Der Traum von der Zelle
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Über dieses E-Book
Karl-Heinz Haselmeyer
Karl-Heinz Haselmeyer wurde 1937 in Göttingen geboren und arbeitete jahrzehntelang in der biochemischen Forschung an der Universität Göttingen. Daneben war er immer in der Malerei künstlerisch tätig und hatte Ausstellungen im In- und Ausland. Im Rentenalter kam die Schriftstellerei hinzu. In seinen meist utopischen Romanen versucht der Autor moderne Aspekte der Forschung einfließen zu lassen.
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Buchvorschau
Der Traum von der Zelle - Karl-Heinz Haselmeyer
Der Traum von der Zelle
Wieder ein neuer Morgen, jeden Tag die gleiche Prozedur im Bad, sogar das Frühstück wiederholt sich Tag für Tag. Nun stehe ich vor der Glasfront dieses erlesen eingerichteten Wohnzimmers und starre schon eine viertel Stunde auf die zugegeben herrliche Landschaft.
Dort wo sich der Fjord öffnet, kann ich das Meer sehen. Hier hoch im Norden sieht das Meer normal aus, vom Anstieg des Meeresspiegels ist nichts zu merken. Seit der Golfstrom abgerissen ist, wüten weiter südlich häufig heftige Orkane, soweit nach Norden scheinen sie nicht zu kommen. Um einen Aufenthalt in diesem schönen und einsamen Haus auf der Klippe würden mich viele beneiden, die in übervölkerten Städten dem Broterwerb nachgehen müssen, aber in mir ist Leere. Ich habe aufgehört diese Ruhe zu genießen, allein ohne meine Frau bin ich ein halber Menschen.
Was fange ich nun mit meiner Zeit an? Zum Lesen habe ich keine Lust und zum Schreiben keine Einfälle.
Bald kommt die Haushaltshilfe. Dann hat sie den Einkauf schon erledigt, ohne eine Geste, ohne ein Wort oder ein Lächeln wird sie putzen und mir dann ein vorzügliches Mittagessen bereiten. Sie ist in Hypnose auf die beste Verrichtung ihrer Arbeit eingestellt, erst wenn sie in ihrem Zuhause ist, fällt das Arbeitsprogramm von ihr ab. Dann ist sie ein lebendiger Mensch und hat keinerlei Erinnerung an ihren Job. Was habe ich mit meiner
Forschung angerichtet, ist das ein Fortschritt? Ich glaube, mir wäre eine Haushaltshilfe mit vielen Fehlern und damit verbundenen Schwierigkeiten lieber. Ich verdrücke mich lieber in mein Arbeitszimmer, doch ich weiß, auch dort erwartet mich nur Leere.
Nun denke ich wieder an den Traum. Ich träume selten, aber das Traumgeschehen der vergangenen Nacht steht mir noch ganz deutlich vor Augen. Ich sollte ihn aufschreiben, der Traum beunruhigt mich und lässt mich nicht los.
Ich saß auf einem Stuhl hinter einem großen Tisch, mir waren die Hände auf den Rücken gefesselt. Hinter dem Tisch saßen vermummte Gestalten. Sie boten mir an, eine Forschungsstation mit ausgezeichneter Ausstattung zu übernehmen. Meine gesamten Unterlagen stünden mir zur Verfügung und ich erhielte alle denkbaren Privilegien. Die Bedingung wäre die Preisgabe der Verschlüsselung meiner Aufzeichnungen. Als ich das rigoros ablehnte, wurde der Ton schneidender und man machte mir klar, dass ich mich in auswegloser Lage befände und ich meine Situation nur verschlechtere. Ich könne mir das Angebot in Ruhe überlegen. Daraufhin brachte man mich in einen sehr kargen Raum. Er war kaum größer als 4 Quadratmeter mit glatten grünen Wänden und einer grünen Decke in ca. 2 Metern Höhe. Die Zelle war gänzlich leer, es gab weder eine Tür noch ein Fenster. Ich wusste nicht, wie ich ohne Tür in diese Zelle hineingekommen war und niemand nahm Kontakt zu mir auf. Ich vermutete, dass meine Entführer damit rechnen, ich würde in absehbarer Zeit unter diesen Umständen zusammenbrechen und freiwillig den Verschlüsselungscode für meine Unterlagen preisgeben. Ich ahnte, dass ein Mensch dieses ewige Licht in diesem kleinen kargen Raum nicht lange aushält. Ich versuchte verzweifelt mich durch Erzählungen abzulenken und hielt einem unsichtbaren Publikum eine Vorlesung.
Meine Stimme hallte und ein Echo schien von weit her zu kommen. Dann saß ich plötzlich meinem Sohn gegenüber, der mich traurig ansah und sagte, es wäre sowieso alles vergeblich, ich wäre ein Pflegefall. In dem unsichtbaren Publikum erhob sich Lärm und alles brüllte:
„Sucht euch alternative Fakten, nieder mit der beschissenen Wirklichkeit. Betet! Tut Buße!
Von dem Getöse in meinen Ohren wachte ich schweißüberströmt auf. Einen Moment wusste ich nicht, wo ich war.
Träume geben Erlebtes in verschlüsselter Form wieder. Ich bin unzufrieden, was mit den Ergebnissen meiner Forschung gemacht wird.
Als ich die Lenkbarkeit von Hirnarealen mittels elektro-magnetischer Strahlen entdeckte und es mir gelang, zeitweise alle Schmerzempfindungen abzuschalten, war ich begeistert, denn nun konnte man operieren, ohne den schädlichen Einfluss von Narkosemitteln.
Schnell wurde aber diese Erfindung dazu genutzt, um eine tiefe Hypnose auszulösen und Menschen in dieser Hypnose zu manipulieren.
Diese Technik findet nun mannigfaltige Verwendung und lässt sich nicht wieder aus unserem Leben verbannen. Diese Entwicklung bedrückte mich und ich zog mich zur Erholung in diese Einöde über dem Fjord zurück und finde mich hier nun eingesperrt und einsam. Täglich lebe ich den abendlichen Telefongesprächen mit meiner geliebten Frau entgegen, die ich hier so sehr vermisse. Wir sind so sehr zusammengewachsen, dass ich nun nur ein halber Menschen bin. Anscheinend vermisse ich auch meine
