Familiengeschichte(n) - Histoire(s) de famille - Family (Hi)story: Geschichten, Berichte und Kindheitserinnerungen aus dem Familienkreis der Wiesheus - Histoires, nouvelles et souvenirs d'enfance du cercle familial des Wiesheu - Stories, tales and childhood memories of the Wiesheu family
Von Johann Wiesheu
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Über dieses E-Book
Eine Familie sucht sich selber und entdeckt bei ihren regelmäßigen Zusammenkünften, zur Vorbereitung eines großen Familientreffens, die interessante Seite der Vergangenheit.
Die persönlichen Geschichten aus dem Leben der Nachkommenschaft der Familie Wiesheu.
Einfache Leute vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, damals fleißige und in gewisser Weise stolze Bauern und deren Nachfahren, die ihren Besitz wertschätzten und Aufgaben und Pflichterfüllung über ihre eigenen Bedürfnisse stellten. Aus den Geschichten spricht eine gewisse Bescheidenheit, die jeder Ehrlichkeit zu Grunde liegt. Diese Authentizität ist es, die dem Buch Glaubwürdigkeit verleiht und mitten aus dem Leben der Landbevölkerung des 19. und 20. Jahrhunderts ein Zeitzeugnis abgibt.
Ein Buch für Menschen, mit Liebe zu ihrer Heimat und Freude am Entdecken der eigenen Vergangenheit. Einige der Geschichten sind auch ins Französische und Englische übersetzt.
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Buchvorschau
Familiengeschichte(n) - Histoire(s) de famille - Family (Hi)story - Johann Wiesheu
Ein herzliches Vergelts Gott geht an die fleißigen und ungenannten Helfer, durch deren Unterstützung dieses Buch das geworden ist, was es ist: Etwas Besonderes.
Die Autoren
sind überwiegend Nachkommen von Josef und Walburga Wiesheu aus Schweinersdorf, in der zweiten (2), dritten (3) und vierten (4) Generation.
Die Eltern, Groß- und Urgroßeltern der Autoren, also die Generation 1) nach unserer Definition, mit Andreas, Maria, Josef, Georg und Walburga gründeten ihre Familien in Giggenhausen, Hagsdorf, Inzkofen, Schweinersdorf und Willersdorf.
In der vorausgehenden Nennung der Autoren beschreibt ein H4 z.B. einen Nachkommen der 4. Generation von Josef und Walburga, aus der Hagsdorfer Famile.
Josef Wiesheu wurde geboren am 13. April 1868, in Untersollern (Inkofen) und verstarb am 7. Dezember 1933 in Schweinersdorf
Er und seine Ehefrau Walburga, geborene Heigl, heirateten am 1. Februar 1886. Walburga wurde geboren am 18. Februar 1861 in Schweinersdorf, wo sie am 28. Februar 1907 verstarb.
Von ihren 11 Kindern erlangten nur 6 das Erwachsenen-Alter, Johann fiel 1915 in Verdun.
Josef und Walburga bewirtschafteten den Huaba-Hof in Schweinersdorf.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Jugend von Josef Wiesheu, Moosburg
Mein Lebensweg
Maria Waibl: Erinnerungen an meine Kindheit
Meine Schweinersdorfer Verwandtschaft
Hausmusik in Inzkofen
Die besten Radieserl der Welt
Das Mistbeet
Rettich schneiden
In der Kalkgrube
Die Sauweide
Sense dengeln
Schlachttag
Bienen
Stromausfall
Gefriergemeinschaft
Christbaum
Zucker
Heuernte im Sommer
Vom Troadmandl aufstellen
Rüben und Mais
Kartoffel
Mechanisierte Getreideernte
Feiertage in Schweinersdorf
Rau(c)hnacht
Unwetter
Kirchweiherinnerungen
Der Schmied Konrad und der Dorn
Ein Erlebnis beim Hopfenzupfen
Das falsch verstandene Mittagsgebet
Erlebnisse auf dem Schulweg
Wanderer Motorrad
Frühe Jugendsünden
Auch im Alter noch mobil
Fahrstunde
Der Fliederbaum
Der sonntägliche Gottensdienstbesuch
Tür zu – Schlüssel drin
Ferienerinnerungen an Schweinersdorf
Kleine Geschichten aus Schweinersdorf
Das Kanapee
Kommunionsgeschenk
Tauben
Oar batsch gmacht
Die Brotkrume
Das Gemeinde-Gefrierhaus
Seppi
Seppi und die Postbotin
Saureiten
Mofaflug
Geldwäsche
Geldschrank
… et maintenant un extrait en français
Comment tout a commencé
Jeunesse Josef Wiesheu Moosburg
Ma famille de Schweinersdorf
Les meilleurs radis du monde
Le Pré à cochons
Le rucher
La Fenaison d'été
Jours de fête à Schweinersdorf
La nuit de l'encens
La prière de midi mal comprise
Le lilas
… and now extracts in English
How it all began
Historical Memories from my Youth and School from 1936-1945
Relatives from Schweinersdorf
The Best Radishes in the World
The Lime Pit
The Pigs’ Meadow
The Beehive
Haymaking in the Summer
Beets and Corn
Easter Memories of Schweinersdorf
''Smoke Nights'' during „The Twelve Days"
The Misunderstood Noontime Prayer
Experiences on the way to school
Well advanced in years, but still (motor) mobile
The Lilac Bush
Holiday Memories of Schweinersdorf
Communion Gift
Pig Riding
Abbildungsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Vorwort
Wie alles begann ...
Ein kleiner Teil einer Familie macht sich auf die Suche nach ihren eigenen Verwandten und trifft dabei neben den Menschen auch auf viele Geschichten. Eigentlich sollte alles nach einem großen Verwandtentreffen im März 2012 in Mauern beim Gasthaus Alter Wirt wieder enden. Es fanden sich fast 200 Neugierige aus vier Generationen zusammen, die alle gespannt waren, Neues zu erfahren und zu sehen, wie sich die Familie entwickelt hat (siehe Abb. 34). Teilweise lernten sich die Personen bei diesem Treffen erst kennen und manche trafen nach Jahren wieder aufeinander.
Die Idee für das Treffen entstand nach einer Beerdigung. Die Frage, ob sich die erweiterte Verwandtschaft nur bei traurigen Anlässen, nämlich bei Beerdigungen, zusammenfinden soll, oder ob es auch eine andere Möglichkeit gibt sich zusammenzufinden und auszutauschen, ging einigen aus der großen Familie nicht mehr aus dem Kopf.
Ein kleines Grüppchen von entfernt miteinander Verwandten entwickelte die Idee weiter und es entstand das Projekt, ein großes Verwandtentreffen zu organisieren. Was wollte man erreichen und vor allem, warum machten sich einige Wenige so viel Arbeit und Mühe mit den Vorbereitungen für ein großes Verwandtentreffen?
Die Antwort ist leicht zu finden. Es war die Neugier und die Freude aufeinander auf das, was geschehen würde, wenn sich mehr als vier Generationen, alle um die gleiche Zeit, an einem Ort, in einem Raum versammeln würden. Würden sie sich verstehen? Werden womöglich alte Streitereien oder Animositäten neu belebt, oder kommt es vielmehr zu einem interessierten Austausch untereinander? Letzteres ist geschehen.
Ohne zu wissen, was auf einen zukam, traf sich das Organisationsteam teils recht gespannt und in guter Absicht. Es war eher schwierig die Abgrenzung zu finden, wer geladen werden konnte und wer für dieses Treffen zu weitschichtig verwandt ist. Rita Schweiger gab hier immer wieder eine klare Orientierung durch ihren hervorragend dokumentierten Stammbaum.
Beim ersten großen Familientreffen überwog bei allen Teilnehmern die Freude und Dankbarkeit für solch eine Möglichkeit, sich nach vielen Jahren zu treffen oder zu erfahren, wer mit wem wie verwandt ist. Dabei wurden viele Geschichten erzählt und die Idee, die Geschichten aufzuschreiben und für die nächsten Generationen zu erhalten, wurde immer öfter diskutiert.
Dies war der Beginn für eine wunderbare Geschichtensammlung, die wir mit diesem Werk vorlegen können.
Der Grundstein wurde durch Rita Schweiger gelegt, die als Hobby Ahnenforschung betreibt und einen unendlichen Datenschatz durch akribische Kleinarbeit zusammengetragen hat. Ihren Datensätzen verdanken wir die Ausgangslage für eine umfassende Dokumentation unserer großen und wachsenden Familie.
Der Begriff Familie wird hierbei im weitesten soziologischen Sinn verwendet, und in die Ahnendatei werden nur nachgewiesene Daten durch Geburt, Heirat oder Tod aufgenommen. Die Genealogie (Ahnenforschung) befasst sich in diesem Buch, zum einen innerhalb der eigenen Familienforschung mit den erlebten Geschichten. Zum anderen wird ein Teil der Geschichte mit den Dokumentationen selber aufgeschrieben. Eine Familie macht sich auf den Weg ihre eigene Geschichtsschreibung, im wahrsten Sinne des Wortes, selber in die Hand zu nehmen und aus eigenem Erfahrungswissen und eigenem Erleben ein Stück Zeitgeschichte zu dokumentieren.
Schon bald wurde deutlich, dass die vielen Familienmitglieder ihre Erlebnisse auf unterschiedlichste Art dokumentierten. Auch fand jeder eine andere Geschichte für lustig oder erzählenswert. Auch nachdenkliche Sachverhalte und Zeitgeschichtliches kamen im Laufe der Zeit dazu. Der Geschichtenschatz wuchs von Monat zu Monat an und schließlich mussten wir bei einigen Treffen eine Auflistung und Gliederung der vielen Kurzgeschichten machen, damit der Leser sich auch zurechtfinden kann.
Das Buch ist nicht nach wissenschaftlichen Kriterien entstanden und doch wurde die narrative Erzählweise in allen Geschichten konsequent eingehalten. Alle Autoren gaben ihre Erlebnisse und Kenntnisse aus ihrer eigenen Sicht und Darstellungsweise wieder. Das Buch ist in guter Absicht entstanden, mit viel Fleiß und aus absoluter Eigeninitiative, es wird ohne Gewinn zum Selbstkostenpreis, an jeden, der es haben möchte, verkauft. Es eignet sich sehr als Geschenk bei Familienfesten.
Normalerweise haben nur Adelige oder besonders berühmte Familien ihre eigenen Geschichtsbücher. Wir haben mit diesem Buch den Beweis angetreten, dass man weder sehr berühmt, noch adelig oder sehr reich sein muss, um seine eigene Geschichte zu dokumentieren.
Einige der Geschichten wurden in Englisch, Französisch und in bayrische Mundart übersetzt. Auf der Online Ausgabe kann dies alles nachgelesen werden. Wir dachten, manche Geschichten sind auch für französische Freunde interessant, die im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg, einen Teil ihres Lebens in der Hallertau verbrachten.
Genauso ist es mit den amerikanischen Freunden. Auch sind Familienmitglieder ausgewandert und es kann auch für deren Nachkommen interessant sein, was in der alten Heimat so alles erlebt wurde.
Das Buch konnte nur dadurch entstehen, weil unser Verwandter Johann Wiesheu sein technisches Wissen eingebracht hat. Er hat viele Organisatorisches erledigt. Neben umfangreicher Literaturrecherche hat er die Texte immer wieder neu geordnet und das Projekt voran getrieben, sowie uns bei auftretenden längeren Schaffenspausen wieder eingefangen, um zu einem guten Abschluss zu kommen.
Möge der Leser oder die Leserin dieses Buches viel Freude mit den Kurzgeschichten, Dokumentationen und Aufzeichnungen haben. Vielleicht entdeckt jemand eine Parallele zu seinem eigenen Leben. Durch das Aufschreiben wurde für kurze Zeit ein Stück Vergangenheit wieder lebendig und gleichzeitig für die Zukunft gesichert. Auch so manche schwere Erfahrung kam dabei wieder ins Gedächtnis und konnte, durch eine Neubetrachtung aus einem anderen Lebensabschnitt, im eigenen Empfinden gemildert werden. Die meisten Wunden des Lebens sind durch die Zeit heilbar. Eine Familie kann der Grundstock für positive Erfahrungen sein, sie kann aber auch Schmerzen und Hindernisse in das Leben des Einzelnen bringen.
Das Buch ist mit viel Ausdauer, aus reiner Freude am Tun entstanden; die neuesten Beiträge sind bereits auf unserer Internet-Seite zu finden. Wir hoffen, dass die Freude und die gute Absicht auf die Leserschaft überspringt und noch mehr Freude beim Lesen entsteht. Wer sich angesprochen fühlt und mitschreiben möchte, ist herzlich eingeladen. Die Online-Ausgabe bietet reichlich Platz für viele weitere Geschichten.
Eleonore Hartl-Grötsch, im Februar 2014
Jugend von Josef Wiesheu, Moosburg
Zeitgeschichtliche Erinnerungen aus meiner Jugend- und Schulzeit von 1936 – 1945
Mein Heimatort Schweinersdorf war bis zur kommunalen Gebietsreform 1972 eine politische Gemeinde, eine Pfarrgemeinde sowie eine Schulsitzgemeinde. Die Volksschule hatte Hausnummer 1 und befand sich am südlichen Ortseingang.
Mit 6 Jahren wurde ich zu Ostern 1936 in die 1. Klasse der Volksschule eingeschult. Im Schulhaus gab es 2 Klassenzimmer. Die Schüler der 1. - 4. Klasse gingen in die sogen. „kleine Schule; die Schüler der 5. - 8. Klasse besuchten die „große Schule
. Meine 1. Klasse zählte 2 Buben und 8 Mädchen.
Mein ältester Bruder Sebastian, Jahrgang 1922, kam 1936 „aus der Schule" - so hieß dies damals.
Ich durfte seinen ledernen, schwarzen Schulranzen erben. Damit er mir zum Tragen mehr Spaß bereiten sollte, hat ihn der Sattler wieder neu aufgefrischt und ein feuerrotes Pferd auf den Ranzendeckel gemalt.
Der Schulbesuch machte mir Spaß, der Weg war kurz; im Winter, wenn der Boden gefroren war, ging dies sogar mit Hausschuhen.
In der 1. Klasse der „kleinen Schule wurde ich von der Lehrerin Frl. Stab unterrichtet; die Schüler/innen der „großen Schule
hatten als Lehrer Georg Dietmair.
Von meinem Fräulein Stab in der ersten Klasse habe ich erfahren, dass die Wiesheu Kinder „Schwarze sind, aber nicht den Kopfhaaren nach! Im sogen. 3. Reich wurden die Regimegegner als „Schwarze
bezeichnet.
Aus den ersten Schultagen blieb mir folgende Erinnerung: Ich sollte die Mitschülerin Maria Furtner aus Altfalterbach, auf Geheiß der Lehrerin ein Stück des Heimweges begleiten. Wir kamen beide allerdings nur bis zum Waldrand. Dort stand eine große Eiche (siehe Abb. 35) Wir sammelten Eicheln, setzten uns und spielten damit. Mittlerweile kamen die aus der „großen Schule" und nahmen dann die Furtner Maria mit nach Altfalterbach.
Von dieser Stelle aus hatte ich in der darauffolgenden Nacht einen seltsamen Traum: Ich blickte zum Himmel gegen Schweinersdorf. Aus den Wolken schob sich, in eine lichte Stelle, ein riesiges Balkenkreuz. Diese Begebenheit sehe ich heute noch vor mir.
Abbildung 1: 2. Klasse der Kleinen Schule
; [JWM36]
vorne v. links n. rechts: Barbara Sixt, Kathi Frey, Josef Wiesheu (Schweinersdorf),
Maria Schwanghart, Therese Zauner
hinten von links n. rechts: Ursula Baumgartner, Josef Wiesheu (Inzkofen),
Barbara Aneser
In der 2. Klasse bekamen wir in der „kleinen Schule" eine neue Lehrerin. Sie hieß Toni Bader und als Ministrant, sah ich sie jeden Morgen schon im Chorstuhl beim Schulgottesdienst.
Mein Vater war ein Gegner des Nazi-Regimes¹ im 3. Reich². Die NSDAP³ kam mit Adolf Hitler am 30. Jan. 1933 an die Macht. Mitglieder dieser Partei organisierten sich in der SA⁴ und ab 1939 integrierten sie sich in die SS⁵ Adolf Hitlers. Die SA-Männer trugen eine braune Uniform, braune Stiefel und eine Hakenkreuz-Binde am Arm. SS-Männer hatten eine schwarze Uniform mit SS-Zeichen am Kragenrevers.
1933 erschien ein SA-Mann, begleitet von einem Polizisten mit einem Hausdurchsuchungsbefehl am elterlichen Hof. Einem SA-Angehörigen aus einem Nachbardorf sei angeblich ein Gewehr von einem ehemaligen Huberknecht⁶ gestohlen worden. Dieser Verdächtige gab an, er hätte bei seinem früheren Bauern übernachtet und mein Vater hätte ihm das Gewehr abgekauft. Bei der Hausdurchsuchung wurde u. a. auch das Schlafzimmer durchstöbert und die Kinderwäsche aus der Kommode raus geholt. Ein Gewehr wurde aber nicht gefunden. Es gab zum ganzen Tatbestand auch keinen Anhalt.
Durch unser Dorf marschierten öfters die SA-Männer mit Pfeifen und Trommelschlägen. Wir Kinder hörten die Klänge, durften aber nicht auf die Straße gehen. Das fiel natürlich offensichtlich auf. Eine Mitgliedschaft zur HJ⁷ und beim BDM⁸ gab es für die Wiesheu Kinder nicht. Manche Veranstaltung wäre schon reizvoll gewesen!
Mein älterer Bruder, Jahrgang 1922, - seit Stalingrad 1942/43 vermisst -, fuhr 1938 mit dem Pferdegespann eine Fuhre Strohmist auf das Feld. Beim Wirt war die Hakenkreuzfahne aufgezogen, wegen einer bevorstehenden Wahl. Die Fahne flatterte im Wind und die Pferde scheuten davor. Sie lenkten um und die Fuhre Mist kippte auf die Straße. Mein Bruder schimpfte: „Wegen eurer Scheiß-Fahne ist das jetzt passiert!". Auf Grund dieser Äußerung musste mein Vater Abbitte leisten beim uniformierten Ortsgruppenleiter⁹ Ludwig Fischer.
Den Christbaumverkauf gab es auf dem Huberhof auch schon in den dreißiger Jahren. Wir Kinder durften auf den Markt in Moosburg mitfahren und die bestellten Fichtenbäume auch austragen.
Eines Tages kam ein Polizist ins Haus wegen einer Anzeige. Angeblich würden die Bäume zum Wucherpreis verkauft. Worauf mein Vater Käufernamen nannte. So u. a. auch den 2. Bürgermeister Ernst Weise, Schuhgeschäftsinhaber in Moosburg. Man möge sich also bei diesem erkundigen. Es stellte sich heraus, dass Herr Weise den Preis von 5 RM¹⁰ selbst bestimmt hat.
Gelegentlich kamen die SA-Männer hoch zu Ross durchs Dorf. Sie wollten für ihre Übungen von meinem Vater einen Acker am Dorfrand. Mein Vater wies die Forderung ab mit der Begründung: Das ist mein nächstgelegener Acker zum Hof und von guter Bonität
. Worauf er zur Antwort erhielt: Das werden wir schon sehen. Wir können das Feldstück auch anderweitig kriegen!
.
Das Schriftstück zur Einlieferung ins KZ¹¹-Dachau war bereits erstellt.
Es gelangte in die Hände eines Verwandten in einem Nachbardorf. Dieser war bereits seit 1923 Mitglied bei der NSDAP und hatte ein gewichtiges Wort zum Sagen. Er zerriss das Schreiben mit der Bemerkung: Das dürft ihr nicht machen!
Für diese sogen. „Schwarzen, also Regimegegner, war die Hitlerzeit eine schwere Zeit. Mein Vater ging sehr selten ins Wirtshaus, um sich nicht der Gefahr einer falschen Äußerung gegen Hitler und sein Regime auszusetzen. Genauso gab es bei uns im Haus kein Radio bis 1945. Die Gefahr des „Schwarzhörens
, d. h. einen Auslandssender zu hören, wäre verführerisch gewesen und war strafbar. „Der Feind hört mit", hieß es.
Ich erinnere mich auch an den Ausspruch eines Nachbarn: „Jetzt brauchen wir halt keinen Papst und Bischof mehr, wir haben einen Führer Adolf Hitler".
Ab der 5. Klasse kam ich in die „große Schule, in das Klassenzimmer nebenan, zum Lehrer Georg Dietmair. Er war ein strenger Lehrer, aber man lernte sehr viel bei ihm. Weil jeder von uns zwei Buben in der Klasse „Josef Wiesheu
hieß und wir auch noch in der gleichen Schulbank saßen, nannte er meinen Cousin beim Aufrufen „Wiesheu 2 und mich „Wiesheu 1
.
Der Lehrer G. Dietmair wurde die letzten beiden Kriegsjahre 1944/45 in die Wehrmacht eingezogen.
Ab jetzt gab es nur noch eine sogen. „einklassige Volksschule". Alle 8 Schulklassen in einem Klassenzimmer. Als Lehrerin bekamen wir Fräulein Anni Kieser. Sie stammte aus Moosburg, vom Steinmetz Kieser. Mit ca. 80 - 90 Schüler/innen musste sie fertig werden. Manchmal durfte ich Klassen im Nebenzimmer oder auf der Stiege beaufsichtigen, die dort einen Arbeitsauftrag zu erledigen hatten. Anni Kieser kam oft abends zu meinen älteren Schwestern zur Unterhaltung. Sie besuchte am Morgen den Schulgottesdienst um 7.00 Uhr und manchmal betete sie bei uns abends auch den Rosenkranz mit.
Jahrelang beteten wir täglich den Rosenkranz, für eine gute Heimkehr unseres vermissten Bruders Sebastian; auch noch nach Kriegsende 1945.
Anni Kieser hat mir mein Entlassungszeugnis der 8. Klasse Volksschule ausgestellt.
In Schweinersdorf gab es von 1939 - 1945 ein Gefangenenlager, das als Außenstelle zum Stalag VII A¹² in Moosburg gehörte. Im Hauptsammellager Stalag VII A in Moosburg waren oft bis zu 75.000 Gefangene aus ca. 50 Nationen untergebracht. Man bedenke, Moosburg hatte vor dem 2. Weltkrieg ca. 5.000 Einwohner. Das Barackenlager wurde 1939 in der heutigen Neustadt erstellt. Der Vater von meiner Frau Marianne, gelernter Zimmerer, beschäftigt bei der Baufirma Breitenreich in Vilsbiburg, war damals beim Aufbau des Lagers auch mit eingesetzt.
Im Außenlager Schweinersdorf waren ca. 25 Kriegsgefangene im ehemaligen Pferdestall vom Pfarrhof untergebracht. Zum Kriegsbeginn 1. September 1939, waren dies Polen. Von 1941 bis 1945 Kriegsende waren es Franzosen.
Ein sogen. Posten, meist ein verwundeter Soldat, brachte die Gefangenen zu den Bauern als Arbeitskraft auf den Hof.
Abbildung 2: Fam. Wiesheu u. poln. Hilfskräfte; [JWM40]
Mein Bruder und