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Fürchte Dich nicht: Fiese Geschichten
Fürchte Dich nicht: Fiese Geschichten
Fürchte Dich nicht: Fiese Geschichten
eBook105 Seiten1 Stunde

Fürchte Dich nicht: Fiese Geschichten

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Über dieses E-Book

Ein Börsenspekulant, der sich blindlings vergreift, eine pflegebedürftige Seniorin, die versehentlich zu Tode gepflegt wird, ein ambitionierter Naturwissenschaftler, der durch Naturgewalten zu Tode kommt. Dies sind nur drei Beispiele aus der Sammlung fünfzehn fieser Kurzgeschichten. Sie beginnen alltäglich und enden böse.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Feb. 2013
ISBN9783848248827
Fürchte Dich nicht: Fiese Geschichten
Autor

Andrea Thiel

Andrea Thiel, geb. 1963 in Stuttgart, studierte Literatur und Medien an der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen. Sie lebt und arbeitet in Stuttgart.

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    Buchvorschau

    Fürchte Dich nicht - Andrea Thiel

    Einfältige

    Der Spekulant

    Als Klemens Kleinknecht am Montag Morgen aus dem Haus trat, ahnte er noch nicht, was ihm an diesem Tag widerfahren würde.

    Wie an jedem Tag begab er sich an seine Arbeitsstelle, einem zwei Kilometer entfernten Börsenplatz in der Innenstadt, bei dem er als Spekulant in eigener Sache tätig war. Wie an jedem Tag brach er auf die Sekunde pünktlich auf, kam auf die Sekunde pünktlich an, begann sein Spekulationsgeschäft auf die Sekunde pünktlich und beendete es ebenso pünktlich nach exakt zwei Stunden. Sahen seine Mitspekulanten ihn, so tuschelten sie hinter vorgehaltener Hand, der Vertrocknete käme. In der Tat machte Klemens Kleinknecht auf andere Menschen einen extrem spröden und unangenehmen Eindruck. Er war ein Einzelgänger, dürr von Statur, mit einer dicken Brille und ausweichend im Umgang. Zudem war er geldgierig, geizig und ein arroganter Weiberfeind. Dies alles nahm oftmals groteske Züge an, wenn er einen weiblichen Börsianer in seiner Nähe dulden musste. Dann beschimpfte er ihn als analphabetische Ziege, die in den Jagdrevieren der Männer gar nichts zu suchen hätten. Ja, Klemens Kleinknecht war ein unangenehmer Zeitgenosse. Andere waren erleichtert, wenn er nicht mehr in ihrer Gegenwart weilte. Seine seelische Verfassung drängte sich allen Anwesenden dennoch sichtbar und ruchbar auf. Er hatte die Schuppenflechte und stets entzündete, blutunterlaufene Augen, die bei extremen Schwankungen in den Börsenkursen vor Aufregung noch blutunterlaufener wurden, wogegen er lindernde Tropfen nahm. Sein Arzt hatte ihm diese dringend ans Herz gelegt, wollte er nicht eines Tages völlig erblinden. Nichts fürchtete Klemens Kleinknecht so sehr wie den Verlust der Fähigkeit, statistische Kurven, komplizierte Tabelle und lange Zahlenkolonnen erkennen zu können. Ja, sie waren sein Lebensunterhalt und sein Lebensinhalt, er war mit ihnen verheiratet, er träumte sogar in der Nacht von ihnen. Dazu kam, dass er wie ein Wildschwein stank, obwohl er auch im Sommer so gut wie nie schwitzte. Lag es am immer gleichen grauen Anzug, den er sommers wie winters trug? Es schien, als wollte er mit seiner Duftmarke, die wie ein letales Odeur in die Nasen seiner Mitmenschen drang, seine Konkurrenten in Schach halten. Ein Schutzschild aus Gestank in freier Wildbahn.

    Als Klemens Kleinknecht heute an seinem Arbeitsplatz erschien war er guter Stimmung, war doch äußerlich alles, was einen gelungenen Börsentag ausmachte, vorhanden. Die Sonne schien, es war warm, die Ausgangskurse waren günstig. Am Freitag zuvor hatten die Börsen weltweit positiv abgeschlossen. Kleinknecht freute sich, rieb sich so fest die Hände, dass ihm die Schuppen herunterbröselten wie Haferflocken. Und in der Tat, der Tag barg einen Höhenflug ohnegleichen in sich. Der Welthandel erlebte an diesem Tag einen noch nie da gewesenen Aufschwung. Weil einem arabischen Scheich ein Sohn geboren wurde, sank innerhalb von wenigen Stunden der Ölpreis, eine neue Energiequelle wurde erschlossen, die Preise sanken, die Kaufkraft stieg. Es war eine Anhäufung von Segnungen für die Menschheit und die Folge war, dass an diesem Tag die Gewinne für Klemens Kleinknecht ins Gigantische stiegen. Innerhalb von zwei Stunden war er ein steinreicher Mann. Doch Klemens Kleinknecht war maßlos. Einmal Gold horten, das löste bei ihm eine Kettenreaktion aus. Eine Art Fieberwahn überkam ihn. Sein altes Leiden der entzündeten Augen befiel ihn wie schon lange nicht mehr. Fürs erste achtete er nicht darauf, denn was hier geschah würde ihn zukünftig von allen anderen Leiden befreien. Ja, Klemens Kleinknecht hortete die exotischsten Wertpapiere, nahm immer neue Spekulationsgeschäfte auf, kam, sah, siegte. Das erste Mal in seinem Leben strahlte er über das ganze Gesicht, seine ansonsten blassen Wangen röteten sich, seine Augen wurden blutunterlaufen vor Aufregung und Jagdtrieb. Man sah, was man sonst selten sah: Man sah sein gelbliches, lückenhaftes Gebiss. Klemens Kleinknecht wurde trotz seines immer gigantischer werdenden Gewinnes weder menschlich reicher noch optisch ansehnlicher. Heute kam er nicht so schnell von seinem Arbeitsplatz weg und innerhalb von dreieinhalb Stunden hatte er ein Vermögen von fünfhundert Millionen angehäuft, eine Summe, die ihn von weiteren Verpflichtungen und Börsenbesuchen befreit hätte. Ja, Klemens Kleinknecht hatte sein Leben in trockenen Tüchern. Im Eifer des Höhenrausches kehrte seine Bindehautentzündung mit aller Macht zurück, seine Augen wurden so rot wie die eines gegen das falsche Licht Fotografierten. Bald sah er nichts mehr und um dem entgegen zu steuern, suchte er fieberhaft seine Augentropfen, krame versehentlich in der Jacketttasche seines Kollegen, erwischte dort eine Flüssigkeit zum Reinigen von Kontaktlinsen, tat sich je zwei Tropfen in seine Augen und erblindete auf der Stelle.

    Beefsteak Flambee

    Es war ein Tag im August. Drückende Schwüle lag auf der Stadt. Das Leben verlangsamte sich. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet und die Wetterlage versprach keine Abkühlung.

    Ruth sah aus dem Küchenfenster. Im Ofen garte ein Auflauf vor sich hin und verbreitete ein köstlichen Duft. Ruth konnte ihren Blick nicht von dem Flimmern lösen als würde er an ihm haften wie ein Kaugummi an einer Schuhsohle. Ruth war eine Frau in den mittleren Jahren, mit schulterlangem, ergrauendem Haar, das sich um ihr noch immer jugendliches, etwas aufgequollenes Gesicht herum ordnete. Sie wäre bei größerer Aufmerksamkeit für ihr Äußeres hübsch gewesen, doch ihre Erscheinung war das, was man als vernachlässigt bezeichnet.

    Dabei war es früher anders gewesen. Vor fünfzehn Jahren, als sie Paul geheiratet hatte, da war sie voller Hoffnung, voller Energie, was sich auch auf ihr Äußeres auswirkte, das gepflegt war. Vor fünfzehn Jahren als Paul noch der frisch gebackene Ehemann war und sie mit Zärtlichkeit und Respekt behandelte, da leistete sie sich Eitelkeit, um Pauls Aufmerksamkeit zu erhalten. Und sie bekam die Aufmerksamkeit. Doch nach ein paar Jahren veränderte sich etwas. Pauls Umgang ihr gegenüber veränderte sich. Er wurde erst gleichgültig, und da sie dies nicht akzeptierte, ihn fragte und angriff, da wurde er mürrisch und schließlich aggressiv. Es war der Alltag, die Macht der Gewohnheit, die immer wiederkehrenden Kleinigkeiten, die die Verbindung zwischen Ruth und Paul bröckeln ließen wie altes Mauerwerk, das durch die Jahrhunderte hindurch den immer wiederkehrenden Unbilden der Jahreszeiten ausgesetzt ist. Ruth versuchte, Paul durch besondere Aufmerksamkeit und Nachsicht zu beschwichtigen, um sein Verhalten ihr gegenüber wieder wie zu Anfang werden zu lassen. Sie bemühte sich, das, was sie gut konnte, noch besser zu machen. Ruth kochte gut, doch sie wollte besser kochen. Sie kochte für Paul nicht nur seine Lieblingsgerichte, sie kochte ihm raffinierte Köstlichkeiten. Sie besuchte sogar einen Gourmetkochkurs, um auch dies noch zu steigern. Doch anstatt der erhofften Besserung, verschlechterte sich Pauls Verhalten ihr gegenüber. Je besser sie kochte, je mehr sie ihn zu verwöhnen gedachte, desto mehr sah er dies als Grund zur Schikane an. Pauls Egozentrik vermutete in Ruths Verhalten ein schlechtes Gewissen. Ruth saß in der Falle der Egomanie ihres Mannes. So begann Ruth sich zu vernachlässigen. Paul beschimpfte Ruth als Schlampe. Ruth raffte sich auf. Paul redete ihr ein schlechtes Gewissen ein. Ruth hatte jedoch kein schlechtes Gewissen. Irgendwann bemerkte Ruth, dass sie dieser Hölle nur entkommen konnte, wenn sie sich zu wehren begann.

    Auch jetzt dachte Ruth daran, als sie ihren Blick ziellos in den flimmernden Hitzeschwaden draußen über der Stadt treiben ließ. Sie schreckte auf, als der Schlüssel an der Haustür geräuschvoll umgedreht wurde. Das musste Paul sein.

    Der Abend sollte ausklingen wie jeder Abend bei Ruth und Paul

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