Kultur und Kollektiv
Von Klaus P. Hansen, Lena Schmitz, Daniel Falb und
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Über diese Serie
Titel in dieser Serie (9)
- Nationalkultur versus Berufskultur: Eine Kritik der Kulturtheorie und Methodik Hofstedes
2
Wenn Kultur erforscht wird, stehen stets ethnische Gruppierungen (Stämme, Völker, Nationen) im Vordergrund. Das gilt auch für die Schriften von Geert Hofstede, der die empirische Kulturforschung bekannt machte. Seine IBM-Studie »Culture's Consequences - International Differences in Work Related Values« fand genauso viele Verfechter wie vehemente Kritiker. Lena Schmitz führt in diese Kontroverse ein und zeigt durch umfassendes Belegmaterial sowie eine eigene Studie, dass die Kritiker Recht haben: Der Kulturbegriff und das Konzept »Kulturdimension«, so wie sie von Hofstede verwendet werden, erweisen sich als ebenso wenig wissenschaftlich tragfähig wie seine empirische Methodik.
- Geschäftsleute unter sich: Die Internationalität der Business Culture
3
Internationale Geschäftsabschlüsse drohen an kulturellen Differenzen zu scheitern - so propagiert es die interkulturelle Kommunikation. Ana-Lucia Baldauf entkräftet diese Befürchtung durch einen Vergleich von interkulturellen und nationalen Ratgebern in Deutschland und den USA. Sie zeigt: Die inzwischen internationalisierte Kultur der »Business People« nimmt wenig Rücksicht auf nationale Umgangsformen.
- Kollektivitäten: Population und Netzwerk als Figurationen der Vielheit
1
Unter Rekurs auf Bruno Latour und Gabriel Tarde entwirft Daniel Falb eine prozessorientierte Vorstellung von Kollektivitäten, in der Populationen und Netzwerke in ihrer wechselseitigen Konstitution im Zentrum stehen. In einer neuartigen Grundlegung der Sozialontologie werden Kollektivitäten als »Prozessobjekte« bestimmt, die sich allein performativ über Wiederholungen in der Welt halten. Dieser interdisziplinäre Ansatz lässt das philosophische Universalienproblem, die wissenschaftshistorische Frage nach dem Grund statistischer Stabilität und das soziologische Thema der Materialität von Akteur-Netzwerken in ihren Logiken ebenso wie in ihrem Zusammenhang transparent werden.
- Rechtspopulismus und Hegemonie: Der Aufstieg der SVP und die diskursive Transformation der politischen Schweiz
4
Die Schweizerische Volkspartei ist binnen 25 Jahren von einer braven Klientelpartei zum politischen Taktgeber avanciert. Sie ist nicht nur die stärkste politische Kraft des Landes, sondern auch ein Vorbild des europäischen Rechtspopulismus. Marius Hildebrand beleuchtet die Karriere der SVP mithilfe der formalen Populismustheorie Ernesto Laclaus. Im Unterschied zu sozialstrukturellen und ideologiekritischen Analysen, die den Populismus als Anomalie perspektivieren, wird er hier als Effekt einer diskursiven Transformation der politischen Schweiz betrachtet.
- »Eternal Present?« - Palästinensische Identitäten im Libanon
5
Auch 70 Jahre nach der Vertreibung aus ihrer Heimat hat sich die Lage der palästinensischen Flüchtlinge im libanesischen Exil nicht verbessert. Viele leben immer noch in Flüchtlingslagern und sind somit räumlich wie gesellschaftlich nicht in die Majoritätsgesellschaft eingegliedert. Wulf Frauens Studie über die Identitätsbildungsprozesse dieser Flüchtlinge spiegelt das ganze Elend einer nicht zur Ruhe kommenden Region wider. Während bisherige Publikationen zumeist das Bild eines in der Vergangenheit fußenden, weitestgehend uniformen Identitätsentwurfes zeichnen, wird hier ein differenzierterer Erklärungsvorschlag unterbreitet: Über das Nachvollziehen generationeller Bruchlinien wird nicht nur deutlich, welche bunte Vielfalt Identitäten eines Kollektives in der Diaspora haben können, sondern auch, warum es auch für uns wichtig ist, diese zu verstehen.
- Kulturrelativistische Positionen und ihre Aktualität: Herder - Boas - Herskovits
6
In der Geschichte der amerikanischen Kulturanthropologie stellt der Kulturrelativismus einen Meilenstein dar. Dementsprechend gefeiert wird Franz Boas, dessen Werk The Mind of Primitive Man (1911) vielen noch heute als kulturrelativistisches Manifest gilt. Doch er wird zunehmend kritisch betrachtet, und vor allem indigene Stimmen relativieren seine Bedeutung für die Entstehung einer antirassistischen Kulturanthropologie. Um die Rolle Boas' besser bewerten zu können, zeichnet Magdalena Kopp die Genese des Kulturrelativismus ausgehend von Johann Gottfried Herder über Boas selbst bis hin zu Melville J. Herskovits nach. Das Ergebnis: Eine einheitliche Traditionslinie gibt es nicht.
- Das Paradigma Kollektiv: Neue Einsichten in Vergesellschaftung und das Wesen des Sozialen
7
Trotz seiner Einzigartigkeit gehört jedes Individuum unzähligen Kollektiven an, die sich aus der jeweiligen Dynamik von Gemeinsamkeit und Differenz entwickeln. Von dieser Prämisse ausgehend, präsentiert Klaus P. Hansen ein kollektivwissenschaftliches Paradigma, welches das Grundmodell Kollektiv-im-Kollektiv in seine Möglichkeiten und deren Bedingungen auseinanderfaltet. Um diese Varianten zu erfassen, werden die Begriffe »Multi-, Prä-, Pan- und Polykollektivität« eingeführt. Diese Begriffe eröffnen eine kleinteilige Sicht auf Sozialität, die ohne die Vereinheitlichungen Gesellschaft und/oder Kultur auskommt.
- Formen kollektiver Intentionalität: Eine interdisziplinäre Typologie
8
In der Debatte der kollektiven Intentionalität lassen sich drei Hauptströmungen ausmachen: Phänomenologie, Sprachanalytik und evolutionäre Verhaltensforschung. Claudia Schroth strebt eine methodologische und terminologische Gegenüberstellung an, etwa hinsichtlich der Verwendung der Begriffe »Intentionalität«, »Kollektiv«, »shared« und »joint«. Strömungsübergreifend gilt: Für eine tiefgreifende Gemeinschaft müssen die Beteiligten auf ein und dasselbe Objekt in ein und derselben Weise bezogen sein, sodass ein spezifisches »Subjekt« - ein Team - entstehen kann.
- Die Anatomie des Kollektivs: Zu Klaus P. Hansens Kollektivtheorie
9
Als Konsequenz aus der Kritik an ethnisierenden Kulturbegriffen baut Klaus P. Hansen seit Ende der 2000er-Jahre seine Kultur- zur Kollektivtheorie um. Statt kulturelle Standardisierungen mehr oder weniger unreflektiert Ethnien oder Nationen zuzuschreiben, stellt er explizit die Frage nach den Kulturträgern selbst: Kollektive jeder Form, Größe und Struktur. Im Zentrum dieses Denkens stehen intra- und transkollektive Gemeinsamkeiten, Mehrfachzugehörigkeiten und die unauflösbare Spannung zwischen Homogenisierungs- und Heterogenisierungsprozessen. Die Beiträger*innen dieser Festschrift für Klaus P. Hansen kommentieren den Kollektivansatz aus verschiedensten disziplinären Perspektiven und denken ihn konstruktiv weiter.
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