Erfolgreiche Unterrichtsgestaltung: Wege zu einer persönlichen Didaktik
Von Hubert Teml und Helga Teml
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Über dieses E-Book
Das Buch greift das Bild der Schule als "Haus des Lernens" auf und bietet dazu vier "Bauteile" für erfolgreichen Unterricht:
* "Fundament": Lernfördernde Haltungen leben
* "Grundgerüst": Fundierte Planungen entwickeln
* "Aufbaumaterial": Zentrale Unterrichtssituationen gestalten
* "Dachkonstruktion": Übergreifende Bildungsziele umsetzen
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Buchvorschau
Erfolgreiche Unterrichtsgestaltung - Hubert Teml
gemeint.
Einleitung:
Mit „K.I.O.S.K."
erfolgreich unterrichten
Welches Bild taucht vor Ihnen auf, wenn Sie an einen „Kiosk" denken? Vermutlich haben Sie eines jener Häuschen vor sich, in denen mehr oder weniger Nützliches angeboten wird: Zeitungen, Kaugummi oder Souvenirs…
Aber was hat ein Kiosk mit erfolgreicher Unterrichtsgestaltung zu tun? Wenn Sie sich den folgenden „Bauplan ansehen, wird deutlich, dass wir seine „Bauteile
mit wichtigen Aspekten von Unterricht in Verbindung bringen können.
1. „K.I.O.S.K." als Haus des Lernens
Für die Schule der Zukunft wird vielfach das Bild vom „Haus des Lernens" gebraucht. Die vier Bauteile unseres Kiosks verwenden wir ebenfalls bildhaft für grundlegende Aspekte von Unterricht: LehrerInnen brauchen förderliche Haltungen als tragfähiges Fundament ihrer Arbeit. Ihre Planungen können wir als Grundgerüst für das praktische Handeln ansehen. Als Aufbaumaterial für eine Unterrichtseinheit müssen sie verschiedene Unterrichtssituationen sinnvoll aufeinander abstimmen. Und schließlich sollten LehrerInnen auch wichtige Bildungsziele unter „Dach und Fach" bringen.
„K.I.O.S.K." als Lehr-Gebäude
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte! Unser spezieller „K.I.O.S.K." (ab nun in dieser speziellen Schreibweise) fasst wesentliche Aspekte der allgemeinen Didaktik in einem Bild zusammen und versucht damit, grundlegende Zusammenhänge „einsichtig" darzustellen. Die Auseinandersetzung mit lernfördernden Haltungen, fundierten Planungen, zentralen Unterrichtssituationen sowie übergreifenden Bildungszielen erachten wir als unabdingbar für didaktisches Handeln.
„K.I.O.S.K. stellt damit ein einfaches „Lehr-Gebäude
dar, das einen Ein- und Überblick über wichtige Bereiche des Lehrens und Lernens in den unterschiedlichsten Fächern und Schultypen bietet. Dabei sind wir uns der Begrenztheit unseres Bildes bewusst, das in seiner Einfachheit auch vieles aus- und weglässt. So gehen wir etwa auf gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen von Schule, auf fachdidaktische Aspekte oder auf spezifische Methoden nur wenig ein.
Unser „K.I.O.S.K." bietet nur einen allgemeinen – jedoch sehr nützlichen – Orientierungsrahmen für didaktisch-methodisches Handeln. Gleichzeitig versuchen wir, die LeserInnen zur Auseinandersetzung mit ihren eigenen Unterrichtsbildern und damit zur Entwicklung einer reflektierten persönlichen Didaktik anzuregen.
„K.I.O.S.K." als Lern-Werkstatt
Das Konzept des „K.I.O.S.K. orientiert sich an der gegenwärtigen Diskussion um „guten Unterricht
. Darunter verstehen wir mit Weinert (1998b) einen Unterricht, in dem mehr gelernt als gelehrt wird. Im Zentrum steht daher selbständiges Lernen, was durch das hervorgehobene „S" in unserem „K.I.O.S.K. angedeutet wird. In diesem Sinn sehen wir ihn als eine „Lern-Werkstatt
, in der die SchülerInnen möglichst selbständig Lernerfahrungen machen und sich dabei ganzheitlich – in kognitiver, emotionaler, sozialer und auch leiblicher Hinsicht – entfalten können.
Diese Zielsetzung erfordert unter den gegebenen schulischen Rahmenbedingungen eine angemessene Balance von lehrer- und schülerzentrierten Unterrichtsformen. Wir schlagen daher in den einzelnen Bauteilen eine variationsreiche Unterrichtsgestaltung vor, die selbständiges Lernen in Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit wie auch direkte Unterweisung (im Frontalunterricht) vorsieht. Generell möchten wir zu einer stimmigen Öffnung des Unterrichts ermutigen, die sich sowohl an den Möglichkeiten der beteiligten Personen als auch an den Gegebenheiten der schulischen Situationen orientiert. Langfristiges Ziel ist, dass sich SchülerInnen von der Leitung durch ihre LehrerInnen emanzipieren und sich zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln können.
2. „K.I.O.S.K." als Weg zu erfolgreicher Unterrichtsgestaltung
Als „erfolgreich sehen wir Unterricht dann an, wenn LehrerInnen und SchülerInnen das „Haus des Lernens
mit dem Gefühl verlassen, miteinander eine gute und sinnvolle Zeit verbracht zu haben. Dieses subjektiv gefärbte Kriterium scheint uns angesichts der schwierigen Situation, in der sich heute Schule befindet, als durchaus angemessen. Etwas konkreter formuliert ist für uns Unterricht dann erfolgreich, wenn es gelingt, bedeutungsvolles Lernen zu fördern, das die fachliche wie persönliche Entwicklung der Lernenden gleichermaßen umfasst.
Die vier Bauteile unseres „K.I.O.S.K." zeigen mit ihren Informationen, Handlungsempfehlungen und Reflexionsaufgaben Wege für LehrerInnen auf, ihren Unterricht in diese Richtung zu entwickeln und damit den SchülerInnen zunehmend mehr Raum für selbständiges, handlungsorientiertes und ganzheitliches Lernen zu geben.
Die einzelnen Bauteile sind weitgehend unabhängig voneinander gestaltet. Dies führt gelegentlich zu inhaltlichen Überschneidungen, hat aber den Vorteil, dass die LeserInnen jeweils dort „einsteigen" können, wo sie Möglichkeiten zur Weiterentwicklung ihrer persönlichen Didaktik sehen. Als Orientierungshilfe stellen wir hier die Inhalte der vier Bauteile kurz gefasst vor:
Fundament: Lernfördernde Haltungen
Im ersten Bauteil gehen wir jenen „fundamentalen" Haltungen und Verhaltensweisen von LehrerInnen nach, die das Lernen in besonderem Maß fördern. Dabei stellen wir Aspekte von Beziehungsgestaltung, Unterrichtsgestaltung und Klassenführung ins Zentrum. In diesen drei Bereichen erachten wir eine personzentrierte Grundhaltung für hilfreich, aus der heraus LehrerInnen den Lernenden als wertschätzende, einfühlsam verstehende und echte Personen begegnen.
Der erste Bauteil verweist damit auf die Bedeutung der „Lehr-Person für erfolgreiches Unterrichten sowie auf die Notwendigkeit der Persönlichkeitsentwicklung von LehrerInnen. Ziel sollte „stimmiges Handeln
sein, das in einem konstruktiven Menschenbild gegründet ist und sowohl zur eigenen Person wie auch zur jeweiligen Situation passt.
Grundgerüst: Fundierte Planungen
Das Grundgerüst des „K.I.O.S.K. bildet ein Rahmen, der mit vier „W-Fragen
grundlegenden didaktischen Kategorien nachgeht:
In mehreren Abschnitten werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie LehrerInnen kreativ Planungsideen entwickeln, reflektiert umsetzen und sinnvoll konkretisieren können. Als Ziel wird eine Unterrichtsgestaltung angeregt, die zunehmend mehr Spielraum für die Mitplanung und Mitgestaltung durch die SchülerInnen lässt.
Aufbaumaterial: Zentrale Unterrichtssituationen
In den meisten Unterrichtsverläufen lassen sich die folgenden fünf Unterrichtssituationen (Lehr- und Lernsituationen) als zentrale „Aufbaumaterialien" feststellen. Sie ergeben mit ihren Anfangsbuchstaben die Abkürzung „K.I.O.S.K.":
Das hervorgehobene „S" in der Darstellung soll darauf hinweisen, dass unser „K.I.O.S.K." das selbständige Lernen besonders betont und damit auf die „Öffnung" des Unterrichts in Richtung Schülerzentrierung verweist. Ein erster und wichtiger Schritt zu erfolgreichem Unterricht besteht unseres Erachtens darin, vermehrt die Bearbeitung von Lernaufgaben in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit zu ermöglichen. Anstatt die SchülerInnen frontal zu „leiten versuchen LehrerInnen dabei, sie bei ihren eigenständigen Lernaktivitäten zu „begleiten
.
Dachkonstruktion: Übergreifende Bildungsziele
Eine wesentliche Aufgabe von Unterricht stellt die Erreichung von fachlichen Zielen und damit die Vermittlung von Fachkompetenz dar. Darüber hinaus fordern alle Lehrpläne, dass auch fachübergreifende Bildungsziele gefördert werden, die zu grundlegenden allgemeinen Kompetenzen führen. Darunter versteht man heute vor allem die Entwicklung von Selbstkompetenz, Sozialkompetenz und Methodenkompetenz.
Diese allgemeinen Ziele werden im Bauteil „Dachkonstruktion" in den drei Lernbereichen „Personales Lernen, „Soziales Lernen
und „Lernen lernen" angesprochen.
3. „K.I.O.S.K." als Weg zur persönlichen Didaktik
Wir verstehen die einzelnen „K.I.O.S.K.-Bauteile allerdings nicht nur als Handlungsanleitungen oder „Rezepte
für angehende wie berufserfahrene LehrerInnen. Vielmehr versuchen wir die LeserInnen anzuregen, sich mit der eigenen Unterrichts-Praxis und der dahinter stehenden Unterrichts-Philosophie offen auseinander zu setzen. Fragen und Arbeitsvorschläge dienen dem Zweck, die persönliche Didaktik zu reflektieren und – im Laufe des gesamten Berufslebens – weiter zu entwickeln. Wir übernehmen den Begriff „persönliche Didaktik" von Wolfgang Neuper (2002) und fügen einen seiner kritischen Liedtexte an, der vor jener trügerischen Gewissheit warnt, die ein fertiges Bild von Unterricht – und sei es auch das eines „K.I.O.S.K." – in sich trägt:
Die Welt ist ein Nomadenzelt
Die Welt ist ein Nomadenzelt – nicht KIOSK oder Haus!
Wir sind nur Gast auf dieser Welt. Was lernen wir daraus?
Die erste Frage „Lernen wir?" ist schwierig zu entscheiden,
weil Menschen – wie kein einzig‘ Tier – zum Selbstbetruge neigen.
Wir mühen uns Tag aus Tag ein, Stabiles zu errichten.
Ich weiß, das muss vergeblich sein. Wir schaffen es mitnichten!
Die zweite Frage „Wohin streben?" löst sich von Fall zu Fall.
Es wird kaum ewig Rechtes geben. So ist es nun einmal.
Wir täten eher gut daran, den Boden zu erkunden,
auf dem das Zelt entstehen soll – für Tage oder Stunden.
Wie lang es hält, wie lang es nützt ist vorher schlecht zu sagen.
Solange es uns selber schützt, ist‘s leidlich zu ertragen.
Wie viele Pflöcke sind genug die Plane wohl zu halten?
Gewissheit wird zu Selbstbetrug. Versteinern statt gestalten?
Wohin der Ausgang weisen soll kann sich im Nu ganz ändern.
So orientier dich hoffnungsvoll stets neu – je nach den Ländern.
Sei immer wach, zum Start bereit. Doch feile an den Regeln!
Sie sind der Rahmen für‘s Geleit – zu Fuß und unter Segeln.
Die Welt ist ein Nomadenzelt – nicht KIOSK oder Haus.
Wir sind nur Gast auf dieser Welt. Wer lernt da was daraus?
© L. Wolfgang Neuper 1994
Vom Erfahrungswissen zur Handlungskompetenz
Wer den Lehrerberuf wählt, hat bereits tausende Unterrichtsstunden „am eigenen Leib erlebt. Aus diesem „Erfahrungsschatz
sind Bilder von gutem wie schlechtem Unterricht entstanden. Neben diesem persönlichen Erfahrungswissen gibt es auch ein Theoriewissen, das vorwiegend in der Ausbildung angeboten und angelernt wird. Zusammen ergibt dies ein Konglomerat von persönlichen Theorien über Erziehung, Unterricht oder Klassenführung. Persönliche Theorien von LehrerInnen sind eine komplexe Mischung von Erfahrungswissen und theoretischem Wissen. Sie verdichten und verfestigen sich zu bestimmten „Unterrichtsbildern". Diese verinnerlichten Bilder von Unterricht steuern unser Denken, Fühlen und Handeln, sie helfen uns, den Schulalltag zu bestehen (vgl. bes. Meyer, 2004, 133ff).
Häufig versucht man in der Aus- und Fortbildung von LehrerInnen theoretische Grundlagen zu vermitteln, die sie in der Praxis möglichst effizient „anwenden" sollen. Dieser technologische Ansatz greift allerdings zu kurz. Schulpraktische Situationen sind zu komplex, als dass dafür eindeutige Anleitungen für das individuelle Handeln von LehrerInnen gegeben werden könnten. Um professionelle Handlungskompetenz zu erreichen ist es zunächst notwendig, persönliche Theorien im praktischen Handeln bewusst zu machen, sie zu reflektieren und in der Auseinandersetzung mit objektiven Theorien weiter zu entwickeln. Die traditionelle Vermittlung von pädagogisch-didaktischen Informationen reicht dazu nicht aus, weil Wissen die Kriterien für seine Anwendung nicht in sich trägt. Wie in der Geschichte der Pädagogik vielfach betont wurde, bedarf pädagogisches Wissen eines „pädagogischen Takts (Herbart) oder eines „leitenden Gefühls
(Schleiermacher), um in praktischen Situationen wirksam zu werden. Auch zeitgenössische Unterrichtsforscher sprechen davon, dass der Lehrerberuf zwar ein wissenschaftliches Fundament haben muss, die Lehrkunst aber Intuition, Kreativität, Improvisation und Mitteilungsfähigkeit erfordert (Gage, 1979, S. 3).
Wie Altrichter und Posch (1986) betonen, ist es bei der Erweiterung professioneller Kompetenzen daher nicht besonders wirksam, wenn LehrerInnen „fertige didaktische Konzepte erhalten. Sie müssen vielmehr selbst „didaktische Theoretiker
werden, die durch Reflexion eigener Handlungen und in Kommunikation mit anderen didaktische Theorien bilden. LehrerInnenbildung ist danach als Forschungsprozess zu sehen, bei dem die Studierenden lernen, persönlich bedeutsame Fragen zu stellen und ihre Erfahrungen – auch durch Beratung ihrer Ausbilder – zu reflektieren (Klement, Lobendanz & Teml, 2002).
Von Unterrichtsrezepten zu reflektiertem Unterricht
Studierende wie LehrerInnen sind erfahrungsgemäß sehr daran interessiert, Handlungsanleitungen zu sammeln, um für die vielfältigen Anforderungen im Schulalltag gewappnet zu sein. Die hohe Auflagenzahl etwa der „Unterrichtsrezepte" von Jochen und Monika Grell (2001) belegt deren Beliebtheit und Brauchbarkeit.
Aber nützlich erscheinende Handlungsempfehlungen müssen in einem größeren theoretischen Zusammenhang reflektiert werden. Nicht immer stimmen sie mit den Werten und ethischen Leitlinien überein, die sich aus den Zielen von Schule oder persönlichen Überzeugungen ergeben. „Rezepte" dürfen auch nicht technologisch verkürzt werden, sondern müssen zur jeweiligen Person und schulischen Situation passen.
Auch die Ergebnisse der Unterrichtsforschung sind nicht von vornherein hilfreich. Sie können zwar eine Basis für unterrichtliches Handeln liefern, die „Kunst des Unterrichtens" müssen LehrerInnen jedoch in ihrer eigenen Praxis entwickeln (Gage, 1979).
In Anlehnung an das Konzept des „professionellen Handelns" nach Donald Schön liegt ein Ziel heutiger LehrerInnenbildung in der Förderung von kompetenten und reflexiven PraktikerInnen, die imstande sind, komplexe Unterrichtssituationen zu reflektieren und angemessene Entscheidungen zu treffen (Altrichter & Aigner, 2002; Dick, 2002).
„Nach meinen Vorstellungen ist ein reflektierender Praktiker ein Lehrer, der die Auswirkungen seines Handelns auf die Schüler evaluiert und aktiv nach Möglichkeiten zur Verbesserung und Professionalisierung seines Handelns sucht. Er ist bereit, seine durch Routinen verdichteten Wissensstrukturen aufzubrechen, neu zu reflektieren und zu bewerten, um sich neue Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen…" (Lohmann, 2003, S.