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Der Stein der Welten: Teil 2 - Leuchtfeuer
Der Stein der Welten: Teil 2 - Leuchtfeuer
Der Stein der Welten: Teil 2 - Leuchtfeuer
eBook623 Seiten8 Stunden

Der Stein der Welten: Teil 2 - Leuchtfeuer

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Über dieses E-Book

Der Pfeil, der unumschränkte Herrscher Goniens, greift nach der Macht in der Gyxgaresgruppe und stürzt die Welten dort in ein blutiges Chaos.
Angesichts von Krieg und Zerstörung müssen Raimund, Sergej und ihre Begleiter wiederholt fliehen, bis sie schließlich auf der fast vergessenen, geheimnisvollen vierten Welt der Sternenschnur stranden. Dort stoßen sie auf ein mysteriöses Objekt, das ihr aller Leben verändern wird. Denn letztlich dreht sich alles um den Stein der Welten…

Teil 2 der 4-teiligen Saga vom Stein der Welten
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum12. Okt. 2016
ISBN9783732353071
Der Stein der Welten: Teil 2 - Leuchtfeuer
Autor

Michael Dechert

Michael Dechert, geboren 1965 in Kaiserslautern, ist in der Nähe von Frankfurt am Main aufgewachsen, wo er immer noch mit seiner Familie lebt. Als Ausgleich für den eher nüchternen Bürojob dienen phantastische Geschichten, die er schon seit dem Teenageralter verfasst - soweit Job und Familie dafür Zeit lassen. Der "Stein der Welten" als epsiche Geschichte und Mix aus Science Fiction und Fantasy ist das Ergebnis einer langjährigen Freizeitarbeit, die aus zunächst vier Teilen besteht, als abenteuerliche Reise zu fremden Welten und Dimensionen dient und deren Protagonisten doch nur nach Freundschaft und Frieden suchen...

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    Buchvorschau

    Der Stein der Welten - Michael Dechert

    1. Die verbotene Station

    Es war die Zeit, endlich in aller Ruhe das auf sich wirken zu lassen, was ihn seit jeher fasziniert hatte, was ein entscheidender Antrieb dafür gewesen war, den beschwerlichen Weg durch die HoDGA auf sich zu nehmen. Das All. Grenzenlos, voller unvorstellbarer Wunder, so atemberaubend wie lebensfeindlich, jedenfalls aus menschlicher Sicht. Die dicht stehenden Sterne der Gyxgares-Gruppe boten einen faszinierenden Anblick, sofern man sich die Zeit nahm, sich ihnen hinzugeben. Scheinbar ganz nah beieinander und doch so grenzenlos weit voneinander entfernt. Im Hintergrund schimmerte das Band der Milchstraße, die heimatliche Galaxie, aus einem etwas anderen Blickwinkel als von der Erde gesehen. Doch es war hier, ohne störende atmosphärische Einflüsse, viel klarer und intensiver. Unter der Aussichtskuppel herrschte eine angenehme Ruhe. Das leise Summen des Fährantriebs, der sie mit Höchstgeschwindigkeit und mehreren kleinen Sprüngen durch das Marsk-System bewegte, war kaum zu vernehmen. Vor dem Hintergrund der Sterne schien alles stillzustehen.

    Sergej atmete tief ein und drehte seinen Sessel ein wenig, um einen anderen Teil des Alls zu betrachten. Für ihre Reise waren zunächst zwölf Stunden veranschlagt worden, mittlerweile waren sie fast zwanzig unterwegs und würden sicher noch einige Zeit bis zum Ziel benötigen. Die Fähre war ein älteres Modell und erheblich langsamer als zunächst erwartet, doch Sergej und Annett störte das nicht weiter. Die Zeit der Reise war eine Zeit der Erholung, hier fühlten sie sich relativ sicher und unbehelligt. Sie hatten ausgiebig geschlafen, gut gegessen und lange mit Stella und Silus geplaudert. Inghena und Milhes hatten keine Genehmigung erhalten, sie zu begleiten, beide waren vorerst an Bord der ILHSA IV zurück geblieben. Doch langsam kehrte die innere Unruhe zurück. Je näher sie ihrem Ziel kamen, umso stärker wurde die Beklommenheit. Die Raumflotte schwieg sich nach wie vor darüber aus, weshalb sie an Bord des Raumträgers HANDOL kommen sollten. Vermutlich war das die auch hier übliche militärische Geheimniskrämerei.

    „Und, wonach hältst du Ausschau?", fragte Annett. Sie hatte fast lautlos den kleinen Aussichtsraum betreten.

    „Muss ich denn nach etwas Ausschau halten? Setz dich einfach hin und lass diesen Anblick auf dich wirken. Es ist phantastisch, oder nicht? Vielleicht können wir irgendwann sogar das Schiff sehen, zu dem wir kommen sollen. Vermutlich müssen wir recht nahe rankommen, ehe wir es mit bloßen Augen erkennen können. Wir sind ziemlich weit draußen und Marsk ist als Sonne nicht mehr ganz so ergiebig."

    Annett ließ sich in einen der drei noch freien Sessel fallen. „Ich wünsche mir, wir wären dort und würden endlich erfahren, was die von uns wollen."

    „Da geht es mir nicht anders, stimmte Sergej zu, „Nur, es hilft ja nichts. Üben wir uns in Geduld und harren der Dinge.

    Sie schwiegen wieder eine Weile. Annett versuchte, es Sergej nachzumachen und sich auf den prachtvollen Ausblick zu konzentrieren, doch irgendwie wollte es ihr nicht gelingen. Zu viele quälende Gedanken über ihre nähere Zukunft schwirrten ihr durch den Kopf. Nach einer halben Stunde erhob sie sich wieder, um zu Stella und Silus zurückzukehren. In diesem Moment kündigte eine blinkende Holokugel eine Durchsage an.

    „Die C-Flottille hat offenbar ihre Position verändert. Es war die Stimme von Stella. „Wir haben gerade Kontakt zu den äußeren Patrouillen aufgenommen und werden die HANDOL bereits in wenigen Minuten erreichen. Damit kommt unsere Reise doch etwas eher als erwartet zum Ende. Haltet euch also bereit.

    „Na, jetzt werden wir ja bald wissen, was wir dort sollen, sagte Sergej. Er drehte sich mit dem Sessel zu Annett. „Vielleicht steckt ja etwas mehr dahinter, als uns eine schöne Reise durch das hiesige Sonnensystem zu spendieren.

    „Ganz sicher sogar, seufzte sie. „Bisher hatte doch alles einen Haken. Eine solche Reise hätte ich wirklich gerne etwas entspannter genossen. Sergej hielt in der Folge Ausschau nach den Raumschiffen der C-Flottille, obwohl er keine Ahnung davon hatte, wie sich dieser Flottenverband zusammensetzte. Die HANDOL erkannte er erst, als sie das Schiff schon fast erreicht hatten, und das auch nur durch den schwachen Lichtschein, der aus hunderten von Öffnungen nach draußen drang.

    Der Raumträger HANDOL war ein beeindruckendes Schiff, dessen Länge von Bug bis Heck über zwölfhundert Meter betrug. Es gehörte zu den größten Schiffen der prutschen Flotte und bestand im Hauptteil aus einem quaderförmigen Rumpf, an dessen Heck ein weiterer Quader saß, wesentlich kürzer, dafür jedoch den restlichen Rumpf um ein Drittel überragend. Am Bug befanden sich links und rechts weitere Anbauten, die anscheinend als Startrampen der Raumjäger dienten, ebenso zwei seitwärts angebrachte, größere Erweiterungen im hinteren Teil des Schiffes. Auf den ersten Blick wirkte der Träger nicht gerade elegant und harmonisch, eher so, als habe man ältere Schiffskörper nach und nach erweitert, aber später wurde ihnen bestätigt, dass alle sechzehn Raumträger, über die Prut verfügte, baugleich mit der HANDOL waren. Diese Schiffe hatten ihren Zweck zu erfüllen und ihre Optik war daher zweitranging, anders als auf Prut selbst, wo alles einen guten Eindruck auf die Gäste machen musste.

    Ein Leitimpuls kontrollierte Anflug und Landung. Die Fähre umkreiste einige Male das Trägerschiff, als der Leitstrahl sie in eine Warteschleife schickte. Dann kam die Landegenehmigung und sie näherten sich einem Hangartor im mächtigen Heckteil der HANDOL. Es war, als ob sie selbst beim Annähern schrumpften oder der Raumträger wuchs, kurz vor der Landung nahm das Schiff jedenfalls das gesamte Blickfeld ein. Leicht glitt die Fähre in das Schiff und setzte auf einer großen Landefläche auf, während hinter ihnen die Hangartore offen blieben. Ein Kraftfeld, bei Bedarf durchlässig für Schiffskörper wie die Fähre, hielt die lebensspendende Atmosphäre aufrecht.

    „Seid ihr bereit?", rief Stella. Sergej und Annett standen jedoch bereits vor der Ausstiegsluke und warteten darauf, dass sie sich öffnete. Silus kam hinzu, dann Stella, sodass sie schließlich zu viert warteten. Die Besatzung der Fähre ließ sich nicht blicken, offenbar hatte sie es weniger eilig, ihr Gefährt zu verlassen. Wahrscheinlich wurde sie auch nicht zu einem so geheimnisvollen Termin an Bord der HANDOL erwartet und würde vermutlich sogar gleich weiterreisen. Das ständige Hintergrundsummen erstarb, kurz darauf glitt die Luke der Fähre zur Seite.

    „Wollen wir mal sehen, welche Überraschung die Raumflotte für uns bereit hält, meinte Silus. „Vermutlich ist doch mehr dran, als euch einen Freiflug durch das All zu spendieren.

    „Wirklich komisch, schüttelte Stella den Kopf. „Unsere Flotte mag noch nie einen Krieg bestritten haben, aber wirklich viel Humor hat sie nicht. Denkt daran, dass sich die Raumflotte für den vornehmsten Truppenteil hält. Wartet ab, worum es hier geht, und haltet euch mit dummen Sprüchen zurück.

    „Gehen wir? Annett wurde ungeduldig. „Hoffentlich gibt es hier mal keine Leute, die uns umbringen wollen.

    „Viel Feind, viel Ehr‘ ", murmelte Sergej, als er die Rampe hinunterging. Unten wurden sie von einer zehnköpfigen Gruppe der Besatzung der HANDOL empfangen. Sie trugen die blauen Jacken der Raumtruppe, schwarze Hosen und dunkelbraune Stiefel, dazu ein rotes Barett und einen schwarzen Gürtel um die Taille. Am Gürtel hing unter anderem ein Halfter mit einem leichten Handstrahler, der etwas elitäreren Standartbewaffnung der Flottenmitglieder. Einer von ihnen, auf dessen Schultern etwas aufwendigere Rangabzeichen prangten, trat vor. Er war ein großer, schlanker Mann von Mitte Zwanzig, dessen blasses Gesicht von großen, grauen Augen beherrscht wurde.

    „Bitte weisen Sie sich aus", forderte er sie auf.

    „Ich bin Stella Ahnden, ergriff Stella das Wort, während sie ihre Codekarte zückte. „Dies hier sind Silus Khand, Sergej Gromov und Annett März. Wir wurden offiziell von der Raumflotte aufgefordert, an Bord der HANDOL zu erscheinen.

    „Das ist mir durchaus bekannt, erklärte ihr Gegenüber. „Sonst wären Sie ja nicht hier. Es fiel Sergej schwer, hierzu keinen Kommentar abzugeben.

    Der Soldat tauchte ihre Codekarten in ein Holofeld auf seinem tragbaren Lesegerät. „Ich bin Raumleutnant Hango Farwen. Ich werde Sie während Ihrer Zeit an Bord der HANDOL betreuen. Bitte haben Sie Verständnis, dass Sie sich an Bord dieses militärischen Schiffes nicht frei bewegen dürfen und meine Anweisungen befolgen müssen. Und jetzt kommen Sie bitte, Admiral Taran erwartet Sie bereits."

    „Immerhin scheinen sie hier rasch zur Sache zu kommen", bemerkte Sergej, als sie mit ihrem bewaffneten Geleitschutz loszogen. Sie verließen den Hangar und betraten einen mächtigen Gang, der im Schnitt zehn Meter breit und gut fünf Meter hoch war und in dem starker Betrieb herrschte. Hier drängten sich eine Menge Mitglieder der Schiffsbesatzung, herumschwebende Lastentransporter und kleine, automatisch gesteuerte Bodenfahrzeuge. Nach einer Weile erreichten sie einen riesigen Aufzug, mit dem sie weit in den – im Sinn der Schiffsarchitektur - oberen Teil des Heckmoduls gebracht wurden. Dort traten sie in einen weiteren, kleineren Gang, der sie noch einige Minuten weiterführte. Sergej fing an, sich ein flottes Bordfahrzeug für den weiteren Weg zu wünschen, als sie endlich ans Ziel kamen. Sie bogen in einen Seitengang ein, der an einer breiten Tür endete.

    „Admiral Taran wird gleich hier sein, ergriff der bis dahin weitgehend schweigsame Farwen das Wort. „Bitte warten Sie einen Moment dort.

    Er deutete auf die Tür vor ihnen, die beim Nähertreten automatisch zur Seite glitt. Sie betraten einen schmucklosen Raum, in dessen Mitte ein breiter Tisch stand. Dahinter befanden sich zwei breite Sessel, auf denen zwei ziemlich erschöpft wirkende Menschen mit nur zu bekannten Gesichtern saßen.

    Sergej riss den Mund auf und stieß einen kurzen Schrei aus. „Raimund! Sabrina! Das ist ja ein Ding! Verflucht, habt ihr euch verlaufen?"

    Den beiden gelang ein mühsames Grinsen, sie wirkten aber nicht sonderlich fröhlich. Raimund stemmte sich aus dem Sessel hoch. „Wir sind nicht ganz freiwillig hier. He, es tut verdammt gut, euch zu sehen!" Er und Sergej klopften sich gegenseitig auf die Schultern.

    „Also sind Ihnen diese beiden Personen bekannt?"

    Die lautstarke Stimme gehörte einem stämmigen Mann in nicht mehr jungen Jahren, dessen bronzefarbene Haut von vielen Falten zerfurcht und dessen Kopf nur noch spärlich von schlohweißem Haar bekränzt war. Seine klaren Augen musterten sie durchdringend. Ihn umgab die Aura eines Offiziers, der es gewohnt war, viele Menschen zu führen. „Admiral Taran?", folgerte Sergej.

    „So ist es", nickte der Admiral. Er trat in den Raum, hinter ihm kamen weitere Offiziere seines Stabes sowie eine angemessene Wachmannschaft. Es schien, als seien sie doch schon wieder in irgendeine größere Sache gestolpert. Das alles musste letztlich etwas mit der unerwarteten Anwesenheit von Raimund und Sabrina zu tun zu haben.

    „Gehen wir in den Besprechungsraum, verfügte Admiral Taran. „Wir haben zu reden!

    Auch Sabrina erhob sich. Sergej bemerkte, dass sie und Raimund etwas schwach auf den Beinen waren. Doch in ihren Gesichtern spiegelte sich auch die Erleichterung, endlich wieder bekannte Gesichter zu sehen. „Prächtig seht ihr aus, bemerkte Raimund, „Offenbar haben die Pruter euch anständig versorgt.

    „Ihr hingegen wirkt ein wenig mitgenommen, entgegnete Annett sorgenvoll. „Wir haben euch eigentlich auf Gonien vermutet…

    „Da waren wir, nickte Sabrina, „Bis vor Kurzem. Aber wartet nur, das wird sicher gleich zur Sprache kommen…

    Sie folgten Admiral Taran und seinem Stab in einen weiteren Raum, der wesentlich komfortabler eingerichtet war. Er wurde von einem mächtigen, ovalen Tisch beherrscht und war umgeben von etwa zwei Dutzend dunkelbraunen Sesseln, auf denen sie sich jetzt niederließen. Vor den beiden Türen des Raums postierten sich Wachen, ein Adjutant tippte etwas in eine kleine Tischkonsole, worauf ein ganzes Sortiment an Erfrischungsgetränken und Bechern durch kleine, sich lautlos öffnende Luken in der Tischplatte auftauchten.

    „Greifen Sie nur zu, lud der Admiral sie ein, „Immerhin hoffen wir, endlich einige Erkenntnisse zu bekommen, die Licht auf diesen Vorfall werfen.

    „Ich vermute, dass dieser… Vorfall… etwas mit den beiden hier zu tun hat", sagte Sergej, während er noch auf dem Sessel herumrutschte und nach einer möglichst bequemen und lässigen Sitzposition suchte.

    „Eigentlich haben Sie einen Teil zur Problemlösung bereits beigetragen, erklärte Taran. „Die spontane Reaktion hat uns viel verraten. Sie erschien mir glaubwürdig und ich verfüge in der Regel über eine gute Menschenkenntnis. Da wir von Ihrer Authentizität als Gäste vom Planeten Erde überzeugt sind, gibt uns ihre Reaktion durchaus einen Hinweis darauf, dass diese beiden Personen hier ebenfalls von der Erde kommen. Sie können sie doch eindeutig identifizieren, oder?

    Sergej begann zu verstehen, dass die Herkunft ihrer beiden so unverhofft angetroffenen Gefährten unklar zu sein schien. Hatten sie keine Codekarten mehr? Wie kamen sie nur an Bord eines prutschen Kriegsschiffs?

    „Natürlich, das sind Raimund Wolf und Sabrina Snow vom Planeten Erde, erklärte er. „Oder wirklich sehr überzeugende Doppelgänger… äh, wir kamen gemeinsam vor etwas mehr als drei Wochen in die Gyxgares-Gruppe, um hier unser praktisches Jahr im Dienst der Allianz zu absolvieren. Drei von uns sind nach Pellonien weitergereist, Annett März und ich kamen nach Prut. Drei weitere gingen nach Gonien. Von denen sehe ich jetzt überraschender Weise zwei hier wieder. Dazu fallen mir durchaus ein paar Fragen ein… aber es gibt offenbar ein Problem, richtig?

    Admiral Taran verschränkte nachdenklich die Hände vor dem Kinn. „Tatsächlich ist die Geschichte, die uns ihre beiden Freunde nahebringen wollen, derart unglaubwürdig, dass wir damit ein Problem haben müssen."

    „Admiral Taran, seufzte Raimund. „Wenn wir gonische Spione wären, hätten wir uns dann so eine blödsinnige Geschichte ausgedacht? Wir waren praktisch schon tot, als Sie uns aufgefischt haben.

    „Letzteres spricht in der Tat für Sie, stimmte Taran zu. „Kapitänin Sennesa, fassen Sie doch noch einmal die Schilderung unserer Findlinge zusammen, damit sich unsere neuangekommenen Gäste ein Bild davon machen können.

    Kapitänin Sennesa war eine Frau von etwa fünfzig Jahren, deren dunkle Augen recht streng und unnahbar in die Runde blickten. Sie hatte ihr silbernes Haar straff nach hinten gebunden und die kantigen Züge ihres dunklen Gesichts freigelegt. „Gerne, Herr Admiral, begann sie. „Nach der Schilderung von Herrn Wolf und Frau Snow trafen sie vor 24 Tagen planmäßig, gemeinsam mit einer Frau Gillian Forth, auf Gonien ein. Die Datenbanken der Allianz bestätigen Namen und Auftrag. Sie wurden einer sogenannten ‚Östlichen Calm-See-Standarte‘ zugeordnet und führten dort das als hart und einfach empfundene Leben der gonischen Landbevölkerung. Sie nahmen an einem Ernteeinsatz teil und beschrieben den gonischen Alltag als annähernd prätechnologisch, aber bis ins Detail durchorganisiert und mit dominanten Führungsstrukturen durchzogen. Nach der Ernte gab es ein mehrere Tage dauerndes Treffen verschiedener ‚Standarten‘, welche sogenannte ‚Pfeilspiele‘ abhielten. Diese mögen nach den beschriebenen Abläufen durchaus der Wehrertüchtigung der Bevölkerung dienen. Abschluss und Höhepunkt war eine Ansprache des gonischen Herrschers, des sogenannten ‚Pfeils‘. In dieser Rede wurden aggressive Thesen gegen Pellonien und Prut verbreitet und auch der Tod des gonischen Gesandten auf Prut erwähnt, der angeblich von der prutschen Regierung herbeigeführt worden sei. In der anschließenden nächtlichen Feier, bei der offenbar Rauschdrogen verabreicht wurden, entfernten sich Herr Wolf und Frau Snow, während Frau Forth bei der Standarte zurückblieb. Die beiden gelangten in ein verborgenes, unterirdisches Depot, in dem nach ihrer Aussage eine große Zahl Waffen und gepanzerter Fahrzeuge gelagert wurde. Das Wachpersonal griff sie auf und verhaftete sie. Nach einer kurzen Haftzeit brachte man sie auf ein Raumschiff, dass sie in das Marsk-System ausweisen sollte. Im Laufe des Fluges erhielten sie Raumnotanzüge und wurden aus dem Schiff geworfen. Dies offenbar mit der Absicht, sie so dem Tod im All zu überlassen. Mittels eines Peilsenders, der ihnen von einer wohlwollenden Gonierin zugesteckt worden war, machten sie sich kurzzeitig für die Ortungssysteme unserer Flottille sichtbar, so dass sie von einem unserer Kreuzer aufgelesen werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lebenserhaltungssysteme der Anzüge bereits ausgefallen, die Körpertemperaturen im kritischen niedrigen Bereich. Es scheint ein Glück und Zufall für beide gewesen zu sein, dass wir uns gerade jetzt in diesem Sektor unseres Systems aufgehalten haben – ein paar Stunden früher oder später hätten wir das Signal nicht empfangen oder wären nicht rechtzeitig vor Ort gewesen. So aber haben unsere Ärzte sie reanimieren und ihre Leben retten können.

    „Und das war wirklich keine angenehme Erfahrung", versicherte Raimund.

    Sabrina nickte nur. Sie wirkte noch sehr mitgenommen.

    „Unsere Anwesenheit in diesem Sektor ist ein Zufall, ergänzte Admiral Taran. „Ich hatte im Grunde eine andere Route ausgearbeitet, habe aber einer Eingebung folgend den Kurs geändert. Es gab einige irritierende Signale aus diesem Sektor… Offenbar führte mich meine Eingebung diesmal geradewegs zu diesen beiden Menschen hier, die mir diese wirklich merkwürdige Geschichte erzählten.

    „Das ist wirklich interessant, bemerkte Stella. „Ich könnte zumindest zu den Vorfällen mit dem gonischen Gesandten einiges anmerken, ebenso wie Sergej und Annett hier...

    „Zu diesem Thema kommen wir später, winkte Taran ab. „Folgende Punkte bereiten mir bei dieser Sache Kopfzerbrechen: Das angebliche Aufputschen der gonischen Bevölkerung auch gegen Prut, das Vorhandensein einer größeren Zahl gepanzerter Fahrzeuge in zumindest einem verborgenen Depot und vor allem die Schilderung eines uns unbekannten, fernflugtauglichen Schiffstyps, der wesentlich kleiner als alle gängigen Schiffstypen mit interstellaren Antrieben sein soll. Dazu passt der erstaunliche Umstand, dass wir diese Personen mittels eines veralteten gonischen Peilsenders irgendwo im freien Raum unseres Sonnensystems aufgegriffen haben. Ich muss die Frage prüfen, ob sie im Auftrag Goniens hier sind, um falsche Informationen zu verbreiten, oder ob sie tatsächlich die Wahrheit sagen. Und um dies zu klären, habe ich unter anderem Sie herkommen lassen. Es scheint zumindest, dass es sich bei ihnen tatsächlich jene Gäste aus der Allianz handelt, die erst kürzlich in diesem Bereich der Galaxie eingetroffen sind. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass sie manipuliert wurden und ohne eigenes Wissen für die Gonier arbeiten. Haben die Gonier sie vielleicht absichtlich nur das sehen lassen, was sie uns jetzt berichten? Sehen Sie, die Sache ist leider nicht so einfach. Es würde die Glaubwürdigkeit steigern, wenn Sie mehr über die Herkunft des Peilsenders sagen könnten.

    Raimund schüttelte den Kopf. „Es geht doch darum, ob wir Spione sind, oder Schläfer, die gar nicht wissen, dass sie Spione sind. Dass man uns gezielt benutzt, um falsche Informationen zu verbreiten. Auch wenn ich wirklich nicht weiß, welche Vorteile Gonien davon haben sollte. Oder… „Lass gut sein, Raimund, unterbrach ihn Sabrina. „Das sind alles ganz normale Dinge. Ich habe mich auch schon gefragt, wie Tsamra an diesen Sender gekommen ist. Ich sehe da zwei Möglichkeiten…"

    „Und die wären?", fragte Taran.

    „Die Gonier sind also durchtrieben und raffiniert, fuhr sie fort. „Sie haben alles inszeniert, darauf vertrauend, dass wir gefunden werden. In diesem Fall werden sie einen triftigen Grund für alles haben und Tsamra – unsere offizielle Betreuerin - ist ein Teil des Plans. Oder aber Tsamra hat am Ende doch eigenmächtig gehandelt, weil sie Zuneigung empfunden hat. Vor allem für Raimund, vermutlich. In Calmeron, neben der Wäschekammer, befindet sich ein kleines Lager mit allem möglichen Kram. Wir haben dort einmal Leuchtmittel geholt, als die Lampe im Haus kaputt war. Ich könnte mir denken, dass dort, zwischen anderen elektronischen Bauteilen, auch solche Peilsender herumlagen. Tsamra könnte einen gestohlen haben. Dann wäre sie eine Hochverräterin und in großer Gefahr, wenn nicht längst tot. Ich weiß nicht, ob wir das je erfahren werden…

    „Es gäbe durchaus noch mehr Optionen, fand Admiral Taran. „Diese Tsamra begeht Hochverrat, aber die gonische Führung lässt sie gewähren, weil es ihnen in die Hände spielt?

    „Also, ich verstehe ja Ihre Vorbehalte gegen uns, Admiral Taran, schüttelte Raimund den Kopf. „Aber ich kann nur immer wieder versichern, dass wir die aus unserer Sicht wahre Geschichte berichtet haben. Ob wir einem falschen Spiel der Gonier aufgesessen sind, kann ich nicht beurteilen. Dafür haben wir tatsächlich zu wenig von Gonien gesehen. Es ist die Frage, ob sie wirklich so durchtrieben sind, wie Sie es gerade vermuten. Uns für irgendwelche Absichten der gonischen Führung verantwortlich zu machen, finde ich nicht in Ordnung. Immerhin wären wir ihnen beinahe selbst zum Opfer gefallen.

    Admiral Taran beugte sich vor. „Es ist nicht meine Absicht, Ihnen eine ungerechtfertigte Schuld zu unterstellen, Herr Wolf. Aber ich kann auch nicht alles sofort glauben, was manche Leute mir erzählen wollen. Sofern Ihr Bericht wahr ist, hätte dies erhebliche Konsequenzen für die Sicherheit des Marsk-Systems. Ehe ich diesen Bericht weitergebe und damit möglicherweise einen Aufruhr im Flottenkommando verursache, möchte ich meiner Sache schon sehr sicher sein."

    „Sie müssen bedenken, dass die Anwesenheit des von Ihnen beschriebenen Schiffes in unserem Sonnensystem keinem der gängigen Szenarien entspricht, fügte eine dunkelhaarige Frau hinzu, die ihrem Namensschild auf der Brust zufolge Kommodora Handara war. „Dies würde eine erhebliche Beeinträchtigung unserer Sicherheit bedeuten.

    „Ich glaube nicht, dass sich Gonien für Ihre gängigen Szenarien interessiert", grummelte Raimund.

    Sabrina seufzte hörbar auf. „Verzeihen Sie die Frage, aber eines ist mir nicht klar: Was ist denn so bedrohlich an diesem Raumschiff? Ist es wirklich so abwegig, dass die Gonier einen Schiffstyp entwickelt haben, der hier noch nicht bekannt ist?"

    Admiral Taran entrang sich ein leichtes Lächeln. „Wissen Sie, was die meisten führenden Köpfe auf Prut oder auch auf Pellon III vom technischen Standard Goniens halten? Sie würden niemals zugeben, dass Gonien auch nur im Entferntesten die Möglichkeit hätte, einen eigenen, völlig neuen Schiffstyp zu entwickeln. Ein Schiff, dass groß genug für eine interstellare Reise ist und dabei klein genug, um dabei nicht sonderlich aufzufallen. Ich selbst bin da vorsichtiger – mag sein, weil ich die größte Zeit draußen im All bin und sich viele Dinge, die auf Prut klar und sicher scheinen, hier relativieren. Aber selbst wenn ich den Goniern zugestehe, ein derartiges Schiff zu konstruieren, wäre dies nicht das eigentliche Problem."

    „Dann erklären Sie es uns, forderte Sergej ihn auf. „Mir ist das Problem im Moment auch nicht ganz deutlich.

    Admiral Taran nickte Leutnant Farwen zu und dieser ergriff das Wort.

    „Ich vermute, dass Sie sich als Passagiere bislang wenig Gedanken über die Navigation bei Reisen in andere Sternensysteme gemacht haben. Sehen Sie, ein großes Problem bei interstellaren Reisen mit der uns bekannten Technologie ist die exakte Anpeilung des Zielortes. Die Schiffe verlassen das bekannte Raumzeitgefüge und umgehen somit räumliche Barrieren, um es einfach auszudrücken. Um allerdings genau dort anzukommen, wohin man möchte, benötigt ein interstellar reisendes Schiff ein Signal, welches das Zielsystem markiert und dem Schiff auf seiner Reise außerhalb der Raumzeit eine Art Leitstrahl sendet. Ohne diesen Leitstrahl kann das Schiff weit ab vom Ziel ankommen oder im schlimmsten Fall innerhalb des Sterns ankommen. Wir Raumfahrer nennen dieses Signal gerne ‚Leuchtfeuer‘. Diese Technik wird auch bei Reisen innerhalb eines Systems, hier allerdings in viel kleinerem Maße, angewendet. Die Ungenauigkeit kann hier weitgehend vernachlässigt werden. Bei einer Reise von hundert Lichtjahren etwa kann die Abweichung allerdings am Ende über einem Lichtjahr betragen."

    „Aber, warf Annett ein, „Wenn das so ist, wie kommen dann Raumschiffe in bis dahin unbekannte Systeme, wo es solche Signale noch nicht gibt?

    „Nun, es ist durchaus möglich, auch ohne derartige Signale zu reisen, fuhr Farwen fort. „So werden etwa Forschungsreisen durchgeführt, wie beispielsweise jene von Admiral Gyxgares vor Jahrhunderten in diese Sternengruppe. Dies ist allerdings sehr zeitaufwendig. Es werden relativ kurze Flüge auf das auserwählte Ziel durchgeführt, um die Abweichung vom Ziel zu verringern. Bei jedem Stopp muss neu navigiert werden, das Schiff tastet sich behutsam an das Zielsystem heran. So eine Reise kann Monate dauern, je nachdem, wie weit das Ziel entfernt ist. Moderne Explorerschiffe können allerdings durchaus mit Genauigkeiten reisen, von denen unsere Schiffe mit Standardtechnik – und alle Schiffe in der Gyxgares-Gruppe haben so gesehen Standardtechnik - nur träumen können. Wenn die Schiffe dann ein solches System erreicht haben, installieren sie dort ein automatisches Leuchtfeuer, um eine Rückkehr zu vereinfachen. Sollte das System dauerhaft besiedelt werden, werden dort auch mehrere solcher Signalstationen eingerichtet. Das Signal, welches die Abweichungen der Schiffe verhindern soll, wird im Marsk-System auf vorherige Anforderung des anfliegenden Schiffs bereitgestellt. Das bedeutet auch, dass jedes so ankommende Schiff dem Zielsystem bekannt ist. Es ist kein Geheimnis, dass schon seit längerer Zeit kein gonisches Schiff mehr einen Signalimpuls in das Marsksystem angefordert hat. Mag sein, dass irgendwann Schiffe gebaut werden, die gänzlich ohne Anpeilung auskommen – aber diese Schiffe werden wohl eher auf Abasan in Dienst genommen, nicht auf Gonien. Womit wir zu unserem Problem kommen: Selbst wenn wir den absolut unwahrscheinlichen Fall annehmen, die Gonier besäßen ein solch hochmodernes Antriebssystem, das relativ unabhängig von Peilsendern wäre, so würde es kaum in ein derart kleines Schiff passen. Schließen wir also die Möglichkeit aus, dass sie diesen Antrieb besitzen. Dem Bericht von Herrn Wolf und Frau Snow zufolge gestaltete sich die Reise hierher wohl als eine Art Routineflug ohne besonderen Aufwand.

    „Den Eindruck hatte ich tatsächlich, bekräftigte Sabrina. „Aber das würde dann bedeuten, dass…

    „Dass die Gonier einen Signalsender im Marsk-System haben, mit dem sie ihre Schiffe herbeilotsen", vollendete Sergej.

    „Ein Leuchtfeuer, von dem Prut nichts weiß", fügte Raimund hinzu.

    „Ein Stachel in unserem Fleisch, nickte Kapitänin Sennesa. „Wer kann sagen, wie lange sie schon hier sind? Und was sie hier treiben?

    „Ist es denn möglich, eine solche Einrichtung vor der prutschen Flotte zu verbergen?, fragte Annett. „Diese Schiffe, dieser Signalsender, das müsste doch auffallen.

    „Ein Signalgeber, der am äußeren Rand des Systems installiert ist und Richtung Gonien sendet, fällt nicht unbedingt sofort auf, erklärte Taran. „Schon gar nicht, wenn man nicht danach sucht. Bedenken Sie: die gesamte prutsche Raumflotte besteht aus vier Flottillen mit jeweils vier Trägergruppen, deren Kreuzer und Versorgungsschiffe sich um ein großes Trägerschiff wie die HANDOL gruppieren. Eine der Flottillen hält sich stets in der Nähe Pruts auf, zwei pendeln zwischen Stationen auf den Planeten und Monden des Systems hin und her, die letzte, unsere hier, bewegt sich in einem unregelmäßigen, nur wenige Tage im Voraus bestimmten Kurs in den äußeren Regionen. In der Weite des Marsk-Systems ist unsere Flotte nur ein Krümel im All. Wer sich verbergen will, hat gute Chancen, solange er sich unauffällig verhält. Wenn wir einen gezielten Verdacht haben, können wir auch gezielt suchen, aber bis jetzt gab es den nicht. Natürlich würde es unsere Fernortung bemerken, wenn größere Schiffe im System ankämen. Aber dies ist offenbar noch nicht geschehen. Ich bin letztlich noch nicht davon überzeugt, dass die Gonier tatsächlich hier sind. Aber ich möchte dies auch nicht einfach so abtun. Ich gebe Ihnen eine Chance: Meine Flottille wird in den nächsten zweiundsiebzig Stunden ausschwärmen und nach entsprechenden Anzeichen suchen, die unsere Vermutungen bekräftigen oder widerlegen. Wir haben anhand Ihrer Geschwindigkeit und Ihres Kurses rekonstruiert, wo in etwa Sie von dem gonischen Schiff ausgesetzt wurden, wenn es ein solches wirklich gab. Im dortigen Sektor müsste sich dann der Signalgeber befinden. Sollten wir nichts finden, müssen wir weitere ernsthafte Gespräche miteinander führen. Ich will zugeben, dass ich weitaus ruhiger schlafen würde, wenn ich Sie als Lügner und Spione entlarven könnte.

    „Das kann ich sogar gut verstehen, nickte Raimund. „Ich würde auch nicht gerne recht behalten, aber ich muss auf unserem Bericht bestehen. Kann ich davon ausgehen, dass wir bis dahin nicht mehr als – wenn auch gut behandelte – Gefangene betrachtet werden?

    Admiral Taran nickte. „Ich werde veranlassen, dass Ihnen und unseren frisch eingetroffenen Gästen angemessene Quartiere zugewiesen werden. Es besteht wohl keine Fluchtgefahr – wie sollten Sie das Schiff auch verlassen? Sie haben sich sicher einiges zu erzählen. Verzeihen Sie bitte, hier in der Raumflotte herrscht nicht der gewohnte prutsche Ferienstandard. Ich muss Ihnen zudem untersagen, den zugewiesenen Sektor ohne Aufforderung zu verlassen. Aber sicher haben Sie Bedarf nach etwas Ruhe."

    „Machen Sie sich über den Komfort keine Sorgen, winkte Sabrina ab. „Wer einmal auf Gonien untergebracht war und mit der gonischen Flotte gereist ist, der lernt, bescheiden zu sein. Und für uns als Gefangene dort gab es auch nur Spott und schlechtes Essen. Uns wäre schon geholfen, wenn wir uns endlich eine Weile hinlegen könnten…

    „Raumleutnant Farwen, nickte der Admiral dem jungen Offizier zu. „Begleiten Sie unsere Gäste bitte in die vorbereiteten Quartiere.

    „Sicher, Admiral. Kommen Sie bitte!"

    Raimund, Sabrina, Sergej und Annett erhoben sich, gefolgt von Stella und Silus. Die beiden hatten die Unterhaltung mit zunehmender Unruhe verfolgt. Plötzlich schien es wirklich im Bereich des Möglichen, dass ihre geliebte Heimat ernsthaft bedroht werden könnte…

    Leutnant Farwen führte sie auf den Korridor zurück und weiter durch das Schiff, während ihnen in dezentem Abstand einige Bordwachen folgten. Es gab mehrere Bereiche mit übereinanderliegenden Decks, die als Wohnsektoren dienten, in eines davon wurden sie jetzt gebracht. Mit einem kleinen Aufzug ging es einige Etagen hinauf. Hier herrschte eine angenehme Ruhe, die Luft schien frisch aufbereitet. Es war nicht die üppige Ausstattung prutscher Niganome, aber alles wirkte sauber und war in angenehmen Farben gehalten.

    „Haben Sie schon mal einen Paradieshammer besucht?", erkundigte sich Leutnant Farwen im Plauderton.

    „Nein, leider nicht, gestand Stella. „Es gibt zwar Besichtigungstouren für interessierte, zahlungskräftige Touristen, aber ich selbst hatte noch keine Gelegenheit, ein solches Schiff zu betreten oder auch nur von außen zu sehen.

    „Schiffe wie die HANDOL sind das Rückgrat unserer Flotte, fuhr Farwen fort. „Wenn Admiral Taran es später gestattet, können wir gerne einmal eine kleine Besichtigung unternehmen. Im Moment muss ich Sie allerdings bitten, diesen Sektor nicht zu verlassen. In Ihren Quartieren können Sie die übliche Bordverpflegung an Speisen, Getränken und sonstigen Dingen des einfachen Bedarfs beziehen. Ich vertraue darauf, dass Sie sich an diese kleine Einschränkung halten... es würde Admiral Taran sicher freundlicher stimmen, wenn Sie nicht den Wachen in die Arme liefen.

    „Ich bin so etwas langsam schon gewohnt, seufzte Annett. „Ich sage mir dann immer, dass ich ja nicht im Urlaub bin.

    „Ein beinahe unhaltbarer Zustand, hob Silus theatralisch die Arme. „Wo kommen wir denn hin, wenn sich unsere Gäste bei uns schon nicht mehr wie im Urlaub fühlen? Wo bleibt Pruts guter Ruf?

    Das Quartier war geräumig und bestand aus drei einzelnen Räumen. Sie beschlossen, zwei Räume als Schlafquartiere und den dritten als Gemeinschaftsraum zu nutzen. Leutnant Farwen verabschiedete sich und Raimund steuerte sofort auf eines der einladenden Betten zu, in das er sich in ganzer Länge hinein fallen ließ.

    „Ah!, rief er. „Das hat mir gefehlt! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie furchtbar die Betten auf Gonien sind. Und hier haben sie uns bis jetzt auch keine Ruhe gegönnt – sie hofften wohl, uns irgendwie weich zu kriegen. Seit sie uns halbtot aus dem All gefischt haben, wurden wir verhört, medizinisch durchgecheckt, verhört und dann wieder verhört. Ich weiß nicht, wie es euch geht, ich jedenfalls könnte einen Tag Schlaf in diesem herrlichen Bett gebrauchen. Und danach eine schöne Dusche und ein reichhaltiges Frühstück...

    „Du kennst Prut nicht, mein Lieber, erkannte Sergej. „Auch wenn wir hier nur bei der Raumflotte sind, derartige Kleinigkeiten dürften wohl zum prutschen Selbstverständnis hier gehören. Oder?

    „In Calmeron würde ich jetzt in die Gemeinschaftsküche gehen, gähnte Sabrina, „Und dort harten Käse von einem riesigen Block absäbeln.

    „Keine Sorge, nickte Stella. „Wenn es weiter nichts ist, werden alle Wünsche vollständig erfüllt. Tja, wir sind ja eigentlich recht gut ausgeruht, aber wenn ihr zwei müde seid, haben wir sicherlich Verständnis dafür. Obwohl ich zu gerne noch einiges über Gonien und eure Erlebnisse hören würde.

    Raimund richtete sich wieder auf. „Vielleicht gibt es hier einen Kaffee oder so etwas, dann könnte ich mir vorstellen, noch ein wenig zu plaudern. Immerhin würden wir auch gerne eure Neuigkeiten erfahren. Habt ihr was von unseren Leuten auf Pellon III gehört?"

    „Ja, denen geht es soweit gut, nickte Annett. „Aber selbst die haben einiges hinter sich...

    „Ich hole eine Runde Taxco aus dem Spender, bot sich Silus an. „Setzen wir uns an den Tisch?

    Sergej schlug sich plötzlich gegen die Stirn, beklagte seine Manieren und ging daran, Raimund und Sabrina auf der einen und Stella und Silus auf der anderen Seite offiziell miteinander bekannt zu machen. Dann suchten sie einige der bequemen Sessel des Quartiers zusammen und versammelten sich um einen elegant geschwungenen Tisch, um sich so entspannt wie möglich ihre Erfahrungen auszutauschen. In erster Linie berichteten Raimund und Sabrina von ihren Erlebnissen auf Gonien, die ihnen umso merkwürdiger vorkamen, je länger sie darüber nachdachten.

    „Wir auf Prut haben ein wenig schmeichelhaftes Bild von den Goniern, merkte Stella an. „Den gängigen Vorurteilen nach sind sie ein etwas trotteliges Volk, das jahrein, jahraus in der Erde wühlt. Da könnte nach eurer Erzählung ja fast was dran sein, aber ganz so einfach ist es dann wohl doch nicht, oder?

    „Vielleicht ist euer Gonien-Bild aus der Ferne ein wenig verzerrt, nickte Raimund. „Als ‚trottelig‘ würde ich sie nur ungern bezeichnen. Wenn das, was wir gesehen haben, repräsentativ für den ganzen Planeten ist, dann ist die gonische Gesellschaft bis ins kleinste Detail durchorganisiert. Wenn der Pfeil einen Befehl gibt, dann kommt er tatsächlich in jedem Schlafzimmer an. Alles besteht aus einer durchgehenden Kette an Führern und Unterführern, deren Autorität unantastbar zu sein scheint. Ich denke, wenn zwei Gonier zusammenkommen, wird einer davon zum Anführer ernannt – so etwa funktioniert Gonien. Dass sie im Alltag wenig Technik einsetzen heißt ja nicht, dass sie keine haben. Allein das Schiff, mit dem wir hergebracht worden sind, scheint euren Offizieren so einiges an Kopfzerbrechen zu bereiten. Ich glaube eher, sie setzen die Technik absichtlich nicht ein, um ihr Bild vom ‚trotteligen Volk‘ nach außen hin zu pflegen. Und vermutlich auch, um ihre Bevölkerung abzuhärten und an Entbehrungen zu gewöhnen. Es sind zähe Leute, diese Gonier, sonst könnten sie so ein Leben gar nicht durchhalten.

    „Aber wozu soll das am Ende gut sein?, schüttelte Silus den Kopf. „Auf Prut setzen wir immer wieder neueste Technologien ein, um das Volk und natürlich unsere Gäste zufrieden zu stellen. Auf Gonien tun sie das Gegenteil, und die Leute finden das in Ordnung?

    „Die Leute kennen es vielleicht nicht anders, erklärte Raimund. „Ehrlich gesagt, sie haben auch keine andere Wahl, als damit zufrieden zu sein. Ich kann mich nicht daran erinnern, dort mal jemanden getroffen zu haben, der offen seine Unzufriedenheit zugegeben hätte. Das könnte daran liegen, dass Unzufriedene ein kurzes, ungesundes Leben führen. Und wollt ihr wissen, was ich glaube, wozu das alles gut sein soll? Ich glaube, sie bereiten sich auf einen Krieg vor. Einen richtig großen Krieg.

    „Krieg? Gegen wen? Stella musterte ihn skeptisch. „Gegen uns?

    „Was weiß ich? Ich kenne die Gegebenheiten in der Gyxgares-Gruppe zu wenig, es ist auch nur so eine Ahnung. So selbstverständlich, wie sie Knollen aus der Erde buddeln, erschießen sie im nächsten Moment andere Wesen, die sie Grodos nennen. Ein verdammt blutiger Sport!"

    „Es gibt Grodos auf Gonien?, horchte Silus auf. „Ich dachte, die leben nur auf Prut und Pellonien. Vielleicht noch auf P’hu-Tsa…

    „Ach, auf Prut gibt es auch diese kleinen Wesen mit der Rüsselnase? Sabrina deutete mit der Hand die ungefähre Größe an. „Sie haben uns erzählt, sie wären böse und hinterlistig und würden nachts Kinder rauben.

    „Wirklich? Bei uns treten sie als Clowns und Pausenfüller in den Freizeitparks auf, oder sie verrichten einfache Arbeiten in den Kellern der Reichen. Sie gelten als ausgesprochen friedlich und harmlos."

    Raimund seufzte. „Wer weiß schon, was uns die Gonier alles erzählt oder eher nicht erzählt haben. Eine ganze Menge von dem, was sie uns weismachen wollten, dürfte man sicherlich in Frage stellen."

    „Das ist alles sehr interessant, warf Sergej ein, „Aber vielleicht erzählt mir mal jemand genau, wie euch eigentlich Gillian abhandengekommen ist.

    Raimund gähnte und gönnte sich einen Schluck Taxco. „Das ist wirklich eine dumme Geschichte. Ich glaube, die Gonier haben versucht, uns Tag und Nacht soweit einzuspannen und zu beschäftigen, dass wir keine Zeit oder Kraft mehr hatten, uns tiefsinnige Gedanken zu machen. Natürlich haben wir sie uns hin und wieder trotzdem gemacht. Bei den Pfeilspielen fiel mir etwas auf, das mich auf die verrückte Idee brachte, dass es dort einen Zugang zu einer weit größeren, unterirdischen Anlage geben könnte. Ich lag da gar nicht so falsch, wie sich herausstellte. Als unsere gonischen Begleiter – und es waren an diesem Abend hunderttausende – nach der Ansprache des Pfeils in eine Art euphorische Trance gefallen sind, habe ich mich aufgemacht, mir das näher anzusehen. Sabrina war ebenso neugierig und begleitete mich. Gillian jedoch blieb zurück."

    „Sie blieb wo?", hakte Annett nach.

    „Es war eine Versammlung mehrerer Standarten – dieser Organisationen aus tausenden von Menschen - unter freiem Himmel. Der Pfeil kam effektvoll mit einem Schiff vom Himmel herab und zog sein Volk sofort in den Bann. Man kann darüber streiten, was seine Worte inhaltlich hergaben, aber er strahlte bis in die letzte Reihe eine so bemerkenswerte Autorität aus, wie ich sie vorher noch nie erlebt habe. Er scheint der geborene Führer der Massen zu sein... hilfreich ist dabei sicher auch der sogenannte ‚Hohe Sturd‘, ein berauschendes Getränk, das sie vorher an alle Gonier verteilt haben. Gillian hat ein wenig davon probiert, vielleicht war das ja der Grund, warum sie dann nicht mit uns gehen wollte. Auf der einen Seite war der gonische Lebensstil gar nichts für sie, auf der anderen Seite empfand sie eine gewisse Faszination für diesen Pfeil."

    „Anfangs stand sie dem gonischen Treiben sogar sehr skeptisch gegenüber, ergänzte Sabrina. „Aber als der Pfeil auftrat, war sie wie ausgewechselt. Darum sind wir ohne sie losgezogen.

    „Uns war klar, dass wir eine Gelegenheit, uns unbeobachtet herumtreiben zu können, so bald nicht wieder bekommen würden, fuhr Raimund fort. „Es war uns auch klar, dass uns gewaltiger Ärger erwarten würde, wenn sie unser Verschwinden bemerken würden. Wir hofften, bis zum Morgen unbemerkt zurückkehren zu können. Wir hatten wirklich nicht vor, Gillian einfach so zurück zu lassen. Aber es kam alles ganz anders. Eine kleine Hütte auf einem Feld hat sich als Zugang zu einem riesigen, unterirdischen Depot erwiesen, randvoll gefüllt mit Militärfahrzeugen und Waffen. Und natürlich auch mit Soldaten, die uns dann erwischt haben. Es war vermutlich ganz schön naiv von uns, dort einfach so reinzugehen. Es hat sich herausgestellt, dass einer unserer Betreuer uns die ganze Zeit beschattet hatte. Er entpuppte sich zudem als Mitglied der Geheimpolizei. Wir wurden verprügelt und in eine Zelle gesperrt. Ich habe ehrlich gesagt schlimmere Schläge oder Folter befürchtet, aber schließlich haben sie uns in das Marsk-System abgeschoben. Jedenfalls nannten sie das so. Tatsächlich haben sie uns einfach aus dem Schiff geworfen. Ich glaube, sie wollten irgendeine diplomatische Etikette damit wahren. Vermutlich hatten sie einen Riesenspaß dabei, die Vorgaben der Allianz buchstabengetreu einzuhalten und uns doch umzubringen. Zum Glück hat unsere offizielle Betreuerin, Tsamra, anscheinend ein Herz für uns gehabt und uns diesen alten Peilsender zugesteckt, den ich erfolgreich bis hierher geschmuggelt habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie für die gonische Regierung gearbeitet hat… Letztlich hatten wir erneut Glück, als diese Schiffe hier nahe genug waren, denn allzu lange hätten uns die morschen Druckanzüge nicht mehr am Leben erhalten. Wir hatten keine Gelegenheit mehr, mit Gillian zu sprechen. Seit dem Abend der Pfeil-Ansprache haben wir sie nicht mehr gesehen.

    „Leute, wer hätte schon geahnt, in was wir hier reingeraten, seufzte Sergej. „Sollte das nicht eigentlich eine abgelegene, langweilige Sternengruppe sein?

    Anschließend berichtete er Raimund und Sabrina von der Ermordung des gonischen Gesandten, der sie fast als Augenzeuge beigewohnt hatten, und dem Anschlag auf ihr Leben. „Deshalb haben sie uns ins All verfrachtet. Das Dumme dabei ist nur, dass ich nicht weiß, warum man – wer immer auch dahinter steckt - uns umbringen will. Jemand scheint zu glauben, wir hätten am Tatort etwas gesehen, das die Polizei nicht entdeckt hat."

    „Und Sergej und Sabrina streiten das bislang ab, warf Stella ein. „Oder gibt es doch noch etwas, was ihr uns sagen wollt?

    Sergej überlegte einen Moment. „Kennt ihr die Kremotau?, fragte er dann verschwörerisch, erntete aber nur Kopfschütteln. „Auf dem Holoprojektor des Gesandten war eine Abhandlung geladen, die von den Kremotau handelte, eine Art Dämonenwesen aus alten Legenden, wie sie auf P’hu-Tsa erzählt werden sollen. Das klingt ein wenig abstrus, aber ich habe den Eindruck, dass der Gesandte nicht aus dem Grund ermordet wurde, weil er überlaufen wollte. Das hätten sie sicherlich geschickter angestellt. Nein, er wurde in aller Hast erschlagen, weil er diesen Bericht geladen hatte. Ich kann nicht sagen, was für einen Hinweis dieser Bericht geben könnte, denn leider habe ich ihn bis heute nicht wiedergesehen. Den prutschen Behörden scheint jedenfalls nichts daran aufgefallen zu sein.

    „Niemand hat diesem Bericht eine Bedeutung zugemessen, soweit ich weiß, nickte Stella. „Vermutest du etwa, dass diese Legendensache einen versteckten Hinweis enthält?

    „Ach was, brummte Sergej. „Ich bin mittlerweile schon froh, wenn nicht auf mich geschossen wird. Noch vertraue ich da den prutschen Schnüfflern.

    „Die tappen aber immer noch im Dunkeln, gestand Silus. „Es kann sich niemand erklären, warum wer auch immer hinter euch her ist.

    „Habt ihr eigentlich etwas von Sharan Tsa gehört?, fragte Raimund unvermittelt. „Auf Gonien war nicht daran zu denken, nach Anhaltspunkten über diesen Namen zu suchen.

    „Hm, ja, brummte Sergej. „Ich… äh… glaube, ich konnte auf den Notizen des gonischen Gesandten, die er kurz vor seinem Tod angefertigt hat, zwei Namen entziffern... hm… das waren einmal ‚Nhekon‘ oder so, und einmal ‚Sharan Tsa‘. Sagt dir dieser Name was, Stella?

    „Welcher Name?"

    „Sharan Tsa. Schon mal gehört?"

    „Nein, das sagt mir rein gar nichts, gestand Stella. „Silus?

    Silus schüttelte den Kopf. „Ich kommen während einer Saison viele Namen zu Ohren, aber ´Sharan Tsa´ war nicht dabei. Klingt auch nicht sehr prutisch, würde ich sagen. Wer soll das denn sein?"

    „Das ist doch der Name, den Fhered auf MU…", begann Annett.

    „Soweit ich mich erinnere, bemerkte Stella ein wenig spitz, „Hast du in deinen Aussagen bislang nicht verlauten lassen, dass dir dieser Name schon einmal begegnet ist.

    „Äh, ja. Sergej blickte um sich wie ein ertappter Eierdieb. „Ich hielt das in diesem Zusammenhang für nicht wesentlich…

    „Also, wir haben auf unserer Anreise hierher einen… Tipp bekommen, dass uns ein Sharan Tsa in der Gyxgares-Gruppe weiterhelfen könnte, erklärte Raimund abwiegelnd. Die prutschen Betreuer schienen nichts von den Vorgängen auf der MU zu wissen, und da wollte er jetzt auch nicht damit anfangen. Er recke sich und gähnte herzhaft. „Nun ja, vermutlich hat uns da jemand einen Bären aufgebunden. Aber jetzt könnte ich wirklich eine Runde Schlaf gebrauchen…

    Leutnant Farwen gab ihnen sechs Stunden, ehe er sie aus ihrem Quartier holte und mit ihnen zu einem Rundgang durch das Schiff aufbrach. Raimund und Sabrina hatten ein wenig geschlafen, alle hatten etwas gegessen und waren in vergleichsweise guter Laune.

    „Es gibt gute Neuigkeiten, verkündete Farwen. „Admiral Taran hat die Erlaubnis erteilt, dass ich Ihnen ein wenig vom Schiff zeigen kann. Ich denke, er sieht in Ihnen keine gonischen Spione mehr, auch wenn unsere Suche dort draußen bislang ergebnislos geblieben ist. Aber wir haben ja noch ein paar Tage Zeit, etwas zu ihrer Entlastung zu finden.

    „So gerne ich mich entlasten lassen würde, sagte Sabrina, „So ungern würde ich Prut damit Unannehmlichkeiten bescheren. Und das würde es doch bedeuten, oder?

    „Nun, wenn es so wäre, dann ist es so, wie es ist, fand Leutnant Farwen. „Das könnte man Ihnen ja nicht zur Last legen. Vielleicht ist Ihr Auftauchen sogar ein Glück für uns, wenn wir dadurch den gonischen Spionageaktivitäten auf die Spur kommen? Aber jetzt möchte ich Ihnen ein wenig von der HANDOL zeigen, jedenfalls von den Bereichen ohne besondere Sicherheitsbeschränkungen.

    Die HANDOL war ein Trägerschiff der prutschen Verteidigungsflotte und bestand zu einem großen Teil aus militärischen Sicherheitsbereichen, so dass die Auswahl an zu besichtigenden Zielen überschaubar blieb. Die Quartierbereiche des Trägerschiffes waren wenig interessant, auch wenn sich Leutnant Farwen lang und gerne über die Gegebenheiten in den Freizeiträumen und Messen ausließ. Es gab Platz für zweieinhalbtausend Besatzungsmitglieder, dazu kamen noch die Marineinfanteristen an Bord, über deren Anzahl er sich aber nicht weiter äußern wollte. Die Quartiere befanden sich alle im Heck des Schiffes, während die Technik zur Energieerzeugung und Fortbewegung relativ geschützt in der Schiffsmitte lag. Die Startrampen für die Raumjäger „Paradiesvogel und die Raumbomber „Paradiesadler lagen in den seitlichen und den am Bug befindlichen Aufbauten. Im großen Hauptrumpf befanden sich hauptsächlich Reparaturdocks und Werkstätten, in denen beschädigte Kleinschiffe schnellstmöglich wieder flug- und kampftauglich gemacht werden sollten. Daneben gab es Frachträume, Ortungsanlagen, Schildprojektoren, Geschütztürme und andere Dinge, die es auf solch einem großen Kriegsschiff geben musste. Sogar Einrichtungen zum Verhütten und Gießen waren vorhanden, in denen notfalls vor Ort die von Asteroiden oder Monden geförderten Erzen zu den nötigen Legierungen verarbeitet werden konnten, falls die mitgeführten Rohmaterialien und Ersatzteile nicht mehr ausreichten. Von all diesen Dingen erzählte Ihnen Farwen mehr, als dass er es ihnen wirklich zeigte.

    Die Besatzung bestand hauptsächlich aus Männern und Frauen zwischen zwanzig und fünfzig Jahren, die ihren Dienst mit einer gewissen Gelassenheit versahen. Beim Gang durch die Hallen oder bei der Fahrt durch eine der Transportröhren, die das Schiff durchzogen, war nichts davon zu bemerken, dass die HANDOL und ihre Begleitschiffe gerade eine intensive Suche im offenen Raum durchführten, um etwaige Spione im Marsk-System aufzuspüren. Diese Suche wurde hauptsächlich von den Ortungsteams und den Jägerpiloten durchgeführt, die mit ihren Paradiesvögeln ausgeschwärmt waren, um den Ortungsradius zu vergrößern. Der Rest der Besatzung mochte zwar darüber informiert sein, schien die möglichen Konsequenzen dieser Suche jedoch nicht besorgniserregend zu finden. Das war nur ein weiteres Ärgernis mit den Goniern.

    Das ganze Schiff machte einen sehr geordneten und reinlichen Eindruck. In den am häufigsten von der Besatzung frequentierten Bereichen waren die Wände angenehm verkleidet und in gefälligen Farben gehalten. Nur an wenigen Stellen lag die

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