Die zentrale Steuerung des bewussten Gesangs am Tonsitz: Für alle Stimmlagen, Leistungsstufen und Gesangsrichtungen
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Über dieses E-Book
Da die dynamische klassische Gesangstechnik unterschiedliche Bereiche anspricht, die hier teilweise korrigiert wurden, ist es besonders lehrreich für GesanglehrerInnen, ausgebildete SängerInnen, sowie für Singende und Sprecher aller Art - aber auch für HNO-Ärzte, Logopäden, Phonetiker, Physiker und Forscher - um zu erfahren, wie es gelingt, alle funktionalen Abläufe des Gesangs allein am Tonsitz auszusteuern.
Die einzelnen Themen sind hier so beschrieben, dass sie vergleichsweise leicht zu verstehen sind - und gleichzeitig den heutigen physischen, physiologischen und gesangstechnischen Erkenntnissen entsprechen.
Seien Sie neugierig, nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie sich überraschen.
Birgit Franke-Borries.
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Buchvorschau
Die zentrale Steuerung des bewussten Gesangs am Tonsitz - Birgit Franke-Borries
Zum Titel dieses Fachbuchs:
Das Bewusstsein
Abb. 1 Hier sehen Sie den Vokalraum für das Sänger-i.
Das Bewusstsein wird in der Großhirnrinde vermutet. Sie ist entwicklungsgeschichtlich der jüngste und zugleich größte Bereich des menschlichen Gehirns. Dort werden alle Bewegungsabläufe über Regelkreise aktiviert, die nicht automatisch oder reflexartig ablaufen. Das gilt für alle Menschen, die etwas hinzulernen wollen, wozu neben Laufen, Spielen, Sprechen, Turnen usw., eben auch das Singen gehört.
Wichtig dabei ist, das jeweilige Ziel dort zu definieren, wo es ausgeführt werden soll.
Beim Gesang ist es der Tonsitz.
Der Tonsitz
(auch Stimmsitz genannt) befindet sich natürlicherweise im Bereich um die Nahtstelle des harten Gaumens dort, wo der Sänger bei freier und gelöster Haltung seinen Stimmklang verstärkt hört und fühlt. Er schwingt ab da im Brustklang über den Nasenrücken und im Kopfklang über das Nasenbein zur Außenluft. Dieser Verlauf wurde ihm mit den wachsenden Leistungen des menschlichen Gehirns, durch einen differenzierteren Schwingungsbereich der Stimmbände und eine stärkere Wölbung des harten Gaumens im Lauf der Evolution erleichternd vorgegeben. Deshalb haben ihn schon die Naturvölker bei ihren Trillern im Kopfklang und beim Singen und Sprechen im Brustklang, unbewusst richtig genutzt. Allerdings in einem eher kleinen Tonbereich, was auch noch heute für alle gesangsbereiten Amateuere in den unterschiedlichsten Bereichen des Gesangs gilt.
Erst mit den erhöhten Ansprüchen der Zivilisation an den professionellen Sänger, war ein bewusster Umgang mit den stimmlichen Vorgaben mit dem Ziel erforderlich, einen gesunden, klangreinen, klangschönen, modulations- und tragfähigen Gesang zu erhalten, der ohne Verspannungen und Fehlhaltungen bis in die hohen Lagen des Gesangs, dynamisch auszuschwingen geht. Das rückte im Verlauf den „Tonsitz" all derer ins Bewusstsein, die sich damit auseinandersetzten.
Wie geschickt der Singende damit umgeht, hängt erst einmal davon ab, wie viele Nervenzellen (Neuronen) in seinem Gehirn dafür zuständig sind. Doch die Praxis zeigt, dass sie sich unter Anleitung dafür prädestinierter Gesangspädagogen neu organisieren, neue Synapsen bilden, neuronale Abläufe optimieren und dadurch leistungsstärker werden. Das gilt vor allem für das ständige Wiederholen körperlicher, visueller, logischer und emotionaler (gefühlsmäßiger) Abläufe beim Erlernen präziser motorischer Bewegungen, wozu auch die zuordnende Erkennung des eigenen Körpers gehört. Diese feine Sensorik verdankt er Sinneszellen, die wie die Oberflächensensoren, Reize an das Rückenmark weiterleiten. Sie vermitteln ihm innerhalb seines Zentralnervensystems umfangreiche Daten aus seinem Körper und seiner Umwelt, die im Zusammenspiel mit seinen Sinnesrückmeldungen, seine Entscheidungen beeinflussen. Im Dienst solcher Leistungen stehen ihm Rezeptoren in Nervenbahnen und Zentren ganzer Hirnrindengebiete zur Verfügung. Dabei stehen das Wahrnehmen dieser Reize und das motorische Verhalten in einem direkten Zusammenhang, da diese Prozesse parallel verlaufen. So kann der Sänger seine Klangsignale und Klangimpulse in Verbindung mit den Vokalräumen so lange am Tonsitz bewusst aussteuern, bis er dort das Ergebnis wie gewünscht hört und fühlt. Dabei werden folgende Areale des stimmgebenden Regelkreises für ihn aktiv:
Die Basalganglien (lat. Nuclei basales)
Sie setzen sich innerhalb der beiden Hirnhälften aus verschiedenen Strukturen zusammen, welche untereinander einen regen Informationsaustausch vollziehen. Sie sind für die motorischen, kognitiven (geistigen) und limbischen (gefühlsmäßigen) Regelungen des Sängers von großer Bedeutung, da sie die Informationen umsetzen, die er am Tonsitz für seinen gesangstechnischen Verlauf erteilt. Sie bewerten seine Bewegungsmuster und treffen entsprechend seiner Auswahl Kraft, Ausmaß und Geschwindigkeit, um deren Koordinierung zu übernehmen. Die Basalganglien sind Teil vieler Funktionskreise, doch beim Gesang ist die Regulation der Kehlkopf- und Atemmuskulaturv ihre Hauptaufgabe. In ihnen residiert auch ein Teil des motorischen Gedächtnisses, das der Sänger im Laufe seines Lebens und während seiner Gesangsausbildung erworben hat. Das Endergebnis senden sie an den Thalamus, einem Teil des Großhirns, das auch als „Tor zum Bewusstsein" bezeichnet wird.
Der Thalamus (von griech. Thálamos „Kammer")
bildet den größten Teil des Zwischenhirns. Es setzt sich aus vielen Kerngebieten zusammen, die eine besonders starke Verbindung zur gesamten Großhirnrinde und damit zum Bewusstsein des Sängers aufweisen. Dabei leiten afferente (zuführende) Nervenzellen entsprechende Informationen aus seinem Körper und seinen Sinnesorganen in den Thalamus, die von dort über spezifische Thalamuskerne auf nachfolgenden Nervenzellen umgeschaltet werden die zur Großhirnrinde führen. Diese Umschaltung erfolgt über Synapsen, bei denen der Thalamus als Filter fungiert, sodass nur die Informationen verarbeitet werden, die dem Sänger für seinen gesangstechnischen Vorgang im Moment so wichtig sind, dass sie an die Großhirnrinde weitergeleitet werden. Dadurch wird es ihm am Tonsitz über das Hören und Fühlen seines Stimmklangs bewusst, womit sich der stimmgebende Regelkreis so lange schließt, bis ihn der Sänger aufs Neue aktiviert.
Das Kleinhirn (Cerebellum)
sorgt dafür, dass gelernte Bewegungen auch unbewusst ablaufen können. Es integriert die relevanten Informationen, die durch das wiederholte Üben des Sängers entstanden sind, überprüft deren Bewegungsverläufe und koordiniert sie mit einer Vielzahl von Muskeln. Vom Rückenmark erfährt es, in welcher Position sie sich befinden, welche Muskeln angespannt und welche entspannt sind und sendet diese Informationen verarbeitet an den Hirnstamm. Da es über Brückenkerne eng mit dem Großhirn und dort mit dem Bewusstsein verbunden ist, kann der Sänger das Ergebnis seiner Bemühungen bewusst am Tonsitz wahrnehmen.
Die Muskulatur (lat. musculus)
besitzt als herausragendste Eigenschaft die Fähigkeit zur Kontraktion, sodass sie sich infolge eines bewussten Nervenimpulses gesteuert zusammenziehen kann. Um eine Bewegung ausführen zu können, ist immer das Zusammenspiel gegensätzlich wirkender Muskeln notwendig, sodass ein Muskel bei einer Bewegung niemals allein arbeitet. Der Agonist führt als Spieler eine Bewegung aus, während der Antagonist als Gegenspieler dafür sorgt, dass die Bewegung in der Gegenrichtung erfolgen kann. Das geschieht durch einen elektrischen Impuls, der über den langen Fortsatz einer Nervenzelle zur Muskelfaser verläuft. Dabei berühren sich Nerv und Muskel nicht direkt, da sich dazwischen ein kleiner Spalt befindet, der ‚Synapse‘ genannt wird. Bei dieser Weiterleitung hin zum Muskel wird der Impuls in einen chemischen Prozess umgewandelt, bei dem der Muskel den Arbeitsimpuls erst n a c h seiner Rückumwandlung in einen elektrischen Reiz erhält.
Abb. 2
Diesen Vorgang stellt sie mit dem Transmitter Acetylcholin her, mit dem diese Nervenimpulse mit 360 km/h also mit 100 Meter pro Sekunde an der Nervenfaser entlangwandern können. Dabei löst ein Signal das nächste aus, sodass sie wie Dominosteine von Zelle zu Zelle weitergegeben werden. Danach sorgen bestimmte Enzyme im synaptischen Spalt für den Abbau der freigesetzten Neurotransmitter, indem sie in die Endknöpfchen eindringen und dort von der Zelle recycelt
werden. Je länger der Abbau der freigesetzten Neurotransmitter dauert, desto länger dauert auch die Erregung an. Deshalb ist der Abbau der Neurotransmitter durch die Enzyme wichtig, andernfalls würde sie dauerhaft anhalten und den Körper verkrampfen. Zusammengefasst:
Ein Reflex ist eine Reaktion, die ohne Nachdenken abläuft, wenn z.B. ein Kribbeln in den Bronchien automatisch zum Husten führt.
Das unwillkürliche Nervensystem ist für alle unbewusst ablaufenden Vorgänge zuständig. Es regelt die Atmung, die Verdauung, den Stoffwechsel, das Herz und den Kreislauf, wobei das Ziel die glatte Muskulatur wie Magen, Darm, Gefäße, Herz, Drüsen ist.
Beim willkürlichen Nervensystem muss der Reiz die Großhirnrinde erreichen. Erst dann werden die willkürlichen, also vom eigenen Willen gesteuerten, bewusst gewollten und erfolgten Bewegungen zu jenen Arealen der Hirnrinde weitergeleitet, welche die einzelnen Bewegungen initiieren und dort zur Ausführung bringen, wo sie erteilt wurden. Das gilt für alle Menschen, also auch für den Sänger.
Mit diesen Ausführungen
habe ich