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Buschleben
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eBook418 Seiten5 Stunden

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Über dieses E-Book

Buschleben: ein amüsanter und zugleich ergreifender Roman, der auf Tatsachen beruht.

In Jahre 1960, zwei junge Handwerker – ein Metzger und ein Zimmermann – entscheiden sich kurzentschlossen nach Australien auszuwandern. Sie sind auf der Suche nach Abenteuer; wollen ein andere Lebensstil genießen um der Eintönigkeit ihrer norddeutschen Heimat zu entfliehen.
In Bremerhaven gehen sie am Bord der M.S. Aurelia. Nach einer ereignisreichen 6-Wochen-Überfahrt, landen sie in Perth, West Australien und bedauern sogleich dass sie angekommen sind, ohne Sprachkenntnisse oder Wissen über ihre neue Heimat zu besitzen.
Somit beginnt eine wahre Geschichte die den fünften Kontinent einer früheren Epoche beschreibt. Der Leser wird durch Australiens wilden und fremden Outback geführt, der die Begegnung mit Aborigines und ihre Kultur beschreibt. Auch lernen sie das raue Leben der Känguru Jäger kennen. Die Auswanderer erleben Rückschläge; Abenteuer und skurrilen Menschen kennen. Nach einige Jahren werden sie 'real dinkum Aussies' aber plötzlich sehnen sie sich nach ihrer Heimat zurück.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. März 2015
ISBN9783738698329
Buschleben
Autor

Susan Duxbury

Susan Duxbury was born in Shipley, West Yorkshire, England, and educated at Salt's Grammar School in the famous model village of Saltaire; then Leeds College of Technology where she gained a diploma in hotel management. After emigrating to New Zealand, she travelled to Australia and met her German-born husband. They lived and worked in the Australian outback, where she began writing her first book. She is also a successful short-story writer and actively engaged in German/British relations; has two sons and lives with her husband in north Germany.

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    Buchvorschau

    Buschleben - Susan Duxbury

    INHALT

    VORWORT

    DIE EINWANDERER

    DIE EISENBAHNER

    DIE HANDLANGER

    THE SNOWY MOUNTAINS

    THE OPAL DIGGERS

    DIE STAHLARBEITER

    KOOLAN ISLAND

    EIN ABENTEUERLICHER TRIP

    THE TRACK

    ÜBER DER NULLARBOR NACH WESTEN

    FRED,THE ZIMMERMANN

    DER HEIMKEHRER

    THE ROYAL VISIT

    ABSCHIED VON KOOLAN ISLAND

    DIE HALLENBAUER

    HAUSHALTSPROBLEME

    ZURÜCK IM OUTBACK

    JOEY, DAS KÄNGURU

    DER BETRUG

    DIE HOCHZEIT

    DER LETZTE JOB

    DIE ENTSCHEIDUNG

    DER PARADIESVOGEL

    GLOSSAR

    DIE AUTORIN

    MAP OF AUSTRALIA

    VORWORT

    In 1950 wussten die Deutschen sehr wenig über Australien. Dort befand sich kaum jemanden mit deutschen Wurzeln, außer den Bayerischen Winzer, welche in früheren Jahren der Barossa Valley in South Australien besiedelten.

    Kurz nach dem Krieg lebten etwa 8 Millionen Einwohner in Australien, (heute sind es über 20 Millionen).

    Damals beäugten die Nachkommen von Britischen Siedler ihren asiatischen Nachbarn mit großen Misstrauen, besonders den Japaner, der im 2. Weltkrieg die Stadt Darwin bombardiert hatte und sogar mit einem U-Boot in den Sydney Harbour eingedrungen war. Nach dem 2. Weltkrieg herrschte immer noch Angst vor der (so genannten) ‚Yellow Danger‘‚der Gelben Gefahr, wegen der riesigen Mengen an Mineralien; Bodenschätze die inzwischen Australien zu einer der reichsten Länder der Welt gemacht haben. Die Japaner, die selber kaum natürliche Vorkommnisse hatten, brauchten dringend Rohstoffe für ihre schnell wachsende Industrie. Deshalb befürchtete die australische Regierung eine Invasion der Japaner. Es herrschte die Parole „we must populate or perish" = wir müssen das Land bevölkern oder zu Grunde gehen. Dass war der Anfang Australiens Einwandererpolitik, um dringend benötigten Manpower ins Land zu holen.

    Australiens Regierung befolgte bis 1960, einen ‚White Australia Policy’. Es bedeutete möglichst Anpassung an eine angelsächsische geprägte Gesellschaft. Jedoch weil nicht ausreichend potentiellen skandinavisch oder britische Migranten vorhanden waren, wurde um deutsche Einwanderer geworben.

    In den 50-iger Jahren war Australien das Land ohne Flair und von viktorianischer Strenge geprägt. Kleine Siedlungen waren auf dem Fußweg unerreichbar. Bierkneipen waren nur bis 18 Uhr geöffnet. Für die Zeit nach 18 Uhr ging man nach Hause mit einem Flakon Bier oder Wein in 1-Gallon- Flaschen. Der Wein hieß 'Plonk' und jemand der zu viel davon trank - war ein 'Plonkie'!

    Mahlzeiten in den Werkskantinen waren öfters sehr einseitig – es fehlte an 'frisches' und Mangelernährung war die Folge. Weil eine große Wohnungsnot zu der Zeit herrschte, wurde der Nachzug der Familie erst dann gestattet, wenn den Behörden der Nachweis von Wohnraum vorlag. Bis dahin musste die Familie – oft weit von der Arbeitsstätte des Mannes entfernt – in einer Regierungsunterkunft so genannten ‚Hostels‘, wohnen; eine von diesen war das berühmt berüchtigte und viel gehasste Bonegilla – das größte Auffanglager für Immigranten, in der Nähe von Melbourne.

    Es hagelte Beschwerdebriefen an das Auswärtige Amt in Deutschland, die sich immer noch im ihren Archiven befinden. Aufgeschreckt von zum Teil herzzerreißenden Schicksalen, machte sich eine deutsche Delegation auf den Weg 'down under' um verschiedene Industrieprojekte zu besuchen. Sie stellten fest dass die Beschwerden richtig waren und deshalb wurde in 1952, das Bundesamt für Auswanderung gegründet. Um Ausbeutung zu unterbinden, gab es ein Abkommen mit der Australischen Regierung über kontrollierte und unterstützte Auswanderung. Schiffspassagen wurden bezuschusst; der deutsche Migrant zahlte 10 Deutsche Mark dazu – im Vergleich bezahlte der britische Migrant 10 Pounds Sterling dazu. Sie wurden 'Ten-Pound Poms' genannt. Auswanderungsbüros wurden eingerichtet, mit Anwerbungsmaterial der australischen Regierung. In ihre Broschüre ‚Ein Willkommen wartet’, wurden Arbeitsverhältnisse als paradiesisch beschildert. Und eben weil die australische Regierung immer noch ein unrealistisches Bild Australiens vermittelte, beschrieb die deutsche Behörde das Leben in Australien eher nüchtern, wie folgt:-

    Australien nimmt Facharbeiter, Handwerker und landwirtschaftliche Arbeitskräfte auf. Gute Aussichten haben alle Bauhandwerker. Arbeit gibt es genug, nur muss der, der aufs Geratewohl nach Australien auswandert, bereit sein, zunächst auch berufsfremde Arbeit und ein hartes Leben auf sich nehmen. Geistige Berufe haben keinerlei Aussichten, kaufmännische Berufe wenig. Ärzte und Apotheker müssen neue Studien und Examen machen.

    Nach diesen anfänglichen Schwierigkeiten lebten sich die Deutschen gut ein. Sie waren bestrebt unauffällig und anpassungsfähig zu leben ohne sich – wie alle andere Einwanderer auch – für die Kultur und Belange den Eingeborenen zu interessieren – bis der Tourismus die Aborigine ‚entdeckte‘.

    DIE EINWANDERER

    Aus dem frühen Morgendunst erschien ihre neue Heimat; – das monotone Fließband einer Küstenlandschaft, flach, dunkelgelb, unendlich, selten unterbrochen mit grauem Geistergestrüpp. Die Einwanderer machten sich keine Gedanken über das, was sie erwartet, von der Wirklichkeit dort wussten sie wenig. Dass sie überhaupt angekommen waren, beschäftigte sie noch, denn die Nerven lagen blank am Ende einer langen Seereise, wenn sich Menschen verschiedener Herkunft auf engstem Raum aufhalten.

    Passagiere eilten auf das Vorderdeck des italienischen Passagierschiffes, das sechs Wochen lang ihr Heim war, und vergaßen ihre engen Kabinen, das Leiden ihrer Mägen, die Kameras und Radios, die ihnen gestohlen wurden in einem Moment der Unachtsamkeit. Sie klebten Schulter an Schulter an der Reling, für einen ersten Blick auf das neue Land. Wie die Enthüllung eines Denkmals kamen die Hafenmauern in Sicht und die Umrisse eines seltsamen runden Gebäudes. „Schau da!, rief jemand, „das berüchtigte alte Gefängnis von Fremantle. Ein belehrender Finger zeigte auf die mächtigen Mauern, den soliden Sandstein, ein Bollwerk aus einer anderen Epoche. Hunderte von Dächern glänzten in der Sonne wie die Karos eines Schachbretts.

    Aus dem Lautsprecher dröhnte es auf Italienisch. Es folgte etwas in Englisch, dann in schwer verständlichem Deutsch mit italienischer Prägung. Die männliche Stimme wurde von einem ohrenbetäubenden Piepton begleitet. Siegfried, der junge Mann mit dunklen Haaren und untersetzter Figur, spitzte die Ohren.

    „Hast du das etwa verstanden? fragte er Hauke, groß, schlank und blond, mit dem verschlossenen Gesichtsausdruck der Nordfriesen. „Passagiere, die das Schiff in Fremantle verlassen wollen, sollen sich irgendwo im Unterdeck melden.

    Hauke starrte wie gebannt auf den sich nähernden Hafen und war in Gedanken ganz woanders.

    „Ich habe die Schnauze voll von Spaghetti. Spaghetti, Spaghetti! nichts als Spaghetti!, rief Siegfried in den Wind hinein. „Lass uns versuchen das Schiff hier zu verlassen. Noch vier Tage bis Melbourne, das halte ich nicht durch!

    Hauke nickte. Siegfrieds Neigung, sich spontan zu entscheiden, kannte er. Hauke liebte die Ruhe aber sein Kumpel war ein Dickkopf. Nach kurzem Zögern entglitt ihm der alles entscheidende Satz: „Du hast Recht, das Scheißhaus ist schon wieder verstopft!"

    Die zwei Einwanderer gingen vorbei an Frauen mit schreienden Kindern, Gruppen von dunklen, südländischen Männern mit wettergegerbten Gesichtern, mit Ferngläsern behängten Nordeuropäern, neben jugendlichen Cliquen, die scheu aufeinander blickten. Sie stellten sich in einer Reihe auf, vor einer winzigen Kabine, die als Büro diente.

    „Name, please!", knurrte der Mann, ohne die Einwanderer anzuschauen. Er ordnete Papiere auf seinem Klapptisch. Mit einem gestreiften Taschentuch betupfte er sein rotes Gesicht. Sein weißes Hemd klebte an seinem behäbigen Körper in der stickigen Hitze der Kabine. Er schob die Ärmel hoch und betrachtete die zwei Männer.

    „Siegfried Schulz", antwortete der Dunkelhaarige mit ungeduldigem Blick.

    „Hauke Petersen", sagte der Blonde mit verschlossenem Gesichtsausdruck.

    „Occupation?"

    Die Einwanderer schauten einander verständnislos an. Sie bedauerten bereits, dass sie den Unterricht für ‚Passagiere ohne Englischkenntnisse’ in dem Schiffskino geschwänzt hatten, wegen des penetranten Knoblauchgeruchs, der sich ständig ausbreitete. „Hier stinkt es bestialisch, hatte Hauke bemerkt. Sie verließen fluchtartig den Raum. „Die essen das Zeug statt Bonbons, sagte Siegfried. „Was sollen wir mit Englisch? Wir können Plattdeutsch und Dänisch sprechen – das reicht!"

    „I beg your pardon?"

    „Beruf?", bellte der Mann, der ein Job-Vermittler war. Er war schlecht gelaunt; wäre lieber in einem klimatisierten Büro gewesen, statt in diesem stickigen Loch auf dem Schiff mit defekter Klimaanlage. Er wunderte sich, fluchte zum tausendsten Mal, warum diese gottverdammten Immigranten nicht wenigstens ein paar englische Grundkenntnisse haben, wenn sie sich doch in Australien niederlassen wollen.

    „Zimmermann", antwortete Siegfried.

    „Schlachter", sagte Hauke.

    Der Jobvermittler nuschelte etwas Unverständliches und schrieb in die Rubrik ›Englisch-Kenntnisse‹: ›keine‹. Dann erinnerte er sich, dass sich seine holländische Großmutter einst schwer tat mit der englischen Sprache. Er rief nach dem Dolmetscher, erklärte etwas Unverständliches in kurzen Sätzen, während die ahnungslosen Einwanderer geduldig warteten. Höflich nickend lächelte der Dolmetscher den beiden ermutigend zu. Mit ausgeprägtem bayerischem Dialekt erklärte er: „Mister Lawson kann euch einen Job bei der ›Indian-Pacific Railwayline‹ vermitteln. Zuerst kommt ihr nach Perth in ein Auffanglager für Einwanderer. Dort werdet ihr auf euren Arbeitsplatz vorbereitet. Die Gesellschaft entscheidet, wo und wann ihr eingesetzt werden sollt. Ist das O.K.?"

    O.K.? Es war mehr als O.K. Hauptsache runter von diesem Pott! Zudem mit dem Versprechen einen Job bei der Eisenbahn zu bekommen. Es war phantastisch! Sie konnten ihr Glück kaum fassen. Siegfried dachte an seinen verstorbenen Vater, der Lokführer war, in der schwarzen Uniform mit rotem Gürtel. Auch dachte er an seine Mutter, die stolze Beamtenwitwe mit der sicheren Pension. Der schwitzende Vermittler schob das Formular nach vorne und einen Schreibstift hinterher. Er schaute teilnahmslos zu, wie die Männer unterschrieben, ohne ein Wort zu verstehen. Das war ihnen völlig egal.

    Sie hatten die erste Hürde genommen, waren angekommen in ihrer neuen Heimat und hatten sogar einen Job bei der Eisenbahn ergattert. Der Vermittler schüttelte halbherzig ihre Hände und der Dolmetscher amüsierte sich über die freudig aufgeregten Männer.

    „Viel Glück!", rief jemand, als sie von Bord gingen. Mit ihrem Gepäck auf den Schultern, wie es sich für einen Seemann gehörte, verließen sie das Schiff. Sie drehten sich das letzte Mal um und winkten den Zurückgebliebenen zu. Es waren Menschen, die noch weiternach Melbourne, in das Immigration-Center von Bonegilla wollten. Einige Passagiere hatten Horrorgeschichten über Bonegilla erzählt. Dort würden Menschen misshandelt, wie in einem Konzentrationslager, berichteten sie.

    „Ein Nordfriese lässt sich nicht einsperren", sagte Hauke.

    „Erst recht nicht in ein Konzentrationslager", stimmte ihm Siegfried zu.

    Nach Bonegilla wollten sie auf keinen Fall.

    Zwischen einigen Rückkehrern, dazu die Glücklichen, die einen Arbeitsplatz vorweisen konnten, sowie Verwandte und Bekannte, die sie sehnsüchtig erwarteten – zwischen dieser brodelnden Masse von Menschen betraten sie zum ersten Mal australischen Boden. Es wurde hier und dort geschoben. Männer in Uniform brüllten unverständlicher Kommandos. Nervöse Mütter wechselten Windeln auf abgestellten Koffern. Kinder tobten um aufgetürmtes Gepäck herum, beobachtet von nervösen, ängstlich in die Zukunft blickenden Vätern. Zollbeamte ließen nichts unbeobachtet. Um nicht mit dem Zoll in Konflikt zu geraten, schmissen einige Immigranten gehorteten Lebensmittelüber Bord. Brot, Obst und Salami trieben auf der Oberfläche des trüben Hafenwassers und dümpelten gegen die Schiffswand. Formalitäten wurden erledigt, Reisepässe gestempelt und ihre Besitzergemustert. Dann schob sich die Menge, wie eine gigantische Welle, zu den wartenden Bussen.

    ...

    Perth ist eine wunderschöne Stadt, meinten die, die immer davon geträumt hatten, die große weite Welt zu sehen. Hier war der Anfang! In der Hauptstadt von West-Australien, zwischen blühenden fremdartigen Pflanzen im Kings Park, der größten Naturfläche mitten in einer Großstadt. Sie blickten hinunter auf das blaue Wasser des Swan Rivers und dahinter die Silhouette der Großstadt. So etwas hatten sie im Leben noch nie gesehen.

    Die Einwanderer gingen an einem Laden vorbei, an dem das Fenster mit Fliegendraht bespannt war. Hauke las das Wort ‚Butchery‘. Butchery?, fragte er. „Es kann doch nicht wahr sein, dass hier Fleischverkauft wird. Schau dir das an, wie sie es aushändigen." Wie angewurzelt beobachtete er, wie ein Mann im blutbefleckten weißen Kittel ein Fleischstück aufs Papier klatschte, es einwickelte, eine winzige Fliegendrahtklappe öffnete, das Fleischpaket hinaus schob und blitzschnell die Klappe schloss. Hauke schüttelte den Kopf und murmelte etwas über andere Sitten, als sie weiter durch den Menschenstrom gingen. Es herrschte eine entspannte Atmosphäre. Die Passanten wirkten freundlich. Es war, als ob sie den Fremden zulächelten. Sie waren in einer anderen Welt.

    „Schau dir den Schlitten an, flüsterte Siegfried in Ehrfurcht. Er blickte auf das leuchtend rote Auto. „Ein Pontiac Bonneville, registrierte er begeistert. „Eines Tages will ich auch ein solches Auto besitzen schwor er fast beiläufig. Er ging um das Prachtstück herum, bemerkte die glänzende Stoßstange, inspizierte die polierten Armaturen. Mit einem Blick durchs Fenster sah er die weißen Ledersitze – „kein Vergleich mit Hansens Leukoplastbomber, meinte er abschätzend und dachte zurück an den Nachbarn, der stolz auf seinen neuen Wagen der Marke ›Lloyd Arabella‹ war – einen der Ersten, die1959 vom Band liefen.

    Hauke steckte seine Hände in die Taschen und schob sein Kinn nach vorne, wie immer, wenn er nachdachte. „Du wirst dich an Linksverkehr gewöhnen müssen – einfach ist es ja nicht", sagte er, um sein Heimweh zu verbergen, seine Sehnsucht zu unterdrücken, denn er fürchtete das Gespött seines Freundes. Ihm war das Auto egal; seine Gedanken waren, wie so oft, bei Anna.

    Manchmal träumte er von ihr. Sah er ein Mädchen mit langenblonden Haaren, meinte er für einen Moment, sie wäre es. Dann riss er sich zusammen, dachte an etwas anderes, aber er bekam Anna nicht aus dem Kopf. Es schmerzte, an sie zu denken, wie sie da stand, eingerahmt in der Hintertür der Schlachterei; die Abendsonne fiel auf ihr blondes Haar, strahlend wie der Heiligenschein eines Engels. Sie hatte ihren Bus verpasst und hielt Ausschau nach ihrem Bruder, um mitgenommen zu werden; sie, die Dorfschönheit, die Traumfrau seiner Kumpels – bis dahin unerreichbar! Er liebte sie und nun hatte er sie endlich allein! Sogar sein Motorrad, die NSU Max war geputzt und stand bereit auf dem Hinterhof. Es hatte gepasst! Wie im Film. Er bot ihr an, sie nach Hause zu bringen. Annas Gesicht hatte gestrahlt. „Wenn es keine Umstände macht."– Ach, dieses leise Hauchen!

    Danach waren sie ineinander so sehr verliebt, dass Hauke die Lust am Auswandern verloren hatte. Australien interessierte ihn nicht mehr. Zu weit weg! Zu ausländisch! Ohne seine Freundin wollte er nirgendwo mehr hin!

    „Aber du kannst jetzt keinen Rückzieher machen – mich alleine in die Fremde gehen lassen, hatte Siegfried entsetzt geantwortet. „Ich habe soeben Schluss mit Ulrike gemacht. Wir waren uns doch einig! Nun willst du dein Wort brechen; das ist nicht fair!, warf er ihm vor.

    Hauke war verzweifelt. Was soll er bloß machen? Als subventionierter Einwanderer sich zwei Jahre verpflichten? – andererseits, es war die Chance für einen neuen Start in ein besseres Leben; – außerdem, Anna wird nachkommen, sobald er Fuß fassen konnte. Nach schlaflosen Nächten entschied er sich doch. „Ich schreibe dir jede Woche einen Brief", versprach er, in der Hoffnung, dass er es schaffen würde, jede Woche einen Brief zu schreiben.

    „Ich warte auf dich", flüsterte sie in sein Ohr. Sie umarmten und küssten sich – wollten nicht voneinander lassen.

    Jetzt angekommen, wollte er einen wichtigen Brief an Anna schreiben. Sie sollte doch nach Australien kommen, sobald er einen festen Platz in diesem wunderschönen Land gefunden hatte. Er wollte ein neues Leben anfangen, hier mit Anna. Es gab keine Zeit zu verlieren, die Sprache und das Land kennen zu lernen. Ja! Er war doch froh, hier zu sein, nach der sechswöchigen Überfahrt, die langweilige Strecke über den Indischen Ozean – sogar zehn lange Tage ohne Land, welch eine Erleichterung!

    „Es ist ja fürchterlich heiß hier, stöhnte Siegfried und beendete Haukes Träumerei. „Lass uns endlich mal schwimmen gehen.

    Was war das im Vergleich zum kalten und trüben Wasser an der Nordseeküste ihrer Heimat. Dort fand nur in den Sommermonaten ein Strandleben statt. Endlich gehörten sie zu den Glücklichen dieser Welt, zu den braun gebrannten Australiern, die kopfüber in die hohen Wellen sprangen, surften, lachten und flirteten. Die beiden Einwanderer gingen hinunter zum Strand und zogen sich um. Auf dem Weg zum Wasser empörte sich lautstark eine korpulente Frau. Sie trug einen bunten Badeanzug, so dass ihre gesamte Erscheinung einem Blumenbeet ähnelte. „Schau weg, schau weg!" befahl sie ihrer halbwüchsigen Tochter und rief einen ‚Lifesaver‘ herbei, der für die Strandordnung sorgte.

    „Hey you widgies, come back here!", brüllte der muskelbepackte Kraftmensch, bevor die zwei Einwanderer das Wasser erreichten. Erstand breitbeinig und Angst einflößend da, unübersehbar aufgeregt. Einige Leute schauten erstaunt hin, betrachteten mit Entsetzenden verräterisch hervorquellenden Beweis der Männlichkeit – die Ausbuchtung in den Badehosen.

    „Wir?, fragten sie mit unschuldigen Mienen. „Was will der von uns?

    „You blokes are bloody indecent. Get ya’ tools covered!", rief der Lifesaver im imposanten roten Trägeranzug, das Vorderteil züchtig zugedeckt mit einem seltsam integrierten Tuch wie ein Röckchen, dazu eine leuchtende Kappe als markante Kopfbedeckung. Er war jetzt im Anmarsch, bedacht auf Schadensbegrenzung, entschlossen, diesen Zustand der Schamlosigkeit zu beenden. Kopf nach vorne, vermied er den Blick auf hervortretende Teile, die er ›Tools‹ nannte. Mit einer Handbewegung deutete er auf zwei ballspielende Männer, auch in seltsamer Kluft, mit dem kurzen rockähnlichen Vorderteil, welches ihre Männlichkeit verhüllte. So sollten sie angezogen sein, gab er ihnen zu verstehen. Enttäuscht und deprimiert zogen sie sich wieder an.

    Zwei Einwanderer saßen am Strand und schauten traurig auf das schimmernde Wasser, auf die Surfer, wie sie hinaus paddelten auf ihren Brettern und auf den Wellen zurück glitten. „Und was nun?", fragte Hauke nach einer Weile.

    „Wir besorgen uns neue Badehosen! Dort, auf der anderen Straßenseite, ist ein Strandladen."

    Die zwei Einwanderer kauften sich neue Badehosen, zogen siegleich an und begutachteten sich gegenseitig.

    „Ach, du siehst aus wie `ne Tunte!"

    „... und du wie 'n Schwuler!"

    Danach rannten sie zum Strand hinunter, vorbei an dem Blumenbeet mit der schüchternen Tochter. Der Lifesaver winkte ihnen freundlich zu. „No problems, mate!"

    Sie tauchten hinein in das blaue Wasser; es war kühl und erfrischend. Sie waren glücklich!

    DIE EISENBAHNER

    Siegfried steckte das Messer in seinen Gürtel. Er erinnerte sich an das alte Jagdmesser und die Leine mit den Angelhaken, die er früher an seinem Gürtel trug, weil seine Hosen zu groß waren. Er musste eben hineinwachsen, hatte seine Mutter befohlen.

    Nachdem sie in dem nordfriesischen Dorf angekommen waren, am Ende der langen Flucht vor der anrückenden Roten Armee, hatte sie ihm einen Wintermantel aus alten Wolldecken genäht. Seine Schwester wurde zur Konfirmation mit einem Kleid ausgestattet, selbst geschneidert aus geschenktem Gardinenstoff und mit Rüschen verziert. Bis auf ein paar Dokumente hatten sie alles verloren, was sie besaßen, so wie sie in ihrer neuen Heimat ankamen, wo Flüchtlinge argwöhnisch betrachtet wurden. Es wurde ihnen zwei Zimmer zugewiesen, gegenüber dem Bauernhof von Frau Petersen, einer unerschrockenen Kriegerwitwe, die den Hof nun mit zwei halbwüchsigen Söhnen bewirtschaften musste. Alle hatten eine Aufgabe, einschließlich Siegfried, nachdem er den Hof als Abenteuerspielplatz mit Tieren entdeckt hatte. Die beiden Jungen passten gut zu ihm. Nach der Schule, fertig mit dem Melken und Ausmisten, verwandelten sie den Schweinestall in eine Festung, die angrenzenden Büsche in einen Dschungel und das frisch geerntete Weizenfeld in eine Wüste. Sie lasen Bücher von Karl May und lebten ihre Fantasie aus in Wild-West-Manier. Als Winnetou und Old Shatterhand verteidigten sie ihr Gebiet, versteckten sich hinter den Eichenbäumen vor der Hofeinfahrt, um Eindringlinge mit Pferdeäpfeln zu bewerfen. Sobald wir groß sind, packen wir unsere Taschen, gehen weit weg und erforschen andere Länder, schwören sie.

    Siegfried rückte seine Messer zurecht und schloss seinen fertig gepackten Koffer. Heute war der erste Tag im neuen Leben. Fast alle Italiener hatten das Lager schon verlassen, um in den Gemüseanbaugebieten rund um Perth zu arbeiten. Sie waren fest in italienischen Händen; eine andere Sorte von Einwanderern, die ihre eigene Kultur importierten, um sich die Anpassung an die Fremde zu ersparen.

    Sie verabschiedeten sich von zwei Landsleuten, die zu einer der Bergbausiedlungen im einsamen Norden vermittelt worden waren, wo hochwertiges Eisenerz abgebaut wurde. Ohne zu wissen, was auf sie zukam, freuten sie sich, der Langeweile endlich zu entkommen. „Alles Gute!, wünschten sie sich, „wir sehen uns irgendwann, irgendwo wieder! Alle hatten ihre Wünsche und Pläne. Der Maurer wollte sich später selbstständig machen und Häuser im deutschen Stil bauen. Der Mechaniker träumte davon, Australien auf einer ‚Harley’ zu bereisen.

    Ein älterer Bahnarbeiter erschien vor der Wellblechhütte, um die zwei neuen Streckenarbeiter zum Bahnhof zu begleiten. Die Neuankömmlinge sprachen kein Englisch, wurde ihm gesagt. Deshalb sollte er dafür sorgen, dass sie in das richtige Abteil einstiegen. Er signalisierte den beiden Männern, ihr Gepäck auf die Ladefläche des ‚Pick-ups‘ zu werfen, und wartete geduldig auf ihren Einstieg. Sie waren aufgeregt, freuten sich, dass es endlich losging, voller Tatendrang, neugierig auf das, was sie erwartete. Er hörte, wie sie in ihrer eigenen Sprache witzelten, um die aufsteigende Nervosität zu verbergen. „Ihr geht nach Kingoonya", informierte er sie, als sie in Richtung Bahnhof abfuhren.

    „Ach! Sehr schön!", sagten sie höflich.

    „... es liegt am anderen Ende des Nullarbors", erklärte der Alte, allwissend nickend.

    Nullarbor? Was, zum Teufel, ist der Nullarbor? – noch nie davon gehört.

    „Sehr schön", antworteten die Einwanderer höflich, weil sie nichts verstanden und nichts fragen konnten. Egal! Sie freuten sich noch mehr.

    „... Südöstlich ...!, erklärte der Alte kurz und bündig, als er vor dem Bahnhof parkte. Er lotste die Einwanderer zum Bahnsteig, wo ein Güterzug wartete; ging ins Büro und kam mit einer Tüte voll Lebensmittel und zwei Wassersäcken wieder heraus. „Hier ist euer Proviant für die Reise, sagte er.

    Die Einwanderer stiegen in den einzigen Reisewaggon am Ende des Güterzuges. Gleichzeitig befestigte der Alte die zwei feuchten Wassersäcke am Geländer. „Hier ist euer Wasservorrat – haltet ihn immer feucht und kühl, am besten im Schatten! Vergesst nicht, ihn aufzufüllen am nächsten Stopp, denn Wasser ist knapp!" warnte er mit erhobenem Finger.

    Das Ding war ein Wassersack? Hatten sie ihn richtig verstanden? Es sah aus wie eine geschlossene Einkaufstasche aus feuchter, dichtgewebter Jute. So etwas Fremdartiges hatten sie noch nie gesehen. Sie lachten sich kaputt, ohne zu wissen, dass ihr Leben davon abhing. Irgendwo in der Ferne hörten sie einen Pfiff. Der Zug quietschte, dröhnte und stöhnte wie ein munter werdendes Monster. Nachdem er anrückte und langsam abfuhr, winkte der Alte. „Viel Glück Jungs! Zwei Jahre sind schnell vorbei!", rief er mitfühlend durch das offene Fenster. Was hat er gesagt? Zwei Jahre sind schnell vorbei? Schon wiederhatten sie etwas nicht richtig verstanden. Verdammt noch mal! Hätten sie doch bloß Englisch gelernt im Schiffskino – und den unerträglichen Knoblauchgestank ignoriert.

    Sie steckten ihre Köpfe aus dem offenen Fenster, um den kühlen Fahrtwind als Erfrischung gegen die aufsteigende Hitze zu genießen; vorbei an Häusern mit grünem Rasen und großen Veranden; hinaus aus der Stadt, wo Wellblechhütten und rostige Wassertanks das Bild beherrschten. Die wachsende Industrie forderte auch hier ihren Raum, die dann bald weniger wurde. Sandige Schotterwege ersetzten die Bitumen-Straßen. Die Landschaft wurde karger, der Horizont leer und endlos. Der angenehme Fahrtwind wurde zum heißen Föhn und beförderte staubigen Sand durch das offene Fenster. Unzählige Fliegen surrten um ihre Köpfe und mit einer Handbewegung scheuchten sie die lästigen Insekten weg. Nachdem die Fliegen von Augen und Mund entfernt waren, landeten sie auf Armen und Beinen. Und wenn der Staub ihr Essen noch nicht zudeckte, dann taten es die Fliegen. Die Einwanderer fluchten und schimpften, ohne zu wissen, dass das Wegschlagen der Fliegen der ›Trans-Australische Salut‹ genannt wurde. Es sollte zur Gewohnheit werden, egal ob Fliegen da waren oder nicht.

    Sie saßen auf unbequemen Holzbänken und starrten aus dem Fenster auf eine flache ockerfarbige Sandlandschaft mit niedrig wachsenden Salzbüschen, Spinifexgras und Akazien. Die Landschaft wurde spärlicher und die einsamen Höfe seltener, bis auf isolierte Siedlungen aus drei oder vier Wetterbordhäusern sowie einem Wellblechladen als Tankstelle mit Hand betriebener Benzinpumpe.

    Die Hitze, die Fliegen, die staubige Luft, die monotone Landschaft – sie dämpften die Stimmung. Zum Schluss starrten zwei einsame und gelangweilte Einwanderer in die Einöde hinaus und sprachen kaum miteinander. Isoliert von der Welt in ihrem Eisenbahnwaggon, beobachteten sie die sinkende Abendsonne. Dunkle Schatten breiteten sich aus über das endlose Flachland, wie ein Gemälde. Die Nacht brach herein und der breite Horizont wurde dunkelrot, bis er ganz und gar verschwand. Hauke streckte die Beine aus und ruhte den Kopf auf seinem Gepäck. Er schloss die Augen, denn die Dunkelheit kam schnell und brachte nichts, außer dem rhythmischen Geräusch des Zuges. Es schmerzte ihn, an seine Heimat zu denken, an die weiß gekachelten Wände der Metzgerei, wo er als Lehrling begann und die er als Geselle verließ. Er sah die Waren, sorgfältig ausgelegt im Verkaufstresen. An einer Hakenreihe hingen die Schinken und verschiedene Wurstsorten, die er selber hergestellt hatte. Er sah die Frau des Metzgermeisters, Würstchen an wartende Kinder verteilend. In seinen Gedanken sah er seine eigene Metzgerei. Vor dem Tresen standen australische Hausfrauen. Sie schubsten und schoben sich, gierig darauf, seine selbst hergestellte Wurst zu probieren. Hinter dem Tresen war Anna, tadellos und sauber in ihrem weißen Kittel, schneidend, wiegend und beratend, – bis seine Augen schwer wurden und er einschlief.

    Siegfried lauschte den regelmäßigen Atemzügen von Hauke. Er entfaltete das Zeitungspapier, in dem Bananen eingewickelt waren, legte das Papier übers Gesicht wegen der Fliegen und hörte die Stimme seiner Mutter. „Du sollst in die Fußstapfen deines Vaters treten und Eisenbahner werden, hatte seine Mutter gesagt. Aber bei der Einstellungsprüfung stellten sie seine Farbblindheit fest – und so wurde er Zimmermann. Schon wieder dachte er an seine Mutter. „Du bist völlig verrückt! Was willst du in Australien machen? Arbeiten? Das kannst du auch hier! Wenn du nur ein bisschen wärst wie dein Vater, der Beamter war. Wie so oft wurde ihr Gesicht rot vor Aufregung. Aber er ließ sich nicht umstimmen. Er wollte das Abenteuer!

    Zwei Monate später begleiteten zwei sorgenvolle Mütter ihre Söhne nach Bremerhaven. Sie weinten, als das Schiff ablegte, weinten, als ein Shantychor am Kai ›Rolling Home to good old Hamburg‹ sang, weinten und klagten, als ihre Söhne ihnen vom Oberdeck zuwinkten; sie wurden kleiner und kleiner, reduziert zu zwei winzigen Punkten. Als das Schiff am Horizont verschwand, ahnten sie, ihre Söhne für immer verloren zu haben; sagten, wir haben sie durch den Krieg gebracht, uns aufgeopfert, für sie gespart, gute Menschen aus ihnen gemacht, und das alles ohne Mann! Ja, ohne Vater! Trotz allem hatten ihre Söhne es geschafft, waren doch anständige Menschen geworden, obwohl es einige Schwierigkeiten gegeben hatte, aber davon wollen wir nicht reden. Sie hatten doch ordentliche Berufe gelernt. Und nun, nach alledem, hatten sie nichts Besseres zu tun, als in die Fremde zu gehen, ganz alleine ans andere Ende der Welt, jung und unerfahren, wie sie waren, zwanzig Jahre alt und noch nicht einmal trocken hinter den Ohren. Warum bloß? Sie waren noch nicht mal volljährig. Die zwei Mütter bedauerten zutiefst ihr Einverständnisgegeben zu haben, – aber leider zu spät.

    Die zwei Freunde schliefen unruhig im Waggon am Ende des Zuges. Sie fuhren an einsamen Stationen vorbei, nur beleuchtet mit einer Glühbirne, die von tausenden Insekten umschwärmt wurde. Ihr regelmäßiger Atem begleitete rhythmisch klappernde Räder. Sie schliefen noch, als sich das erste Morgenlicht über der Halbwüste ausbreitete, wurden aber wach, als ein Feuerball von Osten über dem Horizont erschien. Sie sahen eine fremde Landschaft, bedeckt von rotem Sand, Spinifexgras und Salzbusch – eine riesige, trockene Landschaft erstreckte sich weit bis zum Horizont. „Schau das müssen Kängurus sein!" Hauke zeigte auf die großen rotbraunen Tiere, die durch den Lärm des Zuges mit unglaublicher Geschwindigkeit davon sprangen. Später sahen sie Kamele in einer kleinen Herde, weit hinaus in der einsamen Landschaft. Nachdem sie Brot und Käse gegessen und sich mit kühlem Wasser aus den ›Wassersäcken‹ erfrischt hatten, sahen sie Emus auf ihren Stelzenbeinen mit riesigen Zehen. Ihre langen dünnen Hälse mit dem Kopf weit nach vorne gestreckt, rannten sie davon.

    Der Zug hielt an einer einsamen Station, die aus dem Nichts erschien. Sie diente als Nebengleis, um dem entgegenkommenden Zug aus Osten auszuweichen. Eine Figur im Overall und breitem Hut erschien auf der sandigen Plattform. „Hi you fellas, grüßte er. „Yer both look flat out like a lizard drinking. Sie lachten herzhaft – weil er komisch aussah, ohne zu wissen, was er meinte. Er forderte sie auf ihre ›Waterbags‹ aufzufüllen und deutete auf den Wellblechtank auf vier Stützen, wo sich quietschend ein Windrad drehte. Das war der Wassertank – dort am Ende des Weges. Aus dieser rostigen ‚Blechtrommel‘ sollen wir Wasser trinken? fragten sie sich, ohne zu ahnen dass es noch schlimmer werden sollte.

    Der Zug wurde be-und entladen; Postsäcke, Maschinenteile, Lebensmittel, Haushaltsgeräte und Kartons mit unbekanntem Inhalt waren unverzichtbar fürs Überleben in dieser einsamen Gegend. Viehwaggons mit lebenden Rindern und Schafen wurden am Ende des Zuges angekoppelt. Menschen unterhielten sich im Schatten, ihre Hüte gegen die Fliegenschwärme wedelnd, um auf den Gegenzug nach Westen zu warten, an der einzigen Bahnlinie zwischen Ost und West. Eine Gruppe Aborigines saß im Schatten unter einem Busch. Wortlos und still schauten sie dem emsigen Treiben teilnahmslos zu. Ein großer gelber Hund lief gemächlich über die Schienen und schnupperte nach etwas Essbarem. Ein leichter Wind, ein brummender Ton in der Ferne, dann die schrille Hupe eines sich nähernden Zuges brachten kurzfristig Unruhe. So schnell, wie er kam, so schnell war er weg und verschwand in einer Staubwolke. „See you later!, riefen die Leute einander zu. Die Einwanderer kehrten zurück zu ihrem Waggon, wo die Spuren einer längeren Reise anzusehen waren. Ihre Sachen lagen achtlos herum, eine verfärbte Bananenschale in der Ecke mit Fliegen bedeckt, Papierfetzen unter der Sitzbank; – es roch nach Mief und nach Schweiß. Der Zug quietschte und dröhnte. Aus dem Viehtransporter drangen Geräusche von lebenden Tieren. Er nahm an Fahrt zu, vorbei an rostigen Maschinenteilen, abgestellten Eisenbahnwaggons und ausgebrannten Autowracks. „Die müssen verrückt sein, in dieser Einöde zu leben, murmelte Siegfried mit ungläubigem Blick auf einen staubigen Schuppen und einen rostigen Behälter, zweckentfremdet für eine kümmerliche Geranie, die dabei war den Kampf ums Überleben zu verlieren. Kurz entschlossen nahm er seine Mundharmonika. Als sie die längste gerade Bahnstrecke der Welt befuhren, durch die endlosen Flächen des Nullarbors, sangen zwei einsame Einwanderer deutsche Volkslieder, die völlig fehl am Platz waren.

    Das Eisenbahndepot von Kingoonya wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts an der Indian Pacific Linie zwischen West und Ost gegründet. In 1960, war es ein wichtiger Umschlagplatz für das Hinterland sowie für die Region am

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