onkel sollte sich eine stark symbiotische Beziehung etablieren, die für frühreife Talente und deren Erzieher typisch ist: Von Alltagssorgen abgeschirmt, bleibt der Umsorgte in lebenspraktischen Situationen unselbständig und wird im Extremfall zu einem »Selbstobjekt« des Betreuers, der durch die Erfolge des Protégés seine eigenen narzisstischen Bedürfnisse befriedigt und jeden Emanzipierungsversuch unterbindet. Wie Leopold Mozart, der seinen Sohn an den europäischen Fürsten- und Königshäusern als musikalisches Phänomen vorführte, oder Friedrich Wieck, der sich mit seiner Tochter Clara in einem solchem Maße identifizierte, dass er von ihr zuweilen in der maskulinen Form schrieb und auf ihre Hochzeit mit Robert Schumann mit geradezu zerstörerischer Wut reagierte, hat wohl auch Avram Moscuna seine Nichte eifersüchtig behütet und versucht, ihr selbst freundschaftliche Außenkontakte zu verwehren. Und indem er sie mehr und mehr dominierte, scheint er seinerseits, auch in ihren Augen zu einem Teil ihrer Persönlichkeit geworden zu sein; darauf deutet ein Telegramm aus dem Jahr 1913 hin, in dem sie ihrer beider Vornamen zu »Claravram« vereinigte.
Drei Jahre blieb Clara Haskil mit ihrem Onkel in Wien. Den Klavierunterricht übernahm der Pianist Richard Robert, ein qualifizierter Pädagoge, der auch anderen hochbegabten Schülern wie George Szell, dem späteren weltberühmten Dirigenten, und dem Pianisten Rudolf Serkin die musikalischen und technischen Grundlagen vermittelte. Die Musikalität Clara Haskils manifestierte sich jedoch nicht nur in ihrem Klavierspiel, sondern auch auf der Geige; nachdem sie den legendären Joseph Joachim mit einem Werk von Brahms gehört hatte, begann sie auch Geigenunterricht zu nehmen. Das Klavier blieb aber ihr Hauptinstrument, und sie trat schon damals in Konzerten auf, deren erhaltene Programme ihre spektakulären pianistischen Fortschritte widerspiegeln: Gehören die Stücke ihres Wiener Debüts im Jahr 1902 – eine kleine Fuge von Händel und die Variationen in G-dur von Beethoven – noch zur leichteren Unterrichtsliteratur, so bewältigte sie ein Jahr später mit dem A-dur Konzert von Mozart, KV 488, bereits ein Standardwerk des anspruchsvolleren Konzertrepertoires. Die Reaktion der Presse war enthusiastisch, und die Rezensenten verfielen in beinahe religiöses Schwärmen, um die unerklärliche