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Parodontologie für Zahnmedizinische Fachassistent*innen
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eBook575 Seiten4 Stunden

Parodontologie für Zahnmedizinische Fachassistent*innen

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Über dieses E-Book

Qualifizierte Prophylaxefachkräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung und Erhaltung der Mundgesundheit der Patientinnen und Patienten. Sowohl bei der PZR als auch bei der PAR-Behandlung sind unter Beachtung der berufsrechtlichen Bestimmungen Teile von Leistungsinhalten an dafür qualifiziertes Fachpersonal delegierbar. Dies erfordert von zahnmedizinischen Fachangestellten ein vertieftes Fachwissen über die ursächlichen Wechselbeziehungen zwischen dentalem Biofilm und den parodontalen bzw. periimplantären Geweben, die Risikofaktoren, die diese Prozesse beeinflussen können, deren Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit sowie eine gute Kenntnis der einzelnen Behandlungsschritte.

Das renommierte Autor/-innenteam mit langjähriger Erfahrung in der Parodontologie hat in diesem Buch alle wichtigen Themen unter Berücksichtigung aktueller Klassifikationen, Leit- und Richtlinien zur Behandlung von Parodontitis, periimplantären Infektionen und anderen Parodontalerkrankungen zusammengestellt. Ergänzt um rechtliche Grundlagen und Details zur Abrechnung soll dieses neue und umfassend farbig illustrierte Buch die Qualifizierung des Fachpersonals unterstützen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. März 2024
ISBN9783868677270
Parodontologie für Zahnmedizinische Fachassistent*innen

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    Buchvorschau

    Parodontologie für Zahnmedizinische Fachassistent*innen - Peter Eickholz

    1.1 Die Gingiva (Zahnfleisch)

    Die Gingiva ist ein Bestandteil der mastikatorischen Mukosa, die wiederum Teil der Mundschleimhaut ist. Sie umschließt als epitheliale Manschette (Saumepithel) den Zahnhals und haftet der Zahnoberfläche an (Epithelansatz). Die Zähne durchstoßen die epitheliale Auskleidung der Mundhöhle und unterbrechen auf diese Weise die Abschirmung des aseptischen Ökosystems der inneren Gewebe gegen die bakteriell besiedelte Mundhöhle. Indem sich das Saumepithel der Zahnoberfläche anheftet, hält die Gingiva diese Abschirmung – die Kontinuität der epithelialen Auskleidung der Mundhöhle – aufrecht. Darüber hinaus bedeckt die Gingiva die koronalen Abschnitte des Alveolarfortsatzes (Abb. 1-1 und 1-2).

    Die Gingiva wird koronal durch den Zahnfleischrand (Gingivasaum, Limbus gingivae) und apikal durch verschiedene Abschnitte der Mundschleimhaut begrenzt: Vestibulär geht die Gingiva an der mukogingivalen Grenze (Linea girlandiformis) in die Alveolarmukosa über (Abb. 1-2). Lingual besteht eine ähnliche Begrenzung zwischen Gingiva und Mundbodenschleimhaut. Palatinal geht die Gingiva ohne Begrenzung in die Schleimhaut des harten Gaumens über. Die Schleimhaut des harten Gaumens ist Teil der mastikatorischen Mukosa.

    Schleimhäute bestehen immer aus einer Epithelschicht und einer darunterliegenden Bindegewebsschicht, die Lamina propria genannt wird (Abb. 1-3). Auch die Gingiva besteht aus einer dichten, zellulären, vorwiegend aus Kollagen bestehenden Lamina propria. Diese Lamina propria besteht aus einem Stratum papillare (Papillenschicht), das sich zwischen den Retezapfen des Epithels erstreckt, sowie einem Stratum reticulare (Netzschicht), das zwischen Stratum papillare und Periost (Knochenhaut) des Alveolarknochens liegt. Die äußere Schicht der Gingiva besteht aus Epithelzellen. Je nach Lokalisation unterscheidet man zwei Epitheltypen: das Saumepithel, das der Zahnoberfläche anhaftet, und das mehrschichtige Plattenepithel, das, wenn es den Sulkus begrenzt, orales Sulkusepithel heißt, und wenn es auf der Außenfläche lokalisiert ist, orales Gingivaepithel genannt wird (Abb. 1-4).

    Abb. 1-4 Gingivaepithelien: Die äußere Schicht der Gingiva besteht aus Epithelzellen. Je nach Lokalisation unterscheidet man zwei Epitheltypen: das Saumepithel, das der Zahnoberfläche anhaftet, und das mehrschichtige Plattenepithel, das, wenn es den Sulkus begrenzt, orales Sulkusepithel heißt, und wenn es auf der Außenfläche lokalisiert ist, orales Gingivaepithel genannt wird.

    1.1.1 Das orale Sulkus- und das orale Gingivaepithel

    Beim oralen Sulkus- bzw. Gingivaepithel handelt es sich um ein 0,2 bis 0,3 mm dickes, mehrschichtiges und keratinisiertes (verhorntes) Plattenepithel, das über sogenannte Retezapfen mit dem Stratum papillare der Lamina propria verzahnt ist (Abb. 1-3 und 1-4). Dieses Epithel ist widerstandsfähig gegen mechanische Belastungen und relativ undurchlässig für Bakterien und deren Produkte¹. Das orale Sulkusepithel bildet das Epithel des Gingivasulkus (Sulcus gingivae). Es haftet der Zahnoberfläche nicht an und bildet kein epitheliales Attachment aus. Der Sulcus gingivae hat einen V-förmigen Querschnitt und gestattet das ungehinderte Eindringen einer Parodontalsonde. Unter idealen Bedingungen, die nur experimentell bei keimfreien Versuchstieren oder nach einer Phase intensivster Plaquekontrolle dargestellt werden können, ist die koronoapikale Ausdehnung des Gingivasulkus 0 oder nahe 0 mm. Unter klinisch normalen Verhältnissen beim Menschen findet man mittlere Sulkustiefen von etwa 2 mm.

    1.1.2 Das Saumepithel

    Das Saumepithel, das apikal auf das orale Sulkusepithel folgt, bildet den von außen nicht sichtbaren epithelialen Teil der freien Gingiva. Es umschließt den Zahnhals wie eine ringförmige Manschette und bildet den Epithelansatz, also die epitheliale Anheftung (das epitheliale Attachment) am Zahn aus. Das Saumepithel (Epithelansatz) stellt den koronalen Anteil der dentogingivalen Verbindung dar, also der Zone, in der sich extraalveoläre Zahnoberfläche und Gingiva berühren². Der apikal gelegene Anteil der dentogingivalen Verbindung wird von gingivalen Bindegewebsfasern ausgeformt, die in supraalveoläre (koronal des Knochens) Anteile des Wurzelzements (azelluläres Fremdfaserzement; siehe unten) einstrahlen und somit ein bindegewebiges Attachment bilden (Abb. 1-4 und 1-5)². Der supraalveoläre Faserapparat sorgt dafür, dass die Gingiva wie eine straffe Manschette um den Zahn herum anliegt und sichert sie gegen Abscherkräfte. Beim Sondieren der Sulkustiefe mit einer definierten Kraft verhindern diese Fasern das tiefere Vordringen der Sonde nach apikal. Infolge der entzündlichen Abwehrreaktionen des Körpers auf bakterielle Plaque (Gingivitis; siehe Kap. 2) werden Kollagenfasern des Faserapparates abgebaut und die Sonde kann beim Sondieren, trotz gleicher Kraft, tiefer bis in das Bindegewebe eindringen.

    Abb. 1-5 Der dentogingivale Komplex besteht aus dem Sulkus, dem Saumepithel als epithelialem Anteil und dem supraalveolären Faserapparat als bindegewebigem Anteil. Unter dem suprakrestalen Attachment (früher „biologische Breite") versteht man allgemein das epitheliale und bindegewebige Attachment der Gingiva ohne den Sulkus³.

    Die Grenze zwischen epithelialem und bindegewebigem Attachment befindet sich auf Höhe der Schmelz-Zement-Grenze (SZG); diese Epithel-Bindegewebe-Grenze kann jedoch bei intaktem, klinisch gesundem Parodont auch etwa 1 mm koronal bzw. apikal der SZG gefunden werden². Das Saumepithel entwickelt sich während des Zahndurchbruchs aus dem reduzierten Schmelzepithel, kann sich aber nach vollständiger Entfernung, z. B. im Zuge einer Gingivektomie (siehe Kap. 6), aus jedem Typ oralen Plattenepithels neu bilden. Es ist bis zu 2 mm hoch (koronoapikale Ausdehnung von der SZG bis zum Boden des gingivalen Sulkus), etwa 100 µm dick und verjüngt sich in koronoapikaler Richtung: 15 bis 30 Zellen an der koronalen und etwa 3 Zellen an der apikalen Begrenzung². Im Unterschied zu den mehrschichtigen Plattenepithelien in der Mundhöhle besteht das Saumepithel nur aus zwei Schichten, dem teilungsfähigen Stratum basale (an die Lamina propria grenzend) und dem nicht mehr teilungsfähigen Stratum suprabasale (Tochterzellen), das an die Zahnoberfläche grenzt (Abb. 1-6). Das Saumepithel ist über Hemidesmosomen und eine Basallamina (externe Basallamina) mit dem subepithelialen Bindegewebe der Lamina propria verbunden. Die Epithel-Bindegewebsgrenzfläche des Saumepithels weist normalerweise einen geraden Verlauf auf. Eine Verzahnung über Retezapfen findet sich nicht. Zum Zahn sind die Zellen über die interne Basallamina abgegrenzt. Das epitheliale Attachment an der Zahnoberfläche beruht auf dem biologischen Prinzip, dass Epithelzellen, die mit einem nichtepithelialen Gewebe in Kontakt geraten, eine Basallamina bilden und sich dieser über Hemidesmosomen anheften. Das Gleiche passiert an der Berührungsfläche von Epithel und Bindegewebe. Bei Krafteinwirkung auf den Gingivarand oder Einführung einer Parodontalsonde kommt es eher zu Zerreißungen und Spalten im Saumepithel als zu einer Ablösung von der Zahnoberfläche².

    Abb. 1-6 Das Saumepithel besteht aus zwei Schichten, dem teilungsfähigen Stratum basale und dem nicht teilungsfähigen Stratum suprabasale. Zum Zahn sind die Zellen über die interne und zum Bindegewebe über die externe Basallamina abgegrenzt. Das gesunde Saumepithel ist mit dem angrenzenden Bindegewebe nicht verzahnt und die Grenzfläche zwischen Epithel und Bindegewebe weist normalerweise einen geraden Verlauf auf.

    Die Zellzwischenräume (interzellulare Spalten) des Saumepithels ermöglichen eine auswärts wie einwärts gerichtete Bewegung von Flüssigkeiten (Diffusion). Die Erneuerungsrate (Turnover) des Saumepithels ist mit 4 bis 6 Tagen doppelt so hoch wie die des oralen Gingivaepithels (ca. 6 bis 12 Tage). Die freie Oberfläche des Saumepithels findet sich am Boden des gingivalen Sulkus bzw. des interdentalen Cols. Nur dort findet die Abstoßung (Abschilferung) der oberflächlichen, zur Zahnoberfläche gerichteten Zellen statt (Exfoliationsfläche). Während sich Zellen des Stratum basale teilen und so neue Saumepithelzellen enstehen, die dann in Richtung Zahnoberfläche und nach koronal wandern, werden am Boden des gingivalen Sulkus „alte Zellen abgeschilfert. Die Regenerationsfläche des Stratum basale ist aber wesentlich größer als diese Abschilferungsfläche. Dadurch findet am Sulkusboden eine intensive Exfoliation (Abschilferung) von Epithelzellen statt, was als unspezifischer Abwehrmechanismus das Eindringen von Bakterien und Schadstoffprodukten aus dem Sulkus erschwert und deren Abtransport aus dem Sulkus begünstigt. Darüber hinaus befinden sich in den interzellulären Räumen weiße Blutzellen (Leukozyten) wie neutrophile Granulozyten, Monozyten/Makrophagen und Lymphozyten. Auch bei klinisch normalen Verhältnissen findet eine ständige Wanderung neutrophiler Granulozyten von apikal nach koronal statt, deren Ausmaß bei Entzündung und mit deren Grad zunimmt. Damit kommt dem Saumepithel die Funktion der peripheren Abwehr parodontaler Infektionen zu. Passiv in das Saumepithel diffundierende Bakterien können so erkannt, mit Antikörpern markiert (opsoniert) und phagozytiert („gefressen) werden (siehe Kap. 2).

    1.2 Das parodontale Ligament (Desmodont)

    Das Desmodont ist ein sehr zellreiches, nicht mineralisiertes und überwiegend aus Kollagenfasern bestehendes Bindegewebe, das sich zwischen der Wurzeloberfläche des Zahnes und dem Alveolarknochen befindet. Es vermittelt die Stabilisierung des Zahnes im Kieferknochen, indem es das Wurzelzement auf der einen und den eigentlichen Alveolarknochen auf der anderen Seite über die Desmodontalfasern verbindet. Es bildet auf diese Weise eine faserige Verbindung zwischen Zahn und Knochen (Abb. 1-7). Am Alveolarknochen geht das Desmodont nach koronal in das Bindegewebe der befestigten Gingiva über (supraalveolärer Faserapparat) (Abb. 1-5)². Im Unterschied zum Epithel sind die Zellen im Bindegewebe nicht dicht gepackt und nicht eng miteinander verbunden, sondern der Großteil des Bindegewebes ist Zellzwischenraum, der wiederum vor allem aus Kollagenfasern besteht. Je höher der Kollagenanteil, desto derber und widerstandsfähiger ist das Gewebe. Die Kollagenfasern des Körpers können sich zu größeren Strukturen wie z. B. Sehnen, Faszien oder aber Desmodontalfasern gruppieren.

    Abb. 1-7 Das Desmodont ist ein zellhaltiges, nicht mineralisiertes und überwiegend aus Kollagenfasern bestehendes Gewebe, das das Wurzelzement auf der einen und den eigentlichen Alveolarknochen auf der anderen Seite verbindet. Es stellt ein Reservoir von Zellen (Fibroblasten, Zementoblasten, Osteoblasten) dar³.

    Das Desmodont stellt ein Reservoir von Zellen (Fibroblasten [Faserbildner], Zementoblasten [Zementbildner], Osteoblasten [Knochenbildner]) dar, die für den Aufbau und die Aufrechterhaltung des Wurzelzements und des Alveolarknochens erforderlich sind. Zellen, die diese mineralisierten Gewebe abbauen (Zementoklasten, Osteoklasten), finden sich ebenfalls im Desmodont. Sie spielen eine Rolle im stetigen Umbau dieser Gewebe oder bei der Remodellierung im Rahmen der Wundheilung. Das Desmodont ist auch ein Reservoir für Vorläuferzellen (Progenitorzellen) für Wurzelzement und Alveolarknochen. Der Ursprung dieser Progenitorzellen wird in mesenchymalen Zellen vermutet, die Blutgefäße in der Mitte des Parodontalspaltes umgeben. Wenn diese Progenitorzellen in Richtung Zement oder Knochen wandern, wandeln sie sich in Wurzelzement- oder Knochenzellen um¹. Im Unterschied zu Gingiva, Zement oder Alveolarknochen beherbergt das Desmodont auch Rezeptoren, die Tiefensensibilität (Propriozeption: Informationen über Bewegungen und Positionen, die Wahrnehmung des eigenen Körpers ermöglichend, Empfinden von Spannung, Kraft und Geschwindigkeit) vermitteln. Der hohe Zellgehalt und die relativ hohe Umsatzrate seiner Bestandteile ermöglichen dem Desmodont einen schnellen Umbau. Dies ist die Grundlage für normale prä- und posteruptive wie auch orthodontische Zahnbewegungen.

    1.3 Das Wurzelzement

    Das Wurzelzement, das nahezu die gesamte nicht von Schmelz bedeckte Dentinoberfläche überzieht, verbindet das Desmodont und den supraalveolären Faserapparat mit dem Zahn. Es lassen sich fünf Typen von Wurzelzement beim Menschen unterscheiden (Abb. 1-8):

    Abb. 1-8 Das Wurzelzement verbindet den parodontalen Faserapparat (Desmodont) mit dem Zahn. Beim Menschen lassen sich fünf Typen von Wurzelzement unterscheiden³.

    1.3.1 Das azelluläre afibrilläre Zement

    Es stellt eine homogene Matrix (Struktur) dar, die weder Fasern (afibrillär) noch Zellen (azellulär) enthält. Es findet sich in Form von kleinen Inseln auf dem zervikalen Schmelz unmittelbar koronal der Schmelz-Zement-Grenze. Seine Funktion ist unbekannt.

    1.3.2 Das azelluläre Fremdfaserzement

    In reiner Form findet es sich auf dem zervikalen und mittleren Wurzeldrittel. Es enthält keine Zellen. Sein Faseranteil (überwiegend Kollagen) entspringt annähernd vollständig dem Desmodont. Diese Fasern werden als Fremd- oder Scharpey‘sche Fasern bezeichnet. Sie sind in die mineralisierte Matrix des Zements eingebettet und verlaufen in etwa senkrecht zur Wurzeloberfläche. Die Hauptfunktion des azellulären Fremdfaserzements besteht in der Verankerung der Zähne.

    Es gibt 28 unterschiedliche Arten von Kollagen, die sich z. B. in der Länge, Funktion und molekularen Zusammensetzung unterscheiden. Die im menschlichen Körper am häufigsten vorkommende Art ist Typ-I-Kollagen, das auch im Desmodont und im Wurzelzement vorherrscht. In der Basallamina (siehe oben) findet sich Typ-IV-Kollagen.

    Die Bildung des azellulären Fremdfaserzements erfolgt in mehreren Phasen: Zuerst lagern sich von koronal nach apikal über einen Bereich von 100 µm fibroblastenähnliche Zellen der äußeren Oberfläche der nichtmineralisierten Dentinmatrix (Prädentin: unverkalkte Vorstufe des Dentins) an. Dann wird eine dünne Lage von Kollagenfasern gebildet, die senkrecht zur Prädentinoberfläche orientiert sind und sich mit dessen Kollagenfasern vernetzen. Es werden also zuerst die noch nicht mineralisierten Vorgängergewebe Präzement (Zementoid) und Prädentin gebildet, die in ihrer Kontaktzone hochgradig durchwirkt und vernetzt sind (Zone der Verzahnung). Anschließend entsteht durch Einlagerung von Mineralstoffen (Mineralisierung) die spätere Zement-Dentin-Grenze. Der Start der Bildung des azellulären Fremdfaserzements vollzieht sich während des Wurzelwachstums, also vor der Ausbildung des desmodontalen Faserapparates und vor der Bildung des zellulären Gemischtfaserzements.

    1.3.3 Das zelluläre Eigenfaserzement

    Dieses Zement beinhaltet in etwa parallel zur Wurzeloberfläche orientierte, überwiegend kollagene Fasern, die die Zementmatrix nicht verlassen (Eigenfasern), sowie Zementozyten (in das Zement eingelagerte Zementoblasten). Die Zementmatrixbildung erfolgt beim zellulären Eigenfaserzement an der gesamten Oberfläche der Zementoblasten (multipolare Zementbildung). Es findet sich auf dem apikalen Wurzeldrittel und in Wurzelteilungsstellen (Furkationen) als Teil des zellulären Gemischtfaserzements sowie an Stellen, an denen Strukturen repariert werden müssen (Auflösungszonen [Resorptionslakunen] und Frakturlinien). Resorptionen der Wurzeloberflächen können enstehen, wenn Zähne durch den Knochen „wandern" (z. B. Mesialdrift oder kieferorthopädische Bewegung). Es trägt nicht zur Verankerung des Zahnes im Knochen bei und hat vermutlich reparative bzw. adaptive Funktionen. Auch bei der initialen Bildung von zellulärem oder azellulärem Eigenfaserzement auf der äußeren Oberfläche der noch nicht mineralisierten Dentinmatrix kommt es zu einer innigen Vernetzung und Verflechtung von Kollagenfaserbündeln der Zement- und Dentinmatrix. Diese Verzahnungszone wird ebenfalls erst in einem zweiten Schritt mineralisiert.

    1.3.4 Das azelluläre Eigenfaserzement

    Es enthält in etwa parallel zur Wurzeloberfläche orientierte, überwiegend kollagene Fasern, welche die Zementmatrix nicht verlassen (Eigenfasern), aber keine Zellen. Die Bildung der Zementmatrix erfolgt beim azellulären Eigenfaserzement nur entlang der zahnzugewandten Seite der Zementoblasten (unipolare Zementbildung). Es konnte gezeigt werden, dass das schichtweise Wachstum ohne „Einmauerung" der Zementoblasten dieser Zementvariante eine geringere Wachstumsrate als das zelluläre Eigenfaserzement hat. Es darf demnach angenommen werden, dass es sich hierbei um einen langsameren Zementbildungsprozess handelt. Weil das azelluläre Eigenfaserzement keine Fasern verlassen, trägt es nicht zur Verankerung des Zahnes in der Alveole bei. Es findet sich auf dem apikalen Wurzeldrittel sowie in Furkationen als Teil des zellulären Gemischtfaserzements und dient der Reparation und Adaptation.

    1.3.5 Das zelluläre Gemischtfaserzement

    Zelluläres Gemischtfaserzement besteht aus alternierenden Lagen von zumindest azellulärem Fremdfaserzement und zellulärem Eigenfaserzement. Es ist nicht auszuschließen, dass auch azelluläres Eigenfaserzement an der Bildung des zellulären Gemischtfaserzementes beteiligt ist. Dabei ist davon auszugehen, dass diese Schichten in aufeinanderfolgenden, sich abwechselnden Phasen gebildet werden. Es findet sich auf dem apikalen Wurzeldrittel und in den Furkationen mehrwurzliger Zähne. Das zelluläre Gemischtfaserzement trägt zur Verankerung des Zahnes im Knochen bei und dient der Reparation und Adaption, je nachdem, welche Schicht zum Desmodontalspalt weist.

    1.4 Der Alveolarknochen

    Der eigentliche Alveolarknochen (Lamina cribriformis) bildet die Wand der knöchernen Alveole und dient der Verankerung des Zahnes im Alveolarfortsatz. Die Lamina cribriformis besteht hauptsächlich aus Lamellenknochen, aber es kann auch Bündelknochen gefunden werden. In ihn strahlen senkrecht zur Oberfläche funktionell orientierte Desmodontalfasern ein (Scharpey‘sche Fasern). Zahnbewegungen vom Alveolarknochen weg führen zu einer Verbreiterung der Bündelknochenschicht, während Zellen aus dem Endost (Knochenhaut des Knochenmarks) zu einem Umbau des Bündelknochens in Lamellenknochen führen. Zahnbewegungen zum Knochen hin führen zu sich abwechselnden Phasen der Resorption und der Bündelknochenneubildung. Der Alveolarfortsatz ist der Teil des Kieferknochens, der die Alveolen umgibt. Die Bildung des eigentlichen Alveolarknochens und möglicherweise auch von Teilen des Alveolarfortsatzes wird während der Zahnentstehung vom Zahnsäckchen induziert.

    Die Oberfläche der Lamina cribriformis ist vom Desmodont bedeckt, das die Funktion des Periosts erfüllt.

    1.5 Die Gefäßversorgung

    Die Gingiva ist sehr gut durchblutet. Die Blutversorgung der parodontalen Gewebe erfolgt im Oberkiefer durch Ausläufer der Arteria alveolaris superior posterior (hinterer Alveolarfortsatz des Oberkiefers), der A. infraorbitalis (unterhalb der Augenhöhle), der A. palatina major (große Gaumenarterie) und der A. nasopalatina (mündet palatinal des Approximalraums der oberen mittleren Schneidezähne). Im Unterkiefer erfolgt die Blutversorgung über Ausläufer der A. alveolaris inferior (verläuft mit dem gleichnamigen Nerven im Unterkieferkörper), der A. sublingualis (verläuft im Mundboden), der A. buccalis (verläuft in der Wange) und der A. mentalis (Endstück der A. alveolaris inferior, nachdem diese den Unterkiefer durch das Foramen mentale verlassen hat). Nebenäste der Alveolararterien verlaufen im Knochen in die Interdentalsepten und von dort in den Desmodontalspalt. Die zahlreichen Durchtrittsöffnungen dieser Nebenäste in den Desmodontalspalt „durchlöchern" förmlich die knöcherne Wand des Zahnfachs, den eigentlichen Alveolarknochen, und verleihen ihm seinen lateinischen Namen (Lamina cribriformis: siebartige Schicht). Nebenäste der übrigen Arterien ziehen in der Alveolarmukosa von bukkal und lingual/palatinal zur Gingiva und verbinden sich hier mit den Blutgefäßen, die aus dem Desmodontalspalt und dem Alveolarknochen kommen.

    Direkt zwischen Saumepithel und gingivalem Bindegewebe befindet sich ein Netzwerk aus Blutgefäßen (kleine Venen: Venolen), das sich beim intakten, gesunden Parodont ringförmig von der Schmelz-Zement-Grenze bis zur koronalen Begrenzung des Saumepithels erstreckt (siehe Kap. 2, Abb. 1-7). Diese Gefäße werden nach entzündlichen Veränderungen und geringer mechanischer Traumatisierung sehr durchlässig und bilden unter anderem die Grundlage für Blutungsindizes und Zahnfleischbluten.

    1.6 Periimplantäre Gewebe

    Der Ersatz fehlender Zähne durch enossale (im Knochen befestigte) Implantate ist heute eine wissenschaftlich gut untersuchte und klinisch bewährte Behandlungsmöglichkeit. Implantate sind aus dem zahnärztlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Insbesondere im parodontal kompromittierten Gebiss eröffnen gerade enossale Implantate in Fällen, in denen Zähne bereits fehlen oder nicht mehr sinnvoll erhalten werden können, häufig die Möglichkeit, Kaufunktion und Ästhetik mit festsitzendem Zahnersatz wiederherzustellen. Nach dem Verlust der Zähne kann es natürlich auch kein Zahnfleisch, keine Gingiva mehr geben. Die Begriffe, die periimplantäre Strukturen beschreiben, die den parodontalen Strukturen analog sind, beziehen sich daher auf die Mundschleimhaut (orale Mukosa). Der Weichgewebssaum an der Durchtrittsstelle von Zähnen und Implantaten weist Ähnlichkeiten und Unterschiede auf: Während bei Zähnen der supraalveoläre Faserapparat in das Wurzelzement einstrahlt und die Gingiva am Zahn befestigt ist (Abb. 1-5), verlaufen die Bindegewebsfasern um die Implantatschulter parallel zur Oberfläche (Abb. 1-9). Während sich zwischen Zahnwurzel und eigentlichem Alveolarknochen die Desmodontalfasern erstrecken, die jeweils im Alveolarknochen und im Wurzelzement verankert sind und den Zahn in der Alveole halten, findet die direkte Verankerung der Implantate im Knochen (Osseointegration) statt. Den parodontalen und periimplantären Geweben gemeinsam ist ihr Charakter als potenzielle Eintrittspforten für Bakterien in den Körper und somit ihre Anfälligkeit für Infektionen. Bei entsprechender Prädisposition können die marginalen Entzündungsreaktionen (Gingivitis, periimplantäre Mukositis), die das Eindringen von Mikroorganismen verhindern sollen, entgleisen und das parodontale (Parodontitis) bzw. periimplantäre (Periimplantitis) Gewebe zerstören. Während sich die dentogingivale Region mit ihren Infektabwehrmechanismen über Jahrmillionen evolutionär anpassen konnte, stellen enossale Implantate Fremdkörper dar, die erstaunlich gut toleriert werden. Generell sind die periimplantären Gewebe anfälliger für Infektionen und daraus entstehende entzündliche Destruktionen als das Parodont.

    Abb. 1-9 Parodontale und periimplantäre Gewebe im Vergleich: Während bei Zähnen der supraalveoläre Faserapparat in das Wurzelzement einstrahlt und die Gingiva am Zahn befestigt ist, verlaufen die Bindegewebsfasern um die Implantatschulter parallel zur Implantatoberfläche. Während sich zwischen Zahnwurzel und eigentlichem Alveolarknochen die Desmodontalfasern erstrecken, die jeweils im Alveolarknochen und im Wurzelzement verankert sind, findet die Verankerung der Implantate direkt im Knochen statt (Osseointegration).

    Die periimplantäre mikrobielle Flora an erfolgreichen Implantaten entspricht der an natürlichen Zähnen und entwickelt sich bereits kurz nach der Implantation. Eine verstärkte Biofilmbildung im Bereich von Implantaten führt zur einer periimplantären Mukositis. Die Zusammensetzung der marginalen Plaque an Implantaten mit einer periimplantären Infektion ähnelt der Mikroflora parodontal erkrankter Zähne. Es finden sich große Mengen gramnegativer anaerober Bakterien, Fusobakterien, Spirochäten und schwarz pigmentierter Bakterien wie Prevotella intermedia. Bei teilbezahnten Patienten geht von unbehandelten, an Parodontitis erkrankten Zähnen ein hohes Risiko für eine bakterielle Besiedelung von enossalen Implantaten und in deren Folge für die Entstehung einer Periimplantitis aus. Eine konsequente antiinfektiöse Therapie der an Pardontitis erkrankten Restbezahnung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Insertion von Implantaten im teilbezahnten Gebiss.

    Literatur

    1. Listgarten MA, Lang NP, Schroeder HE, Schroeder A. Periodontal tissues and their counterparts around endosseous implants [corrected and republished with original paging, article orginally printed in Clin Oral Implants Res 1991 Jan-Mar;2(1):1–19]. Clin Oral Implants Res 1991;2:1–19.

    2. Schroeder HE. The periodontium. Handbook of microscopic anatomy. Berlin: Springer, 1986.

    3. Eickholz P, Dannewitz B. Glossar der Grundbegriffe für die Praxis: Anatomie des Parodonts. Parodontologie 2023;34:441–448.

    Der Mund ist die Eintrittspforte in den Körper und ist, wie andere Körperoberflächen, von Bakterien besiedelt. Auf unseren Körperoberflächen (Haut, Mund- und Darmschleimhaut) leben wir mit diesen Bakterien zumeist harmonisch zusammen. In unserem Darm tragen Bakterien wesentlich zur reibungslosen Funktion unserer Verdauung bei. Unser Organismus versucht aber, zumindest das dauerhafte Eindringen von Mikroorganismen ins Körperinnere (Blut, Knochen, Bindegewebe) mit verschiedenen Mechanismen zu verhindern.

    Unsere Zähne durchdringen die epitheliale Auskleidung der Mundhöhle und damit unsere Körperhülle. Sie sind im Knochen verankert, durchstoßen die Schleimhaut und ragen in die Mundhöhle. Dies stellt eine einzigartige anatomische Situation im Organismus dar. Die Mundhöhle ist mikrobiell besiedelt. Einige Bakterien aus diesem Mikrobiom sind in der Lage, auf festen Oberflächen (z. B. Zähne, Zahnersatz) Zahnbeläge (Plaque, dentaler Biofilm) zu bilden. Als Mikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit aller Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Viren, Einzeller), die einen vielzelligen Makroorganismus (z. B. Mensch) besiedeln. Man kann auch Mikrobiome für bestimmte Körperregionen (z. B. Mundhöhle oder Darm) beschreiben. Um ein Eindringen von Bakterien zwischen Zahn und Zahnfleisch in die Blutbahn, ins Bindegewebe und in den Knochen zu verhindern, bedarf es eines besonderen Abwehrmechanismus: Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Personen, die eine effektive individuelle Mundhygiene betreiben und den dentalen Biofilm regelmäßig entfernen, haben deshalb ein sehr geringes Risiko, eine Gingivitis oder eine Parodontitis zu entwickeln. Werden die bakteriellen Beläge vom Zahn entfernt (z. B. durch Zähneputzen oder professionelle Zahnreinigung), klingt die Zahnfleischentzündung nach wenigen Tagen ohne irreparable Schäden ab (Abb. 2-1). Langzeitstudien zur Parodontitistherapie haben die Bedeutung regelmäßiger supra- und subgingivaler Plaqueentfernung für den Therapieerfolg belegt. Bei Belassen des Biofilms auf den Zahnoberflächen, wie z. B. bei unzureichender oder ineffektiver Plaquekontrolle, bleibt die Gingivitis bestehen – sie persistiert. Bleibt die Gingivitis über Wochen, Monate oder Jahre bestehen, kommt es bei manchen Menschen früher, bei den meisten später (im „mittleren Alter) zur Entgleisung dieser Entzündung. Nicht alle Menschen reagieren gleich schnell bzw. gleich stark auf die mikrobielle Exposition: Bei einigen Menschen kann die Gingivitis über lange Zeiträume unverändert bestehen bleiben, während es bei anderen zur fortschreitenden Zerstörung des Zahnhalteapparates kommen kann (Parodontitis). Die Gingivitis ist dann nicht mehr in der Lage, die Bakterien aufzuhalten. Die Bakterien dringen zwischen Zahnfleisch und Zahn vor. Sie würden so nach etwa 2 mm den Knochen erreichen. Der Körper zerstört deshalb auf der „Flucht vor den zwischen Zahn und Zahnfleisch eindringenden Bakterien den eigenen Zahnhalteapparat.

    Abb. 2-1 Experimentelle Gingivitis: Zu Beginn des Experimentes wurden bei allen Teilnehmern effektive Plaquekontrolle und entzündungsfreie gingivale Verhältnisse erreicht.

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