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Die neue Hoffnung - Die Rettung der Menschheit scheint ungewiss
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Die neue Hoffnung - Die Rettung der Menschheit scheint ungewiss
eBook508 Seiten6 Stunden

Die neue Hoffnung - Die Rettung der Menschheit scheint ungewiss

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Über dieses E-Book

Die Menschheit hat sich durch massive Klimazerstörungen und Kriege an den Rand der Vernichtung gebracht. Als letzten Ausweg bauten die wenigen Verbliebenen ein Raumschiff, mit dem sie den sterbenden Planeten verlassen wollten: Die neue Hoffnung.
Doch leider wird das stolze Schiff durch einen Anschlag vernichtet. Kann Ronin, der unfreiwillig eine besondere Gabe erhalten hat, die zum Sterben verdammte Erdbevölkerung retten oder wird eine neue Untergrundbewegung die Macht ergreifen und die Erlösung bringen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Feb. 2023
ISBN9783347876583
Die neue Hoffnung - Die Rettung der Menschheit scheint ungewiss
Autor

Stephan von Ahnen

Stephan von Ahnen ist 1988 in München geboren und entdeckte bereits in jungen Jahren das Geschichtenerzählen. Nach seiner Ausbildung als IT-Systemelektroniker trat er in die Armee ein und studierte dort Wirtschaft und Journalismus. In seiner Zeit bei der Bundeswehr arbeitete er als Rundfunkredakteur und konnte so seine Leidenschaft des Storytellings in seinen Beruf einbringen. Aktuell ist er in er Personalgewinnung tätig und erhält tiefe Einblicke die Beweggründe der Menschen. Das hilft ihm, seine literarischen Ideen voranzutreiben, was schließlich in der Veröffentlichung seines ersten Romans »Die Neue Hoffnung« mündete.

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    Buchvorschau

    Die neue Hoffnung - Die Rettung der Menschheit scheint ungewiss - Stephan von Ahnen

    Zarah

    Der gesamte Stolz der Menschheit schwebte eindrucksvoll im stationären Mondorbit. Die Weltraumwerft umklammerte das majestätische und ehrfurchtgebietende Raumschiff wie eine gewaltige Hand mit unzähligen Fingern. Überall huschten emsig Konstruktions- und Ladungsdroiden wie Bienen in einem Schwarm umher. Sie schlossen an verschiedenen Stellen die letzten Arbeiten ab und brachten die Versorgungsgüter an Bord. Ein Gewitter aus blauem Schweißlicht ergoss sich über den gesamten Rumpf. Endlich, nach mehr als sieben Jahren Bauzeit, war die Neue Hoffnung nahezu fertiggestellt.

    Die komplette Menschheit fieberte der Vollendung dieses Kolosses entgegen. Nie in der Geschichte hatte der menschliche Geist etwas so Gewaltiges erschaffen: Das Schiff war knapp 7 300 Meter lang, 640 Meter breit und fast ebenso hoch. Die bloße Vorstellung dieser Dimensionen sprengte jegliche Fantasie. Ein Mensch wirkte vor diesem gigantischen Bauwerk wie eine Ameise am Fuße eines Wolkenkratzers.

    Hinzu kam eine überwältigende logistische Herausforderung. Auf dem Planeten war es unmöglich, ein Schiff dieser Größe zu erschaffen. Vor dem Bau der Neuen Hoffnung installierten die Ingenieure daher zuerst eine riesige Orbitalfertigung. Danach sammelten spezielle Satelliten über Jahre hinweg unzählige Asteroiden ein und parkten sie in einer nahen Position. Diese lieferten die benötigten Rohstoffe für die Weltraumwerft und das Raumschiff. Menschen waren nicht in der Lage, sich lange in der lebensfeindlichen Umgebung aufzuhalten, daher erschufen die Verantwortlichen eine ganze Armada an Droiden und Drohnen. Nach vielen Jahren der Vorbereitung war die Freude der Ingenieure groß, als sie mit dem eigentlichen Projekt beginnen konnten.

    Das Raumschiff erhielt den Namen Neue Hoffnung, weil der rote Planet, wie die Einwohner ihren Heimatplaneten nannten, nahezu unbewohnbar geworden war. In einem letzten Verzweiflungsakt versuchten die Bewohner ein gewaltiges Kolonieschiff zu bauen, um ihrer alten Heimat zu entkommen. Sie wollten einen Neuanfang wagen und all ihre Fehler hinter sich lassen, denn davon hatte die Menschheit wahrlich genug gemacht.

    Zarah hasste dieses Schiff. Sie hasste wofür es stand. Sie hasste die Menschen, die es gebaut hatten. Als würden sich die Bewohner des Planeten wirklich ändern, wenn sie eine neue Heimat hätten. Sie waren nie müde zu sagen, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernen wollten. Bei jeder Gelegenheit wurde dies von den Oberen immer und immer wieder propagiert.

    Die Geschichte der Menschheit zeichnete bisher ein gänzlich anderes Bild. Sie war geprägt von brutalen Kriegen, massenhafter Ausbeutung und rücksichtslosem Raubbau an ihrem eigenen Heimatsystem. Schon über Jahrtausende hinweg ging das so. Viele existentielle Krisen hatten die Menschen überstehen müssen und es hatte sich nichts verändert. Es schien, als sei diese Spezies zur Auslöschung verdammt.

    Aber Zarah würde etwas verändern, denn sie hatte eine Aufgabe. Es war wie mit einer schweren Virusinfektion: Wenn es keine Aussicht auf Heilung gab, musste man die Infizierten isolieren und dafür Sorge tragen, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitete. Genau das würde sie tun. Dieses gefährliche Virus ein für alle Mal an der Ausbreitung hindern, bevor es noch mehr Schaden anrichten konnte.

    Gerade hatte ihr Shuttle die Rückseite des Mondes verlassen und näherte sich der Weltraumwerft in einer Flugbahn, in der sich die Werft zwischen ihrem Shuttle und dem Planeten befand. Somit konnten zufällige Beobachter sie nicht entdecken.

    Das Kolonieschiff nahm zunehmend ihr Sichtfeld ein. Dieses Raumschiff war so riesig, dass sie es kaum begreifen konnte. Eines musste man der Menschheit lassen: Wenn sie wirklich etwas wollte, konnte sie es in beeindruckender Geschwindigkeit erreichen und sich immer wieder selbst übertreffen. Die Neue Hoffnung war der perfekte Beweis dafür. Nur wäre er nie nötig gewesen.

    In den vergangenen 120 Jahren wurde ein so gravierender Raubbau betrieben, dass die natürlichen Ressourcen in der Mitte des letzten Jahrhunderts erschöpft waren. Daher griff man noch schwerer ein und zerstörte weite Teile der Welt. Eine energiehungrige Gesellschaft sowie der Aufstieg der ärmeren Regionen und ihr Wunsch nach Wohlstand hatten zu einer massiven Umweltverschmutzung geführt und ganze Länder unbewohnbar gemacht. Schließlich wurden die Überlebenden immer verzweifelter.

    Kriege brachen aus. Erst aus niederen Gründen wie der Erweiterung des eigenen Staatsgebietes oder der vermeintlichen Vormachtstellung. Später folgten tödlichere Konflikte um fruchtbares Land und sauberes Trinkwasser. Am Ende waren Kämpfe um die wenigen bewohnbaren Gebiete ausgefochten worden. Die schrecklichen Waffen der Menschen hatten alles noch schlimmer gemacht.

    Heute waren weite Teile des Planeten unbewohnbar. Viele vormals lebenswerte Länder waren so verseucht und lebensfeindlich, dass dort nicht einmal mehr Pflanzen oder einfache Tiere leben konnten. Die Menschheit litt fürchterlichen Hunger, und die verbliebenen Gesellschaften waren tief gespalten.

    Die wenigen Wissenschaftler waren in abgeschiedenen Laboren damit beschäftigt, die Auswirkungen der Vernichtung rückgängig zu machen. Sie behaupteten, die Menschheit könne keine zwanzig Jahre mehr auf dem Planeten leben. Dann würden die Spezies Mensch und mit ihr viele weitere Tier- und Pflanzenarten für immer aussterben. Das war vor gut siebzehn Jahren gewesen und wie es bisher aussah, sollten sie Recht behalten.

    Zarah drehte ihren Sitz ein Stück und blickte auf den Himmelskörper. Das Sonnenlicht ließ diesen rot schimmern. Rot. Einst strahlte er in einem tiefen Blau, doch die massiven Eingriffe der Menschen hatten die Ozeane vernichtet. Aggressive Rotalgen hatten sich in wenigen Jahren über die Meere und in die größeren Flüsse hinauf verbreitet, ein Phänomen, das den Treibhauseffekt nur weiter verstärkt und gleichzeitig fast alle Bewohner der Gewässer getötet hatte.

    Schlaue Köpfe hatten unterschiedliche Lösungen entwickelt, um diesem Problem entgegenzuwirken: Atmosphärenfilterung, künstliche Wettermodifikationen, autonome Algenernteanlagen. Nichts hatte zu einer Verbesserung geführt und darum wurden verschiedene Chemikalien in den Meeren und der Atmosphäre freigesetzt. Die schwerwiegenden Eingriffe hatten alles nur schlimmer gemacht. Heute schimmerte die Welt in einem dunklen Rot.

    Eine Träne schlich sich aus Zarahs Auge. Sie war so aufgewühlt, so verärgert, so enttäuscht. Wie hatte die Menschheit diese wunderschöne Erde so zugrunde richten können? In der Schwerelosigkeit trieb ihre einzelne Träne als schimmernde Kugel vor ihrem Gesicht. Sie reflektierte den roten Planeten und gab ihn als Miniatur wieder. Es erinnerte sie daran, wie klein und unbedeutend dieser winzige Fleck im Universum eigentlich war. Wie klein und unbedeutend die Menschheit war.

    Der Annäherungsalarm riss sie aus ihren Gedanken. Sie war da! Jetzt begann der schwierige Teil der Mission. Sie musste in die Werft eindringen, ohne dabei entdeckt zu werden. Bisoph hatte behauptet, dass dies sehr leicht sei. Grundsätzlich vertraute sie ihm, doch es war besser, auf das Schlimmste gefasst zu sein und sich dann positiv überraschen zu lassen.

    Die Besatzung kam erst in wenigen Tagen an Bord, und die Droiden waren nicht in der Lage, sie als Eindringling zu erkennen. Das würde ihr helfen. Obendrein war es nahezu unmöglich, an ein funktionierendes Shuttle zu kommen, geschweige denn in den Orbit zu starten, ohne dass es jemand entdeckte, vorausgesetzt sie hätten sich einmal darauf eingestellt, dass es doch möglich war.

    Zarah machte auf der Steuerungskonsole, die sie auf ihrem AT-6 installiert hatte, einige Eingaben. Das AT-6, Kurzform für Armtablet Version 6, war ein kleiner Quantencomputer, der in ein stabiles, aber flexibles und angenehm zu tragendes Gehäuse eingepasst war. Man konnte es ähnlich einem Handschuh überstreifen und dann lag es wie eine zweite Haut auf dem Unterarm. Es war dauerhaft mit dem globalen Netzwerk verbunden, sodass sich jeder parallel in einer virtuellen Realität aufhalten konnte. Das AT-6 diente zur Kommunikation und Unterhaltung sowie als Arbeitsgerät. Die ATs ließen sich mit praktischen Zusatzgeräten erweitern. Es gab spezielle Sensorhandschuhe, Brillen, Anzüge oder Implantate. Ein nicht mehr wegzudenkender Alltagsgegenstand.

    Zarah hatte gehört, dass es im vergangenen Jahrhundert ähnliche Geräte gab, die man in der Hand halten musste, um sie zu bedienen. Sie waren bei weitem nicht so hoch entwickelt, beinhalteten aber bereits im Ansatz vergleichbare Funktionen.

    Sie navigierte das kleine Shuttle mit Hilfe des AT-6 vorsichtig um die Werft herum. Durch ihr Head-Up-Display wurde ihr vom AT-6 ein Weg aufgezeigt, dem sie folgen konnte. Das Head-Up-Display legte eine neue Ebene mit weiteren nützlichen Informationen auf die Realität. Zarah musste einen der Versorgungshangars erreichen und sich dort Zugang verschaffen. Ihr Ziel wurde bereits im Display angezeigt.

    Nach einigen Augenblicken erreichte sie »Hangar Vier«. Laut Bisophs Angaben war hier erst kürzlich bei der letzten Wartung ein neues Softwareupdate installiert worden, in das sie eine Backdoor einschleusen konnten. Damit erhielt Zarah Zugang zur Entwickleroberfläche und konnte die Kameras des Hangars für wenige Minuten in eine Endlosschleife zwingen. Wenn dies geschehen war, musste alles sehr schnell gehen.

    Sie überprüfte noch einmal ihren Raumanzug und setzte schließlich den Helm auf. Den Bordcomputer programmierte Zarah darauf, dass das Shuttle kurz nach ihrem Ausstieg in einem toten Winkel der Außenkameras geparkt wurde. Sie schnallte sich von ihrem Sitz ab, schwebte durch den kleinen Frachtraum, griff sich ihren Rucksack und erreichte die Luftschleuse. Mit zwei kräftigen Armstößen durchquerte Zarah diese und steuerte mit ihrem Raumanzug zum Hangartor. Ihr Shuttle entfernte sich und sie blieb allein am Wartungsterminal zurück. Über ihr AT-6 öffnete sie die Hangartür und glitt hinein.

    Sie hatte sich die Baupläne der Neuen Hoffnung gut eingeprägt, damit sie im Ernstfall schnell ihr Ziel fand. Dennoch ließ sie sich von ihrem Head-up-Display leiten. Die Arbeiterdrohnen, die überall im Hangar herumschwirrten, wurden ihr dauerhaft angezeigt. Zum Glück hatte sie ihre Identität gefälscht, sodass die Droiden sie als Besatzungsmitglied wahrnahmen.

    Der Eingang zum Inneren war im Versorgungstunnel zu ihrer Rechten. Sie glitt den Tunnel entlang und befand sich schließlich in einem Ladungsdeck des Schiffes. Zarah fiel plötzlich nach unten und kam ungeschickt und unsanft auf dem Boden des Decks auf. Elegant sah anders aus. War das die Schwerkraft? Wie hatten sie das hinbekommen? Sie richtete sich auf und sah sich um. Überall waren Droiden damit beschäftigt, Kisten aus dem Ladungsdeck in das Innere der Neuen Hoffnung zu transportieren.

    Ihr Head-up-Display zeigte ihr den Weg durch die Korridore. Das Ziel befand sich elf Ebenen über ihr, auf Deck 37. Zarah würde sich beeilen müssen, denn sie fürchtete, dass hier doch irgendwelche Wächter an Bord sein könnten. Sie lief los und verließ sich ganz darauf, dass die Konstruktionspläne aktuell waren und ihre Navigation fehlerfrei funktionierte.

    Nach einer guten halben Stunde erreichte sie ein riesiges Atrium. Hier waren Bäume vor einem großen Fenster gepflanzt worden. Es sah bizarr und surreal aus, wie die prächtigen Bäume vor dem dunklen Schwarz des Weltraums standen. Irgendwie passte das lebendige Blattwerk in seinem satten Grün nicht recht zur lebensfeindlichen Aura des Weltalls.

    Sie umrundete das Atrium und machte sich mit einem Aufzug zu den oberen Decks auf. Während Zarah in der Glaskabine nach oben fuhr, beobachtete sie die Droiden unter sich. Sie bewegten sich strukturiert und erinnerten sie an Ameisen. Vermutlich waren sie auf ein solches Verhalten programmiert worden, denn es erwies sich bereits in der Natur als äußerst effizient.

    Auf Deck 37 angekommen, rannte sie minutenlang durch sterile graue Gänge, von denen zahllose Türen abgingen. Schließlich erreichte Zarah ihr Ziel: Den Maschinenraum. Sie versuchte, mit ihrem AT-6 die Türsteuerung zu aktivieren. Es funktionierte nicht. Was hatte Bisoph gesagt? Es gab Versorgungsleitungen, die zu einem Notfallzugang führten. Auf ihrem AT-6 rief Zarah die Pläne des Korridors auf und entdeckte diese. Sie ging ein paar Schritte zurück und kam zu einer Platte in der Wand, hinter der sich die Notfallsteuerung befinden musste.

    Zarah zog ein Multi-Tool aus ihrer Gürteltasche und machte sich daran, die Abdeckung zu entfernen. Vorsichtig setzte sie die Abdeckplatte ab und sah sich aufmerksam im Gang um. Hier befanden sich bisher keine Droiden. Ruhig studierte sie die verbauten Steuerelemente und nach kurzer Suche entdeckte sie einen Anschluss für ein Wartungsgerät. Sie schloss das AT-6 daran an und öffnete die Admin- Konsole. Wieso gab es hier keinerlei Schutzmaßnahmen? Schnell fand sie das Programm für die Türsteuerung.

    Nach wenigen Augenblicken glitt diese lautlos auf. Warum baute man schwer gesicherte Türen, wenn sie über einen leicht zugänglichen Punkt spielend geöffnet werden konnten? Bei Bisoph wäre das nicht passiert. Zarah befestigte provisorisch die Abdeckplatte und hoffte, dass dies nicht sofort auffallen würde, wobei sie jedoch daran zweifelte, dass es die Droiden nicht ohnehin entdecken würden.

    Sie stand auf und ging zügig in Richtung des Maschinenraums, als zwei Droiden um die Ecke bogen. Gerade noch rechtzeitig schlüpfte sie durch die offene Tür und versteckte sich hinter dem Türrahmen. Offenbar hatten sie sie nicht entdeckt. Diese Arbeiter hatten wohl andere Aufgaben, denn sie bewegten sich wieder von ihr weg, und als sie außer Sicht waren, atmete Zarah auf. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Freigabe für diesen Bereich des Schiffs zählen würde.

    Zarah drehte sich zum Maschinenraum um und riss erstaunt ihre Augen auf. In der Mitte befand sich eine gigantische Kugel, die mit unzähligen kleinen Platten umschlossen war. Hunderte Leitungen gingen von diesen weg und führten in einen benachbarten Raum. Es wirkte, als würde die Luft um die Kugel leicht flimmern. Die Ausmaße waren gewaltig. Das Teil war mindestens zwanzig Mal so hoch wie Zarah! In dem Maschinenraum allein hätte man vermutlich ein ganzes Schiff untergebracht. Sie ging näher heran und hatte das Gefühl, geschrumpft zu sein. Das war also der berühmte Materie-Antimaterie-Antrieb.

    Vor gut vierzehn Jahren hatte es einen wissenschaftlichen Durchbruch gegeben. Nachdem die Kernfusion perfektioniert worden war und damit große Mengen an Energie zur Verfügung standen, hatte eine kleine Gruppe Wissenschaftler herausgefunden, wie sie mit einem besonderen Verfahren in eigens entwickelten Reaktoren, genannt Brutkästen, Antimaterie herstellen und speichern konnten. Dies galt als bahnbrechend in Forschungskreisen und stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Seit der Entdeckung der Antimaterie waren aber nur Kleinstmengen herstellbar gewesen.

    Daher entschied sich die Technische Forscherenklave, die die Federführung dieses Projektes innehatte, einen speziellen Materie-Antimaterie-Antrieb zu entwickeln, um ihn für die Neue Hoffnung zu verwenden. Die ersten Versuche waren vielversprechend, denn durch ein physikalisches Prinzip, das Zarah nicht verstand, konnte eine schier endlose Menge an Energie produziert werden.

    Das war gleichzeitig das große Problem der Antimaterie, da sie hoch reaktiv war, wenn sie mit Materie in Berührung kam. Der Vorgang wurde Annihilation genannt. Daher musste sie in besonderen Vorrichtungen, sogenannten Magnetfallen, gespeichert werden. Die Technologie war aus der Kernfusion bekannt und fand seit vielen Jahren ihre Anwendung. Doch auf dem Planeten wollte man diese gewaltigen Energien nicht freisetzen.

    Sie sah sich um. Irgendwo mussten diese Magnetspeicher zu finden sein. Zarah ging an unzähligen Terminals und Monitoren vorbei. Soweit sie wusste, würde hier kein Mensch arbeiten, da die Strahlung des Antriebs nicht ganz abgeschirmt werden konnte. Eine künstliche Intelligenz war für den Betrieb und die Wartung verantwortlich. Sie umrundete die Maschine und fand schließlich die Speicher in einer Nebenkammer des Maschinenraums. Es handelte sich um drei kugelförmige Objekte, jedes in etwa so groß wie ein menschlicher Kopf. Sie waren auf einem speziellen Podest angebracht und dort fest verankert.

    Wenn sie alles richtig verstanden hatte, wurde eine dieser Kugeln als Brennstoff in den Antrieb eingesetzt und lieferte dem Schiff für rund 31 Jahre Energie. Die beiden anderen waren die ersten Energiequellen auf dem neuen Heimatplaneten, da die Neue Hoffnung dort als Basis dienen sollte.

    Ruhig nahm sie ihren Rucksack ab und holte ein kleines zylinderförmiges Kästchen hervor. Der Apparat war schwer und passte gut in ihre Hand. Der Zylinder war extra für diese Mission entwickelt worden und würde ausreichen, die Speicher aufzubrechen und die Antimaterie freizugeben. Den Rest würde die Annihilation erledigen. Sie aktivierte die Bombe und legte sie in die Mitte der drei Antimateriespeicher.

    Es war an der Zeit, ein letztes Mal mit Bisoph zu sprechen. Zarah stellte über ihr AT-6 eine Verbindung her und nach einem kurzen Augenblick konnte sie sein runzeliges Gesicht mit dem gepflegten grauen Kinnbart und den unergründlichen Augen sehen. Er lächelte, als er sie sah.

    Er strahlte immer eine unerschütterliche Ruhe aus. Auch jetzt. Der alte Bisoph war wie ein Vater für sie. Als sie noch ein kleines Kind gewesen war, waren ihre Eltern bei einem Streit mit dem örtlichen Verwalter getötet worden. Sie war lange umhergestreift und hatte schließlich Bisoph getroffen. Schon damals war er ihr sofort sympathisch gewesen. Er half ihr, über den Verlust ihrer Eltern hinweg zu kommen, gab ihr ein Zuhause und Platz an seiner Schule. Der liebenswürdige Alte hatte noch andere Kinder aufgenommen und sie waren zu einer großen Familie zusammengewachsen. Sie selbst nannten sich »Der neue Morgen«, denn sie wollten die Welt von Morgen schaffen, gemeinsam und als eine Einheit.

    Gespannt hatte sie zusammen mit Bisophs Jüngern über Jahre hinweg seinen Weisheiten gelauscht und sich gerne seiner Sache verschworen. Er hatte erkannt, dass die Menschheit keine Zukunft mehr hatte, wenn sich nicht alles grundlegend ändern würde. Bisoph hatte eine Vision, wie sie dazu beitragen konnten.

    Heute war Zarah hier, um ihren Teil zu Bisophs großem Plan beizusteuern. Heute war ihr Tag. Heute wollte sie sich damit für das bedanken, was er über zehn Jahre hinweg für sie getan hatte. Ihre Mission war erst der Start einer ganzen Reihe von Ereignissen, die zur Befreiung der gesamten Menschheit führen sollte.

    »Hast du alles erledigt?«, fragte er mit seiner angenehm tiefen Stimme.

    »Ja, ich habe dein Geschenk überreicht«, erwiderte Zarah und konnte ihren Stolz kaum verbergen.

    Er bemerkte es und antwortete lächelnd: »Das hast du sehr gut gemacht, mein Kind. Du kannst zu Recht stolz auf dich sein.«

    Zarah nickte verlegen, da sie von ihren Gefühlen überrascht wurde. »Wird es ausreichen?«, fragte sie mit unsicherer Stimme.

    »Das kannst du mir glauben. Dein freiwilliger Einsatz wird ein neues Zeitalter einläuten.«

    »Danke Bisoph, dass du dich so gut um mich gekümmert und mir eine so wichtige Aufgabe übertragen hast«, antwortete sie und deutete eine Verbeugung vor seinem Bild an.

    Er lächelte. Er lächelte immer. Das fand Zarah so faszinierend an ihm. Seine innere Ruhe ging auf andere über und nichts konnte seine Stimmung trüben.

    »Denke daran, Zarah: alles geschieht auf ein höheres Ziel hin. Sich einer Sache vollkommen zu verschreiben ist die größte Erfüllung, die ein Mensch erreichen kann. Und jetzt lebe wohl. Wir werden immer an dich denken, Zarah!«

    Sie richtete ihren Blick geradeaus und nickte dabei ernst. »Für eine bessere Zukunft«, erwiderte sie und drückte auf den Auslöser der Bombe.

    Ronin

    Erbarmungslos brannte die Sonne durch die milchige Wolkendecke auf Ronin herunter. Schweiß lief von seinem Gesicht und tropfte auf den staubigen Boden zwischen seinen Füßen. Was für ein heißer Tag! »Auf drei!«, hörte er Jack rufen. »Eins... zwei... und drei!«

    Ronin stemmte sich mit dem ganzen Körpergewicht gegen den Betonbrocken. Der Brocken erzitterte unter der Anstrengung der beiden Männer und bewegte sich Stück um Stück, nur um schließlich wieder mit einem lauten Knirschen an die alte Stelle zurückzufallen. Dabei riss Ronin sich einen Triangel in seine Weste. Verdammt! Ausgerechnet seine Lieblingsweste.

    Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von den Augen. »Das hat doch alles keinen Sinn, Jack. Wir kommen so nicht rein!«, meinte er und befingerte missmutig das Loch in seiner Weste.

    Jack lugte hinter dem Betonbrocken hervor und stützte sich schwer atmend auf den dicken Stamm, den er als Hebel verwendet hatte. »Wir müssen es noch einmal versuchen«, erwiderte er.

    »Komm schon Jack, das probieren wir jetzt schon seit über einer Stunde!«, stöhnte Ronin. Das war die mit Abstand anstrengendste Mission in den letzten Wochen. »Können wir nicht einfach sagen, dass wir nicht reingekommen sind?«, meinte Ronin genervt.

    Jack rollte mit den Augen. »Du Hornochse, wie oft soll ich es dir denn noch erklären? Wir müssen an die Laborausrüstung kommen, die in dieser alten Einrichtung zu finden ist. Silvio braucht das Zeug!«

    »Dann soll der Alte gefälligst selber seinen Arsch hierher bewegen und mit anpacken, anstatt uns nur wie zwei billige Laufburschen herum zu scheuchen!«

    Wie es Ronin nervte! Ständig wollte Silvio irgendetwas anderes für seine Forschungen haben. Letzte Woche sollten sie in einem verlassenen Krankenhaus aus dem vergangenen Jahrhundert irgendwelches Material holen. Dabei wären sie fast draufgegangen, weil das marode Bauwerk nach jahrzehntelangem Leerstand schließlich teilweise eingestürzt war. Jack und er hatten es gerade noch geschafft zu entkommen. Silvio war sehr enttäuscht, denn sie hatten nur die Hälfte von dem Zeug mitbringen können. Soll er sich beim nächsten Mal selbst die Visage von herunterfallenden Trümmern zerschlagen lassen!

    »Kommst du jetzt oder willst du den Felsbrocken mit deinen Blicken pulverisieren?«, fragte Jack gereizt.

    Also gut, noch ein Versuch. »Hey, Jack, lass uns doch hier einmal etwas unterbauen.« Er zeigte auf die entsprechende Stelle. »Vielleicht können wir ihn so stabilisieren und Stück für Stück anheben.«

    Jack nickte. »Das haben wir zwar schon probiert, aber etwas Besseres fällt mir mittlerweile auch nicht mehr ein.«

    Schnell suchten sie die umliegenden Ruinen nach geeignetem Material ab und Ronin fand eine unterarmdicke Eisenstange, mit der er sie gleichzeitig in der Hand kreisend zum Betonbrocken ging. Jack kam mit ein paar Holzstücken zurück. So könnte es vielleicht funktionieren.

    Nach einigen weiteren schweißtreibenden Momenten und abgeschürfter Haut schafften sie es schließlich, den Eingang soweit freizulegen, dass sie hineingehen konnten. Ronin grinste dämlich. »Hätten wir gleich so machen sollen, was Jack?«

    Lachend klopfte Jack ihm auf die Schulter »Du bist halt der Schlauere von uns beiden.«

    Durchaus, dachte Ronin amüsiert und überprüfte noch einmal, ob der Betonbrocken festen Halt gefunden hatte, damit sie nicht lebendig begraben wurden. Als er sich dessen sicher war, fummelte er seine Taschenlampe vom Gürtel, schaltete sie an und ging durch die Öffnung. Sein Partner folgte ihm.

    Nach einigen Schritten standen sie in einer teilweise eingestürzten Eingangshalle. Überall lagen Trümmerteile, umgestürzte oder zerbrochene Möbelstücke und Glassplitter herum, die im einfallenden Sonnenlicht harte Schatten warfen. Es grenzte an ein Wunder, dass man hier überhaupt noch stehen konnte. Hoffentlich würde nicht auch dieses Gebäude über ihren Köpfen zusammenbrechen. Die beiden Männer sahen sich um. »Da hinten«, meinte Jack und zeigte auf das Ende der Halle, an dem sich alte Aufzüge befanden.

    Sie gingen zu diesen und fanden daneben die Nottreppe. Mit einiger Mühe öffneten sie die Tür, die sich über die Jahre hinweg verkeilt hatte, und traten in das Treppenhaus. Ronin leuchtete mit der Taschenlampe nach oben, konnte aber nicht mehr viel erkennen, da im Stockwerk darüber alles zusammengebrochen war. Hoffentlich würde das halten. Er war wenig erpicht darauf, dass ihm die Decke auf den Kopf fiel, während sie sich im Keller befanden.

    »Sieht so aus, als wäre der Zugang frei«, meinte Jack neben ihm und seine Stimme hallte durch das Treppenhaus.

    Ronin folgte seinem Blick nach unten und bemerkte, dass die Treppe teilweise eingestürzt, aber im Großen und Ganzen noch passierbar war. Der Treppenabgang reichte so tief hinunter, dass das Licht seiner Lampe kaum ausreichte, um den Boden zu sehen. Jack sog neben ihm die Luft ein. »Da sollen wir runter?«, fragte er und Ronin nickte langsam.

    »Ja, sieht ganz danach aus. Lass uns hier und hier die Seile verankern und unseren Abstieg damit sichern.« Er zeigte auf zwei feste Stellen im alten Mauerwerk, wo sie ihre Kletterhaken anbringen konnten.

    Sobald Jack und Ronin sich überzeugt hatten, dass die Haken hielten, kletterten sie über das baufällige Treppenhaus nach unten. Es war sehr anstrengend, da die Stufen teilweise eingestürzt oder durch größere Trümmer blockiert waren, und sie aufpassen mussten, um nicht abzustürzen. Passend zum heutigen Tag, dachte Ronin.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen sie am Fuß der Treppe an. Der Boden war mit Trümmerteilen übersät. Sie waren sicher gut zweihundert Meter unter der Oberfläche. Wieder war Ronin komplett nassgeschwitzt. Wenn er wenigstens nicht immer so schnell schwitzen würde. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe die Umgebung ab. Der Boden des Treppenhauses war nicht sehr groß und es gab nur einen möglichen Weg: Eine massiv wirkende Stahltür, die mit einem alten elektronischen Zahlenschloss gesichert war. Seit Jahrzehnten funktionierte kein Strom mehr in den Ruinen, also würden sie sich mit Gewalt ihren Weg durch die Tür bahnen müssen.

    Ronin ging auf sie zu und hielt seine Fingerspitzen dagegen. Die Sensoren im Handschuh waren direkt mit seinem AT-6 verbunden. Er pfiff laut. »Mann, was immer die Alten hier verstecken wollten, es muss echt wertvoll gewesen sein. Die Tür besteht aus gehärtetem Stahl und wurde mit einem Titankern verstärkt. Die ganze Tür ist 84 Zentimeter dick!«

    »Hossa. Das hält ja eine Fusionsbombe ab«, erwiderte Jack andächtig.

    Ronin trat auf die Seite. »Dein Part, Jack. Mach die Tür auf!«

    »Klar, wenn es schwierig wird, muss ich wieder ran.« Jack nahm den Rucksack ab und holte den kleinen Fusionsschneider hervor. Es würde einige Zeit dauern, bis er damit die Tür geöffnet hatte.

    Eine Weile schwiegen die beiden Männer, während nur das leise Knistern des Brenners zu hören war, bis schließlich Ronin das Schweigen brach: »Sag mal, Jack, was glaubst du will Silvio mit den ganzen Sachen?«

    »Weiß nicht. Irgendwas sehr Schlaues vermute ich jetzt einmal.«

    Ronin verdrehte die Augen. »Ja, das schon. Aber warum hat er sich von der Technischen Forscherenklave abgewandt? Ich meine, er hätte doch dort Zugang zu weitaus fortschrittlicher Technik, als hier draußen. Manchmal habe ich das Gefühl, er will ein Museum einrichten mit dem ganzen antiken Schrott, den er sammelt.«

    Jack unterbrach seine Arbeit und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Hast du mal gesehen, was unser lieber Silvio für krankes Zeug in seinem Labor hat? Echt abgedrehte Droiden, seltsame Pflanzen und seit neuestem bin ich mir ziemlich sicher, dass er einen Menschen in einem seiner Tanks züchtet. Einen Menschen, Ronin!«

    Ronin lief ein eisiger Schauer über den Rücken und er nickte. Ihn beunruhigte, woran Silvio arbeitete, denn er sprach nicht recht viel darüber, legte aber einen beängstigenden Eifer an den Tag. Ihr Arbeitgeber und Freund würde sicherlich alles tun, um sein Ziel zu erreichen.

    Jack setzte seine Arbeit fort. Mit langsamen Schritten ging Ronin hinter ihm auf und ab, da er sich einfach etwas bewegen musste. Hier unten war der lediglich von ihren beiden Taschenlampen und dem Licht des Fusionsbrenners erleuchtete Schacht erdrückend und schlug ihm auf das Gemüt.

    Während er auf und ab schritt, dachte Ronin laut nach: »Die technische Forscherenklave kümmert sich nur noch um ihr Raumschiff, die Neue Hoffnung. Wann sollte es noch gleich fertig sein?«

    »In gut zwei Monaten werden die ersten Passagiere an Bord kommen können.«

    »Schon verrückt, was sie da geschaffen haben. Das Schiff ist riesig! Man kann es sogar mit bloßem Auge am Himmel sehen!«

    Mit einem Brummen stimmte Jack zu. »Ja, und angeblich sollen alle Menschen, die mitkommen wollen, darauf Platz finden.«

    »Vergiss es, Jack, mich kriegen keine zehn Pferde in diesen großen Weltraumsarg. Da kannst du mich gleich hier unten eingraben, das wäre mir allemal lieber.«

    »Ich werde mitreisen. Es heißt, die Erde hat nur noch ein paar Jahre, dann soll´s das gewesen sein. Und lieber habe ich eine Chance, woanders weiterzuleben, als hier vor die Hunde zu gehen.«

    Ronin schnaubte. »Ich habe da so meine Zweifel, ob das Schiff überhaupt ankommen wird. Trotz des neuen Antriebs wird es eine sehr lange Reise. Gerade der Weltraum bietet so viele Überraschungen. Am Ende fliegt das Teil geradewegs in einen Mond, der bisher nicht entdeckt wurde!«

    Mit einem Lachen erwiderte Jack: »Mann, Ronin, du hast echt wenig Vertrauen in die Technik. Da ist das Neueste vom Neuesten verbaut. Es gibt da draußen nichts, was wir nicht mit den neuen Tachyonen-Sensoren entdecken würden.«

    Das alles überzeugte Ronin nicht. Er hatte gehört, dass den Forschern der Technischen Forscherenklave vor einigen Jahren ein weiterer Durchbruch gelungen war. Sie hatten eine gut einhundertsechzig Jahre alte Theorie bestätigt, die besagte, dass es eine Art von subatomaren Teilchen geben müsse, die sich schneller als das Licht bewegen können.

    Er verstand nicht recht, wie das funktionieren sollte, da bis vor wenigen Jahren noch immer steif und fest behauptet wurde, die Lichtgeschwindigkeit konnte nicht überschritten werden. Komplizierte Physik! Ronin interessierte sich zwar brennend für Technik, aber die meist theoretischen Modelle der Wissenschaft waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Er war eher der Mann für die praktische Handarbeit. Dinge, die er sehen und greifen konnte, das war es, was er beherrschte.

    Mit einem dumpfen Knall fiel die Tür nach innen. Jack lachte auf. »So, genug mit dem Kaffeekränzchen, weiter an die Arbeit«, sagte dieser und deutete in den neuen Tunnel, der sich vor ihnen auftat.

    Ronin ging an Jack vorbei, der seinen Fusionsbrenner wieder einpackte, und sie erreichten nach wenigen Schritten eine Glastür. Auf ihr war ein Symbol mit einem umlaufenden Schriftzug, welches er schon anderswo gesehen hatte. Er konnte die Schrift aus vergangenen Tagen nicht gut lesen, aber er war sich sicher, dass da irgendetwas von »Nanotechnik« und »Verteidigungsministerium« stand. Er drückte dagegen, doch nichts passierte. Es gab keinen Griff, mit dem sich die Tür öffnen ließ.

    »Lass mich mal!«, sagte Jack und schob Ronin auf die Seite.

    Mit einem kräftigen Schlag seiner Taschenlampe brach das Glas der Tür und fiel in unzähligen kleinen Scherben zu Boden. »Was sollte das jetzt?«, fragte Ronin und runzelte die Stirn.

    »War eh kaputt. Die Tür war früher mit einem Bewegungsmelder oder so etwas ähnlichem versehen.« Jack zeigte mit seiner Lampe an die Decke und beleuchtete einen handgroßen schwarzen Kasten. Ronin schüttelte den Kopf und ging über die Glasscherben hinweg, die leise unter seinen Schuhsohlen knirschten. Vor ihnen erstreckte sich eine Art Labor, das in verschiedene mit Glaswänden abgetrennte Räume aufgeteilt war. In den einzelnen Kammern standen unterschiedliche antike Geräte und Apparaturen. Überall lagen vergilbte Papiere auf Tischen und an den Wänden befanden sich weiße Tafeln mit kaum entzifferbaren Wörtern und Zahlen. Der dicken Staubschicht nach zu urteilen, war hier seit vielen Jahrzehnten kein Mensch mehr gewesen.

    Sie sollten Ausschau nach einem Behälter mit einer Art zähflüssiger, grauer Substanz halten. Außerdem war Silvio an den Datenträgern der alten Computer interessiert, die, wie er hoffte, noch zum Teil funktionieren und wertvolle Informationen zu der hier betriebenen Forschung enthalten könnten. »Lass uns getrennt suchen«, schlug Ronin vor. »Ich schau mich im Labor da hinten um und du übernimmst den Serverraum. Dann treffen wir uns wieder hier.«

    »Alles klar«, erwiderte Jack und machte sich auf den Weg.

    Mit wenigen Schritten war Ronin im angrenzenden Labor und sah sich um. Hier waren einige ihm unbekannte Gerätschaften und in der Mitte befand sich ein Glaskasten mit zwei durchsichtigen Zylindern. Der eine Zylinder enthielt eine graue Substanz, der andere eine rote. Das musste es sein! Er umrundete einen Tisch und stand vor dieser Art Vitrine. Erst jetzt bemerkte er, dass an den beiden Zylindern jeweils drei dünne Kabel angeschlossen und ein bizarres Gestell darum errichtet worden war. Ronin legte seinen Sensorhandschuh auf das Glas und sein AT-6 zeigte ihm an, dass darin noch immer Strom floss. Die Konstruktion erschuf eine Art Magnetfeld im Inneren.

    Faszinierend. Hier sollte keine Energie existieren, denn sämtliche konventionelle Kraftwerke in diesem Teil des Landes funktionierten nicht mehr. Vielleicht gab es eine verborgene, unabhängige Stromquelle? An der einen Seite des Glaskastens war ein Fenster eingebaut, das er öffnete. Vorsichtig griff er hinein. Als sein Handschuh das Magnetfeld erreichte, wurde sofort ein Schmerzimpuls durch seine Hand geleitet und sein AT-6 fiel aus. Erschrocken zog er die Hand zurück. Er blickte auf das Display des AT-6 und erkannte, dass es in den sicheren Modus geschalten hatte. Das Feld blockierte also sämtliche elektronische Signale.

    Ronin atmete tief ein und griff erneut hinein. Es tat nicht richtig weh, sondern er fühlte eher ein unangenehmes Ziehen und konnte deutlich die Fehlfunktion des Handschuhs und des AT-6 spüren, da diese mit einem Implantat in seinem Arm verbunden waren. Mit leicht zittrigen Fingern umschloss er den Zylinder und zog ihn heraus. Er wirkte massiv und lag schwer in seiner Hand. Vorsichtig steckte er die angeschlossenen Kabel ab. Von den alten Geräten ging eigentlich keine Gefahr aus, denn vieles war schon dermaßen in die Jahre gekommen, dass es ohnehin nicht mehr funktionierte. Dennoch traute er der Sache nicht, da diese Apparatur auch nicht in Betrieb hätte sein dürfen.

    Doch es passierte nichts. Erleichtert legte Ronin die abgesteckten Kabel zurück in den Glaskasten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich die eigenartige Substanz darin sachte bewegte, wie ein winziger Ozean, eingefangen in einem daumengroßen Glaszylinder. Ein Blick auf den noch in der Apparatur befindlichen Zylinder bestätigte ihm, dass das Magnetfeld die Bewegungen zu deaktivieren schien, denn der Inhalt dort war absolut regungslos. Was hatte das zu bedeuten?

    Ob es technisch oder biologisch war? Handelte es sich um eine Flüssigkeit oder vielleicht eine Art Plasma? Etwas Vergleichbares hatte er noch nie gesehen, geschweige denn davon gehört. Er würde Silvio danach fragen müssen. Ronin steckte den einen Zylinder in die Brusttasche seiner Weste, nahm den zweiten und verstaute ihn ebenfalls dort.

    Auf einem Tisch neben dem Glaskasten fand er einen Stapel verblichener Dokumente sowie zwei alte Laufwerke. Kurzerhand packte er sie ein. Silvio würde damit vielleicht noch etwas anfangen können. Während sein Blick durch das Labor glitt, entdeckte Ronin an der Wand einen QC-Alpha 3, einen der ersten Quantencomputer, die die Menschen gebaut hatten. Diese frühen Versionen waren groß, unhandlich und sehr langsam. Heutige Modelle waren das absolute Gegenteil. Die Computertechnologie hatte schon immer rasante Sprünge hingelegt und das wurde Ronin mehr als deutlich, als er den alten QC-Alpha 3 betrachtete.

    Die ersten Computer der Menschheit waren so groß wie ganze Häuser, und kurz bevor sie ausgedient hatten und durch die Quantencomputer nach und nach ersetzt worden waren, auf die Größe eines Fingernagels geschrumpft. Heute steckten in vielen alltäglichen Geräten kleine Quantenprozessoren.

    In Ronins AT-6 befand sich ebenfalls ein moderner Quantenprozessor, der eine unvergleichbare Rechenleistung besaß. Die Quantencomputertechnik hatte, wie die Energietechnologie, erst in den letzten rund dreißig Jahren einen gewaltigen Sprung gemacht. Die heutigen Varianten wurden immer kompakter und energieeffizienter. Damit war es möglich, einige Quantencomputer, wie das AT-6, mit der Energie des menschlichen Körpers zu speisen. Dazu war ein kleines Implantat nötig, das neben den Vitaldaten die körpereigene Energie aus den Stoffwechselprozessen umwandelte und drahtlos an das AT-6 übertrug.

    »Hey, Ronin, das musst du dir anschauen!«, rief Jack aus dem Serverraum herüber und riss ihn aus seinen Gedanken.

    Ronin nahm den alten Speicherwürfel aus dem QC-Alpha 3. »Was hast du gefunden?«, wollte er wissen, während er zu Jack hinüber ging.

    »Man kann es kaum entziffern, aber wenn ich das richtig sehe, wollten die Leute, die diese Anlage betrieben haben, eine Art Waffe bauen. Hier ist die Rede von Nanorobotern, die Moleküle erschaffen oder umwandeln können.«

    »Du kannst die alte Sprache lesen?« Ronin war verblüfft.

    »Ja, warum nicht?« Jack zuckte mit den Schultern. »Mich hat die alte Sprache schon immer interessiert und außerdem schadet das nicht, wenn man für einen Mann wie Silvio arbeitet.«

    »Eine Waffe?«, vergewisserte sich Ronin. »Das würde erklären, warum diese Anlage so streng gesichert ist. Steht da irgendwas, wofür sie diese Waffe einsetzen wollten?«

    »Hm, wie es scheint, hatten sie an zwei unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten geforscht.«

    Jack blätterte in den alten Papieren. »Mit der einen Variante wollten sie offenbar ihre Soldaten verbessern, steht zumindest hier. Wenn ich das richtig lese, wird hier von Widerstandsfähigkeit erhöhen, Leistung steigern und so gesprochen. Klingt für mich eher nach einem Aufputschmittel oder einer Droge.«

    Er griff nach anderen Dokumenten und sah sie sich an. »Die zweite Möglichkeit diente der Abwehr feindlicher Massenvernichtungswaffen. Hier steht, dass sie versucht hätten, Massenvernichtungswaffen unschädlich zu machen, sodass der Feind keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, sie damit anzugreifen. Ein Wissenschaftler hatte hier sogar die Randnotiz angefügt, dass man die Technologie auch auf konventionelle Waffen hätte übertragen können.«

    Jack sah von den Blättern hoch und Ronin meinte: »Stell dir mal vor, das wäre zum Einsatz gekommen. Glaubst du, die letzten Kriege wären dann nicht so brutal geworden?«

    Mit zuckenden Schultern antwortete Jack: »Vielleicht wäre es nur noch schlimmer gewesen, wenn eine Kriegspartei alle anderen dominiert hätte. Wer weiß, in welcher Welt wir heute leben würden.«

    »Sicher in keiner schlimmeren, als heute«, seufzte Ronin.

    Abermals zuckte Jack mit den Schultern und packte die Papiere

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