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Der König und das Leben: König Assá von Juda (926-868 BCE)
Der König und das Leben: König Assá von Juda (926-868 BCE)
Der König und das Leben: König Assá von Juda (926-868 BCE)
eBook542 Seiten7 Stunden

Der König und das Leben: König Assá von Juda (926-868 BCE)

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Über dieses E-Book

König Assá, der Ururenkel König Davids von Israel, steht seinem großen Vorfahren in Größe nicht nach.

Er wächst fernab vom Hof seines Vaters auf, während seine Mutter für ihn unbekannt ist. Assás Kindheitsfreund wird in die Schuldsklaverei verkauft. Als sich ihre Wege erneut kreuzen, entsteht eine 'Freundschaft' trotz alle Widrigkeiten.

Vom ersten Tag am Hof an begleiten ihn Intriganten, tödliche Feinde und die Machenschaften seiner Großmutter Ma'acha, aber auch Freunde, die er durch seine überzeugende Art neu gewinnt.

Die Welt des 9. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung ist gefüllt mit verschiedenen Götterkulten, ungewöhnlichen sexuellen Gepflogenheiten und dem Aufbruch einer neuen judäischen Kultur, die lebendig wird durch König Assá und sein Leben.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Jan. 2024
ISBN9783758395222
Der König und das Leben: König Assá von Juda (926-868 BCE)
Autor

Rahel Johann

Rahel Johann ist EvangelischeTheologin und arbeitete als Journalistin, Pastorin, Lehrerin und Politikerin. Geboren1967 in Berlin, verheiratet und eine Tochter. Als Weltenbummlerin bereist sie Israel, Peru und ganz Europa. Rahel Johann schreibt Historische Romane, bevorzugt mit biblischem oder kirchlichem Bezug, aber stets kritisch, gerne regenbogenbunt und mit gesellschaftsrelevanten Aussagen für heute.

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    Buchvorschau

    Der König und das Leben - Rahel Johann

    Für Jemima

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Kapitel Eins

    Kapitel Zwei

    Kapitel Drei

    Kapitel Vier

    Kapitel Fünf

    Kapitel Sechs

    Kapitel Sieben

    Kapitel Acht

    Kapitel Neun

    Kapitel Zehn

    Kapitel Elf

    Kapitel Zwölf

    Kapitel Dreizehn

    Kapitel Vierzehn

    Kapitel Fünfzehn

    Kapitel Sechzehn

    Kapitel Siebzehn

    Kapitel Achtzehn

    Kapitel Neunzehn

    Kapitel Zwanzig

    Kapitel Einundzwanzig

    Kapitel Zweiundzwanzig

    Kapitel Dreiundzwanzig

    Kapitel Vierundzwanzig

    Kapitel Fünfundzwanzig

    Epilog

    Anmerkungen

    Nachwort

    Über die Autorin

    Prolog

    Die Männer aus Juda waren seit Tagen unterwegs. Kriegsoffiziere in Kriegswagen hatten sie unerbittlich angetrieben. Fast völlig erschöpft standen sie nun in der Ebene und sahen vor sich den Feind.

    Endlose wabernde Arme, Köpfe und Speere, dazwischen zahllose Wagen, kaum zu unterscheiden von der Menge der Krieger. Am anderen Ende der Ebene: Zelte. Die Menge war erschreckend. Aber viel erschreckender war der Anblick des Leichenfeldes, das zwischen ihnen lag. Geier kreisten überall und schwebten elegant und unerbittlich hinab auf die bereits geplünderten Toten. Das Blut hatte den Sand und die wenigen Büsche am Boden rot gefärbt. Die Berge im Hintergrund, kahl, nackt und unwirtlich heiß, erschienen den judäischen Männern plötzlich wie ein wünschenswertes, schützendes, beinahe liebliches Zuhause. Das Heer der Ägypter versperrte den Weg dorthin. Aber nein! Es war ja umgekehrt! Die Aufgabe der judäischen Männer und Knaben war es, den Ägyptern den Weg zu versperren!

    ‚Es wird aussichtslos sein‘, dachte ein Vater mit seinem Sohn an der Seite. Beide hatten lockige schwarze Haare und die solide und zweckmäßige Kleidung judäischer Bauern. Aus einfachem Ziegenhaar gewebt in verschiedenen Brauntönen hingen die einfachen sackartigen Gewänder an ihnen herunter und schützten so den Körper bis über die Knie vor der Sonne. Ihre Köpfe steckten unter ihren runden topf-ähnlichen Mützen. Beide empfanden die Hitze der südlichen Wüstensonne als viel intensiver als in den Bergen Beit-Lechems².

    Ausgedörrt und durstig waren sie nach dem Marsch. Die Quelle bei Kadesch Barnea³ lag vor ihnen. Sie hätten sie am Abend erreichen sollen. Nur wenige hatten noch Wasser in ihren Lederbeuteln.

    Die Quelle würden sie aber nicht erreichen, denn die Ägypter lagerten zwischen ihnen und der Quelle. Ein sarkastisches Lächeln huschte dem Vater über das müde Gesicht.

    Es war wahnwitzig, dass der König seine Soldaten durch die Mittagshitze der Wüste gejagt hatte. Es war Eile geboten gewesen.

    Aber wie es aussah, waren sie dennoch zu spät gekommen: Die Ägypter hatten die Männer bereits niedergemetzelt, denen sie zu Hilfe eilen wollten.

    ‚Der König wird die tapfer gestorbenen Männer sofort rächen wollen‘, dachte der Vater.

    „Wir könnten die Toten nach Wasser durchsuchen," schlug der etwa siebzehnjährige Sohn vor. Er leckte sich die rauen, aufgeplatzten Lippen.

    „Ich würde lieber einen Bogen um diese Ebene machen…", antwortete gedankenverloren Haran, der Vater. Sein Blick schweifte in die Ferne.

    Die vielen dunkelhäutigen Söldner im Heer der Ägypter bedeuteten nichts Gutes. Haran hatte gehört, dass die dunkelhäutigen Nubier oder Kuschiter besonders grausam wären. Ihre grausamen Götter würden die Männer beim Kämpfen in den Wahnsinn treiben.

    „Lass uns beten, Joschi. Solange wir noch Zeit dazu haben." Beide knieten nieder und der Vater richtete seine Bitte um Bewahrung und um Sieg an den unsichtbaren Gott der Israeliten, an den HERRn.

    Auch einige andere hatten sich stehend oder kniend an diesen Gott gewandt. Andere drehten nachdenklich oder mit Beschwörungsformeln auf den Lippen ihre Taschengötter zwischen den Fingern, Götzen aus Ton, Holz oder Stein, die sie in der Tasche oder am Hals trugen.

    Unbarmherzig unterbrach sie der Offizier auf seinem Kriegswagen. „Auf, Männer!, schrie er: „Wir gehen vor niemandem in die Knie!

    Der Beter neben Haran stieß dem Vater leicht in die Rippen: „Der Mann ist so gottlos, dass er noch nicht einmal Angst von Gebet unterscheiden kann", flüsterte er.

    Haran betrachtete den Beter neben sich. Ein Mann wie ein Baum mit vollem Bart und einer Axt, die wohl für Zedernbäume gemacht worden war. Haran nickte: „Ja. Wer hat denn schon Angst?!"

    Die Männer schauten sich an und lachten dann. Sie erhoben sich und schauten mit neuem Mut auf die Ägypter vor sich.

    Vernünftig wäre es, zu lagern und am Morgen anzugreifen. Sich auszuruhen und Wasser zu suchen. Aber der König wollte wohl die Überraschung nutzen und die Ägypter in ihrem ersten Siegesrausch stören. Die Hörner erschollen und die Offiziere schrien:

    „Vorwärts! Kämpft, Männer! Wir rächen unsere Brüder!"

    Die Streitmacht von etwa 700 Männern setzte sich in Bewegung.

    Jeder hatte einen Speer oder eine Axt. Einige sogar Pfeil und Bogen. Alle waren Bauern und Arbeiter aus dem judäischen Bergland. Gemeinsam mit dem König Rehaw‘am⁴ waren sie herbeigeeilt, um den Streitmächten aus Be‘er Schewa und Lachisch gegen die einfallenden Ägypter zu Hilfe zu kommen.

    Schischka⁵ oder so ähnlich würde der ägyptische König heißen, sagte man. Er wollte die schwachen Momente im Lande ausnutzen.

    Das Land Israel war geteilt in Nord und Süd, der Norden stand den Stämmen im Süden nicht mehr bei. Für den Ägypter eine großartige Gelegenheit, sich die sagenhaften Schätze Schlomos⁶ anzueignen.

    Haran betrachtete beim Marschieren seinen Sohn. Der Älteste war mitgekommen. Fünf weitere Kinder waren Zuhause in Beit-Lechem. Haran war sehr stolz auf seinen Sohn. Tüchtig, mutig, unerschütterlich. Er war die Stütze der Familie.

    „Wir müssen auf alle Fälle wieder nach Hause. Denk daran! Keine großen Heldentaten, Joschi! Mutter braucht uns."

    „Ja, Vater! Wir werden es schaffen!" Der junge Mann mit seinem Flaum im Gesicht wirkte zuversichtlich. Seine Augen schweiften auf dem Boden entlang.

    Sie näherten sich dem Schlachtfeld, das mit Toten übersät war. Erst an diesem Morgen müssen die Ägypter das Heer aus Be‘er Schewa und Umgebung vernichtet haben. Die Leichen wirkten noch so lebendig…!

    Joschi suchte nach Wasserbeuteln. Aber erst als sie sich der Mitte der Ebene näherten, wurde er fündig. Zwischen all dem glitschigen Blut, den verdrehten Gliedmaßen und verzerrten Gesichtern waren nur noch wenige Dinge vor den ägyptischen Plünderern versteckt geblieben. Aber Joschi fand, was er suchte. Unter einer noch warmen Leiche zog er einen Wasserbeutel hervor. Einige Männer um sie herum schauten neugierig und blieben ebenfalls stehen. Das verursachte einen kleinen Auflauf.

    Der Offizier rief: „He, da!"

    Alle schauten auf den Wasserbeutel. Aber er war leer. Das Loch stammte von einem Messer. Aufgeschlitzt. Joschi warf den Beutel ärgerlich fort und schloss zu seinem Vater auf. Der Offizier war beruhigt.

    Die Männer waren nun schon lange genug zu sehen gewesen, so dass die Ägypter sich neu formieren konnten. Keine Überraschung also. Dennoch warteten die Ägypter jenseits der Leichenberge. Haran wusste auch, warum. Die Kriegswagen konnten nur schlecht zwischen den vielen Leichen hindurchkommen. Wie der fluchende Offizier an der Seite der Männer bewies! Ständig musste er mit seinem Begleiter absteigen, damit sein Wagen über mehrere Leichen hinwegrollen konnte.

    Es stank und der grausige Anblick der verstümmelten Leichen machte die Männer mürbe. Obwohl es kühler wurde, empfanden alle die Luft als drückend. Der Mut sank, wenn überhaupt welcher da war.

    Die Ägypter hatten sich inzwischen formiert und richteten die Speere wie einen Wald gegen die angreifenden Judäer.

    ‚Das ist Dummheit‘, dachte Haran und sagte laut: „Joschi, bleib immer an meiner Seite!"

    „Ja, Vater!", Joschis Stimme klang nicht mehr so zuversichtlich, aber ein Blick in das Gesicht seines Sohnes sagte dem Vater, dass dieser lediglich verärgert war, kein Wasser gefunden zu haben.

    „Wir müssen nur bis zum Sonnenuntergang durchhalten. Das kann nicht mehr lange sein," erklärte Haran seinem Sohn.

    „Gut!" war die knappe Antwort.

    Die Hörner erschallten und der Offizier brüllte: „Auf sie!"

    Dann trieb er sein Pferd an und sein Begleiter schoss Pfeile auf die ägyptische Front. Andere Bogenschützen schossen ebenfalls. Haran suchte eine Lücke zwischen den ägyptischen Speeren, eine Bresche, die von den Bogenschützen geschlagen worden war, und steuerte darauf zu. Joschi folgte. Sie kamen durch und stürzten sich gemeinsam auf die Ägypter.

    Der Kampf währte bis zum Abendrot.

    Haran taumelte geschwächt auf einen weiteren Angreifer zu. Joschi war hinter ihm und erschlug seinen Gegner. Da stürmte ein riesiger Nubier mit rollenden weißen Augen auf Joschi zu. Der junge Mann starrte das dunkle Gesicht an.

    ‚Die Augen fressen mich gleich auf,‘ dachte er erschrocken und spürte, dass sich kein Muskel in seinem Körper mehr rührte. Joschi konnte nur noch trocken schlucken, da spaltete die Axt des Nubiers seinen Schädel.

    „Nein!!", schrie Haran verzweifelt und lief auf den stürzenden Joschi zu. Der Nubier war wie ein böser Geist wieder verschwunden, aber der Ägypter hinter Haran schleuderte seinen Speer in Harans Rücken. Der stolperte über seinen toten Sohn und kam hart auf dem noch heißen Sand zu liegen. Haran atmete schwer. Die letzten Lichtstrahlen zeichneten ein grausiges Bild. Haran sah ein weiteres Totenfeld um sich, fast hatten sie es geschafft, zu überleben.

    Von all den Männern waren nur noch wenige auf den Beinen. Der Kampf war eingestellt, die Sonne war fort, das Licht würde gleich in Dunkelheit tauchen.

    Einige Ägypter begannen schon zu plündern, aber die meisten zogen sich zurück. Haran sah den Wagen seines Königs. Er hatte kehrt gemacht und rollte nach Norden. Der König floh.

    ‚Wenigstens hat er sein Leben gerettet. Hoffentlich wird er die Ägypter noch stoppen, bevor sie Beit-Lechem erreichen.‘ Haran dachte an seine Frau, die anderen Kinder, die Zeiten der Ruhe, der Arbeit, der Liebe. Tränen rollten über sein Gesicht, als er an seinen Sohn dachte. Dann dämmerte er sanft weg.

    Als ein schöner Traum beendet war, spürte Haran einen heftigen Schmerz im Rücken, dann wusste er wieder, was passiert war: Der Kampf. Mein Sohn. Im ersten Morgenlicht sah er einen Schatten neben sich. Ein Ägypter beugte sich über die Leiche seines Sohnes und machte sich daran, ihm den Lederbeutel von der Schulter zu nehmen. Haran wollte sich aufrichten, den Leichenfledderer vertreiben. Aber der Ägypter drehte sich um und rief etwas in unverständlicher Sprache. Dann tauchte ein riesiger dunkler Schatten auf: der böse Geist des Nubiers! Haran sah die Axt, die den Kopf seines Sohnes gespaltet hatte. Mit Trauer dachte er an dieses Bild.

    Dann spaltete die eherne Axt auch seinen Schädel.

    Kapitel Eins

    ERSTES JAHR

    Zwei Reiter näherten sich dem Wassertor von Süden her, wie man den Weg von Beit-Lechem kommt. Staub lag auf ihnen und ihren Eseln. Es war Sommer geworden und unbarmherzig brannte die Sonne fast senkrecht auf sie hernieder. Kein Schatten war zu finden. Die vor zwei Wochen noch grüne Landschaft um Jeruschalajim⁷ war nun verbrannt und in das ewige Graubraun der Steinwüste verwandelt.

    Die Reiter waren dem Kidronbach bereits ein Stück gefolgt, und hier war es noch frisch und grün, auch die Hänge unterhalb des Tempels des HERRn waren grün. Den Königspalast konnte man von hier unten nicht mehr erblicken. Aber von den Hängen gegenüber der Davidsstadt hatten sie auch dort herrlich grüne Bäume gesehen.

    Sie erklommen die Höhe, die zum Wassertor hinaufführte. Nur wenige Menschen waren um diese Tageszeit auf den Beinen. Die wenigen schauten aber interessiert den Reitern nach, denn sie erkannten den älteren: Der Prophet Iddo.⁸ Er kam regelmäßig diesen Weg, und die Alten in den Toren und die Bettler am Wegrand kannten ihn schon lange. Die Bettler schauten ängstlich, denn der strenge Mann gab selten etwas anderes als harte Worte von sich. Manch einer von ihnen machte sich aus dem Staub, bevor die Reiter heran waren.

    Der Jüngere von beiden erregte mehr Aufmerksamkeit. Und als er das Tor passierte und den ersten Schatten seit mehreren Stunden spürte, steckten die Alten im Tor die Köpfe zusammen und mutmaßten, wer dieser Bursche sein könnte. Er sah majestätisch aus, er saß ganz gerade auf seinem Esel, als wäre er gerade erst aufgestiegen. Erwar aber genauso staubbedeckt wie der alte Prophet. Ein gut aussehender junger Mann. Er war um die zwanzig Jahre alt, mittelgroß mit kräftigem Oberkörper, schlank und zäh. Die Sonne hatte ihn braungebrannt und sein Haar war nicht schwarz, sondern wirkte zwischen all den dunkelhaarigen Judäern fast blond. Die Sonne hatte seine eh schon braunen Haare noch heller werden lassen. Das Gesicht war ebenmäßig, sein Mund fest und entschlossen und die Augen blickten frei und freundlich. Hier war ein junger Mann, der eine Würde und Kraft ausstrahlte, als könne er die Welt verändern. Einige alte Frauen nickten anerkennend und kicherten in sich hinein. Die meisten Beobachter waren sich sofort sicher, dass das etwas zu bedeuten habe. Zumal wenn in diesen Zeiten der junge Mann mit Iddo zusammen die Stadt betrat.

    Inzwischen waren die Reiter durch die engen schattigen Gassen der Davidsstadt geritten. Man hörte gelegentlich das Schreien eines Kindes oder das Klappern von Töpfen. Ein Esel beschwerte sich, dass er an einem Strick hing. Ansonsten war die Stadt still und träge. Sie passierten das Tor, das auf der anderen Seite der Stadt wieder hinausführte. Aber hier ausserhalb der Stadtmauer standen schon so viele Häuser, dass man nicht glaubte, die Davidsstadt verlassen zu haben.

    Der breiteste Weg zwischen den Häusern führte den Berg hinauf, am Millo und am Ofel vorbei, Gebäude, die die früheren Könige gebaut hatten⁹, König David oder König Schlomo, der Weise.

    Der Weg gabelte sich und führte weiter hinauf zum Tempel oder nach rechts durch ein Tor zum Palast des Königs. Seit gut fünfzig Jahren gab es den Palast und kaum älter war der Tempel. Die gewaltigen Gebäude des großen Königs Schlomo passten so gar nicht zuden beschaulichen kleinen weißgetünchten würfelartigen Häusern der Stadt und der Orte in der Umgebung. Solche großen Steinhäuser waren etwas ganz besonderes. Selbst in der Hauptstadt Jeruschalajim.

    Die Häuser Schlomos sprachen von geradezu ägyptischer Pracht. Eine Pracht, die nur noch die Ältesten der Alten erinnern konnten. Damals als die ägyptische Prinzessin in ihren eigenen Palast eingezogen war, war der Höhepunkt der israelischen Macht erreicht gewesen.¹⁰

    Jetzt waren es Erinnerungen. Und nur die Steine und Säulen und die wertvollen Hölzer der Paläste und des Tempels erzählten vom unglaublichen Reichtum Schlomos.

    Der junge Mann hielt seinen Esel an, bevor er das Tor zum Palastbereich erreichte. Er betrachtete die schweren hölzernen Torflügel, die verzierten Schlusssteine des Tores und die zierlich wirkende, aber dennoch zweimal mannshohe Mauer um den Palastbereich.

    „Es ist, als sähe ich alles zum ersten Mal," staunte der junge Mann.

    Der Prophet Iddo hielt ebenfalls seinen Esel an, betrachtete den jungen Mann neben sich und lächelte sanft : Geht mir auch so! Härter fügte er hinzu, während er sein Reittier wieder antrieb: „Hoffentlich wird es nicht das letzte Mal sein!"

    „Du machst mir Angst!, äußerte der junge Mann mit wenig ängstlicher Stimme und ritt dem Propheten hinterher: „Wie meinst du das?!

    „Ich will, dass du nicht mehr nur zu Pessach nach Jeruschalajim pilgerst, sondern dass du dauerhaft hier bleibst. Die Frage ist, ob das dein Vater auch so will. Wir werden sehen."

    Dann schwieg der Prophet, denn sie passierten die Wachen, die ihnen die Tore geöffnet hatten. Iddo war ihnen bekannt, also öffneten sie ohne Zögern. Der junge Mann war offensichtlich ein weiteres Mitglied der königlichen Familie, denn momentan trafen sie alle ein im Palast des noch lebenden Königs Abijam¹¹.

    Man hatte gehört, dass es mit dem König schon nach kurzer Regierungszeit zu Ende ging. Seit Wochen war in dem Palast keine Ordnung mehr, niemand wusste Bescheid, aber alle flüsterten, als könne ein falsches Wort in falsche Ohren gelangen. Die Palastwachen versuchten ihre übliche Ordnung einzuhalten, aber es wurde Zeit, dass jemand neue Dienstpläne erstellte und die Leute vernünftig einteilte.

    Der Wachposten zur Rechten des Tores schob schon drei Wochen hintereinander Dienst. Denn seine Ablösung erschien nicht und niemand interessierte sich dafür. Aber diese Sorgen des Wachpostens bemerkten die beiden Reiter nicht.

    Iddo ritt zielstrebig links an der großen Halle vorbei. Schattenspendende Bäume säumten den Weg. ‚Hier werden viele Diener benötigt, um Wasser zu transportieren und die Pflanzen zu versorgen‘, dachte der junge Mann.

    Sie gelangten direkt zum Eingang des Königspalastes. Der Hofmeister Uri eilte ihnen entgegen. Uri war ein alter Mann, er ging gebückt.

    Er war in seiner Jugend sicherlich mal sehr groß gewesen, aber nun sackte er in sich zusammen. Er begrüßte die beiden Neuankömmlinge leise und höflich, bot Brot mit Salz und Wasser an. Iddo dankte und wollte sofort in den Palast. Aber der Hofmeister sagte: „Die Verwandten versammeln sich im Palastgarten. Dort ist es kühl und schattig. Ich lasse ein paar Stühle bringen, wenn du wünschst, Herr."

    Iddo winkte ab: „Nein, danke! Ich will zum König."

    „Er ist nicht zu sprechen. Er ruft, wen er sehen möchte", erklärte Uri.

    Mit einem neugierigen Seitenblick auf den jungen Mann, fügte er hinzu: „Aber ich werde euch melden, damit er weiß, dass er euch zu sich rufen kann."

    Iddo wollte protestieren. Er war es gewohnt, jederzeit zum König vorgelassen zu werden. Aber der König war schwer krank, vielleicht sollte man ihn nicht überfordern. Er seufzte und sagte: „Also gut.

    Melde seinen Sohn Assá und vergiss nicht zu sagen, dass ich ihn baldmöglichst sprechen möchte."

    Uri verneigte sich vor beiden und fand seine Neugier durchaus bestätigt. Der junge Mann kam ihm gleich bekannt vor. Er musste ihn wohl zu einem der Tempelfeste gesehen haben. Uri wollte die Neuigkeit sofort verkünden und drehte sich um.

    Da sprach der junge Mann ihn an: „Sag, wäre es möglich, zuerst den Staub von den Füßen zu waschen, bevor wir uns zu den anderen gesellen?"

    Uri blieb sofort stehen und schaute betroffen. Waschen. Ja, natürlich.

    Eine sehr ägyptische Mode. Ob der Junge in Ägypten war? Er verneigte sich schnell und sagte: „Ich werde euch eine Waschgelegenheit bringen lassen in den kleinen Raum neben dem Halleneingang.

    Wenn ihr mir folgen würdet." Uri führte die beiden in den Palast.

    Iddo ließ Assá, dem Sohn des Königs, den Vortritt. Die Eingangshalle war angenehm kühl und dunkel. Das Auge gewöhnte sich dankbar daran. Der Palast war aus Stein. Säulen zierten den Eingang. Und dann war zur Linken ein Gang zu erkennen, von dem zu beiden Seiten Türen abgingen, rechts daneben ein Durchgang zu einem Innenhof. Ein Brunnen mit sprudelndem Wasser und Vogelgesang war zu hören, schattige Bäume standen dort.

    Geradeaus befand sich in der Halle hinter einer Säule der Zugang zu den königlichen Gemächern. Und zur Rechten befanden sich drei kleinere Räume, zu denen Uri die Neuankömmlinge führte. Uri verabschiedete sich rasch, versprach aber, sofort die Dienerschaft zu instruieren. Kurz darauf kamen tatsächlich zwei Diener mit einer Wasserschüssel und leinenen Tüchern. Die beiden Reisenden wuschen sich genüsslich in dem kalten Wasser.

    Nach dieser Erfrischung sagte Iddo: „Stürzen wir uns ins Gewühl! Deine Verwandtschaft wird Augen machen, dich zu sehen."

    „Erwarten sie mich denn?"

    „Die wenigsten werden sich daran erinnern, dass ich den ältesten Sohn des Königs damals mitgenommen habe. Ich denke, es rechnet keiner ernsthaft mit dir. Und die, die es doch tun, würde ich mit Vorsicht betrachten."

    „Warum?"

    „Du standest nicht unter ihrem Einfluss, sie werden fürchten, du könntest ihre Pläne durchkreuzen. Der junge Mann nickte: „Ich dachte mir schon, dass es nicht einfach wird. Keine Thronfolge war bisher ohne Schwierigkeiten abgelaufen. Selbst mein Vater war ja nicht ohne Komplikationen König geworden, sondern erst durch Rehaw’ams ausdrücklichen Befehl.

    Iddo nickte grimmig: Der Junge kannte die Geschichte seines Volkes gut, man brauchte ihm nichts vorzumachen. Das einzige, was der Prophet fürchtete, war, dass Assá zu bescheiden sein und zugunsten eines Unfähigeren verzichten könnte, bevor der Kampf um den Thron überhaupt begonnen hätte.

    Durch den Säulengang beim Haupteingang des Palastes betraten sie den Palastgarten. Dort lagerten ganz unkompliziert ganze Familien.

    Mitten in dem Prunk der königlichen Präsentationsgebäude wirkten diese Gruppen wie Nomaden, die zufällig hier Zuflucht gefunden hatten. Assá lächelte. Sein Volk würde immer im tiefsten Herzen nomadisch bleiben! Es waren sicherlich hundert Menschen in dem Garten. Einige vornehmere hatten Stühle, andere lagerten auf Decken am Boden. Einige aßen. Frauen und Männer waren größtenteils getrennt. Nur einige Kinder rannten hin und her, aber ihre Mütter zischten sie an und sorgten so wieder für beklemmende Stille, die nur vom Plätschern des Wassers und vom Zirpen der Heuschrecken durchbrochen wurde.

    Es wurde nur gemurmelt und alle zeigten traurige Gesichter. Als Assá und der Prophet Iddo den Garten betraten, wandten sich die meisten Gesichter ihnen zu. Neugier, Ärger und Gleichgültigkeit waren zu erkennen. Iddo zeigte auf eine Ecke links am Ende des Gartens, dicht bei dem Tor, das zum großen Hof zurückführen würde.

    Ein würdevoller, beleibter Mann in reichen und bunten Gewändern saß dort auf einem thronartigen Stuhl. Assá näherte sich ihm und verneigte sich leicht. Iddo folgte und stellte vor: „Kanzler Moza, das ist Assá, der Sohn Abijams, den ich vor vierzehn Jahren nach von hier fortgebracht hatte. Nun ist es Zeit, dass er zurückkehrt."

    Moza erhob sich nicht, betrachtete den jungen Mann nachdenklich und nickte dann mit seinem gewichtigen Kinn: „Da habt ihr den jungen Mann ja zur rechten Zeit herbeigebracht." Er lachte leise, was irritierend klang in der traurig-stillen Umgebung.

    Assá war sich nicht sicher, ob die Worte des Mannes freundlich oder ironisch gemeint waren.

    Iddo zog ihn fort von Moza und flüsterte ihm ins Ohr: „Dort drüben stehen deine Brüder Segal und Elan. Sie sind wohl am ehesten in einer Thronfolge zu sehen, wenn du nicht von Abijam damit betraut wirst." Iddo führte Assá an einigen Männern vorbei zu dem Nebeneingang des Thronsaales. Dort standen zwei sehr unterschiedliche junge Männer. Der eine groß, schlaksig, mit breiten Schultern und fast quadratischem Gesicht, sein Haar war nach jüdischer Mode halblang und sein Bart ebenso. Der kleinere Mann daneben wirkte kindlicher, denn er war nach ägyptischer Art rasiert und kurzgeschoren. Er war nicht hässlich, aber seine große Nase verhinderte, dass man ihn hübsch nennen konnte. Am auffälligsten aber waren seine lebendigen, stets umherirrenden Augen. Sie hatten Assá bereits registriert und gründlich untersucht.

    Iddo führte Assá nicht direkt zu den beiden Burschen, sondern blieb abgesondert von allen anderen stehen.

    Assá fragte: „Willst du mich ihnen nicht vorstellen?"

    „Das werden sie noch früh genug erfahren, wer du bist. Ich will zuerst den König sprechen. Hoffentlich hat Uri dem König unsere Ankunft schon übermittelt."

    Unruhig ließ nun auch er den Blick durch den Garten schweifen. Die meisten hatten ihre Neugier befriedigt und kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Nur einige Frauen bewunderten unverhohlen den schönen jungen Mann an Iddos Seite. Einige Männer schauten weg, als Iddos Blick sie traf.

    Iddos Sorge betreffs Uri war umsonst, denn es kam bereits ein Diener in ägyptischem Lendenschurz und goldenen Ohrringen auf die beiden Neuankömmlinge zu, verneigte sich und sagte: „Der König wünscht euch zu sprechen, meine Herren!"

    Gut!, machte Iddo und schritt energisch durch den Garten. Assá musste ihm folgen. An den Stufen zum Säulengang besann sich Iddo und ließ Assá den Vortritt. Raunen wurde im Garten laut und Assá ahnte, dass die trauernde Stille im Palastgarten nun beendet sein würde. Iddo ging einen zweiten Gang nach links am Thronsaal vorbei zu den Gemächern des Königs, und Assá folgte ihm wieder. Er würde nun zum ersten Mal seit fünf Jahren seinen Vater wiedersehen.

    Seit Abijam nicht mehr das Pessachfest besucht hatte, war Assás Kontakt zum Vater völlig abgebrochen. Iddo hatte abgelehnt, dass der Junge in den Palast ginge. Er sollte nur den Tempel besuchen, um dem HERRn die Ehre zu geben. Und wer dort hinging, konnte den jungen Assá einmal im Jahr dort beim Beten sehen. Ansonsten war er wie ein Fremder in der Stadt Jeruschalajim gewesen.

    Iddo und Assá schritten durch einen Repräsentationsraum, um dann das Schlafgemach zu betreten. An den Türen en Wachen, sie hatten ihnen geöffnet. Beim Öffnen der Tür zum Schlafgemach schlug Assá als erstes übler Geruch entgegen, dann betrat er einen Saal, der fast ein Viertel des Palastes einzunehmen schien. Schwere Vorhänge verdunkelten den Raum. Aber auch ohne Licht konnte man das riesige Bett in der Mitte des Raumes sehen. Es hatte vier Säulen an allen Enden, war mit einem Baldachin gekrönt und bestand aus unzähligen Kissen und Decken. Darin lag gut gepolstert und doch mit schmerzverzerrtem Gesicht der König Abijam.

    Iddo verneigte sich so kurz, dass Assá fast gar nichts bemerkt hatte.

    Dann stellte er mit einer Handbewegung Assá vor: „Das ist dein ältester Sohn Assá, mein König. Ich empfehle ihn dir an."

    Der König hob seinen Kopf aus den Kissen, warf einen raschen Blick auf den jungen Mann und sank dann schwer wieder zurück.

    „Er soll näher kommen," schnarrte König Abijam undeutlich.

    Iddo stupste Assá an, der sich an den Rand des Bettes begab. Der starke Geruch nach Urin und krankhaften Entzündungen wurde für Assá fast unerträglich.

    Iddo sprach: „Du weißt, dass ich stets darum bemüht war, deinem Sohn die beste Erziehung zukommen zu lassen. Sprich mit ihm und du wirst feststellen, dass er ein fähiger junger Mann ist." Assá war dieses Anpreisen unangenehm. Aber er hielt beides aus, den Gestank und die Lobhudelei.

    Der König winkte ungeduldig mit der Linken, die Rechte lag schlaff auf einem Kissen. Als der König sprach, öffnete sich nur die linke Hälfte seines Mundes. Deshalb war er nur schwer zu verstehen: „Verschwinde, Iddo, ich brauche keinen Vormund!, und zu Assá: „Setz dich, mein Junge!

    Iddo zog sich zurück, er betete leise zum HERRn, dass Assá die richtigen Worte im Gespräch mit seinem Vater finden würde. Assá setzte sich an den Rand des Bettes, wo ihn Abijam gut sehen konnte. Der schaute ihn lange an mit einem Blick, als würde er zweifeln, dass Assá sein Sohn wäre.

    „Du hast einiges von deiner Mutter, wie es scheint," nuschelte der König. Assá horchte auf: Seine Mutter! Wie wenig hatte er von Iddo über sie erfahren! Er hätte gerne gefragt, aber er wagte es nicht, seinen Vater anzusprechen. Stattdessen hörte er sich die Weisheiten seines Vaters an, der anscheinend die Erziehung der letzten beinahe zwanzig Jahre nachholen wollte.

    Iddo überlegte, ob er vor dem Schlafgemach warten solle. Aber er entschied, dass es besser wäre, die restliche Verwandtschaft im Auge zu behalten, Ohren und Augen offenzuhalten. Als er abermals den belagerten Palastgarten betrat, folgten ihm nur noch wenige neugierige Augenpaare. In einigen Ecken hörte man aber heftigere Gespräche als zuvor.

    ‚Aha, Assás Ankunft hat also doch etwas Aufruhr erzeugt‘, dachte Iddo. Unauffällig zog er sich in eine Ecke zurück und setzte sich auf den Boden. Wie die Alten im Stadttor saß er im Schneidersitz und lehnte den Kopf vor, als würde er schlafen. Aus den Augenwinkeln aber beobachtete er die Verwandten und Beamten des Königs. Die meisten Frauen waren die zahlreichen Frauen und Nebenfrauen des Königs. Sie hatten keinerlei Ambitionen, dass ihre Söhne den Thron besteigen mögen. Die meisten Kinder des Königs waren noch sehr jung, Säuglinge zum Teil. Einige waren die Töchter des Königs oder Töchter der Beamten.

    Iddo erblickte Dana, die Tochter des Kanzlers Moza. Ein Mädchen, das Begehrlichkeit weckte. Sie war im heiratsfähigen Alter und sandte ihre heißen Blicke zu den Söhnen des Königs. Dana hatte runde Hüften und einen vollen Busen, dazwischen ein schlanke Taille wie eine Wespe. Ihre Haare waren züchtig im ein Haarnetz gesteckt, dennoch ahnte man ihre vollen schwarzen Locken, die ihr bis über die Hüften reichen müssten.

    ‚Kaum ein Mann könnte ihr widerstehen‘, dachte Iddo. Und tatsächlich beobachtete der Alte, dass der Königssohn Segal sehr von dem Mädchen angetan war. Er sandte sehnsuchtsvolle Blicke zu ihr. Dana näherte sich langsam den beiden jungen Männern, indem sie den Weg von ihrer Mutter zu ihrem Vater geschickt in diese Richtungverlängerte. Dana ging ganz dicht an Segal vorbei, der beinahe eine Hand nach ihr ausgestreckt hätte. Schnell schaute Iddo zu Moza hinüber. Der ließ sich nichts anmerken. Wenn Dana aber nicht nach seinem Sinne gehandelt hätte, wäre er wohl nicht so ruhig geblieben.

    ‚So, so‘, dachte Iddo, ‚Moza setzt also auf Segal. Interessant!‘

    Abijam hatte sich müde geredet. Er stöhnte und ließ sich zurückfallen.

    „Ich hole dir etwas Wasser, Vater," sagte Assá und wurde rot, denn er hätte den König besser mit ‚mein König‘ anreden sollen. Nun war es zu spät.

    Abijam winkte ab: „Wein wäre mir lieber!"

    Assá erhob sich und befahl der Wache an der Tür, einen Diener nach Wein zu schicken. Es dauerte kaum einen Augenblick, da erschien ein Diener mit einer Karaffe und einem Becher. Assá nahm dem Diener den Wein ab und schickte ihn wieder fort.

    Sein Vater war eingeschlafen, Assá überlegte, ob er nicht besser gehen sollte. Aber nun, wo er hier war, hoffte er mehr über sich und seine Herkunft zu erfahren. Warum war er bei Iddo aufgewachsen?

    Warum sprach niemand über seine Mutter? Warum kam er selbst überhaupt für die Thronfolge in Frage, wenn seine Herkunft doch so zweifelhaft war? Vielleicht fand er die Antworten bei seinem Vater, von dem Iddo ihn ferngehalten hatte, seit er älter geworden war.

    Abijam erwachte. Als er den Wein in Assás Händen sah, funkelten seine Augen wild. „Gib her! Assá reichte ihm einen kleinen Schluck, den Abijam mit Gier verzehrte. „Mehr!

    Assá stellte den Krug und den Becher beiseite und erklärte: „Es ist bestimmt nicht gut für dich, zu viel Wein zu trinken!"

    „Ha, machte der König, „bist du besorgt um mich?! Der Ton war spöttisch.

    Aber Assá überhörte den Spott und sagte: „Ja. Und ich finde, man könnte dir auch das Liegen erleichtern." Er errötete abermals. Er hatte sich schon wieder zu weit vorgewagt. Wenn er im Palast etwas zu sagen hätte, dann würde sein Vater im kühlen Schatten des Hofes liegen, frisch gewaschen und in stützenden Polstern, die ihm das Liegen und Schauen erleichtern würden. Aber er hatte nichts zu sagen, also sollte er besser schweigen.

    Abijam beobachtete seinen ältesten Sohn. Dann sagte er mit ergebener Stimme: „Mir scheint, Iddo hat gut daran getan, dich aus diesem Palast wegzubringen. Du scheinst ein richtig anständiger Bursche zu sein. Der Todkranke kicherte. „Kaum zu glauben bei der Verwandtschaft! Abermals ein Glucksen aus dem Bauch des Königs. Aber dann wurde er still und eine Träne rann ihm aus dem rechten Auge.

    War es seine Krankheit, Schmerz, Trauer oder Rührung? Assá wusste es nicht.

    „Vielleicht, nuschelte der alte König, „hast du ja was von König David. Siehst wenigstens so aus! Abijam grinste schief. „Wenn du nur nicht wirst wie Rehaw’am, dieser Versager!", schimpfte der König.

    Assá erschrak und das Blut stieg ihm in den Kopf. Er hatte seinen Großvater immer gemocht. Den einzigen Verwandten, den Assá als Knabe richtig kennengelernt hatte. Iddo hatte nur Zugang zu Rehaw’am gewährt, zu sonst niemandem. Der Großvater war sanft und weise gewesen. Jedenfalls hatte Assá ihn so in Erinnerung. Und so lange war es nun auch nicht her! „Wegen Rehaw’am, wegen deines Großvaters," jammerte Abijam weiter, „ist Israel geteilt. Er ist schuld, seine Schwäche hat diesemJerow’am¹² die Gelegenheit geschaffen, uns alles wegzunehmen! Und gegen Ägypten kam dein Großvater auch nicht an! Er hat alles vermasselt. Ständig. Er ist von einem Fehler in den nächsten gestolpert. Und dein verdammter Iddo hat ihn auch noch in Schutz genommen. Von wegen jung!", steigerte sich Abijam in unsägliche Wut.

    „Dumm war er damals, als er den Thron besteigen sollte. Er war vierzig! Ich war selbst dabei und musste mir seine Unfähigkeit mit anschauen und konnte nichts tun!" Keuchend sank der Alte zurück in seine Kissen. Er war rot angelaufen und schnappte nach Luft.

    Assá war besorgt und wollte den König stützen.

    „Ach!, wischte Abijam verächtlich Assás Hand beiseite. „Versprich mir nur, nicht so ein Versager zu werden wie Rehaw’am, forderte der Todkranke etwas ruhiger, aber immer noch mit Wut in der Stimme. Assá wollte erklären, dass man solche Versprechen nicht geben könne, denn niemand wisse, wie er im einzelnen in schwierigen Situationen reagieren würde. Aber er erinnerte sich an Iddos Mahnung:

    „Der König will nur Gutes von dir hören, keine Widerreden, denk daran! Also nahm sich Assá zusammen und sagte feierlich: „Ich verspreche es dir!

    Abijam beruhigte sich nun. Aber seine Kräfte waren am Ende.

    „Komm morgen wieder, wenn ich dann noch lebe! Schick mir Uri, den alten Kau" Dann sank der König in Schlaf.

    Assá erhob sich, räumte den Weinkrug und Becher beiseite und verließ das Schlafgemach. Draußen atmete er tief ein, er hatte schon gar nicht mehr gemerkt, wie unerträglich die Luft in dem Saal war. Es musste lange dauern, einen so großen Saal mit solchem Gestank zu erfüllen. Wer weiß, wie lange der König schon unbewegt auf seinem Bett lag?

    Er fand Uri, der dienstbereit herbeieilte. Assá fragte: „Wie lange liegt der König schon so?"

    Uri überlegte kurz: „Im Grunde seit des Königs Anfall im Frühjahr.

    Er hat sich etwas erholt zwischendurch. Ist aber nicht mehr oft aufgestanden seither."

    „Danke, der junge Königssohn verbarg sein Erschrecken: „Du sollst zu ihm gehen. Er erwartet mich morgen früh wieder.

    Uri verneigte sich, diesmal tiefer als zuvor. Der junge Mann hatte eine Stimme, der man nur gehorchen konnte. Der wusste, was er wollte. Uri sah dem jungen Mann nach und staunte über sich selbst. Ihm war egal, wer König werden sollte. Aber dieser merkwürdige Sohn von irgendwoher wäre nicht schlecht…

    Damals א (Achad)

    Der HERR¹³ hat zu mir gesprochen, mein König. Ich möchte den Knaben Assá von hier wegbringen. Er sollte eine gute Erziehung bekommen," Iddo machte ein ernstes Gesicht.

    Der König Abijam saß auf dem Thron seiner Väter. Der Vater des Knaben Assá schaute erstaunt, er hob die Augenbrauen: „Wieso? Du unterrichtest ihn bereits hier. Was ist daran nicht in Ordnung?"

    „Ich möchte, dass er nicht länger den Einflüssen hier im Palast ausgesetzt ist," Iddos Gesicht gefror zu Stein.

    Abijam verzog das Gesicht zu einem Grinsen: „Weil ich für Ma‘acha das Ascherabild habe bauen lassen? Findest du die Reaktion nicht ein wenig übertrieben?!"

    Iddo dachte nicht unbedingt daran, aber auch das war ein Grund, den Knaben fortzubringen. Iddo hielt es aber für besser, zu leugnen:

    „Nein. Darum geht es nicht in erster Linie. Er wird älter. Und wenn du möchtest, dass er dein Nachfolger wird, dann solltest du ihm die beste Erziehung geben, die er haben kann."

    „Und die soll er wo bekommen?"

    „Ich denke, dass er bei mir die Traditionen seiner Väter und seines Volkes am besten lernt, aber es braucht noch mehr als das. Frag nicht nach dem Ort. Es wäre besser für alle Beteiligten", ergänzte Iddo geheimnisvoll.

    Abijam starrte ihn eine Weile lang schweigend an. Dann grinste er spöttisch:„Noch mehr als Traditionen….? Ach, ich verstehe! Ein König braucht den Glauben an den unsichtbaren Gott! Nun ja. Ich mag nichts Unsichtbares."

    „Dich kann ich nicht mehr ändern, aber ich kann Assá vor den Einflüssen bewahren, die auch dich schon eingelullt haben."

    Abijam schaute den Propheten scharf an: „Du meinst Ma'acha!¹⁴"

    Nur Iddo konnte sich erlauben, solche Dinge gegenüber dem König anzusprechen. Iddo hatte Abijams Schicksal vom ersten Tag an begleitet.

    „Das hast du gesagt!", entgegnete Iddo. Seine Stimme klang hart.

    Abijam ließ die Schultern hängen: „Meinetwegen. Gut. Erziehe ihn, wie du es für richtig hältst. Vielleicht findet der HERR diese Entscheidung ja gut und denkt gnädig über mich."

    „Vielleicht," brummte Iddo. Er glaubte nicht, dass ein so verdorbener König je vom HERRn begnadigt werden würde. Mit hartem Gesicht wartete er auf des Königs letztes Wort.

    Abijam schaute auf Iddo hinab und sagte: „Wenn aus dem Knaben nichts wird, habe ich noch reichlich andere Kinder", er lachte, „es hat sein Gutes, viele Frauen zu haben¹⁵, Iddo."

    Iddos Blick war hart wie Stein. Er wartete.

    „Nimm ihn also mit, nimm Assá und sorge gut für ihn. Du bekommst für ihn alles, was du brauchst. Berichte mir regelmäßig von ihm. Ich will wissen, ob er geeignet ist."

    „Ja, mein König." Iddo verneigte sich und ging.

    Abijam schaute ihm nachdenklich nach. Beim Gedanken an Ma'acha, seine Mutter, schlug er in die Luft und machte ein abfälliges Geräusch, dann polterte er laut: „Holt mir ein Weib, holt mir Ada!"

    Kapitel Zwei

    Der König hat den Hohepriester zu sich gerufen," tönte die Stimme eines Dieners in den Garten. Der Informant hatte nur den Kopf durch ein kleines Tor gesteckt und war sofort wieder verschwunden. Große Bewegung entstand im Garten. Die wenigen Kinder freuten sich, dass sie nun für einen Moment etwas lauter sein durften. Die Wartezeit zog sich nun schon recht lange hin. ‚Wann stirbt er denn nun endlich?‘, dachten die Kleinen in ihrer kindlichen Ehrlichkeit.

    Assá war vor einiger Zeit still in den Garten zurückgekehrt und hatte sich neben Iddo gehockt und geschwiegen. Da es nichts zu Sehen oder Hören gab, hatten die Menschen sich schnell wieder abgewandt.

    Jetzt aber hielt die Aufregung an. Der Hohepriester sollte kommen?

    Das gab Gesprächsstoff. Hatte Abijam eine Entscheidung gefällt?

    Würde er jetzt sterben? Hatte er neue Pläne? Wie würden sie aussehen?

    „Er rief den Hohepriester, nachdem dieser neue Königssohn bei ihm war", stellte Elan nüchtern fest.

    „Assá", ergänzte Segal. Die beiden Königssöhne ließen sich von der Aufregung umher nicht anstecken.

    „Ob unser großartiger Vater sich für ihn entschieden hat?", wollte Elan wissen.

    Segal zuckte die Achseln. Er spekulierte nicht gerne.

    „Wäre es schlimm für dich, wenn er es wird?", bohrte Elan nach.

    Segal betrachtete seinen Bruder. Sie waren Freunde, solange er denken konnte. Ein Thron könnte auch befreundete Brüder auseinanderbringen. Segal fragte zurück: „Was würdest du tun, wenn ich König werden würde?"

    „Beten, dass du deine Sache gut machst!", platzte Elan heraus. Die beiden mussten lachen. Empörte Blicke brachten sie aber sofort zum Verstummen.

    Nach einer Weile fragte Segal: „Wärest du gerne König, Elan?"

    Elan überlegte: „Ich weiß nicht… zu Schlomos Zeiten war es bestimmt einfacher. Aber jetzt. Nur der Süden, kaum genug zum Überleben…, ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte." Elan verstummte.

    Er war klug genug, um zu wissen, dass dieses Amt eine schwere Bürde sein würde. Leider fühlte er sich nicht klug genug, die Sache anzupacken. Er bräuchte jemanden, der ihm sagen würde, wo es langgeht. Elan mochte gerne klar umrissene Aufgaben und nicht zu viel Ungeklärtes. ‚Ich werde wohl nie ein Mann‘, schimpfte er sich selbst.

    Segal hatte Dana wieder entdeckt und konnte den Blick nicht von ihr lassen.

    Elan bemerkte das und sagte: „Moza wird seine Tochter nur dem König geben. Da könnte ich darauf wetten!"

    Segal sah Elan erschrocken an. Das hatte er noch gar nicht bedacht.

    Das änderte

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