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Killer Stories: Wolf Unger Short Thrills
Killer Stories: Wolf Unger Short Thrills
Killer Stories: Wolf Unger Short Thrills
eBook403 Seiten5 Stunden

Killer Stories: Wolf Unger Short Thrills

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Über dieses E-Book

Killer Stories - Wolf Unger Short Thrills

Sieben Short Thrills. Packende, sprachlich virtuose Schilderung von P.J. Mulders getriebenen Figuren. Hammerhart, lakonisch, schwarzhumorig, heftig. Mit Wolf Unger, cool und sexsüchtig. dem schwärzesten Ermittler des Thriller-Genres. Auf Mallorca wird eine Industrie-Spionin enttarnt. In New York schützt er eine Kollegin, die ins Visier eines Serienmörders geraten ist. Unger taucht in die Frank- furter Schickimicki-Club- und Drogenszene ein, um einen als Suizid kaschierten Mord aufzuklären. Auf Long Island ermittelt er gegen einen ranghohen Ex-Bullen, der seine reiche Ehefrau ermorden ließ. In einer Frankfurter Bar sucht sich ein Erpresser seine Opfer unter einsamen Singlefrauen. Unger setzt dem Treiben ein Ende. Im Hin- terland der Côte d'Azur treibt er für eine berühmte Jazzsängerin auf sehr eigene Art und Weise eine Millionengage ein. Im Frankfurter Westend lauert ein Sniper auf den finalen Schuss auf eine Zeugin. Unger ist schneller.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum13. Okt. 2023
ISBN9783758378577
Killer Stories: Wolf Unger Short Thrills
Autor

P. J. Mulder

P. J. MULDER ist das Pseudonym des 1945 geborenen Autors Paul Jürgen Schmulder. Nach einem Grafikstudium an einer renommierten Kunstakademie startete er seine Karriere Ende der sechziger Jahre in einer der großen amerikanischen Werbeagenturen in Frankfurt. Vom Art Director und Texter zum Creative Director und Managing Partner, führten ihn Foto- und Film-Shootings immer wieder in die Werbemetropolen der Welt. Viele seiner TV-Spots und Kino- werbefilme wurden national und international ausgezeichnet. P.J. Mulder ist mit einer Juristin verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und lebt in einem Taunusstädtchen bei Frankfurt. Mehr über den Autor und seine Bücher: www.pjmulder.de

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    Buchvorschau

    Killer Stories - P. J. Mulder

    Für Susanne und Nina.

    INHALT

    Hannah

    Augustmörder

    Quitt

    Korrupt

    Frankfort Special

    Helen

    Sniper

    HANNAH

    1

    „Schon mal bemerkt, dass man ab und zu vor jemandem steht, dem man besser nicht blöd kommt? So einer bin ich." Clint Eastwood als Walt Kowalski in „Gran Torino."

    MITTWOCH

    Sieben Uhr dreißig. Sein stahlblauer Sharkskin-Koffer gehört zu den ersten Gepäckstücken, die aufs Band rollen. Unter gleichaussehenden, meist schwarzen, schäbigen und vollgepfropften Taschen und Koffer, sticht sein Reisegepäck hervor. Wie ein Top-Model, das sich auf den Catwalk einer dieser unsäglichen Castings-Shows, diesem Sumpf aus unterem Mittelmaß, Peinlichkeiten, Nichtigkeiten und Belanglosigkeiten verirrt hat. Nur ungern hatte er sich von seiner mit edler Patina überzogenen und handgefertigten Reisetasche aus Pferdeleder getrennt. Wolf Unger musste sich schließlich eingestehen, dass ein leichter Rollenkoffer praktischer zu packen und leichter zu transportieren ist.

    Er rollt den Koffer durch die Ankunftshalle des Aeroport de Son Sant Joan, dem Flughafen von Palma de Mallorca, überquert den Vorplatz mit wartenden Bussen und Taxis und setzt sich vor das Parkhauscafé gegenüber. Um ihre Klimaanlagen auf Trab zu halten, brummen einige Busse im Leerlauf, Abgase verpesten die Luft. Noch ist es angenehm kühl. Keine Wolke am Himmel. Es verspricht ein heißer Septembertag zu werden.

    Nach zwei Café Solo und einer köstlichen Ensaïmada de Mallorca fühlt er sich soweit gestärkt, sich in die Schlange der Wartenden vor dem Taxistand einzureihen. Kein Mietwagen und niemand, der ihn abholt. Er ist frei. Jedenfalls vorläufig. Noch kann er tun und lassen was er will. Irgendjemand weist ihm ein Taxi zu.

    „Bon dia, Señor!", begrüßt ihn der Fahrer und verstaut den Koffer.

    „Hola! Ciudad Jardín, Carrer Illa de Malta número doce, por favor!" Unger macht es sich auf dem Rücksitz bequem und streckt die Beine aus.

    „Alles klar. Sind nur fünfzehn Minuten von hier", entgegnet der Fahrer in fast perfektem Deutsch mit rheinischem Akzent.

    Wie zum Geier hat der Typ erkannt, dass ich Deutscher bin? Das fragt sich Unger. Ihm wird endgültig klar, dass er auf der liebsten Ferieninsel der Deutschen angekommen ist. Wahrscheinlich, überlegt er, haben die Mallorquiner seit der Eroberung durch Jakob den Ersten, König von Aragón, über die Jahrhunderte einen sechsten Sinn entwickelt, der sie Invasoren wie Phönizier, Römer, Vandalen, Byzantiner, Wikinger sowie Mauren und Araber oder Deutsche und Engländern erkennen und voneinander unterscheiden lässt.

    Das Taxi schlängelt sich auf die Autovia Autopista de Levante, um kurze Zeit später im Küstenvorort Ciudad Jardín vor dem prachtvollen Jugendstilbau zu stoppen, einem ehemaligen Spielkasino mit pink-weißer Fassade und einem mächtigen Kuppelturm mit Dachterrasse, nur durch eine schmale Fußgängerzone vom Strand getrennt.

    Die Besitzerin des Sahneschnittchens, Carla Lucia de Velasco, genannt Carli, eine Architektin aus Barcelona, erbte das Anwesen von ihren Eltern, die vor dem Zweiten Weltkrieg mit Glücksspiel ein Vermögen angehäuft hatten. Etliche Investoren und Hotelkonzerne überboten sich, um das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu kaufen und – dem Trend folgend – in ein kleines, exklusives Luxusresort umzugestalten. Carli, die mit ihrem Architekturbüro Hotelprojekte unter anderem in Spanien, Florida, dem Sultanat Oman und auf den Malediven konzipiert, lehnte sämtliche Übernahmeangebote kategorisch ab. Von ihren erfahrenen Fachleuten und Handwerkern wurde das Gebäude von Grund auf sensibel und sorgfältig renoviert, restauriert und modernisiert. An die Turmkuppel auf der Dachterrasse ließ sie einen flachen Bungalow aus Stahl und Glas mit Rundumblick bauen. Auf der Südseite ist das Meer, auf der Westseite die Bucht von Palma mit der Kathedrale La Seu zu sehen, von den anderen Seiten fällt der Blick über die Dächer der Vorstadt.

    Während Unger den Fahrer bezahlt, heißt ihn eine Frau willkommen, die aus dem imposanten Eisentor zwischen zwei Steinlöwen auf Pfosten auftaucht. Vor ihm steht Carla Lucia de Velasco. Sie strahlt diesen gewissen Coolness-Faktor einer schönen Frau aus, die weiß, was es heißt, eine Frau zu sein.

    „Bienvenido a Mallorca, Señor Unger. Espero que hayas tenido un buen viaje, sagt sie mit rauer und zugleich weicher Stimme und reicht ihm die Hand. Ihr melodisches, leicht heiser gesprochenes Spanisch mit sinnlichen Gutturalen und sanften Zischlauten jagt ihm einen Schauer über den Rücken. Auf Deutsch fährt sie fort. „Ich bin Carla. Bitte nennen Sie mich Carli.

    „Wolf", sagt Unger und fügt ein paar höfliche Nettigkeiten an.

    Sie führt ihn über eine Marmortreppe und durch eine Glasflügeltür in den Vorraum.

    „Stellen Sie Ihren Koffer ab, ich führ Sie erst mal rum. Sie lächelt. „Danach gibt’s Frühstück auf der Terrasse.

    Drei Etagen. Das Erdgeschoss mit großer Terrasse, die Zimmer oben mit kleinen Balkons und das Penthouse mit Dachterrasse. Ein Extralift führt direkt in den Anbau auf dem Dach, eine über hundert Quadratmeter große Lounge. Das Interieur besteht aus einer gelungenen Mixtur aus modernen spanischen Design- und alten, gediegenen und wuchtigen Antikmöbeln. Eine kleine Pub-Bar im Originalzustand aus Messing und Mahagoni dient als Blickfang, vor dem Tresen vier Barhocker mit abgewetzten, schwarzbraunen Ledersitzen, dahinter Glasregale mit zig Flaschen und ein Monsterkühlschrank aus Edelstahl mit Eiswürfel- und Wasserspender. Ein fünfundachtzig Zoll Fernseher und das Sound-System von Bang und Olufsen lassen keine Audio- und Videowünsche offen. Ein Notausgang neben dem Lift führt zur Treppe.

    Im zweigeschossigen Turm befindet sich unten das luxuriöse Badezimmer – größer als ein Einzimmerapartment – ein Traum aus Alicante-Marmor, Rundwanne mit Whirlpool-Düsen, separate Duschkabine, Raindance- und Handbrause. Oben das kreisrunde Schlafzimmer mit dreihundertsechzig Grad Verglasung, Rundbett, zwei verschiedene Ohrensessel sowie ein weiterer Fernseher auf einem antiken Sideboard mit geschnitzten Blumenornamenten. Daneben, mit Blick aufs Meer, der dazu passende Schreibtisch, davor der Aluminiumbürostuhl von Charles & Ray Eames. Die zentrale Klimaanlage sorgt für angenehme Kühle in allen Räumen. Unger, der sich für Architektur und Design interessiert, gefällt Carlis Stilmix.

    Die Besitzerin bewohnt drei Etagen. Unger bekommt allerdings nur zwei zu sehen. Das Penthouse – Ungers Refugium für eine Woche Sonne, Strand und Meer – ist für Freunde und Gäste reserviert.

    Obwohl Unger weder das eine noch das andere ist, hat sie ihm die Gran Cúpula genannte Dachwohnung durch Vermittlung eines gemeinsamen Freundes überlassen – Klaus Schumann, Ex-Professor, Wissenschaftler und Inhaber eines Pharmaunternehmens im Frankfurter Stadtteil Rödelheim.

    Seinetwegen ist er auf Mallorca.

    Schumann feiert in zwei Tagen seinen fünfundsechzigsten Geburtstag. Er residiert in seinem Stadthaus in der historischen Altstadt von Palma. Nur eine Handvoll Freunde und Familienmitglieder seien eingeladen, hatte er versichert, alles interessante, nette und gebildete Menschen. Und da Unger irgendwie ja auch zur Familie gehören würde und außerdem ein guter Freund sei ...

    Unger hatte seinen Sermon gestoppt, bevor es peinlich wurde. Er hatte sich gefragt, warum sich Schumann so vehement für seine Teilnahme an dieser verdammten Geburtstagsparty einsetzte. Er kennt weder Schumanns Familie noch seine Freunde. Da schien mehr dahinterzustecken, als Schumann zuzugeben bereit war. Ungers Interesse war geweckt. Er witterte ein Abenteuer, Nervenkitzel, Vergnügen, Spaß, Risiko, Action – alles, was seinem Leben wieder einen Kick verpassen würde.

    Unter mehreren Bedingungen war er bereit gewesen, die Einladung anzunehmen: absolute Privatsphäre, Suite in einem Stadthotel, Selbstzahler, außer der offiziellen Feier keine Teilnahme an Aktivitäten wie Ausflüge, Bootsfahrten und sonstigem Schnickschnack. Schließlich hatte er nach einigem Hickhack gemeinsamen Restaurantbesuchen mit Schumann und seiner Mischpoke zugestimmt. Während er überlegt hatte, was sonst noch vorzubringen wäre und gerade tief Luft holte, wurde er von Schumann unterbrochen: „Halt die Klappe, Wolf. Du bist ein äußerst kompliziertes Sensibelchen und da ich dich verdammt gut kenne und mit deinen Einwänden gerechnet habe, ist bereits alles organisiert."

    Unger hatte verblüfft innegehalten und Schumann berichtete von Carlis Haus.

    „Carli spricht perfekt Deutsch, hat in Salem ihr Abitur gemacht und in Frankfurt gemeinsam mit Lisa einige Semester Medizin studiert. Damals, als ich noch als aktiver Professor tätig war und bevor sie ihre Liebe zur Architektur entdeckte. So haben wir uns kennengelernt."

    „Interessant", hatte Unger, dem das völlig egal war, höflich gemurmelt.

    Aber Schumann war noch nicht fertig. „An der TU in Berlin, wo man Architektur als Kunst und nicht als Wissenschaft versteht, hat sie ihr Studium abgeschlossen und anschließend in Ingenieurwissenschaften promoviert. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Carli und Lisa waren eng befreundet.

    Lisa.

    Schumanns einzige Tochter. Ermordet in Los Robles. Eine öde Kleinstadt im südlichsten Zipfel von Texas an der Grenze zu Mexiko. Ungers erster Fall. Er hatte in ein Hornissennest gestochen. Fand sich in einem Sumpf von Gewalt, Korruption, Drogen, Prostitution und Geldwäsche. Er hatte Lisas Mörder gefunden: Richter, Polizeichef, Bankdirektor und Spielcasinobesitzer. Ein Syndikat, das die Stadt untereinander aufgeteilt hatte. Die Bande stand außerhalb des Gesetzes, unantastbar und von keiner Exekutive dieses Planeten zu belangen. Vier Verbrecher der übelsten Sorte führten die Stadt wie ein hochprofitables Unternehmen. Kriminelle dieses Kalibers sind ehrbare, geachtete Bürger. Sie trennen den Müll, mähen den Rasen und nachts lassen sie keine laute Musik laufen. Sie engagieren sich in wohltätigen Organisationen und ihre Frauen sitzen im Elternbeirat.

    Unger hatte sie eliminiert.

    Einen nach dem anderen.

    Er hatte seinen Auftrag ausgeführt und Lisas Tod gerächt. Seit damals zählt Schumann zu Ungers Freunden, von denen er nicht allzu viele hat.

    Carli führt ihn durch die Glasschiebetür auf die Dachterrasse, reckt den Arm hoch und zeigt auf die Sonne. „Hier oben können Sie mit der Sonne wandern. Aber egal wo sie gerade steht, zwei Seiten der Terrasse liegen immer im Schatten."

    Unger genießt den spektakulären Panoramablick und macht ihr Komplimente über den Raumkasten, dessen Glaswände einen fließenden Übergang zwischen Wohnraum und Dachterrasse schaffen. „Meine Idole als Architekten sind Richard Neutra und Albert Frey, in deren revolutionären Bauten sich Privatheit mit Offenheit und Großzügigkeit verbinden lassen – große Fenster und Glasschiebetüren, die das Wohnzimmer mit der Terrasse verschmelzen lassen. Sie weist auf Terrakottakübel in warmen, erdigen Farbtönen mit mediterranen Pflanzen. „Auch daraus ergibt sich ein ruhiger, großzügiger Gesamteindruck.

    Unger nickt.

    Bisher hat er Carli, trotz ihrer Tätigkeit als Architektin, für eine dieser gebräunten, wohlstandsverwahrlosten Tussen gehalten, die vom ererbten Vermögen angenehm leben. Es ist ihr gelungen, ihn zu beeindrucken.

    „Frühstück?"

    Wieder nickt er.

    „Ach ja, sagt sie. „Auf eine Küche hier oben habe ich verzichtet. Meine Gäste können sich frei im Haus bewegen und alle Einrichtungen benutzen. Sie hält kurz inne. „Allerdings ist die dritte Etage tabu ..."

    „Dort befinden sich Ihre Privatgemächer", unterbricht Unger spöttisch.

    Carli, gelassen: „Stimmt. Und: „Kleine Tapas-Bars und drei der besten Fischrestaurants der Insel befinden sich um die Ecke und unten am Strand. Außerdem sind Sie in fünfzehn, zwanzig Minuten in Palma. Wenn Sie wollen, können Sie meinen Mini benutzen.

    „Danke, sagt Unger. „Ich komm drauf zurück.

    Unten führt von der Terrasse eine breite Steintreppe in einen kunstvoll verwilderten Garten mit exotischem Geranke, dreißig Meter hohen Palmen und einem ovalen Swimmingpool mit Liegen und Sonnenschirmen. Die über zwei Meter hohe, mit Bougainvilleen, Passionsblumen und Klettertrompeten überwucherte Steinmauer wird durch ein Eisentor unterbrochen, durch das man direkt auf die schmale Fußgängerzone gelangt, nur wenige Schritte vom Strand entfernt.

    Auf der Terrasse ist ein kleines Frühstücksbuffet aufgebaut. Unger nimmt sich frisch gebackene knusprige Brötchen, aus Edelstahl-Warmhaltecontainern schaufelt er sich Rühreier, Bacon und gegrillte Würstchen auf den Teller. Alba, eine füllige Spanierin, die als Haushälterin vorgestellt wird, serviert frischen Café con Leche in großen Tassen. Carli tunkt ein Croissant in den Kaffee, beißt mit weißen, gleichmäßigen Zähnen kräftig zu und betupft Lippen und Kinn mit einer Serviette.

    Kurze Zeit später.

    „Aah", stöhnt Unger und schiebt den leeren Teller zurück. Er hält ihr seine Zigarettenpackung hin. Sie nimmt die rote Wayfarer von der Nase und bedient sich. Unger lässt sein Zippo klacken. Eine Weile rauchen sie schweigend. Gelegenheit für Unger, sie unter seiner Sonnenbrille unauffällig zu checken. Sie hat etwas von der Erde und dem scharfen Sonnenlicht. Mitte oder Ende Dreißig, sportliche Figur, Schultern einer Schwimmerin, lange, muskulöse Beine. Khaki-Shorts, darüber ein bequem geschnittenes, pinkfarbenes Ralph Lauren-Männerhemd – darunter vermutet er feste Brüste – die Ärmel hochgerollt. An den Füßen elegant-schlichte Zehensandalen von Gucci. Kurzgeschnittene, schwarzbraune Locken und olivfarbene Haut. Dunkle Augen und dunkle Brauen, dazwischen eine senkrechte Falte. Ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen, edler Nase, breitem Mund und sinnlichen Lippen. Zähne wie Perlen aufgereiht, strahlendweiß.

    Unter der coolen Maske vermutet Unger eine Frau mit dunklen Leidenschaften. Er nimmt seine Sonnenbrille ab, drückt die Zigarette aus und sucht ihren Blick. „Was verlangen Sie für diesen Luxus?"

    „Nichts. Ihr Mund verzieht sich zu einem breiten Lächeln. Dann fügt sie die Floskel „mi casa es tu casa an. Sie hebt die Hand und stoppt Ungers Erwiderung, die ihm bereits auf der Zunge liegt. Dann, in ernsthaftem Tonfall: „Lisa war meine beste Freundin, meine Soulmate."

    Damit ist alles gesagt.

    Unger hat keine Wahl.

    Er stimmt zu.

    Sie blickt auf ihre Armbanduhr. „Ich muss nach Palma, einige Dinge erledigen. Gegen dreizehn Uhr treffen wir Klaus zum Tapas-Lunch in der Bar Bosch am Passeig del Born. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit in die Stadt. Sie überlegt kurz. „Sie könnten einen Bummel machen und später ...

    Unger unterbricht. „Ich kenne mich in Palma etwas aus. Ich komm zurecht. Und: „Ich pack schnell meinen Koffer aus und zieh mich um.

    „Okay."

    Fünfzehn Minuten später tritt er aus dem Lift. Er trägt ein nachtblaues Polohemd über Khakishorts, die Füße stecken sockenlos in sandfarbenen Sattelschuhen aus Nubuk mit roten Gummisohlen. Als sie das Tor schließt, nennt sie ihm den Tür-Code, den sie mit flinken Fingern in die Schalttafel tippt. Dann tauschen sie noch die Handynummern aus.

    2

    Carli fährt einen Mini Cooper in Black Metallic. Ein Fahrzeug wie für sie geschaffen, das sie in einer Seitenstraße der Avinguda de Jaume 111 parkt. Eine Parkmöglichkeit, die nur Einheimischen bekannt ist. Sie verabschieden sich und Unger startet seinen Bummel.

    Palma de Mallorca.

    Pulsierende Metropole, schick, trendy, sexy, laut und voller Energie. Inzwischen ist es heiß geworden, die Sonne knallt vom wolkenlosen Himmel. Nach wenigen Minuten auf dem breiten Bürgersteig klebt sein Hemd am Rücken, seine Achseln sind nass, Schweiß rinnt ihm von der Stirn. Er flüchtet sich in den gut gekühlten Konsumtempel El Corte Inglés und atmet auf. In der Herrenabteilung kauft er sich einen sportlichen Panama-Trilby aus Stroh mit einer kleinen Schnepfenfeder im breiten Khakiband. Er setzt den Hut auf, zwinkert der Verkäuferin zu, die einen leisen Pfiff ausstößt.

    Unter schattenspendenden Sonnenschirmen auf der Bar Bosch-Terrasse setzt er sich an einen freien Tisch und bestellt Palo, den traditionellen Aperitif der Insel, eine Mischung aus Alkohol, süßem Karamell, Enzian und bitterer Chinarinde. Er lehnt sich zurück, fühlt sich wie vor der Breitleinwand im Kino und beobachtet die vorbeiflanierenden Menschenmassen.

    Señoras und Señoritas mit Sonnenbrillen auf den Nasen stöckeln auf High Heels in schwingenden Sommerkleidern oder knallengen Jeans vorüber. Genießen es, beobachtet zu werden, wiegen die Hüften und recken stolz die Köpfe hoch. Männer in Business-Outfits mit Attaché-Koffern und schräge Typen in verwaschenen Jeans oder Shorts und T-Shirts. Schwule in enganliegenden Muscle-Shirts und gegelte Möchtegern-Aufreißer. Giggelnde, pickelgesichtige und tätowierte Teenager mit rot verbrannter Haut und Speckrollen um die Hüften, andere schlank und Bulimie geplagt. Bepackt mit Einkaufstüten der Billigläden und Ramschboutiquen mit pseudosexy Namen wie Girls Love, Style, Trendy oder Secret. Heerscharen von geschmacklos gestylten Touristen beiderlei Geschlechts, angelockt mit Billigflügen und Sensationsnachrichten über Freibier für Fellatio, tödliche Balkonstürze, Prostitution, Rauschgift und Alkoholexzesse. Lederhäutige, tiefgebräunte Residenten mit Hautkrebssorgen sowie klapprige Senioren, Penner und fliegende Straßenhändler aus Afrika, die mit ihren Waren – Sonnenbrillen, Hüte, glitzernde Ringe, gefakte Uhren und imitierte Handtaschen – gegen alle Markenrechte dieses Planeten verstoßen. Ein abgerissener Typ taucht auf und spielt auf einem Akkordeon russische Volksweisen. Entsetzlicher Soundmüll, der sich mit dem Klacken der Pferdehufe auf Asphalt, knatternden Mopeds und Motorengejaule der Busse zu einer Kakophonie des Grauens mischt.

    Ein stetiger Strom von Passanten, eine Show, eine Inszenierung. Ein grellbuntes Potpourri aus Geschmacklosigkeiten, den neusten Trends in Sachen bescheuerter Mode, Schönheitschirurgie und falschen Titten. Am frühen Abend werden sich die Touristen in Bettenburgen zum Abendessen anstellen, während Mallorquiner erst dann zum Essen gehen, wenn Urlauber bereits voll breit durch Sexund Saufmeilen taumeln. Engländer in Magaluf, Deutsche in El Arenal.

    Unger muss jetzt die freien Stühle an seinem Tisch gegen Einheimische und Touristen verteidigen und den engen Raum darunter gegen fette, nach Krümel pickende Tauben, die zwischen den Beinen umherhuschen und bei gewagten Lande- und Startmanövern mit ihren Flügeln fast seine Ohren streifen. Instinktive fasst er sich an den Nacken. Er fürchtet, dass ihm die Ratten der Lüfte ins Genick scheißen. Er schüttelt sich. Seine Stimmung beginnt sich zu verdüstern, als endlich Klaus Schumann auftaucht, ein eleganter Gentleman alter Schule und eine imposante Persönlichkeit. Etwas kleiner als Unger, mit gepflegtem, kurzgestutztem Graubart und Fastglatze, dem Kummer und Schmerz über den Krebstod seiner Frau und die Ermordung seiner Tochter tiefe Linien um Nasenflügel und Mundwinkel gekerbt haben. Begleitet von einer blonden Riesin, das dicke Blondhaar zu einem französischen Zopf geflochten, strahlende Blauaugen und tadellose Figur. Ein herb-attraktiver Typ Frau in einem blauverwaschenen T-Shirt mit tiefem V-Ausschnitt. Kein BH, ihre Brüste zeichnen sich rund und wohlgeformt durch den dünnen Baumwollstoff ab. Die langen Beine in hautengen weißen Jeans. Nasenrücken, der Bereich unter den Augen und über den Brüsten mit Sommersprossen gesprenkelt. Sie besitzt die Aura einer Frau die weiß wer sie ist und gewohnt ist zu bekommen was sie will.

    Nach dem Begrüßungsritual mit Umarmungen und Rückenklopfen, sagt Schumann: „Wolf, sag hallo zu meiner Nichte."

    Während Unger der über eins achtzig großen Frau die Hand reicht, ergänzt Schumann seine Vorstellung: „Doktor Hannah Wisbar leitet in meiner Firma die medizinisch-wissenschaftliche Abteilung."

    „Hallo, Herr Unger, sagt sie. „Endlich lern ich Sie mal kennen.

    „Sagen Sie Wolf zu mir."

    „Wolf, sagt sie probeweise und setzt sich an den Tisch. „Ich bin Hannah.

    Schumann deutet auf Ungers Drink. „Palo?"

    Unger nickt.

    „Für mich auch", sagt Hannah.

    Schumann hebt die Hand, macht einen Kellner auf sich aufmerksam, deutet auf Ungers Glas und zeigt drei Finger.

    Der Kellner nickt.

    Nonverbale Kommunikation, funktioniert in jeder Sprache.

    Die Drinks werden serviert.

    Während Schumann die üblichen Fragen stellt – hattest du einen guten Flug, wie gefallen dir Gastgeberin und Domizil und so weiter - wird Unger von Hannah gecheckt. Ein gut aussehender, sportlich wirkender Typ, obwohl sie sich sicher ist, dass Unger nicht zu diesen Dauerperformern mit Zweitjob Fitnesswahn gehört, deren Motto quäl dich, du Sau lautet. Morgens fünfzehn Kilometer Fahrrad, danach achthundert Meter Schwimmen, gefolgt von Muskeltraining bis zum Herzinfarkt. Über ein Meter neunzig groß, athletische Figur, etwa fünfundneunzig Kilo schwer, volles, kurz geschnittenes Haar, die Schläfen ergraut, markante, maskuline Gesichtszüge, die Lachfältchen scheinen aus besseren Tagen zu stammen.

    „Heute Abend habe ich einen Tisch in einem Fischrestaurant direkt am Meer reserviert, fünf Minuten von Carlis Haus entfernt. Schumann hebt die Hände und erstickt Ungers Erwiderung. „Ich weiß, ich weiß – du spielst den einsamen Wolf, der eine soziale Phobie vorschützt, um sich zu drücken ...

    Hannah unterbricht. Sie startet eine Charmeoffensive, legt Unger eine Hand auf den Arm, ihre intensivblauen Augen springen ihn an. Mit samtener Altstimme sagt sie: „Warum treffen wir uns nicht im Ca’n Jordi zum Aperitif? Schnell fügt sie hinzu: „Das ist die Bar links an der Ecke, ein paar Schritte von Ihrem – äh – deinem Domizil entfernt. Lächeln. „Ich lade dich zu einem oder zwei Drinks ein."

    Unger erliegt ihrem Charme. „Wann?"

    „Sagen wir zwanzig Uhr?"

    „Wir essen nicht vor zehn, wirft Schumann ein. Er grinst. „Ihr habt zwei Stunden, um euch voll zu dröhnen.

    Unger zeigt ihm den Mittelfinger.

    Hannah gluckst.

    Carli taucht auf.

    Nach dem Küsschen-Ritual fragt sie: „Appetit auf Tapas und Bier? Ich könnte eine gemischte Platte bestellen. Okay?"

    Alle nicken.

    Bis auf Unger.

    In schnellem Katalanisch redet sie auf den Kellner ein.

    Kurze Zeit später biegt sich der Tisch unter Tellerchen, Schälchen und Bier in gefrosteten Gläsern.

    Carli zeigt auf die verschiedenen Gerichte und zählt auf: „Grüne und schwarze Oliven, frittierte Babytintenfische, Fleischklößchen, Kabeljaubällchen mit Knoblauch und Petersilie, Garnelen gebraten in Olivenöl mit Chili und viel Knoblauch, Venusmuscheln in pikanter Sauce, Ensaladilla rusa – Kartoffelsalat mit Karotten, Erbsen, Thunfisch und Spargel sowie Nierchenscheiben mit Weißweinsauce und Knoblauch, Sie blickt in die Runde und packt ihr Glas. „Salut!

    So kurz nach dem opulenten Frühstück fühlt sich Unger immer noch pappsatt. Er wundert sich über Carlis Appetit, die ordentlich zulangt und sich mit einem Löffelchen verschiedene Köstlichkeiten auf den kleinen Teller häuft.

    Zusehen macht Appetit.

    Unger beginnt mit den scharfen Garnelen.

    Während sich Carli und Hannah beim Essen über irgendeine Ausstellung in einem Museum in Barcelona unterhalten, beugt sich Schumann zu Unger.

    „Hannah ist eine interessante Frau, findest du nicht?"

    Unger zuckt mit den Schultern. „Ich finde beide interessant. Dann stutzt er. Er mustert seinen Freund scharf. „Worauf zielt deine Frage ab?

    „Später."

    Schumann hat ein Problem. Da ist sich Unger sicher. Sein Instinkt hat ihn nicht getrogen.

    Nach dem Essen wird Café Solo serviert und Carli zahlt die Rechnung. Zwischen zwei Schlückchen sagt sie: „Hannah möchte Schuhe kaufen. Ihr könnt uns gerne begleiten ..."

    Schumann hebt abwehrend beide Hände. „Wolf und ich machen einen Verdauungsspaziergang runter ans Meer. Wir könnten uns – er wirft einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk – „in etwa zwei Stunden wieder hier treffen.

    „Zwei Stunden? Carli runzelt die Stirn. „Warum treffen wir uns nicht einfach heute Abend zum Essen und jeder macht inzwischen was er will?

    „Gute Idee, sagt Unger schnell, erhebt sich und zieht Schumann auf die Füße. „Los, nichts wie weg, raunt er ihm zu.

    „Das hab ich gehört", ruft Carli hinterher.

    Auf dem heißstickigen, von Abgasen geschwängerten Passeig del Born, sagt Unger: „Rede!"

    „Gleich", sagt Schumann, blickt sich suchend um und weist auf die Mittelpromenade, wo sich im Schatten hoher Platanen Steinbänke befinden und Cafés und Bars Tische und Stühle im Freien platziert haben. Gaukler und Akrobaten, Straßenmusiker und lebende Statuen, die sich erst beim zweiten oder dritten Blick als Menschen entpuppen, Teenager, die auf Skatern durch das Touristengewusel flitzen und Großeltern bei einem Cortado, die ihre spielenden Enkel im Blick haben, bevölkern die Flaniermeile. Kein Platz frei auf den Bänken, Gäste mit halbleeren oder leeren Gläsern und Tassen auf den Tischen werden von Wartenden regelrecht belagert.

    „Zwecklos", brummt Schumann.

    Zehn Minuten später überqueren sie die breite Avinguda Gabriel Roca und finden eine freie Bank mit Blick aufs glitzernde Wasser, strecken die Beine aus, halten die Gesichter in die Sonne und genießen die frische Brise, die vom Mittelmeer herüberweht.

    „Ich habe einen Spion in der Firma", beginnt Schumann.

    Aha, wusste ich’s doch, denkt Unger. „Hannah?"

    Schumann seufzt und tupft sich mit einem Taschentuch Schweiß von der Stirn. „Vielleicht."

    „Wer ist Hannah und was ist ihre Aufgabe?" Unger hält ihm seine Zigarettenpackung hin, Schumann bedient sich und bekommt Feuer gereicht.

    „Hannah ist das einzige Kind meiner jüngeren Schwester Petra, die mit ihrem Mann Johann, einem Polier, der es zum Bauleiter gebracht hat, seit Ende des Vietnamkrieges – er rechnet im Kopf – „seit über vierzig Jahren in Florida lebt. Er schirmt die Augen mit der Hand und weist auf eine weiße Motoryacht, die gerade das Blickfeld kreuzt. „Bugari Yacht, bemerkt er, „kostet ein paar Milliönchen. Er räuspert sich. „Nach dem Tod meiner Eltern habe ich die damalige Pharmaklitsche übernommen und mich total verschuldet, um Petras Anteil auszahlen zu können."

    „Mit der Kohle ist sie mit Mann und Tochter nach Florida?"

    „Ja. Sie und ihr Mann – inzwischen nennt er sich John – haben sich im Immobilienbusiness eine goldene Nase verdient. Sie sind schon längst Bürger der USA und verbringen ihre Tage auf dem Golfplatz und in diversen Country Clubs. Wir haben nur noch sporadisch Kontakt. Dann fügt er hinzu: „Vor einigen Wochen waren sie zu Besuch in Frankfurt. Ich habe sie kaum wiedererkannt.

    „Und Hannah?"

    „Hat ein High School Diploma und entsprechende Advanced Placement-Prüfungen für ein Pharmaziestudium in Deutschland und Spanien erworben. Sie studierte in Heidelberg, verbrachte ein Auslandssemester in Madrid – ein gutes Training für ihre Sprachkenntnisse, immerhin spricht die überwiegende Mehrheit der Einwohner Miamis Spanisch – und hat in meiner Firma sämtliche Pratika absolviert, ihren Doktor der Naturwissenschaften gemacht und ist schließlich als Stellvertreterin des Leiters meiner medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung eingestiegen. Etwa vor einem Jahr, nachdem ihr Vorgänger das Rentenalter erreicht hatte, hab ich sie befördert. Er blickt sich nach einer Möglichkeit um, seine Kippe zu entsorgen. Schließlich zerbröselt er sie mit der Schuhsohle. „In meinem eher mittelständischen Betrieb ist das eine Kombination von klinischer Forschung, medizinisch-wissenschaftlicher Abteilung und Zulassungsdepartment. Hannah ist unter anderem in die Ideenfindung miteingebunden, in die Entwicklung neuer Produkte involviert und für die spätere medizinisch-wissenschaftliche Vermarktung zuständig.

    „Affären? Sexuelle Orientierung?"

    „Lesbisch? Bi? Hetero? Irgendwas dazwischen? Keine Ahnung. Eine Zeit lang glaubte ich, Hannah sei lesbisch. Vielleicht ist sie’s auch. Zwischen Lisa und Carli auf der einen sowie Hannah auf der anderen Seite, herrschte eine unausgesprochene Rivalität. Deshalb studierten meine Tochter und Carli – bevor sie nach Berlin wechselte – in Frankfurt, Hannah in Heidelberg, wo sie durch die großzügige Unterstützung ihrer Eltern recht angenehm leben konnte. Er hält kurz inne. „Lisa sollte meine Firma übernehmen. Für beide war kein Platz in meinem Laden. Das wusste Hannah. Ich hab mit ihr gesprochen. Sie schien kein Problem damit zu haben. Ich dachte immer, sie würde zurück in die Staaten gehen. Und: „Außer dem obligatorischen jährlichen Thanksgiving-Besuch hat sie kaum noch Kontakt zu ihren Eltern."

    Gellende Möwenschreie lassen ihn unterbrechen. Ein Pulk Vögel streitet an der Kaimauer um etwas Fressbares, vielleicht ein toter Fisch.

    Unger schiebt seinen Hut in den Nacken und blickt nach oben. Die Sonne steht fast noch im Zenit. Keine Wolken, azurblauer Himmel. „Ich möchte aus der Sonne. Er zeigt auf ein etwa hundert Meter entferntes Gebäude direkt am Meer, davor Tische und Stühle unter Sonnenschirmen. „Ein eiskaltes Wasser wäre auch nicht zu verachten.

    Schumann nickt.

    Beide setzen sich in Bewegung.

    „Nach Lisas Tod hast du deine Meinung geändert?"

    „Sie ist kein Ersatz für Lisa, sagt Schumann bestimmt. „Aber sie ist meine Nichte.

    „Okay. Wessen wird sie verdächtigt?"

    Schumann verharrt im Schritt. „Wir haben ein völlig neues und innovatives Herzmedikament entwickelt, Phase drei erfolgreich beendet und befinden uns im Stadium der Einreichung des Zulassungsantrags. Das heißt, ein umfassendes Zulassungsdossier wird vorbereitet, alle Daten zur pharmazeutischen Qualität und präklinischen Prüfung ..."

    „Bitte keine wissenschaftliche Vorlesung, unterbricht Unger. „Mach’s simpel.

    „Äh, ja." Schumann konzentriert sich. „Eine Pharmafirma in Miami, Mia Lab Drug Development and Synthesis, hat Details unserer Forschung aus Phase eins im britischen Fachmagazin The Lancet veröffentlicht. So, als wollte man darauf hinweisen, dass man an einer ganz großen Sache dran ist, glaubwürdig untermauert durch das eine oder andere Detail, aus dem Fachleute schließen können, dass an der Veröffentlichung was dran ist. Er holt Luft. „Und nein, es handelt sich nicht um die Duplizität der Ereignisse. Die publizierten Ergebnisse stammen definitiv von meiner Firma. Weiter: „Nach einer aktuellen Studie, stehen Chemie-, Pharma- und Biotechnologie-Firmen an zweiter Stelle der am häufigsten ausspionierten Unternehmen. Pro Jahr entsteht ein Schaden in Höhe von unglaublichen zwölf Milliarden Euro." Zornig: „In fünfzig Prozent, jedem zweiten Fall von Know-How-Diebstahl, sitzt der Spion im eigenen Haus. In weiteren fünfundzwanzig Prozent der Fälle werden Mitarbeiter professionell ausgehorcht oder auf feuchten Laken in heißen Nächten

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