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Kommunikation bei Lungenkrebs: für Fachleute, für Patienten und Angehörige, für eine partizipative Entscheidungsfindung
Kommunikation bei Lungenkrebs: für Fachleute, für Patienten und Angehörige, für eine partizipative Entscheidungsfindung
Kommunikation bei Lungenkrebs: für Fachleute, für Patienten und Angehörige, für eine partizipative Entscheidungsfindung
eBook295 Seiten3 Stunden

Kommunikation bei Lungenkrebs: für Fachleute, für Patienten und Angehörige, für eine partizipative Entscheidungsfindung

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Über dieses E-Book

Dieses Buch möchte Patienten und Angehörige unterstützen, Fragen zu stellen, verständliche Antworten einzufordern, Zuständigkeiten zu klären, Hilfen in Anspruch zu nehmen und Gespräche mit Ärzten aktiv mitzugestalten. Betroffene erzählen, was ihnen geholfen hat, trotz der enormen Belastung einen eigenen Weg zu finden. Ihre Berichte zeigen eindrucksvoll, wie wichtig dabei auch eine gute Kommunikation zwischen Pflegenden, Ärzten und Therapeuten ist.
Weitere Beiträge informieren über den Krebsinformationsdienst sowie über das Angebot der psychoonkologischen Begleitung, sie geben Patient/innen und Angehörigen Tipps zur Gesprächsvorbereitung sowie zum Umgang mit statistischen Aussagen, und sie klären ein zentrales Missverständnis auf.
Dieses Buch richtet sich ebenso an Ärzte, Pflege- und therapeutische Berufe. Ihnen möchte es Grundlagen liefern, sich für gute Kommunikation in Lungenkrebszentren einzusetzen. Mit Beiträgen über „Breaking Bad News“, „SPIKES-Protokoll“, „Aktives Zuhören“ und „Motivational Interviewing“ führt es in die Grundthemen der Kommunikation ein. Darüber hinaus liefert es praktische Anleitungen zu brennenden Alltagsthemen der pneumologischen Onkologie, wie z. B. zum Umgang mit Rauchern und zur Kommunikation von Prognose und Therapiebegrenzung. Eine Studie zu Effekten von guter Kommunikation in Lungenkrebszentren und ein Blick in die internationale Ausbildungspraxis zeigen: Gute Kommunikation ist lernbar.
Das Buch möchte auch die angemessene Finanzierung von guter Kommunikation vorantreiben. Denn sie ist die Voraussetzung für Strukturen, die eine partizipative Entscheidungsfindung in Lungenkrebszentren ermöglichen. Der Vortrag über Kommunikation als Ziel des Nationalen Krebsplans sowie die Podiumsdiskussion zum Wert von Kommunikation für die Behandlung von Lungenkrebs geben politisch Aktiven hierfür wertvolle Impulse.
Mit Beiträgen von Barbara Baysal, Dr. Sandra Delis, Michael Ehmann, Annette Rexrodt von Fircks, Dr. Christian Grah, Nicole Hoppe, Rita Ittner-Verständig, Susanne Klingert-Rahn, Alkje Königer, Dr. Wiebke Nehls, Christian Schmitt-Plank, Prof. Dr. Hartmut Schröder, Günter Tessmer, Prof. Dr. Michael Thomas, Dr. Matthias Villalobos, Dr. Susanne Weg-Remers und Prof. Dr. Joachim Weis.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Feb. 2015
ISBN9783738696271
Kommunikation bei Lungenkrebs: für Fachleute, für Patienten und Angehörige, für eine partizipative Entscheidungsfindung

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    Buchvorschau

    Kommunikation bei Lungenkrebs - Books on Demand

    2012

    Erfahrungen mit Kommunikation

    Den eigenen Weg finden

    BARBARA BAYSAL

    Der Arzt* ist Experte darin, die Erkrankung zu behandeln. Wir, die Betroffenen, sind Experten darin, mit der Erkrankung zu leben. Deshalb sollten wir alle auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

    Das Gespräch mit anderen Betroffenen zeigt, dass man mit seiner Erkrankung nicht allein ist. Es kann Wege aufzeigen, mit der Krankheit anders umzugehen, sich Hilfen zu holen, wo sie vonnöten sind.

    Durch meine eigene Erkrankung im Jahr 2001 und einen Rückfall im Jahr 2003 bin ich selbst in tiefe Löcher gefallen. Um mich zu stützen, habe ich Mitbetroffene gesucht. Im Frühjahr 2003 haben wir dann gemeinsam die erste Selbsthilfegruppe für Lungenkrebspatienten und Angehörige hier in Berlin gegründet. Seit 2006 bin ich nun selbst Ansprechpartnerin für die Berliner Gruppen; über 40 weitere Gruppen habe ich deutschlandweit „angeschubst". Die Gespräche mit anderen Betroffenen und Angehörigen haben mir viele meiner Fragen beantwortet und sie beantworten sie immer noch weiter. Manchmal denke ich, ich musste erst erkranken, um meinen Weg zu finden, den ich jetzt gehe.

    Die Gespräche mit anderen Lungenkrebspatienten, die schon länger mit der Krankheit leben, sind stärkend und machen Mut. Vielen wird dadurch erst deutlich, dass die Diagnose Lungenkrebs nicht gleich Tod bedeutet, dass man mit dieser Erkrankung auch mit guter Lebensqualität leben kann. Wie lange? Das wissen wir alle nicht – auch ohne Erkrankung. Ich meine, wir sollten uns durch die Diagnose nicht das Leben nehmen lassen, sondern die Zeit, die wir haben, leben.

    Als belastend werden nach meiner Erfahrung besonders Gespräche empfunden, die nur negativ besetzt sind, wo Mut und Hoffnung fehlen. Es gibt immer eine Zeit, wo sich die Gedanken im Kreis drehen, wo es schwierig ist, Hoffnung zu haben. Ich finde jedoch, man sollte versuchen, die Zeit, die man hat, mit guten Gedanken zu füllen und nichts aufzuschieben, was man erledigen kann. Jeder Tag ist kostbar und bringt etwas Gutes. Für den Einen ist es die Blume am Wegesrand, für den Anderen der Blick vom Balkon, der Kaffee im Garten, Sterne am Himmel usw. Es gibt viele kleine Dinge, über die man sich freuen kann und sollte.

    * Anmerkung des Herausgebers: Wenn in den folgenden Beiträgen aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet wird, sind dennoch stets Personen weiblichen und männlichen Geschlechts gleichermaßen gemeint, also die Ärztin ebenso wie der Arzt, die Patientin ebenso wie der Patient, die Therapeutin ebenso wie der Therapeut.

    Wichtig ist es, sich seinen Mitmenschen mitzuteilen, Wünsche und Bedürfnisse klar zu äußern. Die Frage „Wie geht es Dir? empfinden viele von uns als Floskel, ebenso den Satz „Du musst kämpfen. Ich selbst frage mich dann immer, wie kämpft man eigentlich? Kämpft man dann nicht sogar gegen sich selbst? Und mit welchen Waffen soll man überhaupt kämpfen?

    Angehörige, Freunde und Bekannte sollten keinen Druck aufbauen oder darüber bestimmen, was der Betroffene tun oder lassen soll. Andererseits sollten sie ihn auch nicht in „Watte packen". Er sollte weiterhin die Möglichkeit haben, alle Dinge, die er tun möchte und kann, zu tun, egal wie viel Zeit er dafür benötigt. Einem kranken Menschen alles wegzunehmen und für ihn zu erledigen, vermittelt ihm das Gefühl, zu nichts mehr zu gebrauchen zu sein. Dadurch rückt die Erkrankung immer stärker in den Vordergrund, auch in Bereichen, in denen das (Er-)Leben an erster Stelle stehen könnte.

    Angehörigen würde ich raten: Fragen sie nicht ständig, ob Ihre Partnerin/Ihr Partner oder Ihre Verwandte/Ihr Verwandter gegessen und getrunken hat, setzen Sie sie/ihn auch nicht unter Druck, zu essen und zu trinken. Seien Sie für sie bzw. ihn da, fragen Sie sie/ihn, was sie bzw. er möchte und sprechen sie offen an, was Sie selber wissen möchten oder was Ihnen Sorgen macht. Wenn Sie Angst haben, Traurigkeit auszulösen, seien Sie sich gewiss, dass auch das dazu gehören darf: Wer zusammen lachen kann, sollte auch zusammen weinen können.

    Aus meiner Erfahrung als Lungenkrebspatientin im Umgang mit meinen Ärzten möchte ich allen Mut machen, im Gespräch Fragen zu stellen. Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt alles, was für Sie wichtig ist. Machen Sie sich Notizen, weil man im Gespräch doch vieles, was man fragen wollte, vergisst. Wenn Sie etwas nicht verstanden haben, scheuen Sie sich nicht, nachzufragen. Wichtig ist, dass Sie alles verstanden haben und alle Ihre Fragen beantwortet wurden. Nehmen Sie jemanden zu diesem Gespräch mit. Vier Ohren hören mehr und wir als Betroffene schalten schneller ab.

    Wenn die Diagnose gerade erst gestellt wurde und die Behandlung beginnen soll, gibt es genug Zeit sich über die Therapie zu informieren, sich alles genau zu überlegen und klar zu machen. Sie müssen nichts überstürzen. Holen Sie sich eine Zweitmeinung ein, wenn Sie sich unsicher fühlen. Informieren Sie sich über die Erkrankung durch Gespräche, gute Literatur; jedoch Vorsicht bei der Internetrecherche. Leider findet man dort oft als erstes Statistiken, die nicht hilfreich, sondern eher belastend sind.

    Die Menschen, die zu uns in die Selbsthilfegruppen kommen, finden durch ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse schnell in ein gemeinsames Gespräch. Sie sind sich dadurch nicht fremd. Es geht in den Gruppen aber nicht immer nur um Krankheit und Probleme, die mit ihr einhergehen. Denn das Leben hat noch einiges anderes zu bieten, das sich in der Gruppe zu teilen lohnt. Auch das kann bei der Bewältigung von Problemen sehr helfen.

    In der Selbsthilfe haben wir in dieser Zeit viel erreicht. Mittlerweile gibt es für Lungenkrebspatienten und Angehörige in Deutschland viele Gruppen, seit neuestem auch einen Bundesverband sowie einen internationalen Verein Lungenkrebs „Luce".

    Sollten Sie an Lungenkrebs erkrankt oder Angehöriger eines Lungenkrebspatienten sein, möchte ich Ihnen gerne raten: Nehmen Sie Kontakt mit anderen Patienten auf oder mit einer der Selbsthilfegruppen. Adressen und Ansprechpartner finden Sie auf unserer Homepage unter www.bundesverband-selbsthilfe-lungenkrebs.de.

    Aktiv mitdenken, nachfragen, verstehen und darüber sprechen

    SUSANNE KLINGERT-RAHN

    Die Diagnose Lungenkarzinom – alles bricht über mir zusammen

    Im Jahr 2002, ich war gerade mal 37 Jahre alt, hat mir mein Körper Signale gesendet, dass etwas nicht stimmt, dass ich krank bin. Ich hatte entzündete Gelenke und meine Fingernägel hatten sich verändert, mir sind sogenannte Uhrglasnägel gewachsen. Mit diesen Symptomen bin ich zum Arzt gegangen und ich hatte Glück, dass der Arzt gleich ahnte, dass ein Organ krank sein müsste. Bei einer CT-Untersuchung wurde schließlich ein Lungentumor erkannt.

    Ich begab mich gleich am nächsten Tag in ein Krankenhaus. Die Diagnose, dass der Tumor in meiner Lunge bösartig ist, wurde mir in einem Arztzimmer von einer jungen Assistenzärztin mitgeteilt. Diese saß mir gegenüber und beobachtete mich emotionslos, vielleicht auch hilflos, als ich in Tränen ausbrach. Es gab keine mitfühlenden oder Mut machenden Worte; sie schilderte mir den Behandlungsplan und bat mich, wieder in mein Krankenzimmer zurückzugehen.

    Ich war in einem Schockzustand und nicht in der Lage, mit den Ärzten über die weiteren Schritte der Therapie zu sprechen. Ich gab mich einfach bei ihnen ab und wollte mit dem Genesungsprozess möglichst nichts zu tun haben. Ich dachte: „Macht mich mal bitte wieder gesund, ihr seid die Experten und meine Meinung ist nicht wichtig." In den folgenden Tagen gab ich mich völlig meinem Schockzustand hin, ich wollte und konnte nicht nachdenken oder reden.

    Nach einigen Tagen mit anstrengenden Untersuchungen sollte ich schnellstmöglich operiert werden. Am Vortag der OP meldete sich plötzlich aus dem Nichts meine innere Stimme. Ich begann mit mir selbst zu kommunizieren und fühlte, dass es falsch ist, sich einfach bei den Ärzten abzugeben, d. h. nichts zu hinterfragen und alle vorgeschlagenen Maßnahmen einfach zu akzeptieren. Ich brauchte dringend eine zweite ärztliche Meinung, die ich auch telefonisch einholte und daraufhin das Krankenhaus am gleichen Tag verließ.

    Ich komme zu mir

    Als ich am folgenden Tag in dem zweiten Krankenhaus vorstellig wurde, begann sich mein Verhalten zu ändern. Ab diesem Zeitpunkt war ich aktiv daran beteiligt, an meiner Gesundung zu arbeiten. Ich besprach mit den Ärzten, Therapeuten, Krankenschwestern und -pflegern nicht nur die verschiedenen Therapiemöglichkeiten, sondern auch die Reihenfolge der Durchführung. Ich machte mir vor fast jedem Gespräch Notizen, damit ich keine Frage vergaß. Ich fragte so lange, bis ich die Antwort verstand und es sogar meinen Angehörigen und Freunden selbst erklären konnte. Dies war natürlich sehr anstrengend, aber ich fühlte, dass diese Kommunikation mir gut tat, ja sie sogar in meinem Fall heilsam war. Ich wusste, dass die Zeit meines Arztes fast immer knapp bemessen war, daher versuchte ich so gut wie möglich vorbereitet in jedes Arztgespräch zu gehen. Ganz offen zu sagen, was ich will und fühle, das war für mich nicht immer bequem, bestimmt auch nicht für meine mich behandelnden Ärzte.

    Was gut tut und was wichtig ist

    Die kurzen mitfühlenden Gespräche mit meinem Arzt waren sehr wichtig für mich. Kleine kommunikative Gesten, wie z. B. dass der Arzt sich kurz an mein Bett setzte und mir zuhörte, waren Linderung für meine Leiden. Diese menschlichen Gesten brauchen keine ausgeklügelten Kommunikationsstrategien und beanspruchen nicht viel Zeit.

    Eine gute Kommunikation zwischen dem Pflegepersonal und Ärzten ist ebenfalls für mich als Patientin hilfreich gewesen. Wenn ich abends alleine in meinem Krankenzimmer verzweifelt und voller Angst viel geweint habe, und am nächsten Morgen mein Arzt darüber informiert war, tat es einfach gut zu wissen, dass meine Ängste wahrgenommen wurden und die mir helfenden „Gesund-Macher" darüber sprachen.

    Auch die Kommunikation mit anderen Betroffenen half mir, meine Krankheit besser zu verstehen und damit besser den Kampf aufzunehmen. Damals gab es noch keine Selbsthilfegruppe für Lungenkrebspatienten – ich wollte aber unbedingt Kontakt mit anderen Patienten aufnehmen. Einige Monate nach meiner Lungen-OP habe ich daher eine Selbsthilfegruppe gegründet und geleitet. Bei diesen Treffen wurde natürlich viel geredet und ich lernte, dass jeder Krebspatient seinen eigenen Weg finden muss, um herauszufinden, wie man den Kampf gegen diese Krankheit möglicherweise gewinnen kann. Es gibt keinen Königsweg; dieser Weg ist für jeden Menschen sehr individuell.

    Zur Genesung ist auch eine Kommunikation mit sich selbst sehr wichtig. Dieses „In sich hinein Hören", auf die innere Stimme hören, sein eigenes Bauchgefühl zu erfahren, kann helfen seinen Weg zu finden. Wie fühlt sich eine Therapie an? Was tut mir gut? Was will ich nicht? Die Antworten auf diese Fragen kann man sich nur selbst geben. Hat man diese Antworten erst einmal für sich gefunden, können Therapien oder andere persönliche Entscheidungen besser fortgeführt oder aber auch abgebrochen und geändert werden.

    Mein Fazit

    Bis heute stelle ich mir oft diese Fragen und versuche sie für mich zu beantworten. Denn im Moment habe ich den Kampf gegen meinen Krebs gewonnen und das soll auch so bleiben. Wenn ich heute ins Krankenhaus zur Nachuntersuchung gehe, gebe ich mich nie dort ab und begebe mich nie in eine passive Rolle. Meine Devise ist weiterhin: aktiv mitdenken, nachfragen, verstehen und darüber sprechen!

    Die Routine der Menschen, die im Krankenhaus arbeiten und der Ausnahmezustand der Patienten, die mitunter lebensbedrohliche Krankheiten haben, prallen vor allem in der Kommunikation aufeinander. Diesem Ungleichgewicht kann man mit einer beidseitigen verständnisvollen Kommunikation begegnen. Das hilft in erster Linie den Überlebenskampf für Patienten zu unterstützen, es kann aber auch die Zufriedenheit im Beruf der Krankenhausangestellten erhöhen.

    „Wenn Sie noch etwas Wichtiges zu erledigen haben in Ihrem Leben, …"

    CHRISTIAN SCHMITT-PLANK

    Im Frühjahr 2007 wurde nach einer leichten, aber hartnäckigen Erkältung ein Lungenkarzinom in meiner Lunge diagnostiziert: Ich hatte zu der Zeit wiederholt nach dem Mittagessen etwas Blut gehustet, und da es kurz nach den Osterfeiertagen in der Firma etwas gemächlicher zuging, hatte ich, mehr aus Neugier denn aus echter Sorge, den Begriff „Bluthusten in die Suche eines Medizin-Forums im Internet eingegeben. Zu meiner Überraschung führte mich die Trefferliste schwerpunktmäßig in die Lungenkrebs-Rubrik des Forums. Ich bin davon überzeugt, dass diese Kommunikation mit dem viel kritisierten „Dr. Google einen nicht unerheblichen Anteil daran hat, dass ich heute noch lebe.

    In Anbetracht meiner zehnjährigen Raucherkarriere sensibilisierte mich das Ergebnis meiner kleinen Internetrecherche gerade so sehr, dass ich mich entschlossen hatte, doch einen Lungenfacharzt aufzusuchen. Natürlich nur, um mir ganz offiziell bescheinigen zu lassen, „dass da nichts ist". Denn selbstverständlich ist da nichts – dachte ich. Was da doch war, war ein Adenokarzinom, ausgehend vom rechten Oberlappen im Stadium III-B.

    Die umfangreiche Diagnostik und die sich daran anschließenden Therapien (Operation, adjuvante Chemotherapie, Bestrahlung) brachten es mit sich, dass ich innerhalb eines Jahres mehr Erfahrungen mit Arztgesprächen sammelte als in meinen gesamten 40 Lebensjahren zuvor.

    Ein paar Aussagen haben aus ganz unterschiedlichen Gründen besonders starke Eindrücke bei mir hinterlassen. In chronologischer Reihenfolge waren dies:

    „Sehen Sie das hier auf dem Röntgenbild? Das gehört da nicht hin. Ich habe für morgen einen Termin in der Klinik für Sie vereinbart", so mein niedergelassener Lungenfacharzt.

    „Wir wissen nicht was es ist, aber es ist kein Krebs. Da war nichts in der Probe", meinte die Stationsärztin oder PJ‘lerin nach der ersten Biopsie, bei der keine Tumorzellen sichergestellt werden konnten.

    „Es kann nur Krebs sein. Leider wissen wir immer noch nicht, was für ein Tumor es ist. […] Wenn Sie noch etwas Wichtiges zu erledigen haben in Ihrem Leben, dann erledigen Sie das JETZT!", empfahl mir der Oberarzt nach der ersten Biopsie, bei der keine Tumorzellen sichergestellt werden konnten.

    „Da ist nur noch gesundes Gewebe in Ihrer Lunge. Ich habe Sie operiert", so der Chirurg.

    „Nach erfolgreicher Operation, so wie bei Ihnen, beträgt die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit 50 Prozent. Bei nachgewiesenem Lymphknotenbefall, wie bei Ihnen, eher weniger", prognostizierte der Onkologe.

    „Mit dem eingeschlagenen Weg und den begonnenen Therapien sind Ihre Aussichten recht gut", meinte der Radiologe.

    Vor dem Hintergrund der großen Unsicherheit, die bei mir ohnehin schon bestand – „wie wird es mit mir und meiner Erkrankung weitergehen? – habe ich diese so unterschiedlichen Aussagen der Behandler als ein Wechselbad der Gefühle erlebt: Immer wieder neu aufkeimende Hoffnung gefolgt von herben Rückschlägen. Verstärkt wurde dieses Auf und Ab dadurch, dass ich jedes Wort und jede nonverbale Reaktion eines Mediziners geradezu gierig aufsog und auf die sprichwörtliche „Goldwaage legte. Jede Information war mir ausgesprochen wichtig, da ich hoffte, auf diese Weise die schreckliche Unsicherheit in den Griff zu bekommen. Gerade weil ich auf die Informationen so angewiesen war, verlieh ich jedem Wort ein entsprechendes Gewicht.

    Die Unterschiedlichkeit und auch die Vielschichtigkeit, mit der die Information teilweise tröpfelte oder manchmal strömte, waren verwirrend für mich. Trotzdem ist es meiner Meinung nach gut und richtig, wenn man als Betroffener Gelegenheit hat, mit verschiedenen Experten über die Erkrankung zu sprechen. Jeder Experte hat sowohl seinen speziellen fachlichen Blickwinkel als auch seine persönliche Art zu Einschätzungen zu gelangen und diese in Aussagen zu formulieren. Dadurch entsteht insgesamt ein recht komplexes, mosaikartiges und teilweise auch ein widersprüchliches Bild, das mir aber ein relativ realistisches Abbild der Wirklichkeit zu sein scheint. Vermutlich realistischer, als jedes zwangsläufig subjektiv gefärbte Bild, welches ein einzelner Behandler vermitteln könnte.

    Gefehlt hat mir aber etwas die Orientierung in diesem Stimmengewirr. Im Nachhinein erscheint es mir z. B. völlig einleuchtend und unumgänglich, dass viele Aussagen und Einschätzungen gefärbt sind vom Naturell des jeweiligen Therapeuten. Aber damals, in der akuten Situation, wäre es mir eine Hilfe gewesen, wenn ich eine Art Mentor gehabt hätte, der mir hätte erklären können, warum so viele Aussagen so wenig zusammenpassen.

    Darüber hinaus erscheint mir jetzt, mit ein paar Jahren Abstand, die beschriebene Meinungsvielfalt, mit der ich als Betroffener konfrontiert wurde, nicht nur unvermeidlich, sondern auch hilfreich zu sein. Mir persönlich hat sie geholfen, mit der unsicheren Zukunft fertig zu werden, die bei dieser Krankheit einfach besteht. Sie hat mir geholfen, mich damit abzufinden, dass man einfach nicht weiß, wie das Leben weitergeht. Niemand weiß das. Auch kein Arzt.

    „Wenn Sie noch etwas Wichtiges zu erledigen haben in Ihrem Leben, dann erledigen Sie das JETZT!, sagte der Oberarzt nach der ersten Biopsie. Seine Aussage hatte mich empört, wie mich selten eine Aussage empört hat. Ein knappes Jahr später dann, während der Reha, als ich erste Versuche unternahm, mich ganz vorsichtig in die Welt der „Gesunden zurückzutasten, da fielen mir diese Worte wieder ein, und es wurde mir schlagartig bewusst, wie Recht der gute Mann doch eigentlich hatte. Was für ein Motto! Ja. Ich habe immer noch was zu erledigen im Leben. Und zwar JETZT. (Denn niemand weiß, wie es weitergeht.)

    Krebs verstehen und damit leben

    NICOLE HOPPE

    2012 wurde kein schönes Jahr für mich. Bereits 2011 litt ich unter lang andauerndem Husten. Ich bin nicht zum Arzt gegangen, weil ich nicht krankgeschrieben werden wollte. Ich hatte bereits eine langjährige Krankheit: Depression, hervorgerufen durch den Tod meines Mannes. Eine weitere Krankschreibung wollte ich meinem Arbeitgeber nicht zumuten. Im Nachhinein war das mein größter Fehler.

    Anfang 2012 bin ich dann zum Hausarzt gegangen. Die Antibiotika halfen nur kurz. Ich bat um Überweisung zu einem Lungenspezialisten. Dieser eröffnete mir wenig einfühlsam, dass ich wohl Krebs hätte! Ich war schockiert und fühlte mich wie betäubt. Es folgten einige Untersuchungen im Krankenhaus und am 26. März 2012 erhielt ich das verheerende Ergebnis: bösartige Tumore in der Lunge – Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom. Eine Operation war nicht möglich. Die Tumore lagen „gut verteilt" in der Lunge.

    Vor Ostern musste ich noch eine PET-CT-Untersuchung machen lassen, um weitere Herde ausschließen zu können. Metastasen im Hals- und Brustwirbelbereich waren das Ergebnis. Am 11. April 2012 wurde ich

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