Gwendolyn & Mortimer 2: Der Smaragdring
Von Barbara Bilgoni
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Über dieses E-Book
Barbara Bilgoni
Barbara Bilgoni, geboren 1955, lebt in Niederösterreich. Sie wuchs im 12. Wiener Bezirk, Meidling, auf und besuchte ein Realgymnasium. Nach der Matura arbeitete sie als Bankangestellte, lediglich unterbrochen von zwei Babypausen. Jetzt, im Ruhestand, hat sie sich auf den in ihr schlummernden Humor besonnen und nutzt jede freie Minute zum Schreiben. Begonnen hat sie im ersten Corona-Lockdown im März 2020. Mit ihrer realitätsnahen Sprache gibt sie sich als „Autorin mit einem Augenzwinkern“ zu erkennen. Gerne streut sie auch hin und wieder österreichische Ausdrücke ein, damit diese nicht in Vergessenheit geraten. Die handlichen Romane passen in jede Tasche und sorgen für Kurzweil im Zug, im Strandbad oder vor dem Zubettgehen. Nunmehr wendet sich Barbara Bilgoni, die zweifache Mutter und Großmutter, auch dem Genre Märchenbücher zu und schreibt mit großer Empathie liebevolle Geschichten für Kinder. Barbara Bilgoni hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu unterhalten und gleichzeitig auf spielerische Weise und ohne erhobenen Zeigefinger Wissen zu vermitteln. Im Jahr 2022 hat sie für jedes neu erschienene Buch (Romane, Die Klapperschlangenbande) für die Umwelt Bäume zu pflanzen. Sie hat sich für die Avocado entschieden. Diese speichert pro Jahr 500 kg CO2, liefert im Heimatland Früchte und schafft somit Arbeitsplätze, dort wie sie rar sind. Sie hofft damit die Welt ein bisschen besser zu machen.
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Gwendolyn & Mortimer 2 - Barbara Bilgoni
Gwendolyn & Mortimer 2
Der Smaragdring
1
18. Februar 23
B
ei seiner täglichen Runde hörte Stan, der Postmeister in Rosemount, schon aus einiger Entfernung Mrs. Florence Appleby in ihrem Cottage weinen und schreien. Und zwar so hysterisch, dass der arme Benno, Stans schwarzer Kater, der ihn zuweilen auf seinen Touren begleitete, entsetzt Deckung hinter dem leider noch winterlich kahlen Fliederbusch suchte und partout nicht mehr herauszubekommen war. Nicht mit Geld und guten Worten. Er hatte Panik!
Nun war der Briefträger ratlos. Was sollte er tun? Er wusste ja, dass die Dame allein lebte und keinen Kontakt wünschte. Schon gar nicht mit ihm. Doch hier musste unbedingt gehandelt werden! Er konnte aber schlecht die Polizei rufen, bloß weil jemand bei sich daheim schrie. Dann war es womöglich nur eine Spinne oder eine kleine Maus, die für dieses Chaos sorgte. Danach wäre er der Blamierte.
Entschlossen durchschritt er also die Gartenpforte, über die er dereinst im Rausch gestürzt war, und hämmerte mit der Faust gegen die Haustür. Als er aber keine Antwort bekam, trat er einfach ein. Manchmal musste ein Mann auf Konventionen pfeifen und einfach handeln. Die Türen waren Gott sei Dank in Rosemount tagsüber nie verschlossen. Auch bei der vornehmen Lady nicht.
Mit klopfendem Herzen öffnete er und trat mutig ein.
Mrs. Appleby stand wild fuchtelnd in der kleinen Küche, die Haare wirr und zerzaust und die Augen verschwollen …
Nun muss man aber Folgendes wissen: Rosemount war ein wunderschönes verschlafenes Örtchen in Cornwall. Es bestand lediglich aus siebenundzwanzig nieder hingeduckten Cottages, einem Postamt, ein paar kleinen Lädchen, dem Pub, dem Polizeiposten und der Town Hall, also dem
Rathaus. Ach ja, eine Schule gab es ebenso. Die musste sein, denn hier lebten ja auch Kinder.
Die winzigen ebenerdigen Häuschen waren in grauer Vorzeit zumeist aus Naturgestein gefertigt worden, zusammengeklebt und verschmiert mit Mörtel. Viele davon waren sogar noch strohgedeckt, wie man es aus den beliebten Fernsehfilmen kennt.
Alles in allem floss das Leben der Bewohner beschaulich, friedvoll, ja, idyllisch dahin. Bis auf den Mord am Fleischer und den Diebstahl der Pensionsschecks letztens. Aber das waren gottlob Ausnahmefälle. Und dann gab es da noch die Gang, ein wirklich übles Pack! Aber dazu später.
An diesem Tag war jedoch alles anders. Ganz anders!
Mrs. Appleby war eine ziemlich vornehme Lady. Unverheiratet und seeehr distinguiert. Sie beharrte immer darauf, dass ihr Vater ein Adeliger gewesen sei. Leider hatte dieser sich aber schon vor ihrer Geburt aus dem Staub gemacht. Egal! Blaues Blut war blaues Blut!
Niemand konnte es ihr recht machen. Schon gar nicht der arme Stan, der nette Postmeister. Er kam täglich bei ihr vorbei auf dem Weg, den er stets nahm, um seine Poststücke, Briefe und Pakete, auszutragen, jedoch mochte sie ihn überhaupt nicht. Und zwar seit dem denkwürdigen Tag, als der bedauernswerte Stan von Walter, seinem Freund, an dessen Geburtstag abgefüllt worden war.
Damals war es nämlich geschehen, dass der Briefträger sternhagelvoll und schweinische Lieder singend über den Zaun der zimperlichen Lady gestürzt war und alles mit sich gerissen hatte.
Seither vermied sie tunlichst den Kontakt mit ihm. Man konnte sich so einem Rüpel nicht anbiedern. Sie versteckte sich immer hinter dem Vorhang, wenn sie ihn kommen sah, und öffnete ihm nicht die Tür, sodass Stan die Post in den Briefkasten werfen musste. Das war schon ungewöhnlich in dem kleinen Dorf.
Der gute Mann durchschaute zwar ihre tägliche Rochade, ihm war diese aber egal.
Nun könnte man vielleicht annehmen, dass Stan ein Ignorant war. Aber das Gegenteil war der Fall. Er nahm regen Anteil an den Schicksalen seiner Mitbürger. Bei der Lady war er jedoch zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, sie nicht noch zusätzlich zu reizen. Er akzeptierte den kriegsähnlichen Zustand und dachte sich seinen Teil.
„Mein Ring, mein wundervoller Smaragdring ist weg! Verschwunden! Gestohlen! Jawohl, gestohlen! Denn wo sollte er sonst abgeblieben sein? Räuber, Diebe, verfluchtes Gesindel!"
„Mrs. Appleby, setzen Sie sich doch erst einmal. Sie sind ja völlig außer sich. Und Atmen nicht vergessen! Ein und aus …"
Stan ging zur Abwasch, füllte ein Glas mit kaltem Wasser für die echauffierte Dame und reichte es ihr zuvorkommend.
Sie hatte inzwischen Platz genommen und tupfte sich vergebens mit einem bestickten Seidentuch die Augen trocken. Mit Papiertaschentüchern gab sie sich ganz und gar
nicht zufrieden. Stan konnte sehen, dass sie untröstlich war. Das tat nun dem mitfühlenden Briefträger in der Seele weh. Trotz aller Ungemach, die er mit Florence Appleby stets hatte.
„Jetzt trinken Sie erst einmal in Ruhe ein Schlückchen und erzählen mir von Anfang an, was passiert ist. Dann sehen wir weiter. Vielleicht kann ich ja helfen."
„Stan. Ich schäme mich so, dass Sie mich in diesem bemitleidenswerten und desolaten Zustand zu Gesicht bekommen. Ich weiß, ich bin nicht immer nett zu Ihnen gewesen, und halte Sie für einen Trunkenbold und Taugenichts."
„Ach, machen Sie sich keine Sorgen. Das vergessen wir jetzt ganz schnell und die Begebenheit, auf die Sie anspielen, war ein einmaliger Ausrutscher, für den ich mich noch immer sehr schäme.
Mein Freund Walter, Sie wissen schon, der, der im Rollstuhl sitzt und drei Häuser die Straße runter wohnt, hatte Schuld. An diesem
Tag war sein Geburtstag gewesen. Nun ist es ja so, dass Leute, die, so wie er, ziemlich isoliert leben und nicht mehr so mobil sind, jede Gelegenheit ergreifen, sich etwas Freude zu gönnen.
Er hat mich daher, eben an seinem Ehrentag, zu ein paar Schnäpsen eingeladen. Ich wollte eigentlich gar nicht annehmen, denn ich hatte zuvor noch nicht gefrühstückt. Und auf nüchternen Magen … Sie wissen sicher, was ich meine? Nicht? Na, auch gut. Aber sollte ich den armen Kerl so vor den Kopf stoßen? Nein, das brachte ich nicht übers Herz. Das werden sogar Sie verstehen! Oh, pardon!"
Stan wischte sich peinlich berührt mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Die Lady machte ihn immer ein wenig nervös.
„So etwas tut man einfach nicht. Ja, und da kam es halt, dass ich nachher etwas betrunken war. Ich betone: etwas! Es hat mir ja auch leidgetan."
„Nun gut. Etwas ist zwar die Untertreibung des Jahres, aber sei es, wie es sei. Das ist jetzt
nicht mehr zu ändern. Jedoch nun zurück zu meinem Unglück."
Florence schluchzte ein paar Mal zum Steinerweichen.
„Ich hatte einen wertvollen antiken Smaragdring. Ein Erbstück von meiner Großmutter selig, mütterlicherseits. Granny Isabell. Angeblich befindet sich der schon Jahrhunderte in unserer Familie. Er wurde immer von der Mutter an die Tochter vererbt. So wollte es der Brauch."
Sie tupfte sich die Nase und nahm einen beherzten Schluck aus dem Wasserglas. Gerne hätte sie jetzt etwas Hochprozentiges gehabt …
„Großmutter Isabell hatte sich eine arge Lungenentzündung eingefangen, als sie unten beim Flüsschen ihre Wäsche gewaschen hatte. Ja, Sie schauen so zweifelnd. Das waren damals andere Zeiten. Es muss so anno 1860 gewesen sein, vermute ich mal. Die Zeiten waren schlecht. Aber ich schweife ab. Granny hatte also im Bett gelegen und hoch gefiebert. Der Pfarrer und der Doktor waren bei ihr. Als sie
schließlich ihr Ende herannahen spürte, ersuchte sie den Geistlichen, ein Schächtelchen aus der Lade ihres Nachtschränkchens zu nehmen.
Der fromme Mann tat ihr den Gefallen und reichte ihr das Behältnis neugierig, was wohl drinnen wäre.
,Den Inhalt dieses Kästchens vererbe ich meiner einzigen Tochter, Amelia. So will es der Familienbrauch. Mehr besitze ich nicht. Bitte, Herr Pfarrer, suchen Sie nach meinem Kind. Ich hab sie schon zwei Jahre nicht mehr gesehen seit dem bösen Streit damals.´
Und dann schloss sie die Augen für immer.
Der Priester, der den Ring gerne als Spende fürs Kirchendach genommen hätte, konnte aber, da der Arzt der Szene beigewohnt hatte, das Erbstück nicht in seiner Tasche verschwinden lassen. Und so machte er sich, wenn auch widerwillig daran, nach Amelia, meiner Mutter, zu forschen. Wie sich herausstellte, wohnte diese nur drei Dörfer entfernt, hatte sich jedoch vor etlichen Jahren
mit ihrer Mutter, Isabell, zerstritten, weil diese ihren Verlobten nicht akzeptieren wollte. Angeblich war Granny eine unleidliche, sauertöpfische und hochnäsige Person. Eine schreckliche Frau. Pah! Man kann sich das gar nicht vorstellen! Wie kann man bloß böse so sein?
Aber ich schweife ab. Also, meine Mutter, Amelia, hat vom Pfarrer den Ring erhalten, ihren Geliebten geheiratet und ich kam im Jahr darauf zur Welt. Leider ist mein Vater, ein Edelmann,
