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Bioverfahrensentwicklung
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eBook1.548 Seiten12 Stunden

Bioverfahrensentwicklung

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Über dieses E-Book

Zukunft sichern durch Nachhaltigkeit? Bioverfahrenstechnik bedeutet einen wichtigen Schritt auf dem Weg dorthin. Sie ersetzt klassische chemische Syntheseverfahren durch nachhaltige biologische Verfahren und vereint unterschiedliche Gebiete aus dem naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Bereich.

Mit diesem Buch wird allen, die an der Entwicklung biotechnologischer Prozesse beteiligt sind, ein Werk an die Hand gegeben, das die einzelnen Aspekte der Bioverfahrensentwicklung darstellt und zu einem Gesamtbild zusammenfugt: Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie und Biochemie sowie die ingenieurtechnischen Bereiche Elektrotechnik, Informatik, Steuerungstechnik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik - jeweils aus dem Blickwinkel der Verfahrensentwicklung betrachtet.

Mit klaren, praxisorientierten Verfahrensbeispielen werden die beschriebenen Prozesse erklart. Im Vordergrund stehen dabei Verfahren, die in der Industrie eine wichtige Rolle spielen. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, die bei der Entwicklung eines Verfahrens schon im Anfangsstadium eine entscheidende Rolle spielen, ist ein ganzes Kapitel gewidmet.

Die zweite Auflage des Erfolgstitels von 2003 ist ein Muss fur alle Studenten der Biotechnologie und Verfahrenstechnik und das ideale Nachschlagewerk fur Ingenieure der Verfahrenstechnik, Biochemiker und Pharmazeuten.

Stimmen zur 1. Auflage:
'Das Buch ist ein nutzlicher Begleiter in der taglichen Praxis und kann sowohl als Lehrbuch wie auch als Nachschlagewerk verwendet werden.'

BIO WORLD, Dr. C. Andretta
'Dieses Buch richtet sich an alle, die einen Beitrag zur Entwicklung eines biotechnologischen Prozesses leisten mochten. Es informiert sehr ausfuhrlich uber die Bioverfahrensentwicklung und ermoglicht, sich ein Gesamtbild zu verschaffen. Es ist auch als Lehrbuch fur das Gebiet Bioverfahrenstechnik gut geeignet.'
F & S (Filtrieren und Separieren)
SpracheDeutsch
HerausgeberWiley
Erscheinungsdatum29. Juli 2013
ISBN9783527673858
Bioverfahrensentwicklung

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    Buchvorschau

    Bioverfahrensentwicklung - Winfried Storhas

    Inhaltsverzeichnis

    Dank für besondere Unterstützung bei der Neuauflage und bei der ersten Auflage

    Vorwort zur ersten Auflage

    Vorwort zur zweiten Auflage

    Formelzeichenerklärung

    Indexerklärung

    Abkürzungsverzeichnis

    1 Leistungsfähigkeit der Bioverfahrenstechnik

    1.1 Allgemeine Betrachtungen

    1.2 Einsatzfelder und Produktgruppen

    1.3 Voraussetzungen für den Einsatz der Bioverfahrenstechnik

    1.4 Märkte und Marktanteile biotechnologischer Produkte

    2 Arbeitsgebiete der Bioverfahrenstechnik

    2.1 Einführende Betrachtungen

    2.2 Stellung und Aufgaben der Mikrobiologie

    2.3 Stellung und Aufgaben der Molekularbiologie

    2.4 Stellung und Aufgaben der Zellkulturtechnik

    2.5 Stellung und Aufgaben der Biochemie

    2.6 Informatik – Messen, Regeln und Steuern von Prozessen

    2.7 Stellung und Aufgaben der Verfahrenstechnik

    3 Mosaik der Bioverfahrensentwicklung

    3.1 Verknüpfung aller Aufgabengebiete

    3.2 Logistik

    3.3 Einfluss auf die Ökologie

    3.4 Ringschlüssel

    3.5 Behördenengineering: GMP-Richtlinien, Genehmigungsgrundlagen, Gesetze und Verordnungen

    4 Bioreaktionstechnik in Laborgefäßen

    4.1 Allgemeine Betrachtungen

    4.2 Beschreibung des kleinsten Bioreaktors

    4.3 Leistungseintrag in Kolbenreaktoren

    4.4 Sauerstofftransferraten (OTR) in Kolbenreaktoren

    5 Upstream-Processing

    5.1 Lagerung und Logistik

    5.2 Anmaischprozesse

    5.3 Konditionierungsprozesse

    5.4 Reinigungsprozesse (CIP, cleaning in place)

    5.5 Sterilisationsprozesse (SIP, sterilization in place)

    5.6 Virusinaktivierung bei Pharmazeutika

    6 Stoffumwandlung

    6.1 Bildung der Biokatalysatoren (Zellwachstum)

    6.2 Beschreibung der Produktbildung

    6.3 Enzymkatalysierte biotechnologische Reaktionen

    6.4 Sauerstoffversorgung eines Mycel-Pellets

    6.5 Modellierung und Simulation

    7 Downstream-Processing

    7.1 Mechanische Trennung

    7.2 Zerteilung von Stoffen

    7.3 Vereinigung von Stoffen

    7.4 Wärmeübertragung

    7.5 Thermische Trennung – Destillation, Rektifikation

    7.6 Absorption

    7.7 Adsorption

    7.8 Extraktion

    7.9 Kristallisation

    7.10 Trocknung

    7.11 In-vitro-Refolding

    7.12 Proteinaufreinigung und Chromatographie

    8 Integrierte Prozesse und Verfahrensentwicklung

    8.1 Aufbau und Darstellung eines Prozesses

    8.2 Vorgehensweise bei der Verfahrensentwicklung

    8.3 Sicherheitsaspekte bei der Verfahrensentwicklung

    8.4 Prozessintegrierter Umweltschutz

    9 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

    9.1 Methoden zur Kostenanalyse eines Verfahrens

    9.2 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mittels Short-cut-Methoden

    10 Verfahrensbeispiele

    10.1 Einleitung

    10.2 Allgemeine Prozessschemata

    10.3 Auslegungsbeispiel: β-Galactosidase

    Stichwortverzeichnis

    Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema

    Baerns, M., Behr, A., Brehm, A., Gmehling, J., Hofmann, H., Onken, U., Renken, A., Hinrichsen, K.-O., Palkovits, R.

    Technische Chemie

    Zweite Auflage

    2013

    978-3-527-33072-0

    Worthoff, R., Siemes, W.

    Grundbegriffe der Verfahrenstechnik

    Mit Aufgaben und Lösungen Dritte, vollständig überarbeitete Auflage

    2012

    978-3-527-33174-1

    Centi, G., Trifiró, F., Perathoner, S., Cavani, F. (Hrsg.)

    Sustainable Industrial Chemistry

    2009

    978-3-527-31552-9

    Dunn, I. J., Heinzle, E., Ingham, J., Prenosil, J. E.

    Biological Reaction Engineering

    Dynamic Modelling Fundamentals with Simulation Examples

    2014

    978-3-527-32524-5

    Strathmann, H.

    Introduction to Membrane Science and Technology

    2011

    978-3-527-32451-4

    Wink, M. (Hrsg.)

    An Introduction to Molecular Biotechnology

    Fundamentals, Methods and Applications

    2011

    978-3-527-32637-2

    Wink, M. (Hrsg.)

    Molekulare Biotechnologie

    Konzepte, Methoden und Anwendungen

    2011

    978-3-527-32655-6

    Dunn, P., Wells, A., Williams, M. T. (Hrsg.)

    Green Chemistry in the Pharmaceutical Industry

    2010

    978-3-527-32418-7

    Title Page

    Autor

    Prof. Dipl.-Ing. W. Storhas

    Hochschule Mannheim

    Bioverfahrenstechnik

    Paul-Wittsack-Straße 10

    68163 Mannheim

    2. vollst. überarb. u. aktualis. Auflage 2013

    Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung

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    Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.

    Satz Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld

    Druck und Bindung in Deutschland durch betz-druck GmbH, Darmstadt

    Umschlaggestaltung Adam-Design, Weinheim

    Print ISBN: 978-3-527-32899-4

    ePDF ISBN: 978-3-527-67386-5

    ePub ISBN: 978-3-527-67385-8

    Mobi ISBN: 978-3-527-67384-1

    oBook ISBN: 978-3-527-67383-4

    Dank für besondere Unterstützung bei der Neuauflage und bei der ersten Auflage

    Das Thema dieses Buches erforderte ein sehr interdisziplinäres Zusammenspiel vieler Fachgebiete, die ein einziger Autor allein nicht abdecken kann. Deshalb sei an dieser Stelle mein besonderer Dank ausgesprochen an

    Vorwort zur ersten Auflage

    Die Bioverfahrensentwicklung greift als interdisziplinäres Arbeitsgebiet auf mehrere in ihrem Wesen sehr unterschiedliche Wissensgebiete zurück. Naturwissenschaftliche Wissensgebiete wie die Mikrobiologie, die Molekularbiologie, die Zellbiologie, die Biochemie und auch die Chemie müssen zusammen mit ingenieurtechnischem Fachwissen aus den Bereichen der Elektrotechnik, der Informatik, der Steuerungstechnik, des Maschinenbaus (Werkstoffkunde) und der Verfahrenstechnik mit all den Varianten (Reaktion, Aufarbeitung, Energietechnik, Sicherheitstechnik, Behördenengineering) kooperieren, um der Prozeßentwicklung zum Erfolg zu verhelfen. Nennen wir diese Wissensgebiete „Kulturen", so ist eine Symbiose im Projektteam erforderlich.

    In der Praxis tun sich die „Mischkulturen" erfahrungsgemäß dann doch sehr schwer, diese Symbiose zu erreichen. Das liegt in der nahezu berührungslosen und strikt kulturbezogenen Ausbildung. Im höchsten Fall sind in der ein oder anderen Ausbildungsrichtung Schnittstellen, sogenannte Übergabestellen, definiert.

    Es lag also nahe, ein Werk zu planen, das Symbiosewirkung ausüben kann, indem es tief in die „Kulturen hinein auch Inhalte anderer „Kulturen treibt, um Impulse auszulösen. So ist es das Anliegen dieses Buchprojektes, sowohl den naturwissenschaftlich ausgerichteten als auch den ingenieurwissenschaftlichen „Kulturen" ein Werk zur Hand zu geben, das die Chance bietet, sich mit den Blickrichtung der jeweils anderen zu beschäftigen und die eigene Position im Gesamtverbund einer Prozeßentwicklung optimal einzubringen.

    Nach dem einleitenden Kapitel, das auf die Potentiale von Bioverfahren hinweist, stellen sich im umfangreichen zweiten Kapitel die einzelnen Wissensgebiete („Kulturen") wie einzelne Mosaiksteinchen vor, wobei der Blickwinkel auf die Verfahrensentwicklung gerichtet ist. Im folgenden Kapitel soll dann dieser zunächst lose Verbund durch verbindende Elemente vereint (verfugt) werden. Schließlich wird in den letzten Kapiteln noch dem Aspekt Rechnung getragen, daß bereits während der Stammentwicklung die Fragen nach dem möglichen und erforderlichen späteren Maßstab (Reaktor- und Anlagengröße), nach der Sensitivität der Wirtschaftlichkeitsfaktoren und nach den Aufarbeitungswegen, -verfahren und -operationen gestellt werden, weil danach wesentliche Entwicklungsziele (-forderungen) auszurichten sind.

    Dieses Buch richtet sich somit an alle, die an irgend einer Stelle einen Beitrag zur Entwicklung eines biotechnologischen Prozesses leisten möchten. Das beginnt an den Hochschulen, wo in allen Fächern der berühmte Blick über den Tellerrand hinaus gewagt und so manche Frage zur eignen Entwicklung gestellt werden kann, und setzt sich in der Industrie in allen Bereichen der Bioverfahrensentwicklung fort.

    Zielsetzung diese Buches ist es, allen beteiligten Arbeitsgruppen, die an der Entwicklung eines biotechnologischen Prozesses beteiligt sind, und allen, die sich über die Bioverfahrensentwicklung informieren wollen, die Gelegenheit zu geben, sich ein Gesamtbild zu verschaffen und sich dabei auch in „fremde" Wissensgebiete ein wenig einlesen zu können. Besondere Anregungen sollen dabei die Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit der Prozesse vermitteln. Weiterführende Literaturhinweise helfen zur Vertiefung in das jeweilige Wissensgebiet.

    Für die Unterstützung in vielen Details möchte ich mich bei Herrn Peter Kalinic, Herrn Dr. Bryan Cooper, Herrn Dipl.-Ing. Ralf Gengenbach, Herrn Dipl.-Ing. (FH) Michael Reuter und Herrn Dipl.-Ing. (FH) Dirk Hoffmann bedanken. Die WILEY-VCH Verlag GmbH sorgte in vorzüglicher Weise für alle mögliche Unterstützung, wofür ich dem Team, allen voran Frau Dr. Barbara Böck und Herrn Peter Biel, danken möchte. Nicht zuletzt bedanke ich mich noch bei meiner Frau Anna für ihr Verständnis und ihre unendliche Geduld während der gesamten Projektphase.

    Winfried Storhas

    Vorwort zur zweiten Auflage

    Acht Jahre nach der Entstehung des Buches „Bioverfahrensentwicklung" erscheint nun die zweite Auflage. Das spricht für eine gewisse Akzeptanz. Offenbar ist es diesem Lehrbuch gelungen eine Lücke zu schließen, indem es die Theorie mit Praxisnähe verknüpft.

    Die Biotechnologie hat ihren Trend, nachhaltig zu wirken, beibehalten, und man wird auch zukünftig verstärkt auf sie setzen. Allerdings muss dahin gehend gestrebt werden, die wirtschaftliche Situation zu stärken. Deshalb ist in dieser Ausgabe speziell Kapitel 9 „Wirtschaftlichkeit" zu beachten.

    Für die Zellkulturtechnik hat sich Prof. Dr. Philipp Wiedemann bereit erklärt, den Teil 2.4 komplett neu zu gestalten und auf den aktuellen Stand zu bringen. Das ist für das relativ kurzlebige Fachgebiet sehr gut gelungen, denn die neuen Erkenntnisse galt es zu verarbeiten.

    Bedanken möchte ich mich in erster Linie für die Geduld bei Frau Dr. Nöthe vom Wiley-VCH-Verlag, weil es doch nicht so zügig wie geplant voran ging. Des Weiteren möchte ich mich bei allen nicht namentlich erwähnten Helfern bedanken, die zum Gelingen dieses Werkes beitrugen.

    Winfried Storhas

    Formelzeichenerklärung

    Indexerklärung

    Abkürzungsverzeichnis

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    1

    Leistungsfähigkeit der Bioverfahrenstechnik

    1.1 Allgemeine Betrachtungen

    Die Biotechnologie wird seit Jahrzehnten, auch aus Sicht der Verfahrensentwicklung, als die Technologie der Zukunft gehandelt. Ursprünglich glaubte man, sie als Ergänzung oder sogar als Ersatz zur Chemie etablieren zu können, doch frühere Euphorien wichen schnell zugunsten realistischer, wirtschaftlicher Einschätzungen.

    Der Begriff „Biotechnologie hat inzwischen einen sehr breiten Definitionsrahmen erreicht und muss deshalb im Zuge der folgenden Betrachtungen eingeengt werden. Da „Biotechnologie sowohl Aktivitäten im Bereich der Genomforschung, der medizinischen Forschung, des Wirkstoffscreenings, der Entwicklung künstlicher Organe, der Entwicklung von Tierersatzmodellen, der Entwicklung neuer Pflanzenarten als auch der Verfahrenstechnik umfasst, soll im Folgenden nur die Verfügbarkeit für die Verfahrens- und damit die Produktentwicklung verstanden werden. Gemeint sind also nur die vielen Möglichkeiten, mithilfe der Biotechnologie vorhandene Produkte oder Produktgruppen effektiver, reiner und umweltschonender herzustellen oder ganz neue Produkte oder Produktgruppen zu entwickeln, auch oder gerade mit Unterstützung der modernen Mittel der Gentechnologie.

    Damit erfolgt eine Abgrenzung zur Definition der OECD. Nach der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist Biotechnologie

    „die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen, Teile von ihnen, ihre Produkte oder Modelle von ihnen zwecks Veränderung von lebender oder nichtlebender Materie zur Erweiterung des Wissensstandes, zur Herstellung von Gütern und zur Bereitstellung von Dienstleistungen" [1].

    Die Biotechnologie ist und bleibt so gesehen kurz- und mittelfristig im Sinne der Bioverfahrenstechnik hinsichtlich moderner Produktsynthesen eine Schlüsseltechnologie, auch wenn sich ihr Wachstum bisher weniger an den zum Teil zu euphorischen Prognosen ausrichtete. Die zunehmende Bedeutung wird bestehen bleiben, zumal sich so manche etablierte Technologie auf Dauer nicht mehr halten kann. Das bedeutet, zukünftig wird es noch wichtiger werden, Produktionsprozesse mehr und mehr den Belangen gesellschaftlicher Entwicklungen, die Umwelt betreffend oder ethischen Vorgaben, anzupassen, sie umweltverträglicher zu gestalten [2].

    Die moderne Bioverfahrenstechnik ist einem stetigen und raschen Wandel unterworfen. Waren es ursprünglich im Bereich der Lebensmittelherstellung einfache verfahrenstechnische Prozesse, die sich leicht zugänglicher Mikroorganismen (Hefen, Lactobacillen, Acetobacter) bedienten, so lassen sich unter Nutzung moderner biochemischer sowie molekularbiologischer Kenntnisse und „Werkzeuge" (Abschnitte 2.3 und 2.4) die Einsatzmöglichkeiten der Biotechnologie innerhalb der Verfahrensentwicklung zusehends ausweiten und diversifizieren. Darüber hinaus arbeitet die Biotechnologie mit den vielfältigen neuen Methoden auch vielen anderen Arbeitsgebieten, vor allem der Medizin und Chemie, zu.

    Der Einsatz der Biotechnologie in der Verfahrenstechnik ist im Sinne der Wertschöpfung zu verstehen, indem klassische Mikroorganismen (Pro- und Eukaryoten), Zellkulturen (Eukaryoten) oder isolierte Enzyme als sogenannte Biokatalysatoren verwendet werden. Mit diesen Biokatalysatoren können sowohl Produkte für die Chemie, die Lebensmitteltechnologie und die Pharmaindustrie hergestellt werden. Besondere Dimensionen gewinnt die Bedeutung der Bioverfahrensentwicklung, wenn die Möglichkeit der Synthese von komplexen Proteinen im Bereich der Pharmatechnologie in Betracht gezogen wird. Speziell die Synthese von körpereigenen (humanen) Proteinen lässt sich einzig und allein mit Methoden der Bioverfahrenstechnik durchführen. In diesem Zusammenhang gewann besonders die Zellkulturtechnologie an Bedeutung, weil nur damit der direkte Zugang zu speziellen Formen von Proteinen (z. B. Faltung, Disulfid-bindung) möglich ist (Abschnitte 7.11 und 10.2).

    Die Möglichkeiten für die medizinische Forschung und die Diagnostik, für das Design künstlicher Organe und für Tierersatzmodelle sowie für das Wirkstoffscreening (Test von neuen Substanzen auf ihre biologische Wirkung) werden hier jedoch nicht dargestellt, sondern es soll lediglich der Nutzen für die Synthese von interessanten Molekülen im Verbund eines verfahrenstechnischen Prozesses beleuchtet werden.

    1.2 Einsatzfelder und Produktgruppen

    Die Möglichkeiten, die die Bioverfahrenstechnik mit den Arbeitsgebieten der Biotechnologie modernen Produktsynthesen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, aber vor allem auch Umweltverträglichkeit, anzubieten hat, sind noch längst nicht ausgeschöpft, und es bedarf noch vieler gemeinsamer Anstrengungen, um alle Vorteile dieser Technologie in den entsprechenden Industriezweigen zu etablieren [3].

    1.2.1 Leistungsdarstellung der Bioverfahrensentwicklung

    Es stellt sich die Frage, wie die Attraktivität biotechnologischer Verfahren und damit die Bereitschaft der Unternehmen, in der Bioverfahrenstechnik aktiv zu werden, erhöht werden kann, da langfristig nur bei entsprechenden Investitionen in Forschung und Entwicklung der volle Nutzen aus dieser Technologie gezogen werden kann. In diesem Zusammenhang ist eine intensive PR-Arbeit notwendig, die potenziellen Anwendern die Nutzungsmöglichkeiten, Vor- und Nachteile der Bioverfahrensentwicklung aufzeigt und so bei vielen Unternehmen überhaupt erst einmal den Bedarf für biotechnologische Verfahren zur Lösung ihrer Probleme weckt. Die Leistungsfähigkeit der Bioverfahrensentwicklung muss also deutlicher dokumentiert werden. Das könnte in einer kompakten PR-Schrift geschehen, in der die Leistungsfähigkeit auch in neuen Aufgabenfeldern, die Einsatzmöglichkeiten, Alternativkonzepte zu bestehenden Prozessen, Anwendungsbeispiele, Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit (Rechnerunterstützung – Hilfe für die Optimierung der Laborversuchsreihen, Sensitivitätsbetrachtungen) und Zukunftssicherheit der Bioverfahrensentwicklung übersichtlich dargestellt sind [4]. Darin sind Vorteile, Einsatzschwerpunkte und Ausweitungspotenziale, aber auch kritische Seiten zu beleuchten. Wo es erforderlich ist, muss die Abgrenzung zur Chemie ohne Konkurrenzdenken dargestellt, aber auch sinnvolle Ergänzung aufgezeigt werden. In einem mit Beispielen versehenen Leistungsheft können mögliche neue Produkte, Produktgruppen und auch Verfahren vorgestellt und durch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ergänzt werden. Zu diesem Problemfeld ist auch die erforderliche Öffentlichkeitsarbeit zu zählen, die notwendig ist, um die Bioverfahrensentwicklung glaubhaft als sichere Technologie, auch im Zusammenhang mit der Gentechnologie, darzustellen [5].

    Die Bioverfahrensentwicklung kann ins Gespräch gebracht werden, wenn die Herstellung interessanter Produkte aufgezeigt wird, oder aber auch alternative Technologien zur Lösung bestimmter Probleme gesucht werden. Zu den aktuellen Themen in diesem Zusammenhang zählt die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zur Energiegewinnung sowie von Umwelttechnologien. In Form von Energiegewinnung auf Basis nachwachsenden Rohstoffe kann die Biotechnologie z. B. helfen, den „Treibhauseffekt" zu entschärfen, da das Kohlendioxid bei dieser Form der Energiegewinnung quasi im Kreis gefahren, also klassisches Recycling im großen Stil betrieben wird.

    In der Umweltbiotechnologie sind vor allem bei der Aufarbeitung von Problemrückständen noch viele Aufgaben zu lösen. Dazu gehören der Abbau spezieller Verbindungen wie Chloraromaten, Chloralkanen, Nitrophenolen und polycyclischen Aromaten. Des Weiteren werden auch Fragestellungen, die sich mit der Wechselwirkung von neu in die Umwelt ausgesetzten Substanzen mit den etablierten Stoffen auseinandersetzen, immer mehr an Bedeutung gewinnen. Der in diesem Zusammenhang geprägte Begriff der „ökologischen Risikobewertung" versucht, dafür die Antworten mittels eines Konzentrationsverhältnisses es zu geben. Es ist das Verhältnis was nichts anderes als die vorhersagbare wirksame Konzentration (predicted effective concentration) zur vorhersagbaren nicht mehr wirksamen Konzentration (predicted non effect concentration) repräsentiert [6]. Lässt sich also eine nicht mehr wirksame Konzentration eines Stoffes, der in die Umwelt gelangen kann, angeben und gleichzeitig die am Ende eines Abbauzyklus verbleibende Konzentration vorausberechnen, so würde ein Verhältnis PEC/PNEC < 1 bedeuten, dass dieser Stoff störungsfrei integriert werden würde.

    Die Zukunftspotenziale für die biotechnologische Herstellung neuer Produkte liegen grundsätzlich in folgenden Stoffbereichen und Basismethoden (Tab. 1.1):

    Produkte des mikrobiellen Sekundärstoffwechsels (Pharmazeutika, Pflanzenschutzmittel, Chemikalien u. ä.);

    Pharmaproteine, körpereigene Proteine (herstellbar mit gentechnologisch veränderten Organismen (GVOs));

    Biotransformationen (Unterstützung chemischer Synthesen von Pharmazeutika und Pflanzenschutzmitteln, Herstellung von Aminosäuren sowie anderen Nahrungs- und Futtermittelzusätzen, Ersatz von umweltbelastenden chemischen Prozessen zur Herstellung von Bulkchemikalien, Herstellung von biologisch leicht abbaubaren Kunststoffen und Tensiden (Spinnpräparationen) sowie neuen Polymeren, Gewinnung von Basisprodukten für die gentechnologische und immunologische Forschung und Entwicklung, Nutzung nachwachsender Rohstoffe und ausgewählter Petrochemikalien durch Partialabbau zu Produkten mit signifikanter Wertsteigerung).

    Zu den zukünftigen Potenzialen gehört auch die Entwicklung von mikrobiellen Pflanzenschutzmitteln auf Basis antagonistisch wirksamer Hefeisolate. Diese können im Obstbau gegen Apfelfäule und Feuerbrand eingesetzt werden [7, 8].

    Pflanzen haben im Verlauf der Evolution Zehntausende von Sekundärstoffwechselprodukten entwickelt, die es ihnen erlauben, zu überleben. Durch ein evolutionäres molecular modelling wurden die Strukturen dieser Sekundärstoffe dermaßen optimiert, dass sie mit diversen Zielstrukturen, den molecular targets, in Tieren und Mikroorganismen interagieren können. Es existiert vermutlich kaum eine Zielstruktur in unseren Zellen, für die es nicht auch einen Naturstoff gibt, der mit ihr in Wechselwirkung treten kann. Um solche Naturstoffe für die Humanmedizin gewinnen zu können, benötigt man die HRC-Technologie (hairy root cultures). Damit ist es möglich, in Reaktoren gezielt, reproduzierbar und wirtschaftlich neue Wirkstoffe in ausreichend großen Mengen herzustellen. Verwendung finden dabei transformierte Pflanzenwurzeln, die mit dem Bodenbakterium Agrobacterium rhiozogenes infiziert wurden [9].

    Tabelle 1.1 Mögliche Ansätze für neue Produkte, neue Verfahren und Technologien sowie neue Umwelttechnologien.

    1.2.2 Bioverfahrensentwicklung in der Nahrungsmittelindustrie

    1.2.2.1 Vorrangige Vorteile der Bioverfahrensentwicklung

    Mit Blick auf die Vorteile, die die Bioverfahrensentwicklung für die Nahrungsmittelproduktion bieten kann, sind an erster Stelle Substanzen, die als natürlich gelten und aus natürlichen sowie nachwachsenden Rohstoffen stammen, zu nennen. Ein ebenso hervorstechender, außerordentlich wichtiger Vorteil ist die ausgeprägte Selektivität biotechnologischer Reaktionen, d. h. mithilfe dieser Prozesse lassen sich Produkte mit möglichst wenigen Nebenprodukten herstellen. Des Weiteren kann die Bioverfahrensentwicklung im Bereich der Nahrungsmittelindustrie auf eine jahrtausendelange Tradition zurückschauen und garantiert dadurch Zuverlässigkeit im Hinblick auf Qualität und Sicherheit, sowohl den Arbeitsschutz betreffend als auch bezüglich eventueller Nebenwirkungen.

    1.2.2.2 Zunehmende Bedeutung der Bioverfahrensentwicklung

    In der Nahrungsmittelindustrie wird der Konkurrenzdruck immer stärker, sodass auch in diesem Bereich die Wirtschaftlichkeit von Prozessen höchste Priorität erlangt. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und Verfahrensoptimierungen, wie sie in der chemischen Industrie längst auf der Tagesordnung stehen, sind auch in der Nahrungsmittelindustrie erforderlich. Häufig muss die Raum-Zeit-Ausbeute gesteigert werden, um einen Prozess wirtschaftlich betreiben zu können. Dieses Ziel kann in vielen Fällen durch verbesserte Produktionsstämme erreicht werden. Über die klassische Methode der Mutation und Selektion (Screening, Abschnitt 2.2) kommt man in vielen Fällen jedoch nicht mehr schnell genug zum Ziel. Hier bietet sich die Gentechnologie an, die ganz neue Felder der Verfahrensoptimierung eröffnet.

    Heute werden bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und der Optimierung von Prozessen, insbesondere in der Nahrungsmittelindustrie, die Belange des Umweltschutzes in stärkerem Umfang berücksichtigt. Viele traditionelle Prozesse werden zukünftig die Umwelt in einem nicht mehr vertretbaren Maße belasten und die behördlichen Auflagen nicht mehr erfüllen können. Ältere biotechnologische Prozesse werden daher verfahrenstechnisch auf den neusten Stand der Technik gebracht oder durch völlig neue Verfahren, die auf den aktuellen biologischen Erkenntnissen beruhen, ersetzt werden müssen. In diesem Zusammenhang lässt sich die Gentechnologie nicht umgehen. Das riesige Potenzial, das die Gentechnologie gerade für die Nahrungsmittelindustrie hat, sollte nicht ungeprüft brach liegen bleiben. Es besteht die berechtigte Hoffnung, sowohl hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Qualitätssicherung, neuer Produktklassen als auch Umweltverträglichkeit durch die Gentechnologie in der Nahrungsmittelindustrie Verbesserungen erreichen zu können.

    Durch gezielte genetische Modifikation von Produktionsstämmen lassen sich eine höhere Raum-Zeit-Ausbeute, eine höhere Produkttoleranz, eine höhere Zelldichte, eine höhere Stabilität und Wiederverwendbarkeit sowie eine höhere Ausbeute, eine verbesserte Wirtschaftlichkeit, aber auch eine bessere Umweltrelevanz erreichen. Nicht zuletzt versprechen genetisch veränderte Mikroorganismen (GVOs) auch neue Produkte für die Nahrungsmittelindustrie.

    Diesen Vorteilen steht die Frage nach den Risiken, die diese Technologie in sich birgt, gegenüber, auch unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes. Bei der Herstellung von Lebensmitteln unter Einsatz von GVOs ist im Grunde genommen keine Differenzierung im Vergleich zu anderen Branchen vorzunehmen. Es muss sowohl das biologische als auch das physikalische Containment unter der Vorgabe des Gentechnik-Gesetzes (GenTG) charakterisiert werden (Abschnitt 8.3.1).

    1.2.2.3 Einsatzgebiete

    Getränke

    Die Herstellung von Bier, Wein und anderen alkoholischen Getränke ist schon seit Jahrtausenden ein Beispiel für die biotechnologische Herstellung von Nahrungsmitteln. In weiten Bereichen haben sich diese Verfahren über Jahrhunderte kaum verändert, auch wenn man in den Anlagen in neuerer Zeit zunehmend modernere Apparaturen und Materialien findet. Der Prozess als solches hat sich aber aus verfahrenstechnischer Sicht nicht verändert, wenn man von der Herstellung neuer Produkte, z. B. von alkoholfreiem Bier o. Ä., absieht.

    Säuren

    Im Bereich der Säuren, meist als Konservierungsmittel, aber auch als Geschmacksverstärker eingesetzt, sind in erster Linie die L-Milchsäure, die Essigsäure und die Gluconsäure zu nennen, die eine gewisse Tradition in der Nahrungsmittelindustrie aufweisen und ebenfalls aus biotechnologischen Produktionen stammen.

    Vitamine

    Die gezielte Herstellung von Vitaminen begann erst in neuerer Zeit. Biotechnologische Verfahren standen in diesem Bereich anfangs in starker Konkurrenz zu chemischen Prozessen und kamen in vielen Fällen zunächst nicht zum Einsatz. Doch die anfangs vorherrschenden Vorteile chemischer Synthesen schwächten sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgrund des zunehmenden Umweltbewusstseins und verstärkten Kostendrucks ab, und so konnten sich auch auf diesem Feld biotechnologische Prozesse zusehends durchsetzen, zumal die biotechnologischen Prozesse zu immer wirtschaftlicher arbeitenden Verfahren ausgearbeitet werden können. Die Vitamine Ascorbinsäure (Vitamin C), Riboflavin (Vitamin B2), Cobalamin (Vitamin B12) als physiologische Lebensmittelzusatzstoffe und z. T. als Konservierungsstoffe sind an erster Stelle dieser Gruppe zu nennen. In Verbindung mit Glutamat können diese Substanzen auch als Geschmacksverstärker eingesetzt werden.

    Aminosäuren

    Die Bausteine des Lebens, die Aminosäuren, stehen in den Nahrungsmitteln nicht immer in ausreichender Menge zur Verfügung. Das gilt insbesondere für die essenziellen, also diejenigen Aminosäuren, die im menschlichen und tierischen Organismus nicht synthetisiert werden können. Enantiomerenreine Aminosäuren, wie sie in der Natur vorkommen, lassen sich nur durch aufwendige chemische Synthesen gewinnen. Deshalb beschränkt sich der Einsatz chemischer Verfahren zur Gewinnung von Aminosäuren auf die interessanten racemischen Aminosäuren wie D,L-Alanin, D,L-Methionin und Glycin. Bei allen anderen proteinogenen Aminosäuren ist nur die L-enantiomere Form von Interesse, sodass dort, neben der Gewinnung durch Extraktion aus natürlichen Rohstoffen, zur Herstellung von Aminosäuren ausschließlich biotechnologische Verfahren zum Einsatz kommen. Es existieren jedoch auch biotechnologische Verfahren der enzymatischen Racemattrennung (z. B. Enzym-Membran-Reaktor). Biotechnologisch hergestellte Aminosäuren sind L-Lysin, L-Glutaminsäure, L-Isoleucin, L-Methionin, L-Asparagin-säure, L-Alanin L-Valin, L-Phenylalanin und L-Tryptophan. Daneben können aus natürlichen Rohstoffen durch Extraktion die Aminosäuren L-Cystin, L-Tyrosin und L-Prolin gewonnen werden [10].

    Biopolymere

    Biopolymere sind in der Nahrungsmittelindustrie als Verdickungs-mittel von Interesse. An erster Stelle ist dabei das Xanthan zu nennen. Aber auch Glucane und Dextrane werden in der Nahrungsmittelindustrie verwendet.

    Eiweiße

    Als Proteinlieferant und als Sojaersatz wurde Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre das Einzeller-Protein (SCP, single cell protein) die für die Nahrungs-mittelindustrie gehandelt. Neben der Grundversorgung der Menschheit mit Protein (immerhin bilden 500 kg Hefezellen in 24 h mehr als 50.000 kg Protein, während ein Rind derselben Masse nur etwa 0,5 kg Protein produziert [11]) wurde auch daran gedacht, damit gezielter Gesundheitslebensmittel herstellen zu können. Es wäre möglich, einen hohen Faseranteil bei hohem Protein- und niedrigem Fettgehalt oder auch quasi cholesterinfrei einzustellen. Steigende Erdölpreise brachten diese Technologie zum Stillstand. Dennoch sind noch einige, insbesondere englische Unternehmen weiterhin mit der Entwicklung von Nahrungsmitteln auf diesem Sektor beschäftigt. Als mögliches neues Lebensmittel wird aus diesem Bereich ein Produkt unter dem Namen „Quorn" aus SCP angeboten [12, 13].

    Fertigprodukte

    Mit Ausnahme der Getränke sind alle vorgestellten Produkte Zusatzstoffe für Lebensmittel und noch keine Endprodukte. Bei der Herstellung von Wurst, Käse und Joghurt bedient man sich ebenfalls biotechnologischer Verfahren. In diesem Bereich kommen spezielle Hochleistungsstämme bzw. Enzyme aus solchen Kulturen zur Anwendung, die klassisch durch die Mutations-Selektions-Methode gewonnen wurden.

    1.2.2.4 Einsatz von genetisch veränderten Mikroorganismen in der Nahrungsmittelindustrie

    Um vor allen Dingen eine Erhöhung der Produktqualität, der Produktvielfalt, der Produktsicherheit und eine Verbesserung der Prozesssicherheit zu erreichen, müssen GVOs auch in der Nahrungsmittelindustrie zum Einsatz kommen können.

    Am weitesten sind die Untersuchungen und Anwendungen in der Milchwirtschaft vorangeschritten. Hier treten immer wieder hohe wirtschaftliche Verluste durch Phageninfektionen auf. Diese Infektionen können zu qualitativ minderwertigen Produkten, zu Fehlfermentationen oder gar zum gänzlichen Produktverlust führen [14]. Daher sind Starterorganismen entwickelt worden, die phagenresistent sind. Eine behördliche Zulassung steht noch aus.

    Phagenresistenz ist häufig plasmidcodiert, und die entsprechende Erbinformation kann leicht identifiziert und isoliert werden. Da die Mikroorganismen mitunter ihre Plasmide verlieren, hat man das entsprechende Gen stabil in die chromosomale DNA eingebaut. Hierdurch wird eine dauerhafte Resistenz erreicht. Die Erbinformationen für weitere günstige Eigenschaften, z. B. Lactose-, Citratverwertung, Diacetyl-, Schleim- und Bacteriocinbildung, befinden sich häufig ebenfalls auf Plasmiden, sodass weitere entsprechende Gene in das Chromosom transferiert und ihre Expressionsraten verändert werden können. Mit dem Einsatz solcher Kulturen verspricht man sich Lebensmittelprodukte mit verbesserten Eigenschaften hinsichtlich ernährungsphysiologischer Bewertung, Aroma, Konsistenz und Textur sowie eine hygienische Absicherung.

    In der Fleischwirtschaft werden Starterkulturen vorwiegend für die Rohwurstreifung eingesetzt. Erste GVOs wurden entwickelt und im Labor zu Forschungszwecken erprobt [14].

    Bacteriocine hemmen das Wachstum von Bakterien, und mit Ausschüttung des Antagonisten verschaffen sich Milchsäurebakterien einen Vorteil in der Konkurrenz mit anderen Mikroorganismen um Nährstoffe. Milchsäurebakterien, die vermehrt und stabil Bacteriocine bilden, können somit Frischfleisch- und Frischsalatprodukte vor vorzeitigem Verderb schützen (Abschnitt 1.2.2.2). Der Einsatz gentechnisch veränderter Hefen ist im Back- und Braugewerbe in Großbritannien bereits zugelassen oder ihre Zulassung steht unmittelbar bevor.

    Für die Backindustrie wurde eine Hefe entwickelt, die bei der Teigführung kontinuierlich CO2 entwickelt und dadurch die Gehzeit verkürzt. Bei dieser Hefe kommt es nicht mehr zu der sonst üblichen Verzögerung der CO2-Produktion nach Verbrauch der Glucose im Teig.

    Für die Brauindustrie wurden Hefen entwickelt, die

    eine erhöhte Brauleistung durch Verwerten von Polysacchariden zeigen. Diesen Hefen wurde das Gen für die Bildung von Amylase oder einer Glykoamylase integriert. Normalerweise vermögen Brauhefen Stärke nicht zu verwerten, daher muss der Mälzprozess zur Aktivierung der Getreide-Amylasen vorgeschaltet werden;

    kalorienreduzierte Biere (Light-Biere) direkt produzieren. Durch die Integration eines Glucoamylasegens werden Dextrine abgebaut;

    eine Verkürzung der Reifezeiten durch Unterdrückung der Diacetylbildung ermöglichen;

    das Verstopfen der Filteranlagen durch den Abbau der unlöslichen, hochmolekularen Glucane verhindern. Diese Hefen besitzen ein bakterielles β-Glucanasegen;

    die Schaumfestigkeit durch Proteinmodifizierung mit einem einklonierten Proteasegen gewährleisten.

    Mit all diesen gentechnischen Veränderungen entfällt die exogene Zugabe von Enzymen zum Brauprozess. In Deutschland verbietet u. a. das Reinheitsgebot für Biere die Verwendung exogener Enzyme. Die Anwendung von GVOs aber wäre mit dem Reinheitsgebot vereinbar.

    Die Entwicklungen von Hefen für die Produktion von alkoholfreiem Bier sind fast abgeschlossen. An der Weiterentwicklung von Weinhefen zur Erhöhung der Gärleistung und Aromabildung wird intensiv gearbeitet [2].

    Bioverfahrensentwicklung in der Chemie und Pharmazie

    Die Nutzung biotechnischer Prozesses zur Gewinnung von Grundchemikalien für die chemische Industrie scheitert meist bisher an der Wirtschaftlichkeit. Ethanol ist ein Beispiel für einen solchen Rohstoff, der zu Hunderttausenden Tonnen in der Chemischen Industrie für entsprechende Folgeprodukte benötigt wird. Doch die biotechnologische Herstellung ist bislang noch mit so hohen Kosten verbunden, dass sie kaum mit anderen Verfahren konkurrieren kann. Dient Ethanol als Alternativtreibstoff oder als Treibstoffzusatz, wie z. B. in Brasilien, ist die Kostenfrage etwas anders zu betrachten, weil die Kosten neben eventueller staatlicher Subventionen auch wesentlich durch die Kapazität, die erzeugte Jahresmenge, bestimmt werden. Da in diesem Fall eine sehr große Tonnage (Tonnen pro Jahr) erforderlich ist, wird der Preis nahezu ausschließlich durch die Edukte, die Substrate, diktiert, also durch die Glucosequellen (Abschnitte 9.1.2 und 10.3).

    Besser sieht die Situation bei Spezialchemikalien aus, vor allem bei optisch aktiven Substanzen, z. B. bei Steroiden oder Synthesebausteinen wie der L- oder der D-Milchsäure. Mit D-Milchsäure als Basisbaustein für die chemische Synthese von optisch aktiven Substanzen lassen sich Pflanzenschutzmittel auf die halbe Aufwandmenge mit gleichem Effekt reduzieren. In dieser Richtung verspricht die Bioverfahrenstechnik der Chemie den meisten Nutzen zu bringen. Grundsätzlich sind aber inzwischen die meisten komplexen Moleküle günstiger oder überhaupt nur mittels biotechnologischer Prozesse herzustellen. Dazu gehören Vitamine, insbesondere Riboflavin (Vitamin B2) oder Ascorbinsäure (Vitamin C, Abschnitt 10.3), und Antibiotika wie Penicillin.

    Viele Krankheiten, so wurde in den letzten Jahren erkannt, werden durch Gendefekte hervorgerufen. Dazu gehören so weit verbreitete „Geißeln" wie die Diabetes, Bluterkrankungen (Sichelzellen-Anämie), erhöhter Blutdruck und auch Gicht (begleitet durch einen defekten Purinstoffwechsel). Ihnen stünde man ohne die Biotechnologie machtlos gegenüber.

    Krankheiten, die zwar durch Gendefekte verursacht werden, deren Auswirkung aber erkennbar durch einen Mangel an bestimmten Substanzen hervorgerufen wird, lassen sich durch die Bereitstellung dieser Substanzen zumindest kontrollieren und beherrschen. Solche Arzneien, die den körpereigenen Substanzen entsprechen, können nur aus dem menschlichen Körper selbst isoliert oder aber mithilfe der Gentechnologie gewonnen werden. Die erstgenannte Möglichkeit scheidet in der Regel aus, weil das Risiko einer viralen Kontamination (z. B. durch AIDS oder Hepatitis) nicht zu vernachlässigen ist und weil die erforderlichen Mengen keinesfalls aus Blutkonserven isoliert werden können. Das gilt vor allem für Substanzen, die zwar vom Körper gebildet werden, aber bei „aktuellen Störungen in zu geringen Mengen anfallen, sodass sie nicht ausreichen, die „Störung zu beheben. In diesen Fällen ist es wünschenswert, ja notwendig, zusätzliche körpereigene Substanzen von außen zuzuführen. Die Gentechnologie eröffnet den Weg zu diesen Substanzen, und über die Bioverfahrenstechnik können sie in ausreichenden Mengen und erschwinglich zur Verfügung gestellt werden (Tab. 1.2).

    Im Bereich des Wirkstoffscreenings (Massenscreening), d. h. der Untersuchung von neuen Substanzen auf ihre biologische/physiologischen Wirkung, erreichen insbesondere Zellkulturen immer mehr Bedeutung. Damit lassen sich viele Tierversuche ersetzen und wesentlich schneller und sicherer Aussagen treffen. Die dafür notwendigen Zellmodelle und vor allem die Zellkulturen müssen von der Bioverfahrenstechnik bereitgestellt werden.

    Ein weiteres Einsatzgebiet stellt die moderne Diagnostik dar. Bestimmte Proteine fungieren im Falle einer Erkrankung als Marker und/oder „Frühwarnsystem". Ist es möglich, solche Indikatoren schon in geringsten Mengen nachzuweisen, dann besteht die Chance, eine Erkrankung auch in einem sehr frühen Stadium zu erkennen und mögliche Therapien anzuwenden.

    Tabelle 1.2 In Deutschland auf dem Markt befindliche gentechnisch hergestellte Arzneimittel (Stand 17.09.2012). Bis 2012 waren bereits mehr als 146 Arzneimittel mit 109 Wirkstoffen auf dem Markt [15].

    Diagnosen dieser Art lassen sich zurzeit mithilfe von Diagnosekits z. B. auf der Basis von Antikörpern durchführen. Diese kann wiederum nur die Bioverfahrenstechnik mithilfe von GVOs (genetisch veränderten Organismen, Zellkulturen) produzieren. Beispiele dafür sind der ELISA für den p53-Antikörper [17] für die onkologische Diagnose, der enzymgebundene Immunosorbent-Assay zur quantitativen Bestimmung von 17α-Hydroxyprogesteron in Serum und Plasma [18] zum Nachweis von Nierenerkrankungen und der HIT-Serotonin-ELISA als funktioneller Test zur Diagnose von Heparin-induzierter Trombozytopenie Typ 2 (HIT-Typ 2) [19] zur Diagnose der Arneimittelnebenwirkungen bei Heparin-indizierter Thrombozytopenie.

    1.2.3 Gentechnologie

    Eine ganz besonders wertvolle Unterstützung innerhalb der Bioverfahrensentwicklung stellt die Gentechnologie dar (Abschnitte 1.2.2.4 und 2.3). Damit ist man in der Lage, in Verbindung mit der Prozessführung eine Optimierung der Produktqualität auf besonders hohem Niveau zu erreichen.

    So wurden z. B. Kriterien zur Entwicklung und Optimierung von Produktionsverfahren für rekombinante Glykoproteine vergleichend in verschiedenen Reaktorkonfigurationen erarbeitet. Als Modellprotein wurden humanes Interleukin 2 (IL-2) und Antithrombin III (AT III) verwendet. Neben der Entwicklung serumfreier Kulturmedien wurde das Zellwachstum auf Microcarriern und in Suspension betrachtet. Die Kultivierung im serumfreien Medium eröffnete die Möglichkeit, das Produkt direkt gelelektrophoretisch im Rohüberstand nachzuweisen. Darüber hinaus wurde eine vereinfachte Aufarbeitungsmethode gefunden, wobei allerdings Unterschiede in der Produktqualität auftraten (Glykosilierungsanteil, proteolytischer Abbau). Für diese Produktionsbedingungen wird dennoch aufgrund der Ergebnisse eine hohe Qualitätskonstanz vorausgesagt [2].

    1.3 Voraussetzungen für den Einsatz der Bioverfahrenstechnik

    1.3.1 Aufgaben der Forschung und Entwicklung

    Zu den wichtigen Aufgaben der F&E zur Attraktivitätssteigerung der Bioverfahrensentwicklung gehört die Optimierung der Prozess- und Verfahrensentwicklung. Hier können spezielle, d. h. strukturierte Modelle, unter Berücksichtigung von Prozessrückkopplungen moderne Steuerkonzepte, wie prädikative Modelle und neuronale Netzwerke, gute Dienste leisten (Abschnitte 6.1.3 und 6.5).

    Bei der Pharmaproteinherstellung haben GMP-Aspekte eine besondere Bedeutung. In diesem Zusammenhang sollten in der F&E nicht nur Einzelmodule behandelt, sondern Prozesse gesamtheitlich dargestellt werden, um daraus auch Fragestellungen zum Problem der Stoffrückführung und vor allem der Validierung bearbeiten zu können. Die Bedeutung der Validierung wird nicht nur aufgrund von Forderungen aus dem Bereich der GMP zunehmen, sondern zu einem Standard der Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle heranreifen. Darüber hinaus fordert auch die Sicherheit dieses Mittel zur Sicherstellung eines physikalischen Containments, eine Randbedingung für den Einsatz der Gentechnologie. Voraussetzung dafür ist eine funktionierende Steriltechnik, die nicht alleine durch eine ausreichend lange Sterilisation bei >121 °C zu erreichen ist, sondern vielmehr höchste Anforderungen an sicheres Handling und wirklich durchdachte Sterilkonstruktionen richtet. Beste Sterilkonstruktionen bieten auch beste Sicherheit. Zur Thematik der Sterilkonstruktion bzw. der Sicherheitskonstruktion ist auch die „Dichtigkeit" eines Bioreaktors (einer Anlage, eines Systems) zu zählen [20].

    1.3.2 Optimierung der Verfahrensoperationen

    Die Leistungsfähigkeit von Bioverfahren wird nicht zuletzt auch durch die Leistungsfähigkeit der einzelnen Operationen, der einzelnen Prozessstufen, und deren Harmonisierung bestimmt. Eine optimierte Reaktionsstufe ist zwar eine wesentliche Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Prozess, aber daneben müssen sowohl die vorbereitenden Schritte (Up-stream-Processing, Kapitel 5) als auch die nachfolgenden Stufen (Down-stream-Processing, Kapitel 7) in Einklang gebracht werden.

    Die einzelne Reaktionsstufe wird wesentlich durch die Biomasse, den „Katalysator", bestimmt. Deshalb ist es notwendig, die Bedingungen für die Zellen so optimal wie möglich einzustellen, d. h. die idealen Kulturbedingungen zu finden.

    Um eine sichere Reaktionsführung zu erreichen, ist es zwingend notwendig, eine zuverlässige Möglichkeit zur Charakterisierung von Bioreaktoren zu schaffen. Dazu sind geeignete Stoffsysteme, Maßstabsübertragungs-regeln, Aussagen über Scherbeanspruchungen und Auslegungsunterlagen erforderlich. Darüber hinaus ist für ein entsprechendes Monitoring zu sorgen (Abschnitt 2.6.1).

    Muss für die Synthese von pharmazeutischen Produkten auf die Zellkulturtechnik zurückgegriffen werden, dann lassen zu geringe Zelldichten, Probleme bei Stofftransportvorgängen (Ver- und Entsorgung) und geringe Wachstumsraten in wirtschaftlicher Hinsicht häufig viele Wünsche offen. Viele Arbeiten beschäftigen sich mit diesem Thema und suchen Lösungen durch Zellrückhaltung mittels Wirbelschichttechnik mit porösen Trägern, kontinuierlicher Prozessführung und blasenfreier Membranbegasung. Es zeigte sich, dass mittels Membranbegasung die sonst schon bei geringen Höhen auftretende Partialdruckdifferenz vermieden werden kann.

    Die Modellierung (Design of Experiments, DoE, oder Quality by Design, QbD) besitzt wirtschaftlich eine große Bedeutung, weil mit einer ausgewogenen Kombination von Modellbetrachtungen und Laboruntersuchungen die Entwicklungsprozesse wesentlich effektiver gestaltet werden können, vor allem dann, wenn auch noch Verfahrensmodelle mit Kostenmodellen verknüpft werden. Der Nutzen solcher Modelle hängt von ihrer Qualität ab. Häufig liefern einfache Ansätze viel zu ungenaue Beschreibungen der Vorgänge, sodass ihre Anwendung wenig erfolgversprechend ist.

    Am Beispiel des Mikroorganismus Pseudomonas putida mit Phenol als einziger Kohlenstoff- und Energiequelle konnte gezeigt werden, welche Diskrepanz sich zwischen einfachem Modell und den Experimenten auftut [21]. Die Modellaussage ist praktisch nicht verifizierbar. Es tauchen Hystereseeffekte in Abhängigkeit von der spezifischen Wachstumsgeschwindigkeit und der Substrataufnahme auf. Es wurde festgestellt, dass eine Projektion aus einem Zustandsraum höherer Dimension vorliegt. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, neue Modelle unter Verwendung zusätzlicher Zustandsvariablen zu entwickeln, die sowohl die stationären als auch die dynamischen Zustände von mikrobiellen Populationen beschreiben können [21]. Weil für die Abweichung weder die Änderung der Enzymaktivität noch die Induktion neuer Abbauwege oder die Selektion innerhalb der Population verantwortlich gemacht werden konnten, wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Ribosomen dank ihrer Schlüsselrolle in der Protein-Biosynthese die dynamischen Effekte hervorrufen.

    Die Stoffumwandlung erfolgt im Bioreaktor. Die richtige Wahl des Bioreaktors ist somit ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit eines biotechnologischen Prozesses [20]. Allgemein fällt allerdings auf, dass die Zahl der Vorschläge und Erfindungsanmeldungen für Bioreaktoren doch weit über der Zahl der wirklich industriell, d. h. wirtschaftlich genutzten Typen liegt. Das gilt sowohl für Reaktortypen als auch für die verschiedenen Einbauten, vor allem für die unterschiedlichen Rührertypen. Sicherlich ist eine wesentliche Ursache dafür, dass die wenigsten Neuentwicklungen in den Maßstäben, in denen ihre Ergebnisse produziert wurden, deutlich besser waren als die im technischen Großmaßstab bewährten Bioreaktoren. Auch die Scale-up-Vorher-sagen können noch nicht so zuverlässig getroffen werden, dass das Risiko für den Betreiber in vollem Umfang abgeschätzt werden kann. Aus diesen Gründen greift man in der Praxis im Wesentlichen auf wenige Reaktorgrundtypen und einige Einbauten zurück und verzichtet auf eine eventuelle höhere Wirtschaftlichkeit. Leistungsfähige Modelle können helfen, dieses Manko zu beseitigen. Beschreibt ein Modell einen Prozess sehr gut, dann besteht damit auch die Möglichkeit einer gezielten Scale-up-Vorhersage, zumal das Scale-up von Bioreaktoren ein zentrales Problem in der Bioverfahrensentwicklung darstellt [20].

    Es kann davon ausgegangen werden, dass eine realistische Charakterisierung nur dann Erfolg haben kann, wenn die Untersuchungen mit lebenden Zellen als Testsystem durchgeführt wurden. Mit den daraus resultierenden Daten kann die Zuverlässigkeit bei der

    Optimierung von Betriebsparametern,

    Auswahl des geeigneten Reaktortyps,

    Maßstabsübertragung des Prozesses

    erhöht werden.

    Als Modellsystem kommt z. B. die strikt aerobe, Glucose-insensitive Hefe Trichosporon cutaneum in Frage. Dieses System ist ein typisch sauerstofflimitierter Prozess in einem niederviskosen Medium. Für die Untersuchungen von schnellen Fermentationsprozessen, insbesondere unter dem Aspekt der Sauerstofflimitierung, eignet sich z. B. Vibrio natriegens (DSMZ-Nr. 759) [22].

    Die Untersuchungen müssen zeigen, ob das Zellwachstum nur von der Sauerstofftransferrate (OTR) abhängt. Für die Zielgröße Biomassebildung wäre damit die Maßstabsübertragungsregel, nämlich OTR = idem, bekannt. Damit steht ein dankbares System für solche Betrachtungen zur Verfügung, denn die Übertragungsregeln sind im Allgemeinen nicht so einfach ausmachbar (Abschnitt 2.7.3).

    Je besser ein Prozess messtechnisch erfasst wird, desto detaillierter kann er beschrieben und letztendlich auch modelliert werden (Abschnitt 6.5).

    Neben der Betrachtung der biotechnologischen Reaktion wird traditionell auch das Downstream-Processing (Aufarbeitung) in den Forschungslabors intensiv bearbeitet. Dabei rücken zusehends Prozesse in den Mittelpunkt, die auch gleichzeitig Produktinhibierung beseitigen helfen, d. h. direkt mit der Reaktion gekoppelt sind.

    Etwas stiefmütterlich hingegen ist bisher das Upstream-Processing (Lagerung, Anmaischprozesse, Konditionierungsprozesse, Reinigungsprozesse (CIP, cleaning in place), optimale Einfrier- und Auftauprozesse (SIP)) in der Forschung behandelt worden, auch wenn es doch sehr logisch erscheinen mag, dass nur repräsentative Vorbedingungen zu repräsentativen Reaktionen, Aufarbeitungsbedingungen und letztendlich Produkten führen können.

    Der Kostenvergleich kann mittels eines Modells erfolgen, das in seiner Struktur ein Biomodell und ein Kostenmodell koppelt [23]. Das Biomodell basiert auf einer Stoffbilanz und den einzelnen Reaktionsgeschwindigkeiten, das Kostenmodell greift auf die spezifischen Herstellkosten zurück, die sich aus der Summe aller Betriebs- und periodisierten Investitionskosten zusammensetzen. Die Betriebskosten ihrerseits ergeben sich aus den Stoff-, Energie- und Entsorgungskosten (Kapitel 9).

    Zur Optimierung von biotechnologischen Prozessen ist es notwendig, noch öfters unterschiedliche Betriebsvarianten zu nutzen. Dabei ist neben dem klassischen Batch-Prozess vor allem auch die kontinuierliche Prozessführung zu beachten (z. B. L-Glutaminsäureherstellung) und in diesem Zusammenhang der Einsatz des Rohrreaktors auch als Bioreaktor, wie er beispielhaft zur Milchsäure-Produktion eingesetzt werden kann [24].

    1.3.3 Harmonisierung der Arbeitsgruppen

    Die vielfältigen interdisziplinären Aufgaben, die bei der Entwicklung eines biotechnologischen Prozesses anfallen, können nur dann optimal gelöst werden, wenn Wissenschaftler der verschiedenen Fachrichtungen zu einem vernünftig harmonisierenden und funktionierenden Team vereint werden können. Voraussetzung dafür sind Kenntnisse des jeweiligen anderen Fachgebietes an der Übergabestelle und der jeweiligen besonderen Stärken, aber auch der kritisch einzustufenden Gegebenheiten. Nur dann können Kommunikationsschwierigkeiten vermieden werden.

    Ein häufig vorzufindendes Hindernis, die Verfahrenstechnik mehr zu unterstützen, ist die Beobachtung, dass intensives Screening oder gezielte Gentechnologie (z. B. durch metabolic engineering) wesentlich leistungsfähiger sein können als Optimierungen in der Verfahrensführung. Verbesserungen über Verfahrensentwicklungen liegen im Bereich von einigen Prozent, während die Mikrobiologie und Gentechnologie um Zehnerpotenzen höhere Verbesserungen erbringen kann. Verfeinerungen in der Verfahrensführung tragen jedoch wesentlich zur Reproduzierbarkeit eines Verfahrens und der Produktqualität bei und dürfen daher nicht vernachlässigt werden.

    1.3.4 Integrierter Umweltschutz – agierender Umweltschutz

    Biotechnologische Prozesse sind in der Regel umweltverträglich. Allerdings sind Abgase, und vor allem auch Abwässer, häufig stark kohlenstoffbelastet, was im Falle von Abwässern in Kläranlagen zu hohen Schlammassen führt. Deshalb sind Ansätze, Mediumsoptimierungen oder ein Recycling von Einsatzstoffen zu betreiben, nicht nur von wirtschaftlichem Interesse, sondern bedeuten gleichzeitig integrierten Umweltschutz. Andererseits trägt sich integrierter Umweltschutz nur, wenn er wirtschaftlich ist.

    Die Möglichkeiten, die die Bioverfahrenstechnik mit den Arbeitsgebieten der Biotechnologie modernen Produktsynthesen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, aber vor allem auch Umweltverträglichkeit, anzubieten hat, sind noch längst nicht ausgeschöpft und es bedarf noch vieler gemeinsamer Anstrengungen, um alle Vorteile in den entsprechenden Industriezweigen zu etablieren.

    1.4 Märkte und Marktanteile biotechnologischer Produkte

    Auch wenn das Wachstum der Marktanteile und der Märkte für biotechnologische Produkte stets den immer zu euphorischen Prognosen hinterherhinkt, lässt sich aber dennoch ein stetiges Wachstum feststellen. Insbesondere in der Pharmaindustrie durch Nutzung der Gentechnologie kommen die Möglichkeiten immer mehr zum Tragen.

    Im Jahre 2000 betrug der Marktanteil biotechnologischer Produkte etwa 60 Milliarden Dollar (Abb. 1.1) [26]. Die Antibiotika hatten dabei mit 42 % den größten Anteil. An zweiter Stelle rangierte schon die Produktgruppe der Proteine, zu denen im Wesentlichen die Pharmazeutika zu zählen sind. Dieser Gruppe wird für die weitere Zukunft das höchste Wachstumspotenzial zugesprochen.

    Die Vitamine haben trotz ihrer Bedeutung dagegen nur einen Anteil von ca. 1 %, was aber dennoch ein Marktvolumen von mehr als 325 Millionen US-Dollar ausmacht.

    Abb. 1.1 Der Markt für biotechnologische Produkte betrug im Jahre 2000 etwa 60 Milliarden US Dollar. Dabei erreichten mit 42 % traditionell die Antibiotika den größten Anteil, schon gefolgt von der Gruppe der Proteinprodukte, zu denen im Wesentlichen Pharmazeutika zählen [26].

    Literatur

    1 http://www.biotechnologie.de/BIO/Navigation/DE/Hintergrund/basiswissen.html

    2 Storhas, W.: Einführung in den Themenkreis „Bioverfahrenstechnik". Chem.-Ing.-Techn. Jg. 64, 9, S. 866–867 (1992).

    3 Kieslich, K.: Beitrag zum Statusbericht des GVC Fachausschusses „Bioverfahrenstechnik". Düsseldorf (1994).

    4 Anke, T.; Onken, U.: Wege zu neuen Produkten und Verfahren in der Biotechnologie. Vorträge vom Abschlusskolloquium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DECHEMA-Monographien Band 129, ISBN 3-527-10223-X (1992).

    5 Storhas, W.: Special safety aspects of the physical containment of biotechnological plants. Symposium Safety in Biotechnology, Beijing April 1st to April 2nd (1996).

    6 Reuschenbach, P.; Storhas, W.; Müller, B.; Feurer, J.: Neuartige Testmethoden für die ökologische Risikobewertung von Stoffen. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Förderzeichen: BMBF 02WU9831 (2000).

    7 Biosystem-Information: www.biosystem.de (2002).

    8 Burkhardt, A.: Optimierung des Produktionsverfahrens für eine antagonistische Hefe und deren Anwendung im biologischen Pflanzenschutz. Diplomarbeit Fachhochschule Mannheim – Hochschule für Technik und Gestaltung (2003).

    9 RooTec Firmenschrift: www.rootec.com (2002).

    10 Onken, U.; Hülscher, M.; Liefke, E.: Stand und Problembereiche der Bioverfahrenstechnik in der Bundesrepublik. Studie für die Sozialforschungsstelle Dortmund des Landes Nordrhein-Westfalen im Auftrage des Bundesministers für Forschung und Technologie, Sonderdruck aus der Reihe SPS-Berichte (1988).

    11 Schlegel, H.-G.: Allgemeine Mikrobiologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, ISBN 3-13-444-6065, 6. Auflage (1985).

    12 Koller, H.: Ingredient dispersion (for manufactoring Quorn). Diplomarbeit; Fachhochschule Mannheim – Hochschule für Technik und Gestaltung (1993).

    13 http://de.wikipedia.org/wiki/Quorn_ (Lebensmittel)

    14 Heller, K.J: Fonds der Chemischen Industrie: Gentechnik und biologische Sicherheit in der Milchwirtschaft; Deutsche Milchwirtschaft 6, 47 (1996)

    15 In Deutschland zugelassenen Produkte: http://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html; in Europa zugelassene Produkte: European Medicines Agency (EMA) http://www.ema.europa.eu/ema/; In USA zugelassene Produkte: Amerikanische Food and Drug Administration (FDA) http://fda.org/.

    16 www.vfa.de.

    17 Vogl, F. D.; Frey, M.; Kreienberg, R.; Rannebaum, R. B.: Autoimmunity against p53 predicts invasive cancer with poor survival in patients with an ovarian mass. British J. Cancer 83, 1338–1343 (2000).

    18 Edelmann, R.: Entwicklung und Evaluierung eines eines Enzymgebundenen Immunosorbent-Assays zur quantitativen Bestimmung von 17-a-Hydroxyprogesteron in Serum und Plasma. Diplomarbeit Fachhochschule Mannheim – Hochschule für Technik und Gestaltung (1999).

    19 Tischler, N.: Entwicklung des HIT-Serotonin-ELISAs als neuer funktioneller Test zur Diagnose von Heparin-induzierten Trombozytopenie Typ 2 (HIT-Typ 2). Diplomarbeit Fachhochschule Mannheim – Hochschule für Technik und Gestaltung (1999).

    20 Storhas, W.: Bioreaktoren und periphere Einrichtungen. Vieweg Verlag, Wiesbaden, ISBN 3-528-06510-9 (1994).

    21 Götz, P.; Reuss, M.: Einsatz strukturierter Modelle zur Beschreibung dynamischer Zustände mikrobieller Populationen unter Berücksichtigung der biologischen Trägheit. VDI-Jahrestagung, Wien, Chem.-Ing.-Techn. 64, 9 (1992).

    22 Büchs, J., Anderlei, T.: Persönliche Mitteilung. ACHEMA Frankfurt (2000).

    23 Büchs, J.: Kostenmodell. GVC Lüneburg 1992.

    24 Kulozik, U.: Verfahrenstechnik kontinuierlicher Fermentationen. VDI-Forschungsberichte, Reihe 17, Biotechnik Nr. 77 (1992).

    25 Buckel, P.: Forum Mikrobiologie (1990) 4, S. 199–205.

    26 Mack, M.: Bioverfahrensentwicklung – Grundlagen für die Entwicklung biotechnologischer Prozesse. Seminar Haus-der-Technik Essen (HDT) (2002).

    2

    Arbeitsgebiete der Bioverfahrenstechnik

    2.1 Einführende Betrachtungen

    Die Bioverfahrensentwicklung muss als interdisziplinäres Arbeitsgebiet auf mehrere in ihrem Wesen unterschiedliche Disziplinen zurückgreifen. Der Produktidee folgend muss die Mikrobiologie die Suche nach dem Mikroorganismus (Stamm → Produktionsstamm) anschließen, der das erforderliche Synthesepotenzial bzw. überhaupt die gewünschte (gesuchte) Fähigkeit zur Synthese besitzt. Das natürliche Synthesepotenzial ist in der Regel aus wirtschaftlicher Sicht völlig ungenügend, weil es für eine Zelle in ihrer Biozönose (Biotop, Abschnitt 2.2) keinen Vorteil bringt, eine bestimmte Substanz im Überschuss zu produzieren. Der Mikrobiologe ist aufgefordert, das vorhandene Potenzial bis zu einer wirtschaftlichen Syntheseleistung zu steigern. Das geschieht klassisch durch Mutagenese und Selektion, indem das Erbgut der Zellen ungezielt verändert wird und danach Stämme mit einem verbesserten Syntheseverhalten ausgewählt werden (Selektion, Abschnitt 2.2.2).

    In der modernen Biotechnologie kann hierbei die Molekularbiologie häufig enorme Hilfestellungen bieten, indem durch gezielte genetische Veränderungen (Eingriffe in einen Stoffwechselweg) eines Mikroorganismus ein Hochleistungsstamm direkt gewonnen werden kann (Abschnitte 2.3.1 und 2.3.2).

    Schon in diesem Stadium der Prozessentwicklung ist es erforderlich, von der Verfahrenstechnik die Randbedingungen für das zu erreichende Synthesepotenzial zu erfragen, um Fehlentwicklungen im Verfahren der Stammverbesserung zu vermeiden (Kapitel 8 und 9).

    Die Syntheseleistung verschiedener Stämme muss in Reihenuntersuchungen geprüft werden. Da in diesem Stadium häufig bis zu mehreren Hundert Mutanten zu untersuchen sind, müssen Systeme verwendet werden, die möglichst einfach und damit preiswert sind. Die einfachsten und damit auch billigsten Bioreaktoren sind die Schüttelkolben (Kapitel 4) [1]. Eine wichtige, aber auch sehr schwierige Forderung an die Verfahrenstechniker besteht allerdings in der richtigen Interpretation der Ergebnisse im Schüttelkolben und der Übertragung auf den nächstgrößeren Labormaßstab (5–50 l). Eine aus der Modelltheorie stammende sinnvolle Mindestreaktorgröße beginnt aus verfahrenstechnischer Sicht erst bei 50–100 l, denn erst ab dieser Größe lassen sich die Ähnlichkeitsgesetze zuverlässig genug anwenden (Abschnitt 2.7.3).

    Neben der Optimierung der Reaktion, des Fermentationsprozesses bzw. -ergebnisses, ist auch die rechtzeitige Optimierung des Upstream-Processing (Aufbereitung) vonnöten, damit die Reaktion immer die gleichen Startbedingungen besitzt (Kapitel 5). Auch die nachfolgenden Verfahrensschritte des Downstream-Processing (Aufarbeitung) müssen rechtzeitig bearbeitet werden, weil sie wiederum vom Reaktionsergebnis beeinflusst werden und häufig den größten Prozessaufwand darstellen (Kapitel 7).

    2.2 Stellung und Aufgaben der Mikrobiologie

    Die wesentliche Aufgabe der Mikrobiologie für die Bioverfahrenstechnik besteht in der Bereitstellung von Mikroorganismen für technische Prozesse.

    Verschiedene Typen von Organismen, ihre lebenden Zellen oder auch nur aktive Bestandteile davon, können in der Bioverfahrenstechnik stark vereinfacht und in der Theorie völlig ausreichend als Biokatalysatoren betrachtet werden (Kapitel 6). In der Praxis ist jedoch die biologische Seite der Bioverfahrensentwicklung äußerst komplex, weil die Synthesen nur sehr selten über einen Reaktionsschritt, d. h. durch ein Enzym katalysiert erfolgen. Die Verwendung von tierischen Zellen verlangt ganz andere Verfahren und Behandlungsweisen als die von pflanzlichen Zellkulturen oder gar Mikroorganismen. Am leichtesten lassen sich isolierte und präparierte Enzyme in ihren Reaktionen mit dem Verhalten von klassischen Katalysatoren der chemischen Verfahrenstechnik vergleichen. Wenngleich die Anwendung höherer Organismen, bzw. deren Zellen, in entsprechenden Kultursystemen zunehmende Bedeutung erlangt hat, so sind es doch die Mikroorganismen und mikrobiellen Enzympräparate, die nach wie vor die Biotechnologie dominieren. Auch für die Zukunft werden sie noch ein großes Potenzial aufweisen, das nicht zuletzt durch die Methoden der Gentechnik neue Dimensionen erreicht hat und erreichen wird. Zu den Mikroorganismen gehören neben den physiologisch so überaus vielfältigen Bakterien auch Eukaryoten, wie die Hefen und Schimmelpilze, sowie die Mikroalgen. Damit sind alle bekannten Ernährungsweisen und Stoffwechseltypen in Organismen vertreten, die durch ihre individuelle Kleinheit und relative Einfachheit am besten in technischen Anlagen verwendet werden können. Es ist immens wichtig, sich näher mit den Mikroorganismen als Biokatalysatoren für technische Produktionsprozesse auseinanderzusetzen, denn die Bereitstellung des geeigneten Biokatalysators ist eine zentrale Aufgabe der Mikrobiologie für die Bioverfahrenstechnik.

    Die Klassifizierung aller Organismen beginnt auf der Ebene der Art oder Spezies. Eine Spezies umfasst Organismen, die durch eine hohe Übereinstimmung in einer Vielzahl von wichtigen Merkmalen gekennzeichnet sind. Von einem Stamm spricht man dagegen im Zusammenhang mit einer genetisch einheitlichen Population von Organismen. Das heißt, die Individuen eines Stammes haben identische Eigenschaften. Sie stellen einen Klon (Nachkommenschaft einer Zelle) dar und werden nur durch Zellteilung vermehrt, sofern der Stamm erhalten werden soll. Die Herkunft eines Stammes kann sehr unterschiedlich sein, und dementsprechend hat man für verschiedene Typen von Stämmen unterschiedliche Begriffe geprägt. Eine Bakterienspezies umfasst z. B. folgende Typen von Stämmen [2]:

    Wildtyp: Ein Stamm, der an die Bedingungen des für die betreffende Spezies üblichen Biotops angepasst ist.

    Isolat: Ein Stamm, der nach Ausplattierung einer Probe durch Abimpfen einer einzelnen Kolonie als „Reinkultu" weiterkultiviert wird.

    Typus-Kultur: „Offizieller" Vertreter einer Spezies, meist der zuerst beschriebene Stamm; international verfügbar, besonders für Vergleichszwecke in Taxonomie und Identifizierung wichtig.

    Variante: Ein Stamm (Isolat), der sich in einem auffallenden Merkmal von der Mehrzahl der anderen Stämme einer Spezies unterscheidet – im Grunde eine Mutante.

    Mutante: Ein Stamm, der sich in einer oder mehreren definierten Eigenschaften von seinem Ausgangsstamm (Elternstamm) unterscheidet; meist mithilfe mutagener Agenzien künstlich erzeugt.

    Transformante, Konjugante, Rekombinante: Stämme, die durch Genübertragung (Transformation, Konjugation, Gentechnik bzw. In-vitro-Rekombination) entstanden sind.

    Produktionsstamm: Ein in der Biotechnologie (Fermentationstechnik) eingesetzter Stamm mit einer besonders hohen Produktausbeute bzw. Substratumsetzung (s. Stammverbesserung, Abschnitt 2.2.2).

    2.2.1 Beschaffung und Auswahl eines potenziellen Produktionsstammes

    Die Entwicklung von Produktionsstämmen für Fermentationsprozesse gliedert sich im Allgemeinen in mehrere Stadien.

    Am Anfang steht die Isolierung bzw. Auswahl eines oder mehrerer Stämme mit den gewünschten Eigenschaften, z. B. der Fähigkeit zur Synthese eines gesuchten Stoffes (potenzieller Produktionsstamm). Anschließend erfolgt die Überprüfung der Randbedingungen für Wachstum und Produktbildung zur Gewinnung von Kenntnissen über Stoffwechselweg, Regulation und Transport. In der Regel werden die potenziellen Produktionsstämme schon während dieses Untersuchungsstadiums einem Stammentwicklungsprogramm mit dem Ziel der genotypischen Optimierung zugeführt. Ausnahmen von diesem klassischen Entwicklungsschema gibt es bei der Expression von heterologen Proteinen in rekombinanten Mikroorganismen. Hier ist meist ein Escherichia-coli-Sicherheitsstamm als Wirtsorganismus die Basis für eine rein gentechnische Stammentwicklung. Das Bakterium, das ursprünglich keine Fähigkeiten zur Produktbildung besitzt, bekommt dabei die notwendige genetische Ausstattung, in der Regel in Form von Plasmiden, übertragen und wird dadurch zum Produktionsstamm.

    Parallel zur Stammentwicklung läuft übrigens zumeist auch die Prozessentwicklung (phänotypische Optimierung). Das Produktionsverfahren kann dann etabliert werden, wenn die erreichte Produktausbeute und die Umsatzrate einen ökonomischen Gesamtprozess erwarten lassen.

    Mikroorganismen für technische Prozesse können entweder selbst aus der Natur isoliert werden, oder sie können kommerziell erworben werden. Der Markt für leistungsfähige Produktionsstämme ist allerdings sehr klein, d. h. es ist schwierig, einen einsatzfähigen Produktionsstamm zu erwerben. Als Alternative zur Eigenisolierung existiert noch die Möglichkeit, auf Organismen-Sammlungen von Hochschulinstituten und Firmen zurückzugreifen. In verschiedenen europäischen Ländern sowie in USA und Japan gibt es große öffentliche Stammsammlungen, die eine breite Vielfalt von Mikroorganismen aufbewahren und verfügbar halten.

    Derartige Stammsammlungen offerieren zu relativ günstigen Konditionen definierte Organismen mit bekannten Charakteristika und Fähigkeiten (Tab. 2.1). Die ATCC bietet einen speziellen umfangreichen Katalog „Microbes and Cells at Work" an, in dem Mikroorganismen nach Produkten geordnet sind. Und auch im Katalog der DSMZ gibt es einen entsprechen Teil. Die hier aufgelisteten Organismen sind selbstverständlich keine Hochleistungsstämme, aber sie haben möglicherweise schon eine gesuchte Fähigkeit und können als potenzielle Produktionsstämme der Stammentwicklung zugeführt werden. Für viele Zwecke genügt es auch erst einmal, eine Kultur mit einer gewünschten Charakteristik zur Verfügung zu haben. Hiermit kann man schon viele Entwicklungsarbeiten, wie z. B. Produktanalytik und Produktaufreinigung, vorantreiben. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Produktionsorganismus bzw. die Suche nach einem besseren Stamm kann dann parallel dazu durchgeführt werden.

    Tabelle 2.1 Bekannte Stammsammlungen mit Adressen.

    Forschungsinstitute mit Stammsammlungen sind in der Regel auch

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