Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Freiheit und Zwang: Paradoxien und Dilemmata im System Schule
Freiheit und Zwang: Paradoxien und Dilemmata im System Schule
Freiheit und Zwang: Paradoxien und Dilemmata im System Schule
eBook457 Seiten4 Stunden

Freiheit und Zwang: Paradoxien und Dilemmata im System Schule

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Dieses Buch widmet sich den Widersprüchlichkeiten, Paradoxien und Dilemmata in Bildungspolitik, der Schule und den darin agierenden Verantwortlichen. Im Diskurs um "Freiheit und Zwang" werden Diskrepanzen aufgezeigt, die sich durch verschiedene Reformambitionen in Richtung Autonomisierung von Schulen nicht auflösen. Im Gegenteil: Sie treten konturierter denn je hervor.
Autor*innen aus Österreich, Deutschland und Südtirol zeigen aus ihren Blickwinkeln Schwierigkeiten auf, die der Pädagogik an sich innewohnen; gleichzeitig werden die unterschiedlichsten Facetten des Lernens aller Beteiligten, von (Fort-)Bildungsbemühungen und Reformbewegungen beleuchtet. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Entstehungsgeschichte, den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Aktualität von Schulautonomie.
Das Herzstück der Publikation ist ein Forschungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Kärnten – Viktor Frankl Hochschule (PHK) und der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion in Bozen/Südtirol zum Thema "Wie muss/soll Fortbildung konzipiert sein, damit sie in der Schule ankommt?", dessen Ergebnisse ausführlich dargestellt, diskutiert und kontrastiv bewertet werden. Erfahrungsberichte aus der Praxis runden den Band ab: Zwei Praktiker und ein Schulentwickler sprechen aus mannigfaltiger Erfahrung und unterschiedlichen Perspektiven zum Thema.
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum11. Nov. 2022
ISBN9783706562478
Freiheit und Zwang: Paradoxien und Dilemmata im System Schule

Ähnlich wie Freiheit und Zwang

Ähnliche E-Books

Lehrmethoden & Materialien für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Freiheit und Zwang

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Freiheit und Zwang - Willibald Erlacher

    I

    Herangehensweisen

    Willibald Erlacher

    Freiheit und Zwang – Epiphänomene oder konstitutive Antinomie von Autonomie?

    1Hinführung

    „Der Mensch wird nicht frei geboren, er wird geboren, um frei zu werden". „Jedes System ist ein System der Freiheit und der Notwendigkeit zugleich."

    G. W. F. Hegel

    Im Jahr 2017 wurde in Österreich ein Bildungsreformgesetz (BMBWF 2018) verabschiedet, das im Vorblatt neben anderen Zielen wie „effektive und effiziente Bildungsbehörden auch „autonome Schulen aufführt, deren Aufgabe es sei, jedes einzelne Kind individuell auf die von der Gesellschaft an sie gestellten Anforderungen vorzubereiten, denn Bildung sei der Grundstein sowohl für die Zukunft jedes einzelnen Kindes als auch der Gesellschaft insgesamt (kritisch dazu u. a. Heid 2009). Organisatorisch solle dies durch Maßnahmen wie eine schulautonome Unterrichtsorganisation, schulautonome Personalauswahl und Personalentwicklung, durch Bildungscontrolling usw. gelingen. Diese Maßnahmen stellten laut Ministerium durch Umsetzung des sog. Autonomiepakets und des Schulorganisation-Pakets eine umfassende Reform der Bildungsbereiche dar (vgl. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/erk/bildungsreformgesetz_2017.html).

    Unter der Überschrift von Schulautonomie werden dabei nicht geringe Ansprüche formuliert sowie Vorgaben definiert und diese so mit diesem Gesetz intendierte „Autonomisierung von Schulen darf, abhängig von der Betrachtungsperspektive als berechtigtes und zugleich als höchst widersprüchlich-antinomisches Unterfangen gesehen werden. Berechtigt insofern, als Autonomie prima vista als hohes Gut angesehen werden kann. Widersprüchlich insofern, als mit gutem Grund gefragt werden darf, inwiefern tatsächlich von Autonomie gesprochen werden kann; und dies nicht nur deshalb, weil der Verdacht entstehen könnte, es handle sich beim Begriff der Autonomie hier lediglich um eine markentauglich-rhetorische, bildungspolitische Figur zur Beruhigung pädagogischer Gemüter, sondern weil Autonomie und Freiheit nicht nur ein existentielles, sondern gesellschaftliches Phänomen menschlichen In-der-Welt-Seins berührt, das in sich selbst widerspüchlich ist und bleiben muss. So wird im Vorwort der internen Publikation des BMBWF, „Informationen zum Schulrecht-Handbuch Erweiterung der Schulautonomie durch das Bildungsreformgesetz 2017 (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/bilref/handbuch_schulautonomie.html), u. a. als Ziel der Bildungsreform formuliert, das Bildungssystem „fit für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu machen. Ist dies womöglich ein Eingeständnis, dass die österreichischen Schulen derzeit nicht einmal „fit für die aktuellen, geschweige denn „zukünftigen" Herausforderungen sind? Aber wer kann heute schon mit Gewissheit definieren, wie die zukünftigen Herausforderungen aussehen werden, sofern nicht bereits bestimmte Vorentscheidungen aufgrund bestimmter (ökonomischer, bildungspolitischer etc.) Interessenslagen stillschweigend vorausgesetzt werden?

    Weiters, so besagtes Handbuch, wüssten Pädagog*innen und Schulleiter*innen am besten, was Schüler*innen bräuchten, um sich optimal entwickeln zu können, weshalb „pädagogische, organisatorische und personelle Freiräume geschaffen und der Handlungs- und Gestaltungsspielraum an den Schulstandorten entscheidend erweitert" würden – wieso dann eine Reform – weil diese Entwicklungsmöglichkeiten von Schüler*innen bislang nicht möglich waren? Der Verdacht, es handle sich dabei um eine markentaugliche, rhetorische Figur erhärtet sich durch den Blog zur Schulautonomie [www.schulautonomie.at] über das Label „Autonomie bringt Chancen, so, als bedürfe Autonomie erst einer besonderen Überzeugungsarbeit, um die Begünstigten – gemeint scheinen offenbar die Schulen und nachgeordneten Behörden, nicht die Ministerialbürokratie selbst – dieser Autonomie „in Stimmung zu bringen.

    In diesem Sinne soll in diesem Beitrag der Versuch unternommen werden, auf ausgewählte Aspekte im Kontext von Autonomie und Bildung allgemein und hinsichtlich der als positiver Reform propagierten bildungspolitischen Gesetzesinitiative im Speziellen einen kritischen Blick zu werfen, mit dem Anspruch, aus einer solchen Perspektive ein Stück mehr Klarheit in einer komplexen Materie zu ermöglichen. Können die in diesem Gesetz definierten Bereiche einer erweiterten Autonomie (Schul- und Unterrichtsentwicklung, Personalauswahl und -entwicklung, Schulpartnerbeteiligung und Zusammenschluss von Schulen) tatsächlich als Freiheitsgrade ermöglichend interpretiert werden oder sind sie nicht doch nur Mittel zum Zweck für eine weitere Strategie zunehmender Bildungsverwaltung und Einschränkung qua Bildungscontrolling und Bildungsmonitoring? Die zu begründende zentrale These dieses Beitrags wird sein, dass das Zugeständnis von mehr Autonomie und Freiheitsgraden (ein Widerspruch in sich?) im System mit zunehmender Kontrolle und Einschränkung einhergeht und erkauft wird bzw. werden muss.

    Warum also braucht es Autonomisierung? Von wem oder was überhaupt? Von Schulen als Organisationen? Von einzelnen Akteur*innen bzw. Akteursgruppen im System Schule? Vom Bildungssystem insgesamt? Von Schulleitungen? Also warum braucht es hierfür überhaupt ein Gesetz? Steht ein solches Gesetz nicht – als von außen veranlasst und gesteuert und damit fremdbestimmt, also „heteronom –in einem Fundamentalwiderspruch zur klassischen Idee von Autonomie? Ist Autonomie nicht etwas, das man sich nur selbst geben – nehmen – verordnen kann, weil es sonst als von „außen kommend notwendigerweise eben etwas Fremdes, Aufgesetztes ist. Oder ist Autonomie ohnehin nur eine Illusion (Meyer-Drawe 1990) in einer Moderne der Brüche und angesichts aktueller neuzeitlicher gesellschaftlicher Entwicklungen – trotz oder gerade wegen einer radikalen Individualisierung unserer Gesellschaft, einer Gesellschaft von Individuen (Elias 1991)? Und warum „müssen Schulen (weil gesetzlich verordnet) plötzlich etwas, wenn sie doch autonom – in welchem Ausmaß und Umfang, in welcher Hinsicht auch immer – sein bzw. werden sollen. Ist die Forderung des Sollens als (normativ) abgeschwächtes „Müssen nicht selbst schon ein fundamentaler Widerspruch und eine Paradoxie, analog zu der im pädagogischen Feld (und dem damit verknüpften, inhärenten Erziehungsauftrag) immer wieder kehrenden impliziten oder expliziten Forderung eines „Werde selbstständig in Richtung der nach wie vor sog. „Schutzbefohlenen, damit aber Unselbstständigen – etwa Schüler*innen und/oder etwa Schulen? Im Folgenden soll es darum gehen, die aktuelle Bildungsreform hinsichtlich ihres Autonomieanspruchs vor dem Hintergrund ihrer vielfältig-widersprüchlichen und mitunter paradox-dilemmatischen Eingebundenheit in bildungspolitische, gesellschaftliche, ökonomische, aber auch wissenschaftliche Kontexte zu diskutieren. Es werden zunächst die zu adressierenden Widerspruchsfelder einzeln beschrieben und charakterisiert und dann in ihren wechselseitigen Verflechtungen skizziert.

    2Widerspruchsfelder

    2.1 Pädagogik als Widerspruchsfeld

    Für die hier angeführten Fragerichtungen – u. a. Gesetz und Autonomie – haben sich Denker*innen seit der Antike Überlegungen gemacht und sind immer wieder auf die Grundwidersprüchlichkeit dieses im Grunde anthropologisch – gesellschaftlichen Phänomens mit all seinen notwendig paradoxen Aspekten und Zusammenhängen gestoßen. So etwa in der bereits vielerorts beliebten und bemühten Sentenz Kants in seiner Einleitung über die Pädagogik mit seiner Feststellung: „Eines der grössesten Probleme der Erziehung ist, wie man die Unterwerfung unter den gesetzlichen Zwange mit der Fähigkeit, sich seiner Freiheit zu bedienen, vereinigen könne. Denn Zwang ist nötig! Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?" (Kant 1968/2015: 711). Oder das Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft und den darüber vermittelten Generationenwiderspruch als Aufgabe von Pädagogik adressierenden, zentralem Topos Schleiermachers, wenn er in seinen Texten zur Pädagogik die Frage von Theorie aufwirft und zur grundlegenden Herausforderung einer pädagogisch-„wissenschaftlichen" Betrachtung macht: „Es muss also eine Theorie geben, die von dem Verhältnis der älteren Generation zur jüngeren ausgehend sich die Frage stellt: Was will denn eigentlich die ältere Generation mit der jüngeren?" (Schleiermacher 2000: 9).

    Nimmt man hier noch Rousseau mit seinem Konzept des „zivilisierten Wilden und die damit verknüpfte Aufgabe von Pädagogik als Versuch, Heranwachsenden das Aufwachsen zu einer mit sich selbst qua Natur übereinstimmenden Person zu ermöglichen, und zwar unter gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bei gleichzeitiger Ausblendung derselben (weil diese eben gerade den Prozess des Heranwachsens „zu sich selber zugleich unterminieren), so ist man endgültig in den Fundamentalwidersprüchen, Paradoxien und Antinomien des pädagogischen Aufgabenfeldes und seiner theoretischen Begründungen, aber auch Begründbarkeit angelangt (vgl. u. a. Münch 1900, Helsper 2004, 2010, Schäfer 2004, Wimmer 2014, 2016 usw.). Das pädagogische Geschäft der Alten mit den Jungen, Erziehungsauftrag und „Zurichtung der jüngeren Generation für eine (berufliche) Zukunft qua Definition von Kompetenzen und standardisierter Messungen („fit machen für die Zukunft) sind nur aktueller Ausdruck einer in sich paradoxen Problemlage namens Bildung. Eine grundsätzlich durch Unbestimmtheit und Kontingenz charakterisierte Zukunft, die Pädagogik neben ihren eigenen Wesensmerkmalen zu einer „unmöglichen Wissenschaft" macht (Wimmer 2014), soll nämlich im Erziehungs- und Bildungsprozess planmäßig und mit vorhersehbaren (standardisierten) Ergebnissen überwunden werden. Eine prinzipielle Unplanbarkeit von Unterrichtsprozessen bei gleichzeitiger Planungsnotwendigkeit (Luhmann 2002) bleibt dennoch bestehen und charakterisiert das Dilemma praktisch-pädagogischer Tätigkeit.

    Auf diese paradoxale und antinomische Struktur pädagogischer Praxis hat bereit Münch um 1900 detailreich aufmerksam gemacht und das gesamte pädagogische Feld als in sich „unendlich" widersprüchlich beschrieben (Münch 1900/2018: 190 ff.). Im Folgenden soll aufgrund der Differenziertheit (bei gleichzeitig entstehendem Eindruck einer da und dort vorhandenen Antiquiertheit des Ausdrucks) seiner Beschreibung, diese zugleich würdigend, ausreichend Platz eingeräumt werden. So liest man als allgemeine Aufgabe von Erziehung bei Münch:

    Die Erziehung soll den Willen beugen und doch den Willen stark werden lassen. Sie soll die Lebenstriebe mäßigen und dämpfen und doch dem Wesen Frische lassen … Sie soll feste Gewöhnung erzielen und doch über bloße Gewöhnung erheben, vor der Herrschaft bloßer Gewöhnung bewahren. Sie soll der Autorität unterwerfen und doch zu innerer Unabhängigkeit heranbilden. Sie soll zum Glied der Gemeinschaft machen und doch gegen den Druck der Gemeinschaft (der Gesamtheit, der Masse) stärken (Münch 1900/2018: 188).

    Und hinsichtlich Lehre und Bildung:

    Es gilt ferner, Vielerlei nebeneinander zu lehren und doch zu verhindern, dass die Eindrücke sich gegenseitig neutralisieren; ein vielseitiges Interesse wecken und doch zu sorgen, dass überhaupt Interesse (wirkliches, lebendiges, persönliches Interesse) vorhanden bleibe, mit anderen Worten: vielseitig zu interessieren und doch fruchtbar zu interessieren. Es gilt, allgemeine Bildung zu geben und doch Oberflächlichkeit nicht großzuziehen; auch allgemeine Bildung zu geben und doch individuelle Anlage nicht zu erdrücken; es gilt, die Reflexion zu entwickeln und doch die wertvollen instinktiven Kräfte darüber nicht absterben zu lassen … das Gedächtnis nicht zu belasten und doch auf der Grundlage des Gedächtnisses allen wertvollen Geistesbesitz zu bauen; immer Eins zu einer Zeit zu treiben und doch immer einer zusammenhängenden Geistesbildung nachzujagen; den Reiz des Wechsels zu gewähren und doch den Geist und Willen zur Stetigkeit zu führen; nur zu fordern, was die Kraft leisten kann, und doch die vorhandene Kraft über sich selbst zu erheben; die Arbeit dem Zögling leicht genug zu machen und doch auch zu sorgen, dass sie ihm schwer genug sei; die nötige Hilfe ihm nicht vorzuenthalten und doch ihn zu selbstständigen Tun zu bringen; den Ernst zusammenhängender Arbeit und konstanter Pflicht ihm einzuflößen und ihm doch den freien, heiteren Jugendsinn zu bewahren (ebd.: 189).

    Zur öffentlichen Schulerziehung gehöre Folgendes:

    Sie soll das Gleiche den Verschiedenen bereiten und auferlegen und doch nicht versäumen, die Kräfte der Individuen zu bilden; soll alle auf allen Linien voranführen und doch nicht die Mittelmäßigkeit befördern oder zum Ergebnis haben; soll der Rücksicht auf die Begabten nicht die Schwachen opfern und doch auch nicht derjenigen auf die Schwachen der Begabten … soll Wetteifer anregen und doch nicht Ehrgeiz großziehen (ebd.)

    Im konkreten Unterrichtegeschehen komme es demnach sodann darauf an,

    [] die Form verstehen und würdigen lehren und doch die Empfänglichkeit für den Inhalt nicht schwächen; mit Vielerlei bekannt machen und doch im Einzelnen recht fest machen, formale Übung und Schulung mit Ernst und Ausdauer treiben und doch auch die Genugtuung befriedigender Produktion nicht vorenthalten; in das Innere der Schriftwerke eindringen lassen und doch zu formalen Sprachkönnen und Beherrschen führen; geschichtliche Gestalten wahrheitsgemäß vorführen und doch sie der Auffassungsfähigkeit der Jugend anpassen; überhaupt das Geschichtliche auf einfache Linien bringen und doch nicht der Wahrheit und Wirklichkeit untreu werden; die eigene Nationalität lieben lehren und doch gegen alles Fremde gerecht bleiben (ebd.: 189 ff.).

    Und letztlich müsse auf persönlich-professioneller Ebene

    [] der öffentliche Erzieher allzeit lebendig und beweglich sein und doch allzeit ruhig und fest; die rechte Ferne den Zöglingen nicht aufgeben und doch ihnen innerlich durchaus nahe kommen; sich fürchten machen (soweit dies nötig ist) und doch auch sich lieben machen (soweit es den Herzen möglich ist); zur Liebe immer bereit bleiben und doch auf den Empfang von Liebe verzichten; durch persönliches Verhältnis wirken und doch nicht persönlich heischen; jung sein können mit der Jugend und doch der Jugend objektiv und meisternd gegenüberstehen; unablässig beaufsichtigen und beobachten und doch weder wirklich noch scheinbar belauern; kein hervorgetretenes Symptom der Wesensart aus dem Gedächtnis verlieren und doch nichts Übles nachtragen; unparteiisch entscheiden und auch unparteiisch erscheinen und doch den Unterschieden der Individualität gerecht werden … zusammenfassen und zusammendrängen und doch anschaulich bleiben, nicht abstrakt reden; zur Verständnisstufe der Zöglinge hinabsteigen und doch die Verständnisstufe durch die nötigen Zumutungen heben; seinen Stoff wissenschaftlich immer sicherer erfassen und doch immer treulicher der Jugend das Ihrige bieten (ebd.: 190).

    Für Münch sind die von ihm taxativ, aber umfänglich aufgelisteten Antinomien Ausdruck einer „Unendlichkeit von Aufgaben und insofern ist nicht verwunderlich, wenn manche Vertreter*innen der nachfolgenden Generationen von Bildungs- und Erziehungswissenschaftler*innen vom Lehrberuf als einen „unmöglichem Beruf bzw. der „Unmöglichkeit" von Pädagogik als Wissenschaft sprechen (u. a. Wimmer 2010, Helsper 2004).

    Helsper (Helsper 2004, 2010) beschreibt diese Widerspruchsfelder im Kontext der Professionalisierungsdebatte und bringt die Topoi Münchs in eine komprimierte Form. Beispielhaft seien hier drei „seiner" Antinomien angeführt: 1. Nähe versus Distanz – Lehrkräfte sollen einerseits genügend emotionale Nähe zu Schüler*innen aufbauen (können), um Lernprozesse zu fördern, andrerseits genügend emotionale Distanz wahren (können), um nicht in eine Intimisierungsfalle zu geraten (zu viel bzw. zu wenig Nähe – zu viel bzw. zu wenig Distanz – beides ist dysfunktional für gelingende Lehr- und Lernprozesse). 2. Organisation versus Interaktion – die Organisation von Schule formalisiert einerseits Lernprozesse über gesetzliche Regelwerke, Lehrpläne, Stundentafeln, Zeittafeln etc., d. h. wirkt generalisierend, homogenisierend und standardisierend über konkrete Menschen hinweg („für alle geltend – Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler*innen), andrerseits soll in der Schule konkret und „fallbezogen pädagogisch agiert werden, die konkrete Lehrer*in-Schüler*in-Interaktion ist aber nicht standardisierbar, wenn sie zugleich „individuell" sein soll. 3. Die sog. Praxisantinomie – Lehrkräfte müssen einerseits in konkreten Unterrichtssituationen unter Entscheidungs- bzw. Handlungsdruck mitunter schnell agieren (können), andrerseits soll dieses Handeln aber zugleich reflektiert sein; Reflexion braucht aber Zeit, die gerade dann nicht da ist (vgl. ebd.: 2004: 49 ff. und 2010: 19 ff.).

    Nimmt man zu den Überlegungen einer „Pädagogik der Widersprüche einen immer mit ihr verknüpften Erziehungsauftrag mit herein, so zeigt sich quasi anthropologisch determiniert die fundamentale Differenz von Sein und Sollen als Grundbestimmung jedes pädagogischen Geschäfts. Der (junge) Mensch „ist anthropologisch einerseits zwar, „soll aber andrerseits ein anderer/eine andere werden, einer/e, der er/sie eben noch nicht ist. Diese als „Grundausstattung mitgegebene Differenz ist stets Ausgangspunkt sowohl pädagogischer als auch ethischer Ambitionen (vgl. Erlacher 2020: 1 ff.).

    2.2 Autonomie als Widerspruchsfeld

    Ist einerseits eine pädagogische Wirklichkeit als solche ohne ihre genuin paradoxalen Verstrickungen nicht denkbar, so wird sie durch Autonomie, als selbst wiederum spätestens seit der Aufklärung mit dem pädagogischen Ethos im Sinn einer aufklärerisch-aufgeklärten Zielvorstellung verknüpft, zusätzlich in ihrem widersprüchlichen und paradoxen Gehalt angereichert. Denn Autonomie ist – als Gegenstand und Erscheinungsweise von je subjektiv-individueller und zugleich gesellschaftlicher Daseinsform – selbst in sich vielfach widersprüchlich und paradox (Khurana/Menke 2011). Dabei kommt nach Dietz (Dietz 2013) Autonomie erstmals in der abendländischen Historie in der literarischen Figur der Antigone von Sophokles ins Bewusstsein, als sie den Befehl des thebanischen Herrschers Kreon (ihres Onkels) missachtend ihren Bruder und zugleich Neffen Polyneikes bestattet und damit gegen das herrschende Gesetz verstößt. Der Chor zu Antigone: „…du lebst nach eignem Gesetz (autonomos zosa), drum allein/zum Land der Toten gehst du" (zit. n. Dietz 2013: 256). Blieb bis dahin im antiken Griechenland der Begriff Autonomie als „Selbst-Gesetzgebung (auto-nomos) ausschließlich Städten bzw. Stadtstaaten der Polis als (äußere) Freiheit von Fremdherrschaft vorbehalten, wird in der Antigone Autonomie als innere Freiheit des einzelnen Individuums im Gegensatz zur äußeren Freiheit erstmals zum Thema. Antigone wird ihre eigene, freie Entscheidung allerdings – wenig überraschend – zum Verhängnis, die „Renitenz eines individuellen („autonomen") Eigenwillens gegen äußeren Zwang und Herrschaft (Heteronomie) wird zu dem die abendländische Kultur prägenden Generalthema Freiheit versus Zwang bis in die Gegenwart und in alle gesellschaftlich-politischen Bereiche hinein. Dietz zitiert hinsichtlich Freiheit Aristoteles aus dessen Metaphysik: „Ein Mensch ist frei, der um seinetwillen und nicht um eines anderen Willen ist" (ebd.: 257). Autonom sein bedeutet hier also „Ursache seiner selbst sein", „über sich selbst herrschen" und freiwillig sei nach Aristoteles eine Handlung dann, wenn das „bewegende Prinzip im Handelnden selbst liegt" (ebd.). Aristoteles behandelt zudem im 3. Buch seiner Nikomachischen Ethik ausführlich die Fragen nach der Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit einer Tat hinsichtlich ethischer, rechtlicher und psychologischer Aspekte, allerdings weniger im Pathos seines Freiheitbegriffs: „…so muss derjenige, der nach der Tugend forscht, wohl auch das Freiwillige und Unfreiwillige bestimmen. Dies ist auch nützlich für die Gesetzgeber im Hinblick auf Ehrungen und Züchtigungen" (Aristoteles 1981: 99). Abseits der Schwierigkeit eines immer exakten Urteils, wann ein Mensch etwas freiwillig oder unfreiwillig tut (denn es gibt Situationen, in denen dies nicht klar zu unterscheiden ist – etwa, wenn aus Angst heraus gehandelt wird – „…solche Handlungen sind also gemischt", ebd.), hänge dies immer vom Ziel einer Handlung ab, welches wiederum von der jeweiligen Situation abhänge, ob etwas freiwillig oder unfreiwillig geschieht:

    [] das Ziel einer Handlung wird von der Situation bestimmt. Darum muss man von freiwillig und unfreiwillig reden für den Augenblick, in dem es getan wird. Dann handelt man freiwillig. Denn der Ursprung der werkzeughaften Teile bei derartigen Handlungen ist im Handelnden selbst. Bei wem aber der Ursprung des Handelns steht, bei dem steht ebenso das Handeln oder Nichthandeln selbst. Also ist derartiges freiwillig (Aristoteles 1981: 100)1.

    Aristoteles expliziert im Weiteren ausführlich die Freiwilligkeit bzw. Unfreiwilligkeit vor dem Hintergrund verschiedenster Aspekte menschlicher Handlungskontexte (Gewalt, Unwissenheit, moralischer Erwägungen wie Reue, Schlechtigkeit, Leidenschaften wie Zorn und Begierde etc. [Aristoteles 1981: 102 ff.] und kommt dann zu einem Aspekt, der in unserer Hinsicht relevant wird: zum Verhältnis von Freiwilligkeit und Entscheidung. Bei Aristoteles wird dieses mit dem Begriff der „prohairesis verhandelt, der seinen Stellenwert im Feld der Handlungen und Handlungsziele hat und nach Krämer mit „Wahlfreiheit bzw. „Vorzugswahl übersetzt werden kann (Krämer 1977), was wiederum den Entscheidungsbegriff impliziert bzw. voraussetzt. Relevant für unser Thema deshalb, weil mit dem Autonomiepaket Entscheidungsrechte an nachgelagerte Bildungsebenen und Schulen delegiert werden. Nach Aristoteles hängen Freiwilligkeit und Entscheidung zusammen, sind allerdings nicht dasselbe, weil nicht jede freiwillige Handlung eine Entscheidung zur Voraussetzung habe, wie beispielsweise spontane Handlungen, Handlungen aus einem Wollen, einer Leidenschaft etc. heraus, die zwar insofern als „freiwillig gelten können, als sie ihren Ursprung im Handelnden selbst hätten. Eine Entscheidung sei hingegen – ganz der aristotelischen Rationalitätsdoktrin verpflichtet – dadurch charakterisiert, dass sie „mit Denken und Überlegung" zusammengeht und sich auf das bezieht, „was in unserer Gewalt" ist (vgl. Aristoteles 1981: 105 ff.). Entscheidungen beziehen sich demnach immer darauf, was als möglich und durchführbar erscheint sowie auf Überlegungen zu Mitteln einer Zielerreichung: „Da nun das Entschiedene ein Überlegtes und Erstrebtes ist, das in unserer Gewalt steht, so wird also die Entscheidung das überlegende Streben nach den Dingen sein, die in unserer Gewalt stehen" (ebd.: 108)2. In der prohairesis äußere sich nach Krämer daher bei Aristoteles vorzugsweise die Freiheit des Menschen, insofern sie sich auf das In-der-eigenen-Gewalt-Stehende bezieht (vgl. Krämer 1977). So gesehen, ist die verordnete Autonomie im Sinne des Bildungsreformgesetzes als „nicht in der Gewalt der Schulen Stehende auch aristotelisch nicht frei, die (polemisch formuliert) „paternalistisch verordneten autonomen Spielräume wären es, sofern sie von den Beteiligten auch aufgegriffen werden3. Der aristotelische Zugang hier ist, wie bereits erwähnt, zwar ethisch fundiert, hat aber für unser Thema dennoch einen unmittelbaren Bezug insofern, als die Frage, ob eine normative Geltungswirkung von Gesetzesvorlagen mit einem Autonomieanspruch verknüpfbar ist, sich als komplexer und widersprüchlicher erweist, als dass sie damit hinreichend erklärt werden könnte. Dazu bedarf es später einer genaueren Analyse des Paradoxietopos innerhalb des Autonomiebegriffs. Zunächst noch ein paar wenige Hinweise zur Freiheitskonzeption bei Aristoteles vor dem Hintergrund der Antike als Sklavenhaltergesellschaft sowie der Herausbildung der Idee einer „inneren Freiheit als Vorbedingung für die später bei Kant prominent ausgebreitete Idee einer Freiheit als „Selbstgesetzgebung.

    Im antiken Denken verstand man, so Arendt Westermann interpretierend, unter Freiheit „Status, Erwerbsfreiheit, Unverletzlichkeit der Person und Bewegungsfreiheit" (vgl. Arendt 2019: 418). In diesem Sinne, so Arendt,

    [] schieden alle Berufe aus, die dem Leben selbst und seiner Erhaltung dienten, also vor allem die Arbeit, die als Lebensweise der Sklaven einem doppelten Zwang unterlag, nämlich dem Gezwungenwerden durch das Leben selbst und durch die Befehle des Herrn; aber auch die herstellende Lebensweise des freien Handwerkers und das auf Erwerb gerichtete Leben des Kaufmanns kamen nicht in Betracht. Es schieden somit alle diejenigen aus, die freiwillig oder unfreiwillig, zeitweilig oder während der gesamten Lebenszeit, sich nicht frei betätigen konnten, die nicht in jedem Augenblick ihres Lebens Herr ihrer Zeit und ihres jeweiligen Aufenthaltsortes waren (ebd.: 22).

    So besehen sind die Lebensumstände der allermeisten Menschen natürlich auch heutzutage noch, nicht nur damals, als unfrei zu bezeichnen4. Autonomie als „negative Freiheit im Sinne von Frei-Sein von allen Bestimmungen ist ein antiker Topos, der im Kontext der Polis als „Minderheitsphänomen einer freien, athenisch-männlichen Bürgerschaft nur im Zusammenspiel mit einer Sklavenhalterkultur realisierbar erschien. Erst das frühe Christentum machte Anstalten, diesen U-Topos einer „negativen Freiheit über einen Freiheits- und Gleichheitsbegriff kollektivieren zu wollen, konnte dieses Konzept kirchenintern aber nicht lange durchhalten und dogmatisch absichern5. Zugleich mündet die frühchristliche Idee einer „inneren Freiheit/Autonomie und Gleichheit des Menschen über die Jahrhunderte hinweg schließlich im Zuge der Aufklärung und der französischen Revolution im Begriff der „Menschenwürde", wie er in allen modernen Demokratien als Rechtsgut in den Verfassungsrang gehoben wurde. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass dieses Konzept einer inneren Freiheit nicht zu verwechseln ist mit individueller Souveränität oder gar Autarkie. Arendt verweist in diesem Zusammenhang auf den grundsätzlichen Irrtum, individuelle Souveränität im Sinne absoluter, unbedingter Autonomie und Herrschaft über sich selbst mit tatsächlicher Freiheit gleichzusetzen. Die Tatsache nämlich, dass menschliches Dasein der Bedingtheit von Pluralität unterworfen sei, schließe Souveränität des einzelnen Individuums aus: „…kein Mensch ist souverän, weil Menschen und nicht der Mensch die Erde bewohnen …" (Arendt 2019: 299). Souveräne Freiheit als gedachte Negation der Tatsache menschlicher Pluralität würde dazu führen, dass nicht eine (jeweils individuelle) souveräne Herrschaft über sich selbst entstünde, sondern eine willkürliche Herrschaft über andere (ebd.)6. Hegel argumentiert dazu in den Grundlinien der Philosophie des Rechts im Zusammenhang mit einer Idee von Freiheit als absoluter Möglichkeit, sich von jeder äußeren Bestimmung und Schranke befreien zu können, mit einer „Freiheit der Leere". Diese würde, sobald sie wirklich, d. h. praktisch werden würde, zu einer „Furie des Zerstörens" im „politischen wie im Religiösen der Fanatismus der Zertrümmerung aller bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und die Hinwegräumung der einer Ordnung verdächtigen Individuen wie die Vernichtung jeder sich wieder hervortun wollenden Ordnung" werden (Hegel 1821/2019: 50).

    Die antike Idee der inneren Freiheit, genauer die Möglichkeit dazu, hat im Gesellschaftlichen als Gegenhorizont also immer äußere Zwänge, Notwendigkeiten, Normen und Gesetze. Gesetze der äußeren und inneren Natur des Menschen, Gesetze, die er sich als soziales Wesen selbst schaffen und geben muss. Dieser Topos einer „Selbstgesetzgebung als Ausdruck eines gesetzten (!) „freien Willens wird letztlich bei Kant in seiner Moralphilosophie ausführlich zum Thema und zur paradoxen Gestalt im Kontext des nicht nur moralisch-normativen, sondern auch gesellschaftspolitischen, letztlich eines legislatorischen Begriffs von Freiheit. Wie lässt sich nämlich die neuzeitliche Idee der Freiheit des (bürgerlichen) Subjekts mit der sozialen Notwendigkeit von verbindlichen Normen und Gesetzen begründen, soll eine Gesellschaft einerseits nicht im Chaos enden und andrerseits, was als viel gewichtiger erscheint, Antworten auf die Frage, was gut oder schlecht, was für ein gedeihliches Zusammenleben in Gesellschaft förderlich bzw. hinderlich sei, im aufgeklärt-kantischem Sinne nicht mehr auf eine objektiv erkennbaren Seins-Ordnung, aber auch nicht mehr auf eine religiös geoffenbarte Wahrheit zurückführbar sein? Das Telos der Aufklärung war nämlich im Grunde ein Nihilismus, und zwar in dem Sinne, dass es keine objektive, durch Offenbarungsreligion oder durch metaphysische Spekulation erkennbare, objektiv und normativ verbindliche Seins-Ordnung mehr gibt. Weder gibt es mehr eine „Substanz-Metaphysik, die man für das richtige Leben des Einzelnen und die richtige Ordnung des gesellschaftlichen Lebens erkennen könnte, noch gibt es eine göttliche Offenbarung als Orientierung. Der Himmel über den Menschen wird mit der Aufklärung „leer und sie sind plötzlich alle „Allein-Gelassene" in der Welt. Deshalb können und müssen Menschen versuchen, selbst eine Seins- und Gesellschaftsordnung herauszubilden, in der sie sich nicht wechselseitig in ihrer Existenz auslöschen, d. h. eine, die ein Miteinander ermöglicht, welches auf Vernunftgründen aufbaut. Die Annahme, dass Menschen qua Vernunftvermögen freie Wesen seien, sei, so Kant, daher eine praktische Notwendigkeit; und die Idee von Autonomie könne daher nur bedeuten, dass ein Gesetz dann als verbindlich gelten kann, wenn wir es uns selbst gegeben haben und wir uns auch selbst daran binden. Aber wer ist da das Wir?

    2.2.1 Paradoxie der Autonomie – fundamentalphilosophische Probleme

    In fundamentalphilosophischer Perspektive ist der Freiheitsbegriff, so wie die Begriffe Vernunft, Ich, das Gute usw. als das Unbestimmte bestimmt, welches zwar situativ bestimmbar ist, aber letztendlich als Unbestimmbares unsere Wirklichkeit bestimmt. Hegel formuliert im §482 seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften von 1830 die Charakteristik von Freiheit in ihrer unbestimmt-unbestimmbaren Bestimmtheit wie folgt: „Über keine Idee weiß man es so allgemein, daß sie unbestimmt, vieldeutig und der größten Mißverständnisse fähig und ihnen deswegen wirklich unterworfen ist, als über die Idee der Freiheit, und keine ist mit so wenigem Bewußtsein geläufig. (Hegel 1991/1830, S. 387) So kann zwar Freiheit sichtbar dort werden, wo sie wirksam wird – beispielsweise in Entscheidungskontexten, d. h. überall dort, wo entschieden werden kann oder muss, egal ob einem das passt oder nicht passt; oder sie wird dort sichtbar, wo Freiheit eingeschränkt wird (z. B. im Gefängnis), aber das bedeutet nicht, dass man endgültig sagen und bestimmen könnte, was Freiheit in ihrer klaren Bestimmung sei, weil sie die Voraussetzung überhaupt dafür ist, dass entschieden werden kann! Sobald Freiheit aber bestimmt wird, ist sie keine mehr und das bestimmte Gute kann nicht das endgültige „absolute Gute sein (Erlacher 2020). Sobald ich mich (frei) dazu entschieden habe, mein Wochenende mit Bergsteigen zu verbringen, bin ich nicht mehr „frei, sondern gehe eben bergsteigen und wähle nicht etwas anderes aus dem „Universum mehrerer Möglichkeiten, die mir offenstehen. Ebenso lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, was Vernunft ist, denn könnte man dies, was wäre dann überhaupt noch vernünftiges Weiterdenken7? Deshalb spricht beispielsweise Kant auch von der Vernunft als „Vermögen", aber genau damit hat man das

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1