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Der goldene Schuh
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eBook361 Seiten4 Stunden

Der goldene Schuh

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Über dieses E-Book

Finns größte Leidenschaft ist das Fußballspielen. Er liebt diesen Sport über alles. Er träumt den Traum vieler Jungen. Eines Tages möchte er Fußballprofi werden. Zusammen mit seinen Freunden verbringt er fast jede freie Minute damit, dem runden Leder nachzujagen. Als an allen Schulen in Deutschland ein Wettbewerb für ein Fußballturnier ausgeschrieben wird, beteiligt sich auch Finns Schule daran. Unverhofft kommt Finn in Besitz eines goldenen Fußballschuhs. Noch ahnt er nicht, dass dieser Schuh sein Leben dramatisch verändern wird. Finn entwickelt sich zum herausragenden Spieler dieses Turniers. Er hat nur noch ein Ziel vor Augen. Er will die Schulmeisterschaft gewinnen. Die Freundschaft zu seinen Mannschaftskollegen und zu seiner großen Liebe Mareike wird auf eine harte Probe gestellt. Als dann noch der geheimnisvolle Andor und kurz darauf die Hexe Leticia auftauchen, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Der goldenen Schuh birgt ein Geheimnis. Ein gefährliches Abenteuer beginnt. Kann sich Finn dem Bann des Schuhs entziehen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. Mai 2017
ISBN9783743918818
Der goldene Schuh
Autor

Daniel Dorer

Persönliches Geboren 1964, verheiratet, ein Sohn und eine Tochter Bereits als Kinde entdeckte ich meine Kreativität und versuchte mich in verschiedenen Zeichnen- und Maltechniken. Mein erstes Kinderbuch habe ich in jugendlichem Alter gezeichnet und getextet. Meine große Liebe gilt dem Zeichnen und Schreiben von Kindergeschichten.

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    Buchvorschau

    Der goldene Schuh - Daniel Dorer

    Wie alles begann

    Schweißperlen standen auf seiner Stirn, die Haare wild zerzaust. Sein Blick war starr auf die lederne Kugel vor ihm gerichtet. Langsam, ganz langsam machte er einen Schritt nach vorne. Mit beiden Händen nahm er den Ball vom Boden auf, drückte und drehte ihn zwischen seinen Fingern. Fast schien es, als ob er mit ihm sprechen würde. Für viele mochte es nur ein ganz gewöhnlicher Ball sein. Ein Spielgerät eben, mit welchem man hin und wieder Spaß haben konnte. Dieser Spieler jedoch schien die lederne Kugel zu brauchen wie die Luft zum Atmen.

    Nach einigen Sekunden legte er den Ball auf den weißen Punkt vor sich. Ein-, zwei-, dreimal korrigierte er die Lage des Balls. Die Zuschauer hielten den Atem an. Es war still, unheimlich still. Mit kleinen Schritten entfernte er sich von dem runden Leder, um Anlauf zu nehmen. Der Torwart zupfte nervös an seinen Handschuhen und tänzelte abwechselnd von einem Fuß auf den anderen. Nun stand er still.

    Die Szene erinnerte stark an einen dieser Cowboyfilme, in welchen sich der Held und der Bösewicht bei einem Duell gegenüberstehen. Ihre Blicke trafen sich. Der Torwart kniff die Augen zusammen und atmete tief durch. Noch einmal fuhr er sich mit seinen Handschuhen durchs Haar. Jetzt gab es kein Zurück mehr, dieser Schuss würde über Sieg oder Niederlage entscheiden. Es war die Vorentscheidung für ein Weiterkommen in der Schulmeisterschaft.

    „Finn looooos … hau das Ding rein … zeig es ihnen!", tönte es plötzlich aus der Menge der Zuschauer. Noch einmal ein tiefer Atemzug, ein kurzer Anlauf und … mit voller Wucht hämmerte er den Ball auf das Tor. Der Torwart musste die Ecke geahnt haben. Reflexartig hechtete er auf die linke Seite und schaffte es gerade noch, den Ball mit seinen Fingerspitzen am Pfosten vorbei zu lenken.

    Ein Raunen ging durch die Menge. Finn hatte es vermasselt. Wie versteinert stand er jetzt da. Blickte auf den Torwart, der ein lautes „Jaaaa! in den Himmel schrie und gleichzeitig die geballte Faust nach oben streckte. Am liebsten wäre er jetzt am anderen Ende der Welt gewesen, wo ihn niemand kannte und wo keiner ihn fragen würde: „Warst du das, Finn, der diesen Elfmeter vermasselt hat? Er war schuld, dass seine Mannschaft dieses wichtige Spiel nicht gewonnen hatte. Unbedingt hatte er derjenige sein wollen, der diesen Elfmeter verwandelte. Und nun?

    Finns Mannschaft hatte das Spiel verloren. Mit einem Sieg hätten sie bereits heute das Weiterkommen im Turnier gesichert. Diese Chance hatten sie jetzt jedoch verpasst.

    Während die gegnerische Mannschaft ihren Sieg bejubelte, saßen Finn und seine Freunde wortlos auf dem Spielfeld. Der General war der Erste, der es wagte, diese Stille zu durchbrechen. „Kopf hoch, Jungs, es ist noch nichts verloren. Wir haben immer noch die Chance, uns für die nächste Runde zu qualifizieren!"

    „Und wie soll das gehen?", wollte Hendrik wissen.

    „Indem ihr an euch glaubt und euch durch so eine Niederlage nicht entmutigen lasst."

    Wieder Schweigen. Der General war der Trainer der Mannschaft. Eigentlich hieß er Hans. Aber weil er von den Jungs im Training stets vollen Einsatz forderte und seine Anweisungen meist im Befehlston gab, hatten sie ihn kurzerhand in den „General" umgetauft.

    Mehr wollte jedoch auch der General nicht sagen. Und so machten sich alle auf den Heimweg. Die Freunde hatten vereinbart, sich am nächsten Tag wieder zu treffen, um das weitere Vorgehen zu beraten.

    Am nächsten Morgen hätte sich Finn am liebsten in seinem Bett verkrochen. Es graute ihm bei dem Gedanken, in die Schule zu gehen und sich dort die Kommentare zu der Niederlage anhören zu müssen. Sollten sie doch reden. Und überhaupt würde er sowieso nicht mehr in die Schule gehen. Und Fußballspielen, pah … das war jetzt vorbei, endgültig!

    Noch einmal ging er in Gedanken das gestrige Spiel durch. Dabei drehte er sich im Bett einmal um seine eigene Achse. Gerade beim Elfmeter angekommen, holte er zum entscheidenden Schuss aus und schlug sich dabei seinen großen Zeh an der Bettkante an. Auuuuu, das tat weh!

    „Finn, aufstehen, das Frühstück ist fertig! Finn zog die Bettdecke etwas weiter über den Kopf. „Fiiinn, beeile dich! Dieses Mal klang Mutters Stimme schon wesentlich energischer. Es half nichts, er musste aufstehen und sich der grausamen Wahrheit stellen. Verloren und noch dazu den Elfmeter verschossen. Verschlafen zog er im Dunkeln seine Kleider an und hastete zur Tür. Dabei übersah er einen der Bälle, von denen in fast jedem Zimmer des Hauses einer zu finden war. Es kam wie es kommen musste. Er stolperte er über den Ball und befand sich für einige Sekunden in völliger Schwerelosigkeit, ehe er mit einem lauten Rums ziemlich unsanft auf dem Boden landete. Na, dieser Tag hatte ja gut begonnen.

    Eigentlich war Finn ein fröhlicher Bursche und durch nichts so schnell aus der Ruhe zu bringen. Doch an diesem Morgen saß er schweigend am Frühstückstisch und knabberte lustlos an einer trockenen Brotscheibe. Weder Mutters aufmunternde Worte noch die Witze seiner kleinen Schwester konnten ihn jetzt aufheitern.

    Es klingelte an der Tür. Oje, das war sein Freund Simon. Jetzt musste er sich aber wirklich beeilen, um nicht zu spät zur Schule zu kommen.

    Finn besuchte die siebte Klasse des Gymnasiums in einer nahe gelegenen Kleinstadt. Zusammen mit vielen anderen Kindern aus seinem Heimatort und den umliegenden Dörfern fuhr er jeden Tag mit dem Zug zur Schule. Obwohl die Wagen immer sehr voll waren, genoss er die Fahrt. Man konnte wunderbar Karten spielen oder Musik hören, man konnte noch schnell vergessene Hausaufgaben erledigen, man konnte Mädchen ärgern oder noch für eine anstehende Prüfung lernen. Das allerwichtigste jedoch, man konnte mit seinen Freunden über Fußball philosophieren.

    In der ersten Stunde hatte Finn Mathematik beim ollen Herrn Schubert. Herr Schubert hatte die Gabe, aus einer einfachen Rechenaufgabe eine höchst komplexe, wissenschaftliche Abhandlung zu machen. Gerade war er wieder voll in seinem Element und wirbelte mit Zahlen nur so um sich. Finn lauschte gebannt Herrn Schuberts Stimme. Sie erinnerte ihn stark an den General, wenn dieser auf dem Fußballplatz taktische Anweisungen gab. Immer weiter entfernte sich die Stimme, bis sie schließlich ganz weit weg war.

    Finn war in Gedanken auf dem Fußballplatz. Gerade umdribbelte er einen Gegenspieler, dann noch einen und noch einen und noch einen und … hatte da nicht eben jemand seinen Namen gerufen? Ja, ohne Zweifel!

    „Und wie lautet das Ergebnis … Finn?"

    „Fußball!", erwiderte dieser und war im gleichen Moment selbst erschrocken über seine Antwort.

    Herr Schubert brummte Finn eine Strafarbeit auf, „... zur Strafe für dein Desinteresse!", wie der Lehrer erläuterte. Zwanzigmal sollte Finn schreiben: Ich muss mich im Unterricht besser konzentrieren.

    Mittlerweile war es dreizehn Uhr mittags, jeden Moment musste die Glocke das Schulende verkünden. „Riiiiiiiiiiiiiing!" … endlich war es soweit! Schnell die Sachen zusammengepackt, und los ging es Richtung Bahnhof.

    Unterwegs traf Finn einige seiner Freunde, welche ebenfalls auf dem Heimweg waren.

    „Na, wie war dein Tag?", fragte Simon.

    „Frag mich lieber nicht, erwiderte Finn. „Es war nur schrecklich. Ich musste dauernd an das verlorene Spiel denken. Und in der Pause hat mich der dicke Uli auch noch gefragt, wie das denn war mit dem verschossenen Elfmeter.

    „Und was hast du geantwortet?"

    „Ich hab gesagt, ich hatte so einen Hunger, da konnte ich mich nicht mehr auf den Elfmeter konzentrieren."

    „Und weiter?"

    „Nichts weiter! Das konnte der dicke Uli verstehen. Er hat gesagt, wenn er Hunger hat, kann er auch nicht mehr klar denken. Dann wollte er mir noch ein Stück von seinem Pausenbrot abgeben. Das habe ich dann aber doch ausgeschlagen."

    Simon war ein halbes Jahr älter als Finn und ging bereits in die achte Klasse. Er war der Spielführer der Schulmannschaft, in welcher auch Finn spielte. Simon hatte eine ausgezeichnete Balltechnik, war schnell und immer torgefährlich. Auch aus fast aussichtslosen Spielsituationen gelang es ihm noch, Tore zu schießen. Beide wohnten im gleichen Dorf, und dort spielten sie auch zusammen in derselben Mannschaft des örtlichen Fußballvereins.

    Mittlerweile saßen Finn und seine Freunde im Zug auf dem Nachhauseweg. „Vergesst nicht unser Treffen heute Nachmittag", sagte Simon.

    „Natürlich nicht", erwiderten die anderen.

    „Bei mir könnte es etwas später werden, bemerkte Finn. „Ich muss bis morgen noch einen Aufsatz schreiben. Es war ja nicht unbedingt notwendig zu erwähnen, dass es sich dabei um eine Strafarbeit handelte.

    Zuhause überraschte Finns Mutter ihn mit seinem Lieblingsgericht: Dampfnudeln mit Vanillesoße! „Mmmh!", was konnte es Besseres geben? Auch über die Witze seiner kleinen Schwester konnte er schon wieder lachen.

    Am späten Nachmittag trafen sich die Freunde wie vereinbart in Simons Höhle. So nannten sie den Kellerraum, den sich Simon nach seinem Geschmack im Elternhaus eingerichtet hatte. Die Wände waren übersät mit Postern von Fußballern und Mannschaften aus aller Welt.

    An der Eingangstüre zur Höhle hing ein groβformatiges Plakat. „Deutsche Schulmeisterschaft" stand da in dicken Buchstaben als Überschrift. Unter dem Logo des Fuβballverbands waren dann, etwas kleiner gedruckt, die Teilnahmebedingungen aufgeführt. Daraus ging hervor, dass sich jede Schule mit einer Mannschaft an dem Turnier beteiligen konnte. Wie bei jedem groβen Fuβballturnier gab es eine Qualifikationsrunde, ein Achtelfinale, Viertelfinale, Halbfinale, tja und schlieβlich das Finale. Während die Qualifikationsrunden noch in den jeweiligen Bundesländern stattfanden, trugen anschlieβend die Gewinner aus den einzelnen Ländern die Finalspiele gegeneinander aus.

    Mittlerweile begann sich die Höhle zu füllen. Fast die ganze Schulmannschaft war versammelt. Das heißt, insgesamt waren es neun Jungs. Alle im Alter zwischen zwölf und dreizehn Jahren. Und für alle gab es eigentlich nichts Schöneres als Fußball zu spielen.

    Hendrik hatte sich mit gekreuzten Beinen an den Rand gesetzt und musterte seine Freunde mit zusammengezogenen Augenbrauen. Er war ein kleiner, eher ruhiger Junge – aber blitzgescheit. Er spielte Fußball weil seine Freunde dies auch taten. Genauso gern beschäftigte er sich jedoch mit Computern. Nikola war inzwischen in die Höhle gepoltert und gab Hendrik einen so freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, dass es den Kleineren fast auf den Rücken legte.

    „Oh, entschuldige bitte!" Nikola war eben ein richtiger Kämpfer. Ein Haudegen. Nichts konnte ihn so schnell aus der Ruhe bringen. Er spielte normalerweise in der Abwehr. Seine Gegner waren nicht zu beneiden, denn er gab keinen Ball verloren und ging keinem Zweikampf aus dem Weg.

    Konrad und Simon saßen entspannt mit ausgestreckten Füßen auf einem alten Sofa. Beide waren hervorragende Techniker am Ball. Sie waren die Erfahrensten in der Mannschaft und spielten schon am längsten Fußball.

    Tilo lag auf dem Boden und starrte an die Zimmerdecke. Mit seiner blonden Mähne sah er aus wie die Unschuld in Person. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Er hatte es faustdick hinter den Ohren. Wenn es galt, irgendeinen Blödsinn auszuhecken, war er garantiert immer ganz vorne mit dabei. Lukas kaute mit offenem Mund einen Kaugummi, formte damit eine groβe Blase, um sie gleich darauf zerplatzen zu lassen. Genüsslich schob er die klebrige Masse wieder mit der Zunge in seinen Mund. Sowohl Lukas als auch Tilo hatten neben Fußball auch noch andere Hobbys. Beide spielten Tischtennis, und Lukas engagierte sich zudem als Messdiener in der Kirche.

    „Taraaaaaa, hey Jungs! Steigt hier ne Party oder was ist? Also, jetzt wo ich da bin, kann’s ja losgehen!" Mike war der Spaßvogel in der Truppe. Immer einen Witz auf den Lippen, und nie um das letzte Wort verlegen.

    Lässig am Türrahmen angelehnt stand Jonathan. Seine Baseballmütze hatte er tief in die Stirn gezogen.

    „Du bist spät", knurrte er Mike an und warf ihm einen kühlen Blick. Jonathan war in allem immer sehr korrekt. Wenn er eines nicht ausstehen konnte, dann war es dies: wenn jemand sich nicht an die vereinbarten Regeln hielt. Gerade war er dabei, einen Lehrgang für zukünftige Schiedsrichter zu absolvieren.

    Auf einem Sessel, die Füβe bequem über die Lehne gelegt, saβ ein desinteressiert wirkender Junge. Seine braunen Haare hatte er pfiffig mit Gel aufgepeppt. Während er scheinbar vollkommen vertieft in einer Fuβballzeitschrift blätterte, murmelte er:

    „Na, dann sind wir ja komplett. Lasst uns anfangen!"

    Das war Finn. Tja, wie soll man ihn beschreiben? Finn lebte und liebte Fußball. Nichts interessierte ihn mehr als diese Sportart. Als zum Beispiel an einem heißen Frühlingstag alle seine Freunde im Schwimmbad gewesen waren, spielte er alleine Fußball auf dem Sportplatz. Finn machte immer sein Ding. Ganz gleich, was die anderen machten. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, verfolgte er es mit eisernem Willen. Für ihn war es nicht nachvollziehbar, wie jemand beim Fußballspielen nicht hundertprozentig bei der Sache sein konnte. Gerade deshalb gab es immer wieder Diskussionen mit seinen Mitspielern, wenn diese nicht genauso spielten, wie Finn sich das vorstellte. Obwohl er der Jüngste in der Truppe war, genoss er Respekt und Anerkennung. Er träumte den Traum vieler Jungen in seinem Alter: Irgendwann einmal wollte er Profifußballer werden. Talent hatte er, das stand außer Frage. Die Freunde wussten jedenfalls, dass auf Finn immer Verlass war. Der Geräuschpegel in der Höhle war inzwischen auf Partyniveau angestiegen. Nur mit Mühe war es möglich, sich seinem Nachbarn verständlich zu machen. Dann klatschte Simon zweimal kräftig in die Hände. Schlagartig erfüllte nur noch ein leises Flüstern den Raum.

    „Es freut mich, dass ihr alle gekommen seid, sagte Simon mit ernster Mine. „Ich möchte es kurz machen. Ihr wisst genau, was auf dem Spiel steht. Nicht mehr und nicht weniger als die erfolgreiche Teilnahme an der Schulmeisterschaft. Leider haben wir das letzte Qualifikationsspiel unglücklich verloren.

    „Bitte keine Details", unterbrach Finn die Ansprache.

    Simon fuhr fort: „Es sollte uns allen klar sein, dass wir nur noch eine Chance haben, uns für die Finalspiele zu qualifizieren." Jetzt wurde Simons Miene noch ernster, und keiner der Anwesenden wagte es, ihn zu unterbrechen. Selbst Mike, der sonst immer und zu jedem Thema etwas zu sagen hatte, war jetzt ganz still.

    „Wir müssen das Spiel gegen den haushohen Favoriten, die Mannschaft von der Möller-Realschule, gewinnen. Und nicht nur das: Wir müssen deutlich gewinnen. Da das Möllerteam die bessere Tordifferenz hat, müssen wir das Spiel mit mindestens zwei Toren Unterschied zu unseren Gunsten entscheiden."

    Immer noch war es unheimlich still im Raum. Längst war das letzte Flüstern verstummt. Finn kam es vor, als ob die Fußballstars, welche von den Postern an den Wänden auf sie herabsahen, zu ihnen sagen wollten: „Kommt, Jungs, geht nach Hause, bis jetzt war es zwar ganz nett, aber das ist nun eine Nummer zu groß für euch!"

    „Wir schaffen das!, rief Hendrik. „Wir fragen einfach den General, ob er mit uns ein paar Extra-Trainingseinheiten macht.

    „Das wird nicht reichen, meldete sich jetzt Jonathan zu Wort. „Jeder von uns weiß, wie gut die Möller-Jungs sind. Die haben eine super Abwehr, und der Sturm ist permanent torgefährlich. Alle sind sie sehr ballsicher. Und erst der Torwart …! Der spielt sogar in der Auswahlmannschaft!

    Wieder Stille.

    „Nun hört mal zu, ihr Muttersöhnchen, was ist das hier eigentlich? Eine Versammlung von Mauerblümchen und Angsthasen? Wer sind wir denn eigentlich? Was ist los mit euch? Schließlich können wir auch Fußball spielen! Und gewinnen können wir auch. Immerhin haben wir es bis in die Endrunde der Qualifikation geschafft. Mir ist das alles zu blöd hier! Ich muss noch etwas für die Schule tun. Kann ja schließlich nicht jeder hier den ganzen Tag herumsitzen und quatschen." Mit diesen Worten stand Nikola auf und knallte wütend die Türe hinter sich zu.

    „Ja, wie ihr seht, liegen die Nerven blank. Aber einfach davonlaufen, das ist auch keine Lösung, fuhr Simon fort. „Das nächste Spiel wird verdammt schwer, soviel steht fest. Aber Hendrik hat schon recht! Wir können es schaffen! Ich glaube, für heute haben wir tatsächlich genug geredet. Wir treffen uns morgen wieder zum Training, und dann sehen wir weiter.

    Wie vereinbart trafen sich die Freunde am nächsten Tag zum Training. Der General war bestens gelaunt und machte ein Späßchen nach dem anderen. Zwischendurch pfiff er sogar fröhlich ein Lied vor sich hin und lobte die Jungs bei fast allen Aktionen. Selbst als Konrad aus nur vier Metern Entfernung, freistehend vor dem Tor, den Ball am Pfosten vorbei schoss, meinte der General nur trocken:

    „Mach weiter so, Konrad, beim nächsten Mal klappt es bestimmt!"

    Das war schon eigenartig. So gut gelaunt sah man den General selten. Normalerweise trainierte er die D-Jugend, in welcher auch Finn und Simon spielten. Auf Bitten der Jungs hatte er sich bereit erklärt, die Schulmannschaft des Hegau-Gymnasiums während des Wettbewerbs zu betreuen. Nach dem Training rief der General alle zusammen.

    „Hört mir bitte alle einmal zu! Also, das war heute das letzte Training vor dem Spiel gegen die Möller-Realschule. Spielbeginn ist am nächsten Samstag um dreizehn Uhr auf dem Sportplatz der Realschule. Es werden sicher viele Zuschauer kommen. Außerdem wird auch ein Reporter der Regionalzeitung vor Ort sein. Aber wir dürfen uns durch all das nicht ablenken lassen. Wir müssen uns voll auf das Spiel konzentrieren. Wenn jeder von euch bis an seine Grenzen geht, dann können wir es schaffen, dann können wir die Möllers schlagen. Die Mannschaftsaufstellung wird wie folgt sein: Simon trägt die Kapitänsbinde und spielt zusammen mit Finn im Sturm. Tilo und Konrad spielen auf den Außenflügeln. Nikola und Lukas bilden die Abwehr. Jonathan wird wie immer unser Rückhalt im Tor sein. Da pro Mannschaft immer sieben Spieler spielen, werden Hendrik und Mike am Anfang Ersatzspieler sein. Noch Fragen?"

    „Ja, Trainer Hans General! Haben wir eine reelle Chance?"

    „Natürlich haben wir die, Mike! Aber wir müssen sie nutzen, und dazu haben wir nur zweimal dreißig Minuten Zeit. Dann ist das Spiel vorbei und alles ist entschieden!"

    Plötzlich schreckte ein lautes Hupen die Jungs auf.

    „Hansi, Hansilein … kommst du?" Eine blonde, junge Frau in einem roten Sportwagen winkte heftig zum General hinüber.

    „So, Freunde, wenn keine weiteren Fragen sind, dann sehen wir uns also am Samstag. Seid pünktlich und vergesst nicht, eure Zähne zu putzen."

    „Wieso das denn?", wollte Mike wissen.

    „Na, wegen dem Reporter und dem Bild in der Zeitung. Damit ihr nach eurem Sieg mit breitem Grinsen in die Kamera lächeln könnt." Mit diesen Worten verschwand Hansgeneraltrainer mit seiner blonden Schönheit.

    „Kein Wunder, dass der so gut drauf war! Kaum hat er eine neue Flamme, schon ist die Welt wieder in Ordnung für ihn. Was aus uns wird, ist ihm doch völlig egal. Der hat doch jetzt nur noch dieses Schneewittchen im Kopf."

    „Schneewittchen war nicht blond", stellte Jonathan trocken fest.

    „Und wenn schon! Dann haben wir es jetzt eben mit einem blondhaarigen Schneewittchen zu tun. Nun ging die Diskussion kreuz und quer und hin und her, bis Simon schließlich rief: „Schluss jetzt, hört auf! Der General ist auf unserer Seite. Er glaubt an unseren Sieg. Und wir sollten das auch tun. Wir treffen uns am Samstag! Und denkt daran: Wir schaffen das!

    Auf dem Heimweg fiel Finn ein, dass er unbedingt seine alten Fußballschuhe noch zum Schuster bringen sollte. Am rechten Schuh war eine Naht aufgerissen. Und die wollte er noch reparieren lassen.

    Finn hatte seine alten Schuhe bei jedem Spiel dabei, obwohl sie ihm eigentlich gar nicht mehr passten. Aber mit diesen Schuhen hatte er sein erstes Tor geschossen. Seither waren sie für ihn eine Art Glücksbringer. Zum Endspiel der Qualifikation wollte er sie nur in einwandfreiem Zustand mitnehmen. Zuhause schnappte er sich deshalb die guten Stücke und eilte zum alten Schuster.

    Das Geschäft lag in einer abgelegenen Seitengasse. „Schumacher Benz" stand in verwitterter Schrift auf einem Schild über dem Eingang. Finns Vater hatte oft erzählt, dass dies der älteste Laden im ganzen Dorf sei. Und wirklich, im Geschäft schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Überall standen Schuhe aller Art: Elegante Damenstiefel und rustikale Wanderschuhe, Lackschühchen für Mädchen und schwarze Männerschuhe, Kindersandalen und schmale Tanzschuhe. Im Schaufenster stand eine alte Nähmaschine, und eine Spinne war eifrig dabei, ihr Netz zu weben. Ein strenger Geruch von Leim und Leder lag in der Luft. Finn mochte diesen Geruch. Er kam gerne hierher. Wann immer sich die Gelegenheit bot, schaute er kurz in dem Laden vorbei. Und solche Gelegenheiten gab es genug. Mal war es eine lose Schuhsohle, ein gerissenes Schnürband, eine Dose Schuhcreme, ein kaputter Reissverschluβ oder eben eine aufgerissene Naht. Es gab fast nichts, was der Schumacher nicht reparieren konnte. Manchmal kam Finn auch nur hierher, um den Geschichten zu lauschen, die der alte Herr Benz erzählte. Oft waren diese Erzählungen nicht für Kinderohren geeignet. Aber wahrscheinlich war es gerade das, was sie so spannend machte.

    „Miau, miau! Momo, die große, graue Katze des Schuhmachers schmiegte sich an Finns Füße. „Na, du alter Mäusefänger, murmelte Finn, während er das weiche Fell streichelte.

    „Ja, ja, er freut sich immer, wenn Besuch kommt! Ach, du bist es, Finn! Schön, dich mal wiederzusehen. Na, was kann ich für dich tun?"

    Erst jetzt bemerkte Finn den alten Schumachermeister, der sich hinter einem Berg von Schuhen und Kisten erhob. Wie so oft, trug er einen braunen Arbeitskittel und darüber eine grüne Schürze. Hinter das linke Ohr hatte er sich einen Bleistift geklemmt und um den Hals hing ein Maβband. Graues, lichtes Haar zierte seinen Kopf und ein stoppliger Bart wucherte in seinem Gesicht.

    „Ich habe hier meine alten Fußballschuhe, und der rechte Schuh müsste dringend repariert werden."

    Der Schumacher setzte seine Brille auf und begutachtete den Schuh von allen Seiten.

    „Kein Problem, das kriegen wir schon hin. Du musst wissen, für den Sultan von Marokko durfte ich einmal sechs Paar Reitstiefel anfertigen. Die waren aus bestem Leder und jede Naht war dreifach gefertigt!" Diese Geschichte erzählte Schumacher Benz immer wieder. Überhaupt war er ein wunderbarer Geschichtenerzähler.

    „Einmal sollte ich sogar die Fußballschuhe von Helmut Rahn reparieren. Du kennst doch Helmut Rahn, oder?"

    „Ja natürlich, erwiderte Finn. „Er spielte im Angriff der deutschen Nationalmannschaft 1954! Beim Endspiel in Bern schoss er die beiden entscheidenden Tore gegen Ungarn. Deutschland gewann dadurch seinen ersten Weltmeistertitel.

    In Sachen Fußball wusste Finn Bescheid, da machte ihm so schnell keiner was vor. Der alte Schuhmacher grinste über beide Ohren. „Du warst schon immer ein cleveres Bürschchen. Das gefällt mir an dir. Genau den Helmut Rahn meine ich."

    Mit einer Hand griff der Alte nach einem Holzstuhl und schob ihn neben Finn. „Nimm Platz. Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, die wird dich sicher interessieren."

    Finn setzte sich gespannt und voller Erwartung auf den wackligen Stuhl. Der Schuhmacher machte es sich auf einer Kiste vor der Theke gemütlich. Mit einer Hand klopfte er den Schleifstaub von seiner Schürze, um sich gleich darauf weit nach vorne zu beugen. Dann schielte er zuerst nach rechts, dann nach links, als ob er sichergehen wollte, dass niemand anderer im Raum war.

    „Die Geschichte, die ich dir jetzt erzähle, habe ich bis heute für mich behalten. Der Alte hielt sich die Hand vor den Mund, als ob er Angst hätte zu sprechen. „Wo war ich stehen geblieben?

    „Bei den Schuhen von Helmut Rahn. Sie haben sie repariert."

    „Ja, die Schuhe! Also, wie gesagt, Deutschland hatte die Weltmeisterschaft gewonnen. Und weißt du, was am besten war? Ich werd es dir sagen. Der Heimweg der Meistermannschaft führte mit dem Zug vorbei an unserem Dorf. An unserem Dorf! Ist das nicht unglaublich? Überall an den Gleisen standen jubelnde Menschen. Und alle hatten sie die Hoffnung, einen kurzen Blick auf die Mannschaft werfen zu können. Und tatsächlich, der Zug hielt am Bahnhof an. Einige Spieler kamen aus dem Zug und gaben Autogramme. Du wirst es nicht glauben, aber plötzlich stand der Helmut vor mir! Als der erfuhr, dass ich Schuhmacher war, drückte er mir seine Fußballschuhe in die Hand. Eine Naht am rechten Schuh war aufgerissen; genauso wie bei deinem Schuh. Ich sollte den Schuh reparieren und ihm dann per Post zuschicken. Noch am selben Tag habe ich den Schuh repariert. Doch dann kam alles anders, denn die Schuhe waren am nächsten Tag aus meinem Geschäft verschwunden. Einfach weg!"

    „Gestohlen?", fragte Finn verwundert.

    „Ich weiß es nicht, entgegnete der Schumacher. „Ich habe dem Helmut dann einen Brief geschrieben und mich entschuldigt, dass die Schuhe verloren gegangen sind. Leider habe ich nie mehr etwas von ihm gehört. Gedankenverloren starrte er auf Finns Schuh in seiner Hand und fuhr dann zögernd fort.

    „Aber etwas Sonderbares geschah doch noch. Am selben Abend, als ich gerade meinen Laden zuschließen wollte, stand ein junger Mann vor der Tür und fragte mich nach dem Weg zum Bahnhof. Er sprach nur gebrochen deutsch und machte einen ziemlich nervösen Eindruck. Ich bat ihn kurz herein, um ihm den Weg zu beschreiben. Dann fragte er noch nach einem Glas Wasser. Als ich jedoch mit dem Wasser aus der Küche zurückkam, war niemand mehr da."

    „Dann war das also ein Dieb, ganz klar!", stellte Finn fest.

    „Kann schon sein, aber das Beste kommt noch. Vor ein paar Wochen habe ich ein Päckchen bekommen, und was glaubst du war da drin, hmm …?"

    „Die Fußballschuhe?"

    „Na ja, nicht ganz. Es war nur ein Schuh darin. Aber es war der Schuh von Helmut Rahn. Der Schuh mit der aufgerissenen Naht. Ich habe ihn sofort erkannt, denn ich hatte die aufgerissene Naht mit einem goldenen Lederstreifen repariert."

    „Unglaublich! Wer hat Ihnen das Packet geschickt?"

    „Es stand kein Absender darauf. Aber der Poststempel stammt offensichtlich aus Ungarn."

    „Aus Ungarn? Gibt’s doch gar nicht!"

    „Ach

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