Kämpfe in der Seele: Von den begrenzten Tugenden
Von Udo Manshausen
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Über dieses E-Book
Es bleibt meistens außer Acht, die genaue Beschaffenheit der Laster zu erkunden. Genau an dieser Stelle möchte der Inhalt des Buches neue Erkenntnisse vermitteln. Sie werden erfahren, warum der Zorn Selbstmord begeht; die Demut für den Hochmut keine ernst zu nehmende Gegnerin ist und dennoch gewinnt; die Traurigkeit ein schlimmeres Übel ist als der Tod.
Gemäß der eigenen seelischen Schieflage kann an der entsprechenden Stelle des Buches eingestiegen werden. Die Inhalte möchten Impulse vermitteln, um zu einer neuen Klarheit über die eigene Seelenlage zu kommen. Zudem wird beschrieben, wie man konkret zu einer inneren Balance zurückfinden kann.
Das Buch möchte ein Ratgeber sein, um die eigenen Kämpfe in der Seele besser befrieden zu können.
Udo Manshausen
Nach dem Studium der katholischen Theologie war er 6 Jahre als Seelsorger in der JVA Berlin-Plötzensee tätig. Als selbständiger Berater und Therapeut widmet er sich seit 30 Jahren der Persönlichkeitsentwicklung von Menschen in verschiedenen Lebensbereichen. Die Krisenintervention ist dabei ein Schwerpunkt. Seine Gedanken und seine Lebenshaltung sind von der Lebensweisheit der Wüstenväter geprägt. Sie haben seit dem 3. Jh. in den Wüsten Ägyptens als Einsiedler gelebt. Ihnen ist er in der Zurückgezogenheit des persönlichen Lebens, dem täglichen Gebet, der Schriftlesung und dem geistlichen Studium gefolgt. In der bewusst gelebten Einsamkeit hat er ausreichend Zeit, die inneren Spannungen und das Leidvolle in seiner Seele zu befrieden. Im Hinblick auf die Weisheit der Wüstenväter sind von ihm zwei Bücher erschienen. Aufgrund seiner Ehescheidung durfte er nicht mehr weiter als Pastoralreferent in der Seelsorge tätig sein. Bis heute ist er mit einem entsprechenden Berufsverbot in der kath. Kirche belegt. Dies führte zu seiner Selbständigkeit als Lebensberater, Therapeut und Dozent. Seine Themenschwerpunkte sind Ethik des Führens, suizidale Krise sowie Konfliktbewältigung. Viele Jahre begleitete er Gruppen der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Seit 1999 schreibt er wöchentliche Meditationsbriefe an einen festen Leserkreis. Die Inhalte sind getragen durch das Wissen der Wüstenväter sowie durch die Inhalte der klassischen Tugenden und ethisch geprägten Werte.
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Buchvorschau
Kämpfe in der Seele - Udo Manshausen
Vorwort
Dieses Buchprojekt ‚Kämpfe in der Seele. Von den begrenzten Tugenden’ beschäftigt sich mit den inneren Auseinandersetzungen des Menschen. Damit wir nicht zu lange darüber nachdenken müssen, durch welche Neigungen und Versuchungen wir in problematische Seelenlagen hineingeraten können, gibt uns die Aufzählung des Jesus von Nazareth im Markusevangelium erste gute Hinweise: „Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft …"1 Durch diese Fehlhaltungen entstehen seelische Tumulte, die einer Befreiung und neuen Orientierung bedürfen. Es ist naheliegend, die Tugenden als helfende Unterstützung einzusetzen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich jedoch herausgestellt, dass die viel gelobten Tugenden in diesen Seelenkämpfen nur eine begrenzte Wirkung haben. Dieser Umstand ist weniger im Unvermögen oder Unwillen des Einzelnen begründet, sondern liegt vielmehr an einer zu ungenauen Einschätzung der Laster an sich und an der Fixierung auf ein genaues Einhalten bestimmter Tugendinhalte.
Im Kampf mit den dunklen Seelenkräften ist es jedoch unabdingbar notwendig, sich intensiv mit der Substanz der Laster zu beschäftigen. Durch aufmerksame Beobachtung können wir erkennen, dass die Laster in sich selbst Phänomene enthalten, die wir für die seelische Befreiung nutzen können. Von daher ist es von wesentlicher Bedeutung, diese ‚Knackpunkte’ herauszufinden. Wenn es uns nicht gelingt, diese zerstörerischen Belastungen zu überwinden, können sie in bestimmten Ausprägungen das eigene Dasein völlig zugrunde richten.
Die Suche nach Aspekten für eine lebenspraktische Hilfestellung im Reflexionsfeld der Laster und Tugenden ist in der heutigen Moderne stark in den Hintergrund gerückt. Dieser Themenkomplex hat sich weitgehend in den Bereich eines ethisch-religiösen Nachdenkens verlagert. Wer kann die Kardinaltugenden noch aufzählen oder kennt die Gefahrenpunkte der Laster wirklich? Die Tugendweisheit spielt bei der Verwirklichung einer ausgewogenen Seelenlage leider nur noch eine eher untergeordnete Rolle. Die Gefährlichkeit der Laster hingegen ist geblieben. Diese entstandene Weisheitslücke kann somit als tragisch bezeichnet werden, da wesentliche und hilfreiche Reflexionsansätze angesichts der Vielzahl seelischer Nöte nicht mehr selbstverständlich zur Hand sind. Das Ziel einer friedvollen inneren Balance gemäß den Tugenden ist dadurch ebenfalls aus dem Blick geraten.
Die Inhalte dieses Projektes möchten einen Beitrag dazu leisten, dem Kampf gegen die Laster mithilfe der menschheitlichen Weisheit eine neue impulsgebende Aufmerksamkeit zu verleihen. Sie knüpfen an frühere Zeiten an, in denen die einzelnen Menschen sich mit den Tugenden und Lastern intensiv auseinandergesetzt haben, um den eigenen unguten seelischen Abhängigkeiten mit Herz und Verstand wirkungsvoll begegnen zu können.
Die Gründe für eine Abkehr von den Inhalten der Tugenden sind vielfältig. Es drängt sich jedoch ein Phänomen besonders auf, das sich vor allem mit der katholischen Kirche verbinden lässt. Durch ihre moralische Bewertung der offenkundigen Fehler der Menschen ist sie am Niedergang der Beschäftigung mit den Tugenden stark beteiligt. Sie hat – und vollzieht dies auch heute noch – das Menschsein des Einzelnen je nach dem Grad der Ausbreitung seiner unguten Leidenschaften ab- oder aufgewertet. Als religiöse Bestrafung wird den Glaubenden im schlimmsten Falle die ewige Hölle in Aussicht gestellt, in die dann – so die religiöse Vorstellung – Gott selbst die Menschen als höchste Verurteilung hineinwirft². Auf diese Weise wird ein im wahrsten Sinne des Wortes ungeheuerliches’ Feld möglicher Schuldgefühle und Ängste ausgebreitet, die den Einzelnen zusätzlich zu seinem Kampf mit den Lastern von vorneherein in tiefe seelische Konflikte stürzen können.
Mit dem heutigen Rückgang der Bedeutung konfessioneller Religiosität hat in Bezug auf die Angst, in die ewige Verdammnis der Hölle geworfen zu werden, eine seelische Befreiung stattgefunden. Leider erfolgte in diesem Fahrwasser der Freiheit gleichzeitig ein sich ausbreitender Vorbehalt gegenüber den Tugenden an sich, da sie in der Vergangenheit oftmals unter moralischen Aspekten sogar zwangsweise ‚verordnet’ worden sind. Es wird eine längere Zeit dauern, bis eine Ausrichtung nach den Tugenden wieder als sinnvoll erkannt wird, sodass erneut ein freies, selbstverantwortetes und heilsames Verhalten durch sie unterstützt werden kann. Bis dahin bleibt ein weitreichender Verlust eines Tugendbewusstseins mit den entsprechenden Folgen für die Lebenspraxis zu beklagen.
Als inhaltliche Gegenbewegung zu einer Moralisierung der Laster – im Sinne eines umfassenden Verständnisses vom Wesen des Menschen an sich – entwickelte Sigmund Freud eine andere einschätzende ‚Bewertung’ angesichts der teilweise verheerenden seelischen Auswirkungen so mancher Laster. Im Rahmen seiner Psychoanalyse wirbt er dafür und legt einsichtig dar, jegliches problematisches Verhalten zunächst wertfrei als Phänomen zu betrachten. Dadurch ist es eher gegeben, die seelischen Abläufe und den damit verbundenen inneren seelischen Druck bis hin zu den Absichten möglicher Zerstörungsdynamiken genauer zu beschreiben. Aufgrund der gewonnenen Einschätzungen können anschließend therapeutisch gestaltete seelische Entlastungen wirkungsvoller eingeleitet werden. Manche versuchen jedoch wiederum einen solchen Betrachtungswinkel zu entschärfen oder ihn als nicht notwendig darzustellen, indem sie dazu neigen, einige Laster ‚gesellschaftsfähig’ machen zu wollen: ‚Was ist eigentlich schlimm daran, übermäßig Alkohol zu trinken, Rauschmittel zu nehmen, seine Wut herauszulassen, immer der Beste sein zu wollen und der Sexualität freien Lauf zu lassen?’
Was auf alle Fälle nicht wegzureden und somit bleibend ist, sind die seelisch irdischen Qualen, denen wir anheimfallen können, wenn sich ein Laster tief in unsere Seele hineingebohrt hat.
Selbstverständlich kann der Einzelne grundlegend infrage stellen, sich mit den Tugenden überhaupt auseinandersetzen zu sollen. Viele vertreten die Ansicht, dass wir diese Inhalte nicht unbedingt benötigen und sie eher einem antiquierten Wissen zuzuordnen sind. Um einer solchen Ansicht jedoch entgegenzuwirken, möchte dieses Projekt die grundlegende Wichtigkeit einer Beschäftigung mit den Tugenden und Lastern auf einfühlsame Weise bewahrheiten. Es ist auf jeden Fall angebracht, gegen die Laster nach abwehrenden Handlungsmöglichkeiten Ausschau zu halten, da der Ausbruch leidenschaftlicher Exzesse keineswegs durch kluge Überlegungen oder moralische Appelle – Reflexion des unguten Verhaltens mithilfe der Tugenden und die Aktivierung eines schlechten Gewissens – einfach zu stoppen ist. Ein mögliches Wissen in Sachen Kardinaltugenden mit der Note ‚sehr gut’ hilft wenig weiter, da die Wirkweisen der unguten Leidenschaften kein rein intellektuelles Problem darstellen. Die Laster nehmen Seele, Geist und Körper gleichermaßen länger anhaltend in Beschlag. Es bedarf zur Unterstützung deshalb vor allem einer seelischen Balance, die uns nach der Ausbreitung eines Lasters beruhigend tragen und uns damit vor dem seelischen Abgrund bewahren kann. Eine solche gefestigte und ausbalancierte Lebenshaltung kann jedoch nur durch eine längere persönliche Entwicklung im Sinne einer Reifung entstehen, sodass diese zu einem seelischen Habitus des Einzelnen heranwachsen kann.
Bei allen diesen Überlegungen im Hinblick auf eine neue helfende Ausrichtung gegen unsere Laster ist es angesichts eines Seelenchaos unbedingt ratsam, eine moralische Bewertung völlig außen vorzuhalten. Wir dürfen unsere für den seelischen Kampf notwendigen Kräfte nicht bereits im Feuer der Schuldgefühle zunichtewerden lassen. Vielmehr sei grundlegend ein inneres seelisches Gleichgewicht unser Lebensziel, das unser Inneres durch alle seelischen Stürme im Vertrauen auf Gottes Hilfe hindurchtragen kann. Ohne die Möglichkeit einer inneren Rückkehr zu einer herangereiften individuellen Balance werden wir unser Selbst im Nirgendwo der Dunkelheit verlieren, da uns kein Licht als Wegweiser zu einer inneren Heimat leuchten wird.
Im Laufe der Darlegungen wird deutlich werden, dass eine persönliche religiöse Einstellung oder Weltanschauung von erheblich unterstützender Bedeutung bei den seelischen Kämpfen sein kann.
Niederkassel, Juni 2022
Udo Manshausen
¹ Mk 7,21-23; Einheitsübersetzung.
² Vgl. Dan 12,2; Mt 25,46; Lk 12,4-5,
https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6llensturz; aufgerufen am 22.08.2021. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCnde; aufgerufen am 22.08.2021. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6lle; aufgerufen am 22.08.2021.
Einführung
Für eine aussichtsreiche Bekämpfung der Laster oder Fehlhaltungen im Sinne einer seelischen Befreiung ist ein deutlich kritischer Blick auf die tatsächliche Wirkung des Einsatzes der Tugenden vonnöten. Im Rahmen der bisherigen klassischen Tugendlehre – ein Verhalten wird als besonders gefahrvoll eingestuft und eine entsprechende Tugend als Heilmittel entgegengestellt – bleiben die offensichtlichen Grenzen der Tugenden meistens außer Acht. Eine weitreichende und tatsächlich wirkende Befriedung der eigenen Seelenlage ist somit infrage gestellt. Von daher ist es notwendig, die eingeschränkten Möglichkeiten der Tugenden eigens zu thematisieren.
Mit der Hilfe der Gedanken des christlichen Autors Aurelius Prudentius Clemens können wichtige zusätzliche Aspekte beim Kampf gegen die Laster entdeckt werden. Diese finden sich in seinem allegorischen Gedicht ‚Psychomachia’³ beschrieben, das den seelischen Kampf als bildhaftes Schlachtgetümmel intensiv in Szene setzt.
Der Dichter Prudentius wählt zunächst gemäß der traditionellen Herangehensweise die entsprechende Tugend aus, mit der ein bestimmtes Laster besiegt werden soll. Im Zuge dessen stellt er z. B. dem Hochmut die Demut folgerichtig als Gegnerin entgegen. Er hebt jedoch auch die Schwäche der Demut hervor, indem er den Hochmut die Armseligkeit der Demut belächeln lässt, da sie aus Sicht eines stolzen Kämpfers in einem echten Kampfgetümmel nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen hat. Der Hochmut weigert sich sogar, gegen einen solch schwachen Gegner anzutreten. Durch eine Besinnung, die durch die Demut eingeleitet wird, kann jedoch wesentlich erkannt werden, dass entscheidende Fallstricke im Hochmut enthalten sind, die ihn letztlich selbst zu Fall bringen werden. Die Begrenztheit des Einsatzes der Tugenden wird bei Prudentius dem Leser unverkennbar vor Augen geführt und durch neue Erkenntnisse wirkungsvoll ausgeglichen.
Prudentius macht mit seinem Gedicht somit unmissverständlich klar, dass wir einer besseren Einschätzung der Laster bedürfen, um sie besiegen zu können. Der bisherige klassische Betrachtungswinkel, der den Schwerpunkt ausschließlich auf den Einsatz der Tugenden legt, wird bei ihm zugunsten einer genauen Einschätzung der Laster weiterentwickelt. Das hat zur positiven Folge, dass den begrenzten Tugenden eine ergänzende, wirksame und somit heilsame Unterstützung widerfährt.
Auf ähnliche Weise geht Prudentius bei der Darstellung der Laster ‚Zorn, Völlerei, sexuelle Begierde und Habsucht’ vor. Auch diese tragen etwas in sich, dass sie letztlich selbst um Kopf und Kragen bringen wird. Durch die Konzentration auf das Epizentrum der jeweiligen Laster wird dies besonders erfahrbar. Das Laster ist im Grunde sich selbst zutiefst sein eigener Gegner. Angesichts dessen ist das Streben nach Vollkommenheit in der Sphäre der Tugenden nicht von vorrangiger Bedeutung, um eine seelische Entlastung erwirken zu können. Es wird entscheidend sein, die Ausdrucksformen der Fehlhaltungen zu entschlüsseln, um die Strategie im Seelenkampf darauf ausrichten zu können.
Für Prudentius steht zudem die Besinnung – zur herzlichen Vernunft gelangen – als entscheidendes Mittel im Zentrum jedweden Seelenkampfes. Diese ist bei ihm sowohl von den jeweiligen Tugenden als auch von den Werten des christlichen Glaubens entscheidend geprägt. Bei seinem Gedankenansatz geht es ihm auf keinen Fall um ein erzieherisches Verhaltenstraining angesichts der Laster. Für ihn ist vielmehr die Prägung des Charakters in einem guten Sinne von großer Bedeutung, da vor allem die gute Gesinnung den vielfältigen Versuchungen etwas Wirksames und Nachhaltiges entgegensetzen kann. Die Schwachstellen der Laster ‚Traurigkeit, Verdrossenheit und Ruhmsucht’ werden mithilfe der Weisheit der Wüstenväter, des alttestamentlichen Buches Kohelet, der Kirchenväter Johannes Chrysostomus und Augustinus, des Kartäusers Gigo von Kastell, des Mönches Thomas von Kempen, des Naturphilosophen Giordano Bruno, des Schriftstellers Gustave Flaubert, des Psychologen Carl Gustav Jung, des Trappisten Thomas Merton sowie der Theologen Henri Nouwen und Eugen Drewermann aufgedeckt.
In diesem Projekt wird das entsprechende Laster zunächst im Hinblick auf einen konkreten Lebensbezug beschrieben. Im Anschluss daran werden entscheidende Wendepunkte hervorgehoben, die es ermöglichen, die Einflussnahme der Laster aufzuhalten oder auszuschalten.
Begonnen wird gemäß den Ausführungen des Prudentius mit der Besinnung auf die Bedeutung einer christlichen Haltung, die um die Hilfe Gottes weiß.
³ Psychomachia – psyche Seele / mache Kampf (Seelenkampf) –, allegorisches Gedicht des christlichen Dichters Aurelius Prudentius Clemens (348405).
Die Psychomachia des Prudentius
Prudentius setzt in seinem Werk die für die Seele gefährlichen und lasterhaften Gefühlslagen anschaulich mit Bildern eines Schlachtgetümmels auf Leben und Tod in Szene. Mithilfe dieses allegorischen Stilmittels verlässt er die zu seiner Zeit klassisch philosophische Betrachtungsweise der Laster und Tugenden. Sein Ziel ist es, das selbstzerstörerische Chaos der Laster im Innern der Seele auf eindringliche Weise nahezubringen. Er beschreibt zudem, wie es gelingen kann, die ‚Schlacht’ gegen die Laster zu gewinnen. Die Wirkkraft der einzelnen Tugenden wird bei ihm deutlich relativiert.
Die oftmals animalisch und gewalttätig anmutenden Allegorien sind in der Darstellungsweise an die Erfahrungen der Kriege im 4. nachchristlichen Jahrhundert angelehnt und können das Gemüt des Einzelnen auf abstoßende Weise berühren. Durch seine radikale und schonungslose Ausdrucksweise macht Prudentius unmissverständlich klar, dass die Auseinandersetzung mit den uns zugrunde richtenden Lastern auf jeden Fall ein brutaler Kampf ist, bei dem es um Leben und Tod gehen wird. Mit wohlwollenden Ermahnungen sowie moralischen Drohungen von außen ist nur wenig zu bewirken, da die entscheidende Konfrontation im Inneren jedes Einzelnen ausgetragen werden muss.
Zu Beginn seines allegorischen Gedichtes hebt Prudentius in einer Vorrede sein persönliches Fundament hervor, das für ihn bei diesen seelischen Kämpfen ein wichtiger Ausgangspunkt ist, um angesichts der vielfältigen Bedrohungen der Seele eine standfeste Balance gewährleisten
