Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Wilde Hunde: Kärntenkrimi
Wilde Hunde: Kärntenkrimi
Wilde Hunde: Kärntenkrimi
eBook313 Seiten

Wilde Hunde: Kärntenkrimi

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Nachdem Berufsdetektiv Heinz Sablatnig einen Schmuggel mit rumänischen Straßenhunden aufgedeckt hat, wird die mutmaßliche Schmugglerin bei einem vorgetäuschten Bombenattentat auf die Klagenfurter Messe getötet. Hinter dem Mord steckt ein Verbrechersyndikat, das seit Jahren Straftaten auf höchstem kriminellem Niveau begeht. Unter anderem hat die Organisation einen Maulwurf beim österreichischen Geheimdienst eingeschleust, weshalb dieser nun Sablatnig rekrutiert: Er soll das Syndikat infiltrieren und die Identität des Doppelagenten aufdecken. Sablatnig heftet sich an die Fersen eines jugendlichen Verdächtigen als eine anonyme Anruferin allem eine neue Wendung gibt.
SpracheDeutsch
HerausgeberEdition Z
Erscheinungsdatum5. Nov. 2021
ISBN9783986475130
Wilde Hunde: Kärntenkrimi

Mehr von Roland Zingerle lesen

Ähnlich wie Wilde Hunde

Titel in dieser Serie (1)

Mehr anzeigen

Action- & Abenteuerliteratur für Sie

Mehr anzeigen

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Wilde Hunde

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Wilde Hunde - Roland Zingerle

    rolandzingerle.at

    Für Daisy

    Die Handlung dieses Kriminalromans ist frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Das Pharma-Unternehmen Medicamenti Verdi existiert ebenso wenig wie das Syndikat und das Amt für Überwachung und Verfolgung. Die in diesem Roman beschriebene Arbeitsweise des österreichischen zivilen Geheimdienstes ist reine Fiktion.

    Kapitel 1

    Sonntag, 19.30 Uhr

    Lambert Hofer pochte das Herz bis zum Hals. Er hatte so etwas noch nie getan – er hasste es, so etwas zu tun. Beate bog vor ihm auf den Südring ein, er hoffte, sie habe ihn noch nicht bemerkt. Er liebte seine Frau über alles, deshalb fühlte es sich auch so grundfalsch an, dass er ihr nun heimlich nachspionierte. Doch sie ließ ihm keine Wahl.

    Vor drei Monaten waren sie nach Klagenfurt am Wörthersee gezogen. Beate stammte von hier, und sie hatte immer schon davon geredet, dass sie eines Tages zu ihren Wurzeln zurückkehren wolle. Lambert, der im Salzburger Land aufgewachsen war, hatte nichts dagegen gehabt. Was aber egal war, denn Beate hatte ihn nicht nach seinen Wünschen gefragt. Das tat sie nie. Sie hatten eine gemütliche Mietwohnung im Stadtteil Welzenegg gefunden und Arbeitsplätze bei den Kärntner Messen. Das alles hatte Beate organisiert, wie immer.

    Doch sowie sie in Klagenfurt angekommen waren, war Beate eigenartig geworden. Sie hatte sich in der Wohnung ein Büro eingerichtet, das sie immer zusperrte, egal ob sie drinnen war oder draußen. Lambert hatte keinen Zutritt. Er solle sich nicht darum kümmern, hatte sie gesagt, sie sorge schon für sie beide. Dabei hatte sie ihm liebevoll über die Wange gestreichelt.

    Dann hatte sie damit begonnen, sich abends aufzudonnern und wegzugehen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Beate war immer sauber gekleidet, nicht weiß Gott wie modisch, doch sie wusste ganz gut, wie sie ihre Weiblichkeit auch im Alltag dezent unterstrich. An diesen Abenden – etwa einmal die Woche, doch nicht immer am selben Wochentag – zog sie sich jedoch an, als würde sie ins Theater gehen, mit einem auffälligen, etwas billigen Abendkostüm samt breitkrempigem Hut. Dazu schminkte sie sich so übertrieben, dass Lambert sie kaum wiedererkannte. Eine, zwei, manchmal auch drei Stunden war sie weg, und wenn sie zurückkam, hängte sie einen Schlüssel, von dem Lambert nicht wusste, zu welchem Schloss er gehörte und an dessen Ring auch eine Chipkarte befestigt war, an das Schlüsselboard. Meistens war sie verschwitzt, und wenn es regnete, roch sie, als käme sie aus einem Stall.

    Lamberts Neugier hatte sich angestaut – so lange, bis er den Mut aufbrachte, Beate zu fragen, wo sie immer hinfahre, was das mit dem Büro solle und überhaupt, welche Geheimnisse sie vor ihm habe. Doch sie schmunzelte nur, streichelte ihm wieder über die Backe und sagte, es gebe keine Geheimnisse, sie brauche nur ab und zu Zeit für sich, er brauche sich keine Sorgen zu machen.

    Doch freilich ließ ihm die Sache keine Ruhe, und irgendwann stellte er sich vor sie hin und verlangte, dass sie ihm ihr eigenartiges Verhalten erklären solle.

    Da kippte die Stimmung schlagartig. Beate sagte kein Wort, sie starrte ihn nur mit diesem stechenden Blick an, den sie immer dann aufsetzte, wenn Lambert seine Grenzen überschritt. Und mit diesem Blick durchbohrte sie ihn so lange, bis er eine Entschuldigung murmelte und sich zurückzog.

    So ging es weiter. Beate verschwand einmal pro Woche abends für ein paar Stunden und kam verschwitzt zurück. Lambert wusste, dass sie ihn nicht betrog, das konnte ja gar nicht sein. Leider reichte seine Phantasie aber nicht aus, um sich vorzustellen, was sie stattdessen trieb.

    Deshalb hatte er vergangene Woche den waghalsigen Entschluss gefasst, Beate zu folgen, wenn sie das nächste Mal herausgeputzt die Wohnung verließ und den unbekannten Schlüssel mit der Chipkarte mitnahm. Heute, als es so weit war, stellte er jedoch fest, dass er sich keine Gedanken über die bevorstehende Verfolgung gemacht hatte, denn Beate nahm das gemeinsame Auto. Kurzentschlossen holte Lambert sein Rennrad aus dem Fahrradkeller des Wohnhauses. Mit etwas Glück fuhr sie langsam genug, so dass er ihr folgen konnte.

    So war es auch, Beate fuhr nur im Stadtgebiet, so dass Lambert sie im Auge behalten konnte. Zumindest meistens, denn es war Anfang November, weshalb es früh dunkel wurde, und wenn sich ein oder mehrere Autos zwischen ihn und Beate drängten, konnte er nicht mehr unterscheiden, welche Rücklichter zu welchem Wagen gehörten. Doch irgendwann schaltete immer eine Ampel auf Rot, und da holte Lambert jedes Mal auf.

    Als sich die Verfolgung nun jedoch auf den Südring verlagerte, verlor er diesen Vorteil, denn hier gab es streckenweise Siebzig-Stundenkilometer-Beschränkungen, und da konnte er mit dem Fahrrad nicht mithalten. Gerade als er schon glaubte, er hätte sie verloren, sah er, wie Beate auf einem Parkplatz aus dem Auto stieg. Er bog ebenfalls in diesen Parkplatz ein und versteckte sich hinter einem Wagen, der in einiger Entfernung abgestellt war. Von hier aus beobachtete er, wie seine Frau einen großen Sack aus dem Kofferraum auf ihre Schulter hievte und auf einen hohen Zaun zustöckelte, der ein Gelände mit Lager-Containern umschloss. Lambert fragte sich, was sie da wohl mit sich trug, in solchen Säcken war normalerweise Zement verpackt oder Gartenerde.

    Als Beate das Zauntor erreichte, ging ein greller Scheinwerfer an. Sie fummelte an irgendetwas herum, woraufhin das Tor zur Seite glitt, dann betrat sie das Gelände. Unglücklicherweise schloss sich das Tor hinter ihr wieder, so dass Lambert ihr nicht folgen konnte. Er lief hin und spähte durch das Gitter, er wollte sehen, zu welchem Container sie ging. Doch am Tor angekommen, flammte wieder dieses dämliche Licht auf, und Lambert lief davon, damit Beate ihn nicht sah.

    Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in seinem Versteck zu warten – was jedoch nicht lange möglich war, denn schon nach wenigen Minuten verließ ein Mann das Lagergelände und kam auf den Wagen zu, hinter dem Lambert hockte. Dieser nahm sein Rad und entfernte sich, verfolgt von den misstrauischen Blicken des Autobesitzers. Lambert ging hinter einer Zaunecke in Stellung, die gab ihm zwar keinen echten Sichtschutz, doch eine andere Versteckmöglichkeit hatte er nun nicht mehr. Er hoffte bang, die Dunkelheit möge ausreichen, um ihn zu verbergen, und Beate würde nicht ausgerechnet hierhersehen, wenn sie zum Auto zurückkam. Dennoch zitterte er am ganzen Körper.

    Kurze Zeit später fuhr ein weißer, verdreckter Lieferwagen auf den Parkplatz und blieb vor dem Gittertor stehen. Es vergingen einige Minuten, in denen der Wagen mit laufendem Motor und eingeschaltetem Licht dastand, dann kam Beate zum Tor, öffnete es und ließ den Wagen auf das Gelände fahren. Dann ging sie wieder weg, dem Lieferwagen nach.

    Lambert verstand die Welt nicht mehr. Was war da nur los? Seine Frau hatte hier offenbar ein Lager gemietet, aber wozu? Und was hatte es mit diesem Sack auf sich und dem Lieferwagen, den sie reingelassen hatte?

    Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis Beate wieder auftauchte, dem Lieferwagen das Tor öffnete und, als dieser weggefahren war, in ihr Auto stieg und davonfuhr.

    Lambert strampelte verwirrt und matt heimwärts. Unterwegs kehrte er in seinem Stammlokal, dem Café Temesvár ein, um seine Nerven mit ein paar Gläsern Tuica zu beruhigen. Es war kurz vor Mitternacht, als er in Schlangenlinien nachhause fuhr.

    Montag, 11 Uhr

    Den darauffolgenden Vormittag erlebte Lambert wie in Trance. Einerseits, weil sich der Schnaps des Vorabends rächte, andererseits, weil er nicht verstehen konnte, dass seine Beate ein Leben führte, von dem er nichts wissen durfte.

    In der Arbeit war er heute nicht bei der Sache. Als Hilfsarbeiter bei den Kärntner Messen verrichtete er einfachste Tätigkeiten. Lambert kannte nichts anderes, er hatte nie etwas gelernt, Mama hatte immer für ihn gesorgt. Seit er im arbeitsfähigen Alter war, hatte er Handlangerarbeiten verrichtet, die ihm meistens ebenfalls seine Mutter vermittelt hatte. Vor elf Jahren war er mit ihr nach Rumänien gegangen, sie hatte dort eine Stelle bei einer karitativen Organisation angenommen, und dort hatte er auch Beate kennengelernt.

    Heute musste Lambert einen Lkw entladen helfen, der Baumaterialien für Ausbesserungsarbeiten anlieferte. Dabei zog er den Zorn des Staplerfahrers auf sich, weil er - geistesabwesend – im toten Winkel hinter dem Hubstapler herumstand und beim Aufeinanderschichten der Güter im Lager zwischen den Paletten umherstieg, so dass der Staplerfahrer ständig nach ihm Ausschau halten musste, um ihn nicht aus Versehen zu zerquetschen, wenn er eine Palette ablud. Beim Öffnen einer Schachtel, die eine Abdeckplane enthielt, rammte Lambert das Messer so tief in den Karton, dass er die Plane beschädigte. So ging es den ganzen Vormittag weiter.

    Sein Vorarbeiter Tommi Katholnig war ein gutmütiger und geduldiger Mensch, doch irgendwann reichte es auch ihm. Er nahm Lambert grob zur Seite und fuhr ihn an: „Ich sage es dir im Guten, aber ich sage es dir zum letzten Mal: Was du privat treibst, geht mich nichts an, aber wenn du zur Arbeit kommst, dann bist du gefälligst clean."

    Lambert sah Tommi groß an, so kannte er ihn gar nicht. „Ich ... ich habe keine Drogen genommen, ich ..."

    „Erspar es dir einfach. Tommi schnaubte. „Und jetzt geh nachhause, in diesem Zustand kann ich dich nicht gebrauchen.

    Lambert dackelte betroffen davon, doch Tommi rief ihm noch hinterher: „Und, Lambert, wenn du noch ein einziges Mal bekifft hier auftauchst oder stoned oder ich weiß nicht, wie ihr das nennt, dann schmeiß ich dich raus, hast du mich verstanden?"

    Lambert wollte sich rechtfertigen, dass er seit Tagen nichts mehr genommen habe, aber als er Tommis Gesichtsausdruck sah, nickte er nur.

    Zuhause angekommen, war Lamberts schlechtes Gewissen weitgehend abgeklungen. Er hatte vor sich selbst geschworen, dass er künftig immer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zur Arbeit gehen werde, und das hatte ihn beruhigt. Als er die Wohnungstür hinter sich schloss, fiel sein Blick auf den ominösen Schlüssel mit der ominösen Chipkarte und ihm wurde schlagartig klar, dass das Fiasko mit Tommi nichts anderes als ein Wink des Schicksals gewesen war. Kurzentschlossen schnappte er Schlüssel und Karte, schwang sich auf sein Fahrrad und strampelte zum Lagergelände.

    Auf dem Weg dorthin redete er sich selbst Mut zu. Beate hatte kein Recht, irgendetwas vor ihm zu verbergen, immerhin war sie seine Frau. Er würde sich ansehen, was es war, dann würde er sie zur Rede stellen. Und wenn sie sich weinerlich bei ihm entschuldigte, dann würde er ihr verzeihen, immerhin war er ein Mann. Einmal musste er unterwegs stehen bleiben, weil seine Arme und Beine so zitterten, dass er immer wieder das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Er schluckte ein paar seiner Pillen, wartete, bis das Vibrieren der Glieder nachließ, und radelte dann weiter.

    Das Eingangstor zum Lagergelände stand offen, Lambert fuhr hinein und zwischen den Containern durch. Sie waren nummeriert, was Sinn machte, denn an Beates Schlüssel hing ein blaues Blechplättchen, auf dem die Nummer neunzehn eingraviert war.

    Am Container mit der Nummer neunzehn angekommen, stieg er vom Rad und wischte sich mit dem Unterarm über den Mund. Sein Herz pochte. Was immer sich da drin befand, es würde alles erklären. Und dann würde alles gut werden. Für einen Augenblick glaubte Lambert, die rostrot lackierte Stahlbox würde schimmern und der Boden unter seinen Füßen vibrieren, doch das war gleich wieder vorbei. Die Nerven, kein Wunder. Er atmete tief durch, zückte den Schlüssel und schritt auf den Container zu.

    Dienstag, 9 Uhr

    Heinz Sablatnig drückte gegen die große Sperrholzplatte über sich, doch sie bewegte sich nicht. Er ließ locker, holte tief Luft und stieß ein weiteres Mal beide Hände dagegen, doch wieder gab sie keinen Millimeter nach. „Lambert, rief er, „bist du dir sicher, dass du die Muttern abgeschraubt hast?

    Es vergingen ein paar Sekunden, dann kam es kleinlaut von oben: „Entschuldigung. Es ist die Platte rechts von dir."

    Heinz schüttelte den Kopf und turnte durch die Metallverstrebungen unter die nächste Platte der Tribüne. Hier brauchte er nur kurz anzudrücken und das Stück hob sich, Lambert griff von oben zu und kippte es auf.

    Heinz kletterte zu ihm hinauf, und gemeinsam trugen sie die Sperrholzplatte zu den anderen, die sie am Rand der Messehalle 5 aufstapelten. „Du bist heute nicht ganz bei der Sache", meinte Heinz, als sie wieder zurückgingen.

    „Stimmt. Ich war gestern ... ich habe gestern etwas erlebt, das ... Lambert zögerte, dann blieb er stehen und sah Heinz mit einem eigenartigen Blick an. „Ist es wahr, was Beate sagt? Dass du ein großer Detektiv bist?

    „Nun ja, Heinz spürte, wie sein Gesicht heiß wurde, „sagen wir es so, ich habe schon ein paar größere Fälle lösen können.

    „Warum arbeitest du dann hier auf der Messe?"

    „Das ist eine lange Geschichte. Aber ich nehme an, es gibt einen Grund für deine Frage?"

    Lamberts Blick wanderte unstet in der Halle umher, seine Zunge befeuchtete die Lippen. „Den gibt es. Den gibt es."

    Während die beiden weiter die Zuschauertribüne abbauten, um Platz für die Stände der bevorstehenden Familienmesse zu schaffen, erzählte Lambert, dass sich seine Frau abends immer wieder aufputze und verschwinde, ohne ihm zu sagen, wohin, dass er ihr vor zwei Tagen gefolgt sei und was er dabei erlebt habe.

    Heinz verkniff sich ein Lächeln wegen der Art, wie Lambert erzählte. Lambert war ein liebenswerter Kerl, fleißig und immer hilfsbereit, doch er war auch schrullig und dachte selten nach, bevor er redete. Außerdem konnte er sich gegen andere nicht durchsetzen, ganz besonders nicht gegen seine Beate, die seit drei Monaten die Assistentin der Marketingleiterin der Kärntner Messen war. Heinz kannte sie flüchtig, hatte aber nie etwas mit ihr zu tun gehabt.

    Lambert berichtete weiter, dass er am Vortag heimlich den unbekannten Schlüssel genommen und zu dem Lagergelände gefahren sei. Dann fragte er: „Und weißt du, was ich in dem Container gefunden habe?"

    Heinz schüttelte den Kopf.

    Lambert schluckte sichtlich, die Erinnerung füllte seine Augen mit Horror. „Schlangen, sagte er, „große, dicke Schlangen. Der ganze Container war voll, alles bunt durcheinander. Die haben sich ineinander geringelt wie ... na ja, so wie ein Haufen Drachen.

    Heinz wollte loslachen, doch dazu war Lamberts Gesichtsausdruck zu ernst. Vielleicht drückte sich sein Kollege ja nur ungeschickt aus. „Was war dann?"

    „Ich hab die Tür zugeknallt und bin abgehauen, erklärte Lambert. „Und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll.

    „Am besten, du gehst zur Polizei." Heinz schraubte mit einem Steckschlüssel die Muttern der nächsten Tribünenbodenplatte auf.

    Sein Kollege sah ihn wieder an. „Kannst du da nichts machen?"

    Heinz hielt vor Verwunderung inne und erwiderte Lamberts Blick. „Hä?"

    „Ich würde dich ... buchen. Sagt man das so?"

    „Du willst mich engagieren? Für was?"

    „Ich weiß auch nicht. Dass du einmal nachschaust, vielleicht. Die Polizei glaubt mir nicht, die sagt immer, ich bin auf Drogen."

    Heinz sah ihn misstrauisch an. „Und, Lambert, bist du auf Drogen?"

    „Ja, schon, manchmal, kam es kleinlaut zurück. „Aber das mit Beate, das ist etwas anderes. Das muss geklärt werden. Machst du so etwas nicht?

    „Ehefrauen hinterherspionieren? Heinz seufzte. „Doch, doch, viel zu oft sogar.

    „Dann tu das, bitte. Geh nachschauen und finde heraus, was das zu bedeuten hat. Es soll kosten, was es kostet, aber ich halte die Ungewissheit nicht länger aus."

    Heinz nickte. „In Ordnung."

    Dienstag, 14.30 Uhr

    Heinz stellte seinen mattschwarzen, tiefergelegten VW Corrado mit dem Kieler Kennzeichen am Parkplatz des Lagergeländes ab und ging zum offenen Tor. Dort informierte eine Tafel, um welche Uhrzeit das Tor abends geschlossen und wann es am Morgen wieder geöffnet wurde. Ein Blick auf den Schließmechanismus zeigte, dass man hier eine Chipkarte einführen musste, um nachts das Tor zu öffnen. Das hatte Heinz ohnehin vermutet, immerhin war die Chipkarte, die am Schlüssel hing, mit dem Namen und den Kontaktdaten der Firma bedruckt, die dieses Mietlager betrieb. Heinz machte sich auf den Weg zu Container Nummer neunzehn.

    Nachdem er und Lambert handelseinig geworden waren, hatte dieser ihm seinen Wohnungsschlüssel ausgehändigt und ihm beschrieben, wo er den Schlüssel mit der Chipkarte fand. Ihr Plan sah vor, dass Heinz nach seiner Vormittagsschicht Schlüssel und Karte in der Wohnung der Hofers holte, zum Lager fuhr, dort nachsah, was es mit den Schlangen in Container neunzehn auf sich hatte, danach alles wieder verschloss, Schlüssel und Karte in die Wohnung und den Wohnungsschlüssel anschließend zu Lambert auf die Messe zurückbrachte und ihm Bericht erstattete. Durch dieses Vorgehen konnte Beate ihn nicht überraschen, zumal sie - ebenso wie ihr Mann – Vollzeit auf der Messe arbeitete.

    Container neunzehn befand sich im hintersten Winkel des Geländes. Als Heinz näherkam, stieg ihm ein penetranter Gestank in die Nase, eine Mischung aus Exkrementen und übertrieben gewürztem Fleisch – er konnte es nicht anders zuordnen. Er hatte Lambert nicht geglaubt. Große Schlangen, die sich ineinander ringeln! Wenn Beate hier tatsächlich Schlangen eingesperrt hatte, dann ja wohl in Terrarien, Kisten oder Säcken. Doch mit dem bestialischen Gestank in der Nase fand er Lamberts Geschichte plötzlich nicht mehr so unrealistisch.

    Der Container besaß eine doppelflügelige Tür, die seine gesamte Schmalseite einnahm. Die Tür war mittels eines Schwenkhebels verschlossen, der in einer Sicherung ruhte, welche mit einem Vorhängeschloss abgesperrt war. Heinz nahm das Schloss und steckte den Schlüssel hinein, beides verursachte Geräusche, die an der metallenen Wand des Containers nachhallten. Wie als Reaktion darauf hörte Heinz eine Art gedämpftes Rappeln von innen. Er verharrte und lauschte. Dann ließ er von dem Schloss ab und trat einen Schritt zurück. Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken, ausgelöst durch eine instinktive Angst. Er atmete ein paar Mal tief durch und machte sich klar, dass er gar keine andere Wahl hatte. Er musste diese Tür öffnen, nicht nur, weil es sein Auftrag war, sondern auch weil ihm die Ungewissheit keine ruhige Minute mehr lassen würde.

    Entschlossen ging er wieder hin, schnappte das Vorhängeschloss und entsperrte es. Dann zog er das Schloss ab und griff mit zitternder Hand zum Öffnungshebel. Er hob ihn aus der Sicherung und zog ihn zu sich. Das Knirschen, mit dem sich die Verriegelungen oben und unten öffneten, löste wieder dieses Rappeln im Innenraum aus, diesmal lauter, heftiger. Heinz‘ Zittern verstärkte sich. Schlangen, riesige Würgeschlangen, Giftschlangen ... Er atmete noch einmal tief durch, dann zog er mit Schwung den rechten Türflügel auf.

    Kapitel 2

    Als das Tageslicht in den Innenraum fiel, setzte ein dröhnendes Heulen und Jaulen ein. Der Lärm in Verbindung mit dem Anblick, der sich Heinz darbot, überforderte ihn für einen Moment. Dann sah er, was Beate Hofer vor ihrem Mann verbergen wollte. Der Container war an beiden Längswänden bis zur Decke hinauf mit Zwingern vollgestellt, in denen Hunde saßen, die nun wie verrückt bellten, jaulten, heulten und winselten. Ein Schwall abstoßend übelriechender Luft wallte heraus und verursachte in Heinz schlagartig eine Übelkeit, die ihn nach hinten taumeln ließ. Er bückte sich, stemmte die Hände in die Oberschenkel und schnaufte tief durch, immer wieder. Der Lärm ließ indessen nicht nach.

    Nachdem er sich etwas gefasst hatte, nahm Heinz die Situation in Augenschein. Dutzende Hunde waren hier gefangen, unterschiedlichste Rassen in unterschiedlichsten Größen, in jedem Zwinger saß einer. Sie waren zerzaust und teilweise voller Geschwüre, manchen fehlten Stücke des Fells, andere trugen dicke Krusten von ausgelaufener Augenflüssigkeit auf den Schnauzen. Einige der Tiere lagen auf dem Boden ihres Käfigs und bewegten sich nicht. Am hinteren Ende des Containers sah Heinz Kübel und Kehrgeräte, daneben große Säcke mit Futter.

    Als er den engen Gang zwischen den aufgestapelten Zwingern betrat, wurde der Lärm der Hunde ohrenbetäubend und der Gestank schier unerträglich. Kein Wunder, auch die Böden der Käfige bestanden aus Gittern, weshalb die Ausscheidung der oberen Hunde durch die Behausungen der unteren tropfte und zum Teil in deren Fell kleben blieb.

    Die Wände dieses blechernen Gefängnisses waren mit dickem Schaumstoff schallisoliert, was erklärte, warum das Gebell von außen bei geschlossenen Türen nicht zu hören war. Nur die Bewegungen der Hunde ließen sich nicht verbergen, denn jedes Rappeln verbreitete sich durch das Metall weiter und drang, wenn auch durch den Schaumstoff gedämpft, nach draußen.

    Heinz hatte gesehen, was er sehen sollte. Er überlegte, was er tun konnte, und kam zu dem Entschluss, die Polizei zu rufen. Die würde alles Weitere in die Wege leiten, das städtische Tierheim benachrichtigen … und und und. Er wollte dieser Tierhölle gerade den Rücken kehren, als sein Blick auf einen Käfig im hinteren Containerbereich ganz unten fiel. Dort kauerte ein kleines Fellknäuel, das irgendwie ausgebrochen war und ihn nun zitternd ansah. Heinz schluckte schwer und ging hinaus. Als er die

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1