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Wissenschaft ist frei: Auch in der Pandemie?
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eBook211 Seiten1 Stunde

Wissenschaft ist frei: Auch in der Pandemie?

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Über dieses E-Book

Es steht nicht gut um die Freiheit der Wissenschaft. Ihre Unabhängigkeit, finanziert durch den Staat, ist normalerweise ein großer Vorteil, solange der Staat kein eigenes Interesse am Ergebnis hat. Doch in der COVID-19-Pandemie scheint das bei einzelnen Fragestellungen nicht mehr zu gelten. So wurden beispielsweise wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Masken aus fadenscheinigen Gründen abgewertet oder zurückgezogen. Öffentliche Kritik an ausgewählten Maßnahmen kommt vorwiegend von Wissenschaftlern außerhalb des Staatsdienstes. Sogenannte Faktenchecker deklarierten Berichte über einzelne wissenschaftliche Publikationen als "schädliche Inhalte". Politiker üben offenen Druck auf Wissenschaftler aus, wenn diese nicht den Kurs der Regierenden unterstützen. Und die Leopoldina beschreibt ein Dokument als Wissenschaft, was in keiner Weise den internationalen Ansprüchen an evidenzbasierte Empfehlungen entspricht. Warum ist das so? Anhand ausgewählter Beispiele wird nachvollziehbar aufgezeigt, warum der Staatsdienst bei einzelnen Fragestellungen möglicherweise einen Interessenkonflikt darstellt. Die Wissenschaft kann nur dann wieder frei sein, wenn sie öffentlich Distanz zu staatlichen Autoritäten wahrt, kontroverse Debatten einfordert und politische Entscheidungen und ihre Begründungen fortwährend kritisch und ergebnisoffen auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen hinterfragt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Okt. 2021
ISBN9783347363403
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    Buchvorschau

    Wissenschaft ist frei - Günter Kampf

    1. Die Wissenschaft ist frei

    Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.

    Immanuel Kant (1784)

    Wissenschaft ist „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit angesehen werden kann (38). In Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Dieses Grundrecht gibt dem einzelnen Wissenschaftler ein subjektives Recht auf Nichteinmischung des Staates in seine wissenschaftliche Tätigkeit. Damit tritt es neben die ohnehin gewährleistete Meinungsfreiheit (104). Der einzelne Grundrechtsträger ist im Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit gegen jede Einwirkung der Staatsgewalt abgeschirmt. Forschung und Lehre haben das Ziel, wissenschaftliche Einsichten zu gewinnen und weiterzugeben und sollen sich nach dem Willen des Grundgesetzes ungehindert von staatlicher Einflussnahme entfalten können (104).

    1.1. Deutsche UNESCO-Kommission

    Nach Auffassung der deutschen UNESCO-Kommission fungiert die Wissenschaftsfreiheit vor allem als Abwehrrecht (53). Somit dürfe keine Person aufgrund ihrer wissenschaftlichen Standpunkte verfolgt oder vertrieben werden. Gleichzeitig sei die Wissenschaft vor Beeinflussung, Beschränkung, Benachteiligung oder Abhängigkeiten zu schützen. Wie wichtig dieser Grundsatz ist, zeigt sich heute an vielen Stellen. Freie Forschung und Lehre geraten heute zunehmend unter Druck – auch in den großen Forschungsnationen der Welt.

    1.2. Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit

    Anlässlich der Ministerkonferenz zum europäischen Forschungsraum wurde am 20. Oktober 2020 die Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit veröffentlicht (8). Darin finden sich einige wichtige Aspekte:

    - Forschungsfreiheit beinhaltet, anerkanntes Wissen zu hinterfragen und Ergebnisse zu veröffentlichen und zu verbreiten.

    - Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse und Ansichten verdienen unseren höchsten Schutz, da sie transparent ermittelt werden und widerlegbar sind.

    - Die Wissenschaft trägt eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, Klarheit, Transparenz und Verständlichkeit bei der Verbreitung und der Kommunikation von Forschungsergebnissen zu gewährleisten und den Unterschied zwischen nichtwissenschaftlichen Meinungen und wissenschaftlich überprüfbaren Ergebnissen zu verdeutlichen.

    1.3. Deutsche Forschungsgemeinschaft

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat 2019 zehn Thesen zur Wissenschaftsfreiheit formuliert (51), von denen zwei nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben werden.

    Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse stärken

    „Wissenschaftliche Erkenntnisse sind keine bloße Meinungsäußerung‘. Die Wissenschaft hat daher auch die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Unterschied zwischen Meinungen und wissenschaftlich überprüfbaren Erkenntnissen zu verdeutlichen, bei der Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse auf Klarheit, Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit zu achten und populistisch motivierter Faktenverzerrung den Boden zu entziehen. Dabei muss sie immer wieder die Grenzen gesicherter Erkenntnis und die Bedeutung wissenschaftlicher Kontroversen sichtbar machen. So kann das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft und damit in ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Wissenschaftsfreiheit gestärkt werden."

    Freiheit der Wissenschaft erfordert eine Debattenkultur

    „Offene Diskurse und die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden sind ein wesentliches Fundament der Wissenschaftsfreiheit. Studierenden aller Disziplinen muss der hohe Wert einer freien wissenschaftlichen Debatte vermittelt werden – sie sollen lernen, sich mit unterschiedlichen Perspektiven kritisch auseinanderzusetzen, auch mit der eigenen. Diese Erfahrungen mit wissenschaftlicher Kontroverse tragen auch zur Stärkung der Grundwerte der liberalen Demokratie bei, die für umfassende Wissenschaftsfreiheit wiederum unverzichtbar sind."

    Daraus ergeben sich einige Grundsätze, die nachfolgend hinsichtlich ihrer Einhaltung bewertet werden:

    - Der Staat hat sich nicht in die Wissenschaft einzumischen.

    - Die Wissenschaft ist vor Beeinflussung, Beschränkung, Benachteiligung oder Abhängigkeiten zu schützen.

    - Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse verdienen den höchsten Schutz, da sie transparent ermittelt und widerlegbar sind.

    - Meinungen und wissenschaftlich überprüfbare Erkenntnisse sind zu unterscheiden.

    - Die Grenzen gesicherter Erkenntnis sind sichtbar zu machen.

    - Die offene Auseinandersetzung mit Andersdenkenden ist ein wesentliches Fundament der Wissenschaftsfreiheit.

    Doch wie sieht die Freiheit der Wissenschaft im Umfeld politischer Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung aus? Ist die Wissenschaft tatsächlich von der Staatsgewalt abgeschirmt? Darf anerkanntes Wissen hinterfragt und das Ergebnis kritischer Hinterfragung veröffentlicht und verbreitet werden? Werden die Grenzen gesicherter Erkenntnisse grundsätzlich sichtbar gemacht? Werden Standpunkte Andersdenkender geduldet und in fairen Debatten hinterfragt? Anhand einiger Beispiele möchte ich zeigen, dass diese Grundsätze im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie teilweise nicht mehr beachtet werden und somit die Freiheit der Wissenschaft gefährdet ist.

    2. Evidenzbasierte Medizin

    Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen.

    Gotthold Ephraim Lessing (1777)

    Die ärztliche Heilkunst basierte seit Jahrhunderten auf dem Wissen und der Erfahrung der Heiler. Mit zunehmender Forschung wurden jedoch individuelle Therapieansätze immer mehr durch wissenschaftliche begründbare Behandlungskonzepte ergänzt. Im Jahr 1990 wurde der Begriff „evidence-based medicine im anglo-amerikanischen Sprachraum begründet (deutsch: „evidenzbasierte Medizin). Mitte der 90er Jahre fand dieser Ansatz Einzug im deutschsprachigen Raum.

    Definition der evidenzbasierten Medizin

    Evidenzbasierte Medizin ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der evidenzbasierten Medizin bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung.

    Die evidenzbasierte Medizin erhebt somit für sich den Anspruch, die aus unterschiedlichen Quellen gelieferten wissenschaftlichen Erkenntnisse bzw. Belege („Evidenz) nach klaren methodischen Grundlagen – die international und national völlig unstrittig sind – zu sichten und zu bewerten. Ergebnisse aus der klinischen Forschung stehen hier im Fokus. Das Ergebnis sind beispielsweise hochwertige Leitlinien, aus denen klinisch tätige Ärzte die bestmöglichen „Wissenszutaten für eine im Einzelfall klar begründete Entscheidung entnehmen können.

    Seit 1998 gibt es das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V. (www.ebm-netzwerk.de) und 1999 wurde Cochrane Deutschland gegründet (www.cochrane.de). Cochrane gilt als das erste und international wichtigste weltweite Netzwerk, um das Problem der wachsenden Informationsflut in der Medizin zu lösen. Durch systematische Recherche, Bewertung und leicht zugängliche Aufbereitung von Studienergebnissen soll der Wissenstransfer aus der klinischen Forschung in die klinische Praxis transparenter und einfacher werden.

    Für den „Gemeinsamen Bundesausschuss", der in Deutschland über die Leistungsansprüche gesetzlich krankenversicherter Personen entscheidet, dienen die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin als maßgebliche Bewertungsgrundlage. Auch in der Infektionsprävention sind die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zum Entscheidungsstandard geworden. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) verfasst Empfehlungen für Krankenhäuser, Heime und Arztpraxen zu verschiedenen Infektionsarten wie postoperativen Wundinfektionen, Krankheitserregern wie C. difficile oder übergeordneten Themen wie Händehygiene. Damit kommt sie ihrer im § 23 des Infektionsschutzgesetzes zugewiesenen Aufgabe nach, Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen auf dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu erstellen.

    2.1. Vorgehensweise

    Neben der individuellen klinischen Erfahrung und den Werten und Wünschen des Patienten ist der aktuelle Stand der klinischen Forschung eine wesentliche Säule der optimalen Behandlung von Patienten. Das Vorgehen in der evidenzbasierten Medizin gliedert sich dabei in fünf Schritte.

    2.1.1. Fragestellung definieren

    In diesem Schritt wird das klinische Problem in eine Fragestellung übersetzt, die durch wissenschaftliche Untersuchungen zu beantworten ist. Im Umfeld von COVID-19 können die Fragestellungen sehr unterschiedlich formuliert werden und somit Einfluss auf die Antwort haben. Das Tragen der Masken soll hier als Beispiel dienen.

    „Haben Masken eine Schutzwirkung?"

    Diese sehr allgemein formulierte Fragestellung wird immer wieder in den Medien verwendet. Es handelt sich um eine Ja-Nein-Frage, die aus wissenschaftlicher Sicht ungeeignet ist. Denn in der Regel ist eine Schutzwirkung variabel und kann sehr gering oder sehr stark sein. Darüber hinaus wird hier nicht differenziert, welche Masken gemeint sind, ob die Maske den Träger oder sein Gegenüber schützt, wovor der Schutz gegeben sein soll (z. B. vor Tröpfchen, bestimmten Krankheitserregern oder Infektionen) und in welchem Umfeld diese Schutzwirkung zu erwarten ist. Wenn man nur die Filtrationsleitung von Tröpfchen meint, kann man selbst bestimmten Alltagsmasken eine gewisse Schutzwirkung zuschreiben.

    „Schützen OP-Masken vor SARS-CoV-2-Viren?"

    Diese Fragestellung ist differenzierter, weil ein Maskentyp definiert ist und sich die Schutzwirkung auf ein bestimmtes Virus bezieht. Zur Beantwortung dieser Fragestellung könnten alle Studien ausgewertet werden, in denen die Filtrationsleistung von OP-Masken im Hinblick auf SARS-CoV-2 untersucht wurde. Es bleibt jedoch unklar, ob sich die Schutzwirkung auf die Person bezieht, die sich selber schützen will oder auf eine Person, die selber SARS-CoV-2-Träger ist und andere Menschen im direkten Umfeld zu schützen versucht. Zudem bleibt bei dieser Fragestellung offen, ob die OP-Masken auch vor tatsächlichen Infektionen oder vor der Krankheit COVID-19 mit den entsprechenden Krankheitszeichen schützen sollen, was keinesfalls das Gleiche ist.

    „Schützt das Tragen von OP-Masken im Laden vor COVID-19?"

    Die Frage mag ähnlich klingen wie die vorherige, meint aber nicht mehr das Virus selbst, sondern die Krankheit COVID-19. In der Folge kann die Fragestellung nur beantwortet werden, wenn Studien herangezogen werden, in denen ein gesundheitlicher Nutzen durch das Tragen von OP-Masken untersucht wurde (weniger COVID-19-Fälle). Darüber hinaus ist das Umfeld klar definiert (Laden). Für diese Fragestellung sind also Studien unerheblich, in denen auf einer COVID-19-Station im Krankenhaus das Tragen von OP-Masken auf einen gesundheitlichen Nutzen hin untersucht wurden. Denn im Laden liegt ein völlig anderes Expositionsrisiko im Vergleich zu einer COVID-19-Station vor (kaum Virusträger, kurze Kontaktzeiten, kaum Gesicht-Gesicht-Kontakte, wenig Sprechen). Bei dieser Fragestellung bleibt dennoch immer noch offen, ob der Träger der Maske oder andere Personen geschützt werden sollten.

    „Schützt mich das Tragen einer OP-Maske im Laden vor COVID-19?"

    Bei dieser Fragestellung wird in Ergänzung zur vorherigen Frage noch die Person eingegrenzt, für die eine Schutzwirkung definiert wird.

    „Wie stark schützt mich das Tragen einer OP-Maske im Laden vor COVID-19?"

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