Choreografien Kultureller Teilhabe: Huckarde: Kokerei Hansa und St. Urbanus
Von Renée Tribble, Sarah Hübscher, Marita Pfeiffer und
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Über dieses E-Book
Mit dieser Publikation werden die Erträge als Beitrag zur Arbeit am Bild des Ruhrgebiets, an seiner Weiterentwicklung sowie als Choreografien der Partizipation vorgestellt - und können vielleicht ihrerseits zu Exkursionen und Bildexperimenten sowie zur mitgestaltenden Partizipation anstiften.
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Buchvorschau
Choreografien Kultureller Teilhabe - Christopher Kreutchen
Inhaltsverzeichnis
Barbara Welzel Doppelt im Visier: Kokerei Hansa und St. Urbanus
Marita Pfeiffer Die Industriedenkmalstiftung - ihre Arbeit auf der Kokerei Hansa und was sie so besonders macht
Offene Türen – St. Urbanus, Huckarde Pfarrer Michael Ortwald
Barbara Welzel Exkursion zur St. Urbanus-Kirche in Huckarde
Renée Tribble Zukünfte. Planungen und Möglichkeiten in Huckarde-Nord
Felix Kutzera Neue Wege der Qualitätssicherung: Interdisziplinarität und Austausch in Städtebau und Denkmalpflege
Sarah Hübscher und Johanna Ufkes Narrative des Verstehenlernens. Lernen vor Ort zwischen Global Citizenship Education und Historischem Lernen
Christopher Kreutchen Eine Frage von Perspektiven_ graphisches Storytelling als Erschließungsstrategien
Julius Reinders Zeichnen in Huckarde
Künstlerische Forschungen vor Ort
Barbara Welzel
Doppelt im Visier:
Kokerei Hansa und St. Urbanus
Das Bild der erst seit etwa einem Jahrhundert Ruhrgebiet genannten Region wird bekanntlich sehr weitgehend noch immer durch ein Imaginarium von Industrie und De-Industrialisierung bestimmt. Die Umcodierung von industriellen Produktionsstätten in Industriedenkmale hat bildmächtige Erinnerungsorte geschaffen – etwa das Industriedenkmal der Kokerei Hansa in Dortmund Huckarde.¹ Die Bildstrategien der Fotografien von Bernd und Hilla Becher waren wichtige Agenten in diesem Prozess.² In seiner Einseitigkeit und zeitlichen Verengung auf nicht einmal 150 Jahre verstellt dieses Bild – Image – allerdings den Horizont. Ausgeblendet bleibt beispielsweise sehr weitgehend die Bildungs- und Wissenschaftsregion, die – neben den bedeutenden Aufbrüchen seit den 1960er Jahren – ihrerseits auf eine mehr als 1000-jährige Geschichte zurückblicken kann.³ Und auch die reiche Kulturtradition der Region steht im Schatten einer einseitigen Wahrnehmung.⁴ Herausragender Ort für Bildung und Kultur war seit der Christianisierung der Region – neben dem Kloster Werden – das Frauenstift Essen, zu dem die Kirche St. Urbanus und das Dorf Huckarde bis 1803 gehörten.⁵ Zukunftsgestaltung – zu der ganz konkret die Stadt- und Raumplanung gehören und ebenso die Vorbereitungen für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027 mit ihrem Motto „Wie wollen wir morgen leben?" – bedarf daher nicht zuletzt der Arbeit an den Narrativen und an den Bildern.
Doppelt im Visier. Zugleich kontrastiert und miteinander in Dialog gesetzt werden zwei Erinnerungsorte, der eine – die Kokerei Hansa – außer Gebrauch gefallen und grundstürzenden Transformationen unterworfen, der andere – die Kirche St. Urbanus – ein Ort, an dem sich gegenwärtiges kirchliches Leben und die kulturelle Erinnerung an vergangene Epochen, Bekenntnis und säkulares Denkmal durchdringen.⁶ Kirchen sind keine Museen im eigentlichen Sinn des Wortes, sie werden nicht besucht, um aus dem Gebrauch genommene Objekte zu besichtigen. In ihnen finden Gottesdienste statt, sie sind weiterhin „in Betrieb. Seit dem 19. Jahrhundert sind Kirchen, die Gebäude und ihre Ausstattungen, doppelt codierte Orte. Sie sind Gotteshäuser. Und sie sind zugleich Kulturdenkmale. Dieser Kulturbegriff ist ein säkularer, der besagt, dass diese Monumente neben ihrer Bekenntnisfunktion im christlichen Glauben Erbe aller Menschen sind. Die Anerkennung als „Denkmal
bedeutet für die Besitzer:innen, also bei den Kirchen für die Gemeinden, immer auch ein Stück Souveränitätsverzicht. In den Kirchengebäuden und ihren Ausstattungen sind Geschichte und Kultur Europas aufsuchbar für alle Menschen. Für eine historische verankerte Topographie sind sie unverzichtbar.
Doppelt im Visier: Wissenschaft und Kunst vor Ort.
Diese Choreografie führt verschiedene Erkenntnismethoden in ihrer Eigenlogik an einem Ort zusammen und bringt sie in ein Gespräch. Ausgangspunkt waren die Studiengänge des Lehramts Kunst an der Technischen Universität Dortmund und die Suche nach einer Möglichkeit, die disziplinär weit auseinanderliegenden Bereiche des Künstlerischen Arbeitens und der Kunstwissenschaft in einen Austausch und ein gemeinsames Tun zu bringen, die die jeweiligen professionellen Standards wahren kann.⁷ Längst wurde dieser Ansatz ausgeweitet. Hochschuldidaktisch weiterentwickelt wurden die „Diversitätsdialoge in Studium und Lehre"⁸.
Es geht bei einer Begegnung beispielsweise zwischen Fotografie und Physik⁹ nicht um Interdisziplinarität im „klassischen" Sinne; auch in diesem Projekt zur Kokerei Hansa und zu St. Urbanus in Huckarde treffen sich Stadt- und Raumplanung, Bildungswissenschaften, Kunstgeschichte und Kulturelle Bildung sowie Künstlerisches Arbeiten nicht im strengen Sinn zu einem interdisziplinären Programm. Vielmehr gilt es, Reichweiten von Disziplinen zu kartieren, sie in ihren differenten epistemischen Zugriffen, in ihren – etwa bis in die Zitierweisen – heterogenen habituellen Ausprägungen kennenzulernen. Ziel ist es, Kontaktzonen und unterschiedliche wissenschaftliche Zuständigkeiten zu verstehen – und doch zugleich gemeinsam auf Erkenntnissuche zu gehen.
Choreografien Kultureller Teilhabe. Die Vielstimmigkeit der Zugangsweisen ist ein Leitmotiv der Konvention von Faro, dem „Rahmenübereinkommen über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft", aus dem Jahr 2005 des Europarats.¹⁰ Die Diversitätsdialoge erweisen sich vor dieser Folie als eine Choreografie kultureller Teilhabe. Folgerichtig waren sie eine zentrale Methode für die Arbeitsgruppe „Kulturelle Teilhabe" in DoProfiL (Dortmunder Profil für inklusionsorientierte Lehrerinnen- und Lehrerbildung), dem Projekt der Technischen Universität Dortmund in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung.¹¹
Doppelt im Visier: Kokerei Hansa und St. Urbanus. Das Projekt hat im Sommersemester 2023 diesen methodischen Zugriff erneut im Kontext der Lehrer:innenbildung – im Dialog zwischen Kunstwissenschaft und Kunstdidaktik¹² sowie Künstlerischem Arbeiten¹³ – durchgespielt und zugleich – auch das ist eine These zu einer gelingenden Lehrer:innenbildung und ebenso zu ihrem Nutzen für andere Wissenschaften – in Dialog gebracht mit weiteren Disziplinen, namentlich den Bildungswissenschaften¹⁴ und der Raumplanung¹⁵. Unternommen wurden wissenschaftliche und künstlerische Erkundungen. Räume für zahlreiche Gespräche und Begegnungen wurden eröffnet. Mit dieser Publikation werden die Erträge als Beitrag zur Arbeit am Bild der Region, an ihrer Weiterentwicklung sowie als Choreografien der Partizipation vorgestellt – und können vielleicht ihrerseits zu Exkursionen und Bildexperimenten sowie zur mitgestaltenden Partizipation anstiften.
1 Vgl. den Beitrag von Marita Pfeiffer in diesem Band, hier auch weitere Referenzen.