Über dieses E-Book
Zaster, Moneten, Knete, Marie: Wer Geld hat, redet nicht darüber; wer es nicht hat, jagt einem meist unerreichbaren Heilsversprechen hinterher. Immer jedoch geht Geld mit Macht Hand in Hand und ist oft ein Mittel, um Beziehungen zu führen, ohne sich auf Augenhöhe auf diese einlassen zu müssen. Nicht umsonst heißt es oft: Wer das Gold hat, macht die Regel. Warum eigentlich?
Marlene Engelhorn tut etwas, das so einigen den Schweiß auf die Stirn treibt: Als Erbin eines beträchtlichen Vermögens redet sie über Geld – und besteht darauf, dass wir alle es tun. Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Wie wollen wir teilen? In wessen Händen liegt das Recht, zu entscheiden? Wenn wir nachhaltige Antworten wollen, müssen wir uns persönlich sowie gesellschaftlich damit auseinandersetzen, was Geld eigentlich ist. Ein Druckmittel? Eine sichere Bank? Ein erstrebenswertes Ziel oder der direkte Weg ins Verderben? Marlene Engelhorn seziert mit spitzer Feder unser Verhältnis zu Geld – und entwirft eine Vision, die zeigt, dass gerechte Umverteilung nur demokratisch wirken kann.
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Buchvorschau
Geld - Marlene Engelhorn
Einleitung
Die Frage nach dem Geld? Stellt man nicht. Früher habe ich sie auch nicht gestellt, weder mir noch anderen. Ich hatte keinen Grund und wurde so nicht erzogen. Das ist ein wichtiger Punkt, mit dem ich beginne. In diesem Text gibt es mich als lesende, schreibende und überlegende Person. Das schließt alle meine Prägungen und Vorurteile mit ein. Darum möchte ich klar aufzeigen, was mich und somit diesen Text beeinflussen wird. Ich bin weiß¹, privilegiert, vor allem klassenprivilegiert, überreich (also im reichsten Prozent der österreichischen Bevölkerung) und im Globalen Norden mit der österreichischen und deutschen Staatsbürgerschaft geboren.
Ich bin weder Philosophin noch Geschichts-, Politik-, Sozial- oder Wirtschaftswissenschaftlerin. Mein Ansatz kommt aus meinem Lesen von allerlei Texten, meinem Engagement in der Debatte um Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit und meinen persönlichen Erfahrungen.
Was und wie ich denke, wenn ich in diesem Text in ein Wir verfallen werde, spiegelt all das immer wider. Das heißt leider auch, dass ich manches nie wirklich mitsagen kann, auch wenn ich alles mitmeinen möchte. Das Wir kommt mir dennoch unter, es bezeichnet eine Gesellschaft, zu der ich mich zählen will, oder es steht für die Überreichen, zu denen ich durch meine Geburt gehöre.
Eigentlich ist es seltsam, dass ich selbstverständlich über Geld spreche und schreibe, obwohl ich mich nie besonders damit auseinandersetzen musste. Ich hatte ja immer welches. Für diesen Text musste ich tatsächlich Annäherungsversuche machen, die entweder großspurig oder lächerlich waren. Vermutlich geht es vielen so, wenn sie die eigenen Selbstverständlichkeiten als vermeintliche entlarven. Darum will ich hier keine große Theorie auspacken. Davon gibt es genug. Vermutlich sind Versuche tatsächlich die ehrlichere Herangehensweise – eine, die man mir glauben kann.
Über Geld nachzudenken, führt mich zu ganz großen Fragen. Sie sehen recht schlicht aus, aber gehören zur klassischen Sorte, die sich bei längerem Draufherumkauen so lange vergrößern, bis man recht sprachlos daran erstickt, oder frustriert irgendeinen Klumpen ausspuckt. Ich habe die Fragen überfordert verschluckt und jetzt liegen sie mir im Magen. Also auch ein Versuch einer Verdauung – Geld stinkt bekanntlich nicht.
Geld also. Was ist das überhaupt? Warum ist es ein heikles Thema? Wie reden wir eigentlich über Geld – und wie nicht? Ich stelle mir diese Fragen und stelle sie in meinem Umfeld. Die meisten haben eine ungefähre Vorstellung von Geld. Sie erzählen mir persönliche Geschichten: Ihre Beziehung zu Geld beschreibt ihr Verständnis von Geld. Meins auch. Aber wir erzählen nicht das Gleiche. Mir fällt auf, wie unterschiedlich wir über Geld reden, wenn es um Geld geht und darum, wo es herkommt. Wenn es nicht darum geht, was man damit machen kann, sondern darum, was es ist. Das heißt, wenn wir überhaupt darüber reden.
Woher kommt das Geld? Wer hat Zugang zu Geld? Ab wann ist Geld Reichtum oder Vermögen? In den Gesprächen kommt es zu vielen Momenten des Schweigens. Nicht Stille, in der beide nachdenken, weil sie gemeinsam überlegen. Sondern Schweigen, weil etwas nicht gesagt wird. Weil man überlegt, wie man es sagen könnte oder ob man es lieber doch nicht sagt. Ich merke, Geld ist nicht selbstverständlich das, was ich denke. Beim Nachfragen merke ich, meine Selbstverständlichkeit hat viel mit meinem Vermögen zu tun. Die Selbstverständlichkeit von vielen Menschen hat aber kein Vermögen im Hintergrund. Mein Geld ist selbstverständlich. Aber nur für mich. Was machen wir jetzt? Wer ist Wir?
Etwas Selbstverständliches: Wir reden nicht über Geld. Wir reden auch kaum darüber, dass wir nicht darüber reden. Wir reden nicht darüber, dass Menschen wie ich sich um Geld keine Sorgen machen, nicht aufs Konto schauen müssen und trotzdem alles bezahlen können. Warten-auf-Geld hat für mich nichts mit ausstehendem Lohn, Ämtern, Beihilfen und Förderungen zu tun, sondern bedeutet: Geld hängt in der Warteschleife, weil die Familie vermögend ist: zum Beispiel Wartenaufs-Erben. „Erben" ist in meiner Welt außerdem selbstverständlich nur ein Code für noch mehr Geld, das steuerfrei in meine Tasche gelangt, innerhalb der Familie; sterben muss dafür selbstverständlich niemand.
Wir reden auch nicht darüber, dass ich mit meinem Geld Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Medien nehmen kann. Sollen wir das einfach ignorieren? Nochmal: Wer ist Wir? Was hat das Wir mit mir zu tun?
Mich beschäftigt, wie wir miteinander über Geld sprechen und schweigen. Alle möglichen Wirs vermeiden das Gespräch, innerhalb eines Wir und Wir-übergreifend. Ich nehme an, dass es schwer zu verdauen ist, wenn man direkt am Gegenüber erlebt, dass Geld keine Sorge sein muss, sondern Macht und Lebenschancen garantieren kann. Dann wird spürbar, dass zwei Menschen aus der gleichen Gesellschaft ungleich sind, dass sie das Wir nicht teilen. Wenn ich ohne Arbeit so leben kann, wie es die wenigsten mit harter Arbeit können, zeigt sich eine Ungerechtigkeit sehr konkret. Dieser Unterschied bringt ganz oft eine Wertung mit. Mehr Geld ist mehr wert. Manche Arbeit sorgt dafür, dass man mehr verdient. Aber: Ist, wer mehr Geld hat, mehr wert?
Ich weiß, dass die moralisch richtige Antwort Nein und die tatsächliche Antwort Ja lautet, weil wir Menschen einander so behandeln. Wir sind ungleich. Und das schadet allen. Gerade weil wir denken, dass doch eigentlich alle Menschen gleich sind. Aber das eigentliche Eigentlich, die sogenannte Realität ist: manche sind gleicher …
Finanzielle Ungleichheit ist systemisch, sie lässt sich nicht individuell ausgleichen. Du hast zu viel Geld? Gib es her. Du hast zu wenig? Bemüh dich. Beide Aussagen gehen am Problem vorbei, beschreiben es aber. Denn: zu viel und zu wenig sind strukturell verknüpft. Ein System, das ungleich ist, wird nicht durch Einzelhandlungen gleicher. Soziale Ungleichheit zeigt sich mitunter am Geld, aber sie ist komplexer. Der Teil, über den wir besonders viel schweigen, der Grund für die Ungleichheit ist: Macht. Wer hat Geldmacht? Worin besteht sie und wie zeigt sie sich? Ob und wie wir über Geld und Macht sprechen, berührt die Strukturen, die unser Leben gestalten. Und diese Verstrickung entlarvt mein privates als ein gesellschaftliches Problem.
Und jetzt? Ob eine Gesellschaft ungleich ist oder nicht, sollte nicht an die Fähigkeit überreicher Menschen zur Selbstkritik geknüpft sein. Die Fragen, die sich stellen, gibt es aber trotzdem. Denn es gibt Armut, weil es Überreichtum gibt. Sie schauen aus entgegengesetzten Richtungen auf Einkommen. Einerseits gibt es keins, andererseits braucht es keins. Hier stellt sich die Frage danach, was Arbeit ist. Sie ist wichtig, aber ich werde sie nicht behandeln. Worum es mir geht, sind diese Fragen: Was ist Geld eigentlich? Was macht es mit einzelnen Menschen und der Gesellschaft? Warum ist Geld emotional? Warum ist Geld politisch? Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Wer darf das entscheiden?
Ich will in diesen Text gern meinen Prozess mitnehmen, weil ich denke, dass es vielleicht hilfreich ist, um mir zu folgen und eigene Geldgedanken zu entwickeln. Es sind also Versuche des Antwortens, keine endgültige Antwort. Über Geld zu sprechen und zu schreiben beginnt mit dem Entdecken der geteilten Welten, den ersten Malen, die ich über Geld offen gesprochen habe. Mit all den Fragen danach, worum es eigentlich geht und warum hier und da eine kleine theoretische Abschweifung wichtig ist, damit es weitergehen kann. Schnell wird das Thema zu groß und zu viel, es zeigt sich deutlich ein neurotischer Umgang mit Geld, wenn es sich in alle Bereiche des Denkens und Lebens stiehlt.
Überall mischt es unterschwellig mit. Das führt fast selbstverständlich zum frommen Wunsch, einfach einmal Ruhe zu haben und ein gemütliches Leben genießen zu können, wenn man es sich leisten kann. Als wäre ich allein auf der Welt. Bin ich aber nicht. Und dann wird klar, dass die Fragen vom Anfang nicht verschwinden. Um antworten zu können, braucht es eine Sprache, aber die Geldsprachen, die ich kenne, helfen nicht wirklich weiter. Damit ist dieses Buch für mich letztlich auch ein Versuch, ein Sprechen über Geld zu finden, das beschreibt und erzählt, statt zu urteilen und zu fixieren.
Ich will versuchen, eine Geldgeschichte zu erzählen, die zum Nachdenken einlädt. Die Stille, nicht das Schweigen. Damit wir miteinander unsere Geldgeschichten austauschen können, auf Augenhöhe. In einem öffentlichen, demokratischen Gespräch. Weil es alle etwas angeht und alle etwas zu sagen haben. Und weil ich diesen Text schreibe, beginne ich bei mir.
Geldgeschichten
Über Geld zu schreiben ist mein Versuch einer kleinen Theorie des guten Redens. Geld ist Macht, Macht ist ein Beziehungsmittel. Ein schwer greifbares Etwas, das dafür sorgt, dass eine Beziehung passiert, ohne ausgehandelt zu werden. Machtmissbrauch bedeutet, eine Beziehung nicht auf Augenhöhe zu führen. Wer Macht hat, kann sich durchsetzen, zur Not mit Gewalt. Aber Macht bedeutet, keine Gewalt anwenden, sondern nur androhen zu müssen. In einer Welt, die durch und durch finanzialisiert ist, in der Geld also quasi alles regelt, steckt Geld in so gut wie jeder Beziehung. Dabei drückt Geld das Machtverhältnis aus, ein bisschen wie eine Sprache. Wie wir mit Geld umgehen, beschreibt auch unseren Umgang mit Beziehungen. Dabei ist es ein intransparentes Beziehungsmittel, mit dem wir kommunizieren und unser gesellschaftliches Miteinander regeln. Nicht selten bis hinein ins Private.
Über Geld selbst wird nämlich kaum gesprochen. Es geht fast immer nur um verknüpfte Ersatzthemen: um Einkommen, Steuern, Schulden, Kosten, Preise, den Finanzmarkt etc. Wir sollten mehr darüber sprechen, woher es kommt und was das für die Verteilung von Geld heißt. Dafür muss man ansprechen, wer wie viel hat; wer wie viel braucht und wie ein transparenter und öffentlicher Verteilungsprozess behutsam das Private beeinflussen kann. Geld berührt beide Sphären und damit viele Fragen der Identität. Wir sind die Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen. Gute Geschichten haben Fatalität,
