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apropos Clara Haskil
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eBook137 Seiten1 Stunde

apropos Clara Haskil

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Über dieses E-Book

Die Geschichte der Pianistin Clara Haskil (1895-1960) ist die einer späten Karriere. Obgleich ihr überragendes Talent bereits früh erkannt worden war, wurde Clara Haskil jahrzehntelang von den Konzertveranstaltern ignoriert. Ihr schlichtes und nüchternes Spiel wollte nicht in eine Zeit passen, die nach blendender Virtuosität und Effekten verlangte.

Da Clara Haskil nicht zu Konzessionen an das Publikum bereit war, blieb sie fast ihr ganzes Leben lang auf die materielle Unterstützung von Freunden und Mäzenen angewiesen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Künstlerin der Durchbruch zu einer internationalen Karriere. Ihr verinnerlichtes, von allem Pathos entschlacktes Spiel verkörperte jetzt ein neues musikalisches Ideal. Auftritte mit den musikalischen Größen ihrer Zeit sowie zahlreiche Tourneen machten die Pianistin nun weltberühmt.

Eike Wernhard, selbst Pianist, geht in seinem Essay zu Clara Haskils wechselvollem Leben auf ihre Musikinterpretationen ein und erinnert an »Magische Augenblicke« ihrer Konzertaufführungen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Okt. 2015
ISBN9783801505639
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    Buchvorschau

    apropos Clara Haskil - Eike Wernhard

    (PDF)

    Inhalt

    Essay

    Eike Wernhard, Magische Augenblicke

    Bilder

    Stimmen

    »Eure alte Tante C.« Briefe an Joachim Röntgen

    Theodor Balan, Der Wahrheit nahe

    Ein Gespräch mit Madeleine Lipatti

    Jérôme Spycket, Mit der Hand Zeichen geben

    Hommage an Clara Haskil. Ein Abend in Vevey

    Igor Markevitch, Eine Stadt hält den Atem an

    K. H. Ruppel, Avantgarde im feudalen Salon

    Hugues Cuenod, Entre nous

    Auf jede Note ein Wort. Ein Filmporträt

    Alain Lompech, Mit ängstlichem Erstaunen

    Lebensdaten

    Disko- und Bibliographie

    Text- und Übersetzungsnachweise

    Klappentext

    Eike Wernhard

    Magische Augenblicke

    »So erfüllt jetzt der schmeichelnde Ton der Musik die Luft und jede Luftwelle erzittert vor Freude, und doch darf nur der Finger innehalten, so verstummen alle diese beredten Geister, so fällt das glänzende Gebäude zusammen, und keine Spur aller der Kristalle und funkelnden Regenbogen bleibt zurück, die sich jetzt so majestätisch auf und nieder bewegen. Wenn nicht alles vergänglich wäre, o was fänden wir dann noch zu klagen Ursach?«

    Ludwig Tieck

    Musik braucht die Gegenwart. Sind die großen Interpreten der Vergangenheit verstummt, erinnern nur noch die Beschreibungen derer, die sie erlebt haben, an ihre Kunst. Nur durch die Überlieferung ihrer Zuhörer sind der Kastrat Farinelli, dessen Gesang den spanischen König Philipp V. zu Tränen rührte, oder Maria Agujari, die mit ihren Koloraturen einst Mozarts Bewunderung erregte, und viele andere zu Mythen geworden. Wir gleichen den Gefährten des Odysseus, die sich die Ohren zugestopft hatten und den Gesang der Sirenen nur durch dessen Reaktion wahrnahmen, wenn wir zwar die Wirkung der alten Interpreten auf ihre Zeitgenossen kennen, aber nicht wissen, wie sie tatsächlich gespielt und gesungen haben.

    Selbst seitdem es die Möglichkeit gibt, den musikalischen Augenblick zu konservieren, sind Beurteilungen eigener oder gar fremder Erinnerungen an frühere Konzerterlebnisse nur bedingt verifizierbar. Nicht nur die Wiedergabe, sondern auch zeitbedingte ästhetische Kriterien, die Situation des Hörers, historische Umstände und die künstlerische Präsenz des Interpreten beeinflussen die musikalische Rezeption. Die Suggestion, die einst von legendären Musikerpersönlichkeiten ausging, ist oft kaum noch nachvollziehbar.

    Wer Clara Haskil nicht im Konzert erlebt hat, kann sich nur eine vermittelte Vorstellung von ihrer Kunst machen. Denn es war nicht nur ihr Klavierspiel, sondern auch ihre Ausstrahlung, die das Publikum in den Jahren ihres Ruhms faszinierte und ihre Auftritte zu jenen magischen Augenblicken verklärte, die sich durch kein Medium festhalten lassen. Dabei hatte ihre Weltkarriere erst spät begonnen, erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem sie jahrzehntelang vergeblich versucht hatte, sich auf dem internationalen Konzertpodium zu etablieren. Dass es die Jahre der Not waren, die die Rezeptionshaltung veränderten und das Publikum für ihre Kunst sensibilisierten, ist einer der Versuche, ihren späten Erfolg zu erklären.

    Als nach ihrem plötzlichen Tod am 7. Dezember 1960 in Brüssel Nachrufe und Würdigungen erschienen, gab es kaum einen Autor, der bei der Beschreibung ihrer Persönlichkeit nicht in den Tonfall hagiographischer Schwärmerei verfiel. Clara Haskil hatte mit ihrem verinnerlichten, von allem Pathos entschlackten Klavierspiel dem klassischen Ideal von sublimer Schlichtheit entsprochen, und wie bei keiner anderen Musikerin des zwanzigsten Jahrhunderts hatte sich in ihrer Biographie das Klischee eines entbehrungsreichen und leidgeprüften Künstlerschicksals erfüllt, das in keuscher Reinheit ganz der Musik geweiht war. Schließlich schien auch ihr Aussehen diese Vorstellung zu bestätigen: Die frühen Photographien zeigen ein Mädchen von madonnenhafter Schönheit, und die späten Aufnahmen porträtieren eine vergeistigte, von körperlicher Krankheit gezeichnete Frau. So konnte der Mythos Clara Haskil entstehen, und er lebt bis heute fort.

    Wie bei allen großen Pianisten offenbarte sich auch das Talent Clara Haskils in früher Jugend.* Das am 7. Januar 1895 als Kind jüdischer Eltern in Bukarest geborene Mädchen hatte schon im Alter von drei Jahren die Begabung, eine Melodie ohne Kenntnis des Notentextes auf dem Klavier wiederzugeben. Diese Begabung wurde unter der Anleitung ihrer Mutter Berthe ausgebildet, und schon bald spielte Clara einem Lehrer des Bukarester Konservatoriums eine Sonatine von Mozart nach dem Gehör nach und transponierte sie in eine andere Tonart.

    In diese Zeit ihrer ersten musikalischen Entwicklung fällt der Tod des Vaters Isaac, der 1899 an den Folgen einer Lungenentzündung starb, die er sich bei dem Versuch zugezogen hatte, aus der in einer kalten Winternacht in Brand geratenen Wohnung möglichst viele Wertgegenstände zu retten. Von nun an war seine Witwe bei der Finanzierung des Lebensunterhalts für sich und ihre drei Töchter auf die finanzielle Unterstützung ihres jüngsten Bruders, Isaac Moscuna, angewiesen.

    Im Alter von fünf Jahren wurde Clara ins Bukarester Konservatorium aufgenommen, dessen akademische Unterrichtsmethode jedoch ihrer besonderen musikalischen Phantasie nicht gerecht wurde. Dank eines Stipendiums der rumänischen Königin, der sie mehrmals vorgespielt hatte, war es der Familie möglich, Clara 1902 zur weiteren Ausbildung nach Wien zu schicken, wo ein anderer Bruder ihrer Mutter, Avram Moscuna, als Junggeselle lebte. Als Mediziner gescheitert, weil er nach einer Fehldiagnose nicht mehr praktizieren durfte oder wollte, erklärte er sich bereit, für seine Nichte zu sorgen. Nachdem sich Berthe Haskils Hoffnung zerschlagen hatte, mit den beiden anderen Töchtern nachzukommen, wurde die Existenz des hochbegabten Schützlings zu Avrams Lebensinhalt. Zwischen Clara und ihrem Onkel sollte sich eine stark symbiotische Beziehung etablieren, die für frühreife Talente und deren Erzieher typisch ist: Von Alltagssorgen abgeschirmt, bleibt der Umsorgte in lebenspraktischen Situationen unselbständig und wird im Extremfall zu einem »Selbstobjekt« des Betreuers, der durch die Erfolge des Protégés seine eigenen narzisstischen Bedürfnisse befriedigt und jeden Emanzipierungsversuch unterbindet. Wie Leopold Mozart, der seinen Sohn an den europäischen Fürsten- und Königshäusern als musikalisches Phänomen vorführte, oder Friedrich Wieck, der sich mit seiner Tochter Clara in einem solchem Maße identifizierte, dass er von ihr zuweilen in der maskulinen Form schrieb und auf ihre Hochzeit mit Robert Schumann mit geradezu zerstörerischer Wut reagierte, hat wohl auch Avram Moscuna seine Nichte eifersüchtig behütet und versucht, ihr selbst freundschaftliche Außenkontakte zu verwehren. Und indem er sie mehr und mehr dominierte, scheint er seinerseits, auch in ihren Augen zu einem Teil ihrer Persönlichkeit geworden zu sein; darauf deutet ein Telegramm aus dem Jahr 1913 hin, in dem sie ihrer beider Vornamen zu »Claravram« vereinigte.

    Drei Jahre blieb Clara Haskil mit ihrem Onkel in Wien. Den Klavierunterricht übernahm der Pianist Richard Robert, ein qualifizierter Pädagoge, der auch anderen hochbegabten Schülern wie George Szell, dem späteren weltberühmten Dirigenten, und dem Pianisten Rudolf Serkin die musikalischen und technischen Grundlagen vermittelte. Die Musikalität Clara Haskils manifestierte sich jedoch nicht nur in ihrem Klavierspiel, sondern auch auf der Geige; nachdem sie den legendären Joseph Joachim mit einem Werk von Brahms gehört hatte, begann sie auch Geigenunterricht zu nehmen. Das Klavier blieb aber ihr Hauptinstrument, und sie trat schon damals in Konzerten auf, deren erhaltene Programme ihre spektakulären pianistischen Fortschritte widerspiegeln: Gehören die Stücke ihres Wiener Debüts im Jahr 1902 – eine kleine Fuge von Händel und die Variationen in G-dur von Beethoven – noch zur leichteren Unterrichtsliteratur, so bewältigte sie ein Jahr später mit dem A-dur Konzert von Mozart, KV 488, bereits ein Standardwerk des anspruchsvolleren Konzertrepertoires. Die Reaktion der Presse war enthusiastisch, und die Rezensenten verfielen in beinahe religiöses Schwärmen, um die unerklärliche

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