Acht Briefe an eine Freundin über Clavier-Unterricht
Von Johanna Kinkel
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Acht Briefe an eine Freundin über Clavier-Unterricht - Johanna Kinkel
The Project Gutenberg EBook of Acht Briefe an eine Freundin über
Clavier-Unterricht, by Johanna Kinkel
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Title: Acht Briefe an eine Freundin über Clavier-Unterricht
Author: Johanna Kinkel
Release Date: February 3, 2010 [EBook #31170]
Language: German
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ACHT BRIEFE AN EINE FREUNDIN ***
Produced by Jana Srna, Norbert H. Langkau and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription:
Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Änderungen sind im Text gekennzeichnet
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Acht Briefe an eine Freundin
über
Clavier-Unterricht
von
Johanna Kinkel.
Stuttgart und Tübingen.
J. G. Cotta'scher Verlag.
1852.
Vorwort.
Dieß Buch ist vorzugsweise für musikalisch gebildete Mütter bestimmt, die, entweder auf dem Lande oder in kleinen Städten lebend, beim Mangel eines tüchtigen Clavierlehrers genöthigt sind, den Unterricht ihrer Kinder in diesem Fach selbst zu leiten oder zu überwachen.
Vielleicht dürfte auch manche angehende junge Lehrerin einige der darin enthaltenen Beobachtungen nützen können, die ich während eines langjährigen Wirkens auf diesem Gebiete gesammelt habe.
London, Januar 1852.
J. Kinkel.
I.
Du forderst meinen Rath hinsichtlich des Clavierunterrichts Deiner Töchter. Ich ergreife mit Freuden diese Veranlassung, um manche Erfahrung, die ich in meinem Fache machte, aufzuzeichnen, damit sie vielleicht außer Dir noch einem weiteren Kreise zu Gute komme. Musiker von Profession belehren zu wollen, möchte ich mir nicht anmaßen; doch die Classe von talentvollen und tiefer gebildeten Clavierspielerinnen, zu denen ich auch Dich zähle, die bei aller eigenen Fertigkeit kaum im Stande sein würden, ein Kind selbst zu unterrichten, werden mir vielleicht Dank wissen, wenn ich ihnen einige Winke zur Erlangung derjenigen Methode gebe, in der ich viele günstige Resultate erzielte. Mit Hülfe der vielen trefflichen Clavierschulen und Etüden, welche die bewährtesten Meister seit einigen Decennien herausgaben, kann zwar jeder musikalische Mensch, der etwas Geduld und klaren Begriff hat, ein ordentlicher Lehrer werden, doch bleibt es immer wünschenswerth, den Weg der eigenen Erfahrung etwas abgekürzt zu bekommen. Auch ist es sehr übel, wenn gleich Anfangs die Schüler einen Eindruck von Unsicherheit dadurch erhalten, daß man verschiedene Richtungen einzuschlagen sucht, die man bei fortgeschrittener Einsicht wieder verlassen muß.
Ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, in welcher Ordnung man die Noten und Taktzeichen, überhaupt die Regeln des Clavierspielens nach und nach den Schülern beibringt. Du darfst nur eine anerkannte Clavierschule zum Grunde legen, so hast Du einen Leitfaden für die ganze Dauer des Unterrichts. Die Clavierschule aber, die Du Dir erwählt hast, mußt Du consequent durchführen. Du magst immerhin, zur Ermunterung des Schülers, wenn er ermüdet, ein heiteres Lieblingsstückchen als zeitweilige Unterbrechung gestatten; aber Du mußt dann wieder zur Clavierschule zurückkehren. Sollte zufällig diejenige, deren Du Dich bedienst, nicht mit einer hinlänglichen Zahl Handstückchen versehen sein, so erinnere ich Dich, daß davon ein vollständiges Heft, unter dem Titel: Exercices préparatoires von Aloys Schmidt in jeder Musikalienhandlung zu finden ist.
Ich beschränke mich darauf, hinsichtlich des ersten Unterrichts diejenigen Punkte hervorzuheben, die, obgleich von größter Wichtigkeit, am häufigsten durch Nichtbeachtung versäumt werden.
Hier steht obenan: richtiges Aufheben der Finger und die Beobachtung des grammatischen Accents.
Beide sind so leichte, sich von selbst verstehende Regeln, daß man sich fast schämt, viele Worte davon zu machen. Da aber manche Spieler jahrelang ihre Zeit mit vergeblichem Lernen verdorben haben und alle Schritte zurück und noch einmal thun müssen, bloß weil sie diese ersten Stufen ungeduldig übersprungen haben, ist es nicht überflüssig, jeden angehenden Lehrer immer wieder von neuem darauf aufmerksam zu machen.
Es ist bei verwöhnten Schülerinnen sehr mißlich, mehr als Eine schlechte Manier auf Einmal bekämpfen zu wollen, denn das beständige Unterbrechen und Tadeln von Seiten des Lehrers verwirrt und erbittert sie.