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CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung: Ganzheitliche Bewertung im Bereich von Energiewirtschaft und Industrie
CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung: Ganzheitliche Bewertung im Bereich von Energiewirtschaft und Industrie
CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung: Ganzheitliche Bewertung im Bereich von Energiewirtschaft und Industrie
eBook1.638 Seiten14 Stunden

CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung: Ganzheitliche Bewertung im Bereich von Energiewirtschaft und Industrie

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Über dieses E-Book

Die Technologie der CO2-Abtrennung und -Speicherung (CCS) sowie die CO2-Nutzung (CCR) wird in diesem Fachbuches umfassend und aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet.

Experten aus Forschung und Industrie stellen die CCS- und CCR-Technologie auf Basis der naturwissenschaftlichen und technischen Grundlagen vor und legen den Stand der Technik dar. Sie vergleichen Energiebilanzen für verschiedene Techniken und diskutieren rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte. In Szenarioanalysen zeigen sie den zukünftigen Beitrag der Technologien auf und stellen die Sichtweisen der verschiedenen Stakeholder-Gruppen vor.

Die Autoren haben den Anspruch, wertfrei zu informieren. Dabei legen sie die Kriterien für die Bewertung der einzelnen Sichtweisen offen.

Ein wichtiges Werk zu einer aktuellen und kontrovers diskutierten Technologie.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum31. März 2015
ISBN9783642195280
CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung: Ganzheitliche Bewertung im Bereich von Energiewirtschaft und Industrie

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    Buchvorschau

    CO2 - Manfred Fischedick

    Teil I

    Einleitung und Motivation

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

    Manfred Fischedick, Klaus Görner und Margit Thomeczek (Hrsg.)CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung10.1007/978-3-642-19528-0_1

    1. Einleitung

    Manfred Fischedick¹  , Klaus Görner²   und Margit Thomeczek³  

    (1)

    Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal, Deutschland

    (2)

    Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland

    (3)

    Netzwerk Kraftwerkstechnik, EnergieAgentur.NRW, Gelsenkirchen, Deutschland

    Manfred Fischedick (Korrespondenzautor)

    Email: manfred.fischedick@wupperinst.org

    Klaus Görner

    Email: klaus.goerner@uni-due.de

    Margit Thomeczek

    Email: thomeczek@Energieagentur.nrw.de

    1.1 Klimawandel und der globale Kampf dagegen

    Die Begrenzung der Gefahren durch die Veränderung des Weltklimas gehört heute zu den größten gesellschaftlichen Herausforderungen für die Zukunft. Seit Beginn der Industrialisierung, so die empirische Erkenntnis aus systematischen langjährigen Messungen, hat sich die Weltmitteltemperatur um rund 0,8 °C erhöht. Für die nächsten Dekaden erwarten die Klimawissenschaftler eine weitere signifikante Erhöhung, sofern nicht kurzfristig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

    Die Schuldigen sind dabei ausgemacht: die Treibhausgasemissionen und dabei insbesondere Kohlendioxid oder kurz CO2. Dabei sind Kohlendioxid, Wasserdampf und Methan – neben Stickstoff und Sauerstoff – natürliche Bestandteile unserer Atmosphäre. Ohne diese Gase wäre es auf der Erde deutlich kälter. Doch die seit Beginn der Industrialisierung stark angestiegenen CO2-Emissionen tragen nach heutigen Erkenntnissen maßgeblich dazu bei, dass der Treibhauseffekt in der Atmosphäre zunimmt und die Durchschnittstemperaturen langsam steigen.

    Die Folgen eines unverändert voranschreitenden Klimawandels sind bekannt: Hitzeperioden und extreme Wetterereignisse nehmen zu und die Poleiskappen und Hochgebirgsgletscher drohen abzuschmelzen, woraus ein Anstieg des Meeresspiegels folgt. Außerdem wird befürchtet, dass sich das System bei weiterer Erwärmung aufschaukeln könnte, indem zum Beispiel die Permafrostböden in den arktischen Gebieten auftauen und die darin gespeicherte organische Substanz abgebaut wird, was eine weitere Freisetzung von Treibhausgasemissionen zur Folge hätte.

    Folgt man aktuellen Einschätzungen einer für die Weltbank vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und von Climate Analytics erstellten Studie [1], befinden wir uns auf einem Kurs, der schon bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Erderwärmung von vier Grad Celsius führen dürfte. Dies wird, so die Studie, eine Welt mit Risiken außerhalb der Erfahrung unserer Zivilisation sein. Dazu zählen Hitzewellen, besonders in den Tropen, ein Anstieg des Meeresspiegels, und potenzielle Missernten, welche die globale Sicherstellung der Ernährung gefährden.

    Die von dieser Entwicklung Betroffenen werden primär zunächst gerade jene sein, die bisher am wenigsten zu den Ursachen der Veränderung des Weltklimas beigetragen haben. Es sind vor allem die Armen dieser Welt, die die Auswirkungen von Meeresspiegelanstieg und Missernten als erste zu spüren bekommen und nur kaum in der Lage sein werden, sich an die Veränderungen ohne Hilfe Anderer anzupassen. Klimaschutz in den Industrieländern und den zahlreichen aufstrebenden Nationen der Welt ist vor diesem Hintergrund auch eine Frage globaler Gerechtigkeit.

    Aber nicht nur Entwicklungs- und Schwellenländer sind vom Klimawandel betroffen, auch an den großen Industrienationen wird der absehbare Klimawandel nicht spurlos vorbeigehen. Dies gilt nicht nur bezogen auf die direkten Auswirkungen durch z. B. eine Zunahme von Wetterextremen vor Ort, sondern auch für indirekte Folgen aufgrund der immer stärkeren globalen Verknüpfungen. Sind die großen Küstenregionen der Welt vom Meeresspiegelanstieg betroffen, so gilt dies vor allem für die Logistikzentren in den großen Seehäfen, von denen durch Import-/Exportverflechtungen auch die industrialisierte Welt massiv abhängt.

    Weltweit herrscht Einigkeit darüber, dass die anthropogenen Klimaveränderungen auf ein beherrschbares Maß begrenzt werden müssen. Und bereits 1997 haben sich die UN-Mitgliedstaaten im sogenannten Kyoto-Protokoll auf eine Reduktion des jährlichen Treibhausgas-Ausstoßes der Industrieländer um durchschnittlich 5,2 % gegenüber 1990 innerhalb der Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012 geeinigt. Auf der Weltklimakonferenz 2009 der Vereinten Nationen in Kopenhagen wurde das Ziel formuliert, die globale Erwärmung auf 2 °C zu beschränken, um die Veränderungen des Weltklimas in möglichst tolerablen Grenzen zu halten.

    In Cancún haben Ende 2010 auf der internationalen Klimakonferenz 193 Staaten gemeinschaftlich dieses Ziel bekräftigt und verabschiedet. Dazu müsste die Freisetzung von Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre in den nächsten Jahren weltweit drastisch reduziert werden. Sieht man von dem Einbruch im Jahr 2009 aufgrund der Weltwirtschafts- und -finanzkrise ab, dann steigen sie de facto jedoch kontinuierlich an. Dies um mehr als 5 % von 2009 auf 2010 und mehr als 3 % von 2010 auf 2011 [2]. Für die Erreichung der Klimaschutzziele ist eine Trendumkehr notwendig – und zwar möglichst schnell. Denn wenn dieser Wert überschritten wird, droht nach Expertenmeinung ein unwiderruflicher Klimaumschwung. Experten zufolge muss die CO2-Konzentration in der Atmosphäre daher auf weniger als 450 ppm stabilisiert werden: ein ehrgeiziges Ziel bei weltweit weiter steigendem Energiebedarf. Um die 450 ppm-Marke einhalten zu können, ist laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen eine Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen um 50 bis 85 % gegenüber dem Stand des Jahres 2000 erforderlich [3].

    Seit 2005 treffen sich die Mitglieder des Kyoto-Protokolls im Rahmen der jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenz mit dem Ziel, ein Nachfolgeregime für die Zeit nach 2012 zu entwickeln. Nach Montreal, Nairobi, Bali, Posen, Kopenhagen, Cancún und Durban traf sich die Weltgemeinschaft Ende November/Anfang Dezember 2012 in Doha/Katar zum wiederholten Mal, um eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls zu beschließen – zum gleichen Zeitpunkt, da die Texte für das vorliegende Buch zusammengestellt wurden.

    Für viele ist in Doha wieder eine Möglichkeit ungenutzt geblieben, konsequent gegen die Klima-erwärmung vorzugehen. Das Kyoto-Protokoll wurde zwar bis 2020 verlängert, aber wieder beteiligen sich die USA, Kanada, Russland und Japan nicht daran. Ein Nachfolgeabkommen soll bis 2015 ausgehandelt sein, aber erst in 2020 in Kraft treten. Nur für insgesamt 37 Staaten, die für zusammen rund 15 % der globalen Emissionen verantwortlich sind, wird es bis 2020 rechtlich verbindliche Begrenzungen der Treibhausgasemissionen geben. Aber auch die Verpflichtungen der beteiligten Industriestaaten beschränken sich auf ein CO2-Reduktionsziel um 18 % bis 2020 gegenüber 1990. Dabei sind die 27 EU-Mitgliedsstaaten bereits heute schon fast bei diesem Wert angekommen. Sie haben sich lediglich zur Senkung um zwei weitere Prozentpunkte verpflichtet.

    1.2 Maßnahmen zur Reduzierung von CO2

    Kohlendioxid entsteht hauptsächlich bei der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas. Für die signifikante Rückführung dieser energiebedingten Treibhausgasemissionen stehen neben Maßnahmen aus dem Bereich Verbraucherverhalten (z. B. energiebewusstes Verhalten) und nachhaltige Lebensstile aus technologischer Sicht heute vor allem vier Optionen zur Verfügung:

    die Erhöhung der Energieeffizienz,

    die Nutzung erneuerbarer Energien,

    die CO2-Abtrennung und Speicherung (englisch Carbon Capture and Storage: CCS) bzw. CO2-Nutzung (Carbon Capture and Reuse: CCR) sowie

    die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung.

    Während alle globalen und nationalen Energie- und Klimaschutzszenarien darüber einig sind, dass die beiden zuerst genannten Optionen die zentralen Bausteine für den Klimaschutz sind, ist die Haltung gegenüber der CO2-Abtrennung und -Speicherung und der Kernenergie sehr unterschiedlich und beide Technologien sind häufig Grundlage von Kontroversen und unterschiedlicher Einschätzungen.

    Dabei ist die Diskussion über die CO2-Abtrennung und -Speicherung nicht neu. Schon Mitte des letzten Jahrzehnts wurden viele Studien veröffentlicht, die einen unterschiedlichen Blick auf die Technologie werfen. Beispielhaft genannt werden können die vom Wuppertal Institut vorgelegte Bewertung von Chancen und Risiken aus Sicht des Landes NRW [4], die Studien von McKinsey [5] in 2008 oder von prognos in 2009 [6] zur Ökonomie von CCS oder die Greenpeace-Studie „Falsche Hoffnung" von 2008 [7]. Unternehmen der Kraftwerksbranche, Wissenschaftler und Politiker diskutierten über Umsetzungswege dieser neuen Technologie: CCS war Topthema unter Experten und die Diskussion darüber nahm an Intensität zu.

    Mit der Veröffentlichung der CCS-Richtlinie auf EU-Ebene besteht mittlerweile ein gesetzgeberischer Rahmen, der den Mitgliedsstaaten zur Umsetzung in nationale Gesetzgebung übergeben wurde. In den europäischen Ländern wird seither das Thema sehr heterogen behandelt. In einem Teil der Länder gibt es eine vorsichtige Unterstützung, in anderen Ländern eine strikte Ablehnung. Parallel dazu ist auch die wirtschaftliche Umsetzung schwieriger geworden, da sich die CO2-Zertifikatepreise nicht so entwickelt haben, wie von vielen vorhergesagt. Mit 3 bis 4 €/t CO2 sind sie derzeit auf einem extremen Tiefpunkt. Daher hat dieses steuernde Moment nicht seine Wirksamkeit entfalten können.

    Auch wenn die Frage eines adäquaten Klimaschutzes heute vermutlich die größte Herausforderung für die Energiewirtschaft darstellt und deutliche strukturelle Veränderungen induzieren wird, ist die Klimaschutzherausforderung gleichwohl im Kontext von anderen Anforderungen an die Energieversorgung der Zukunft zu sehen. Wesentliche Aspekte sind dabei die Zuverlässigkeit der Energieversorgung, die Versorgungssicherheit und Systemstabilität, die Risikominimierung, die Umweltverträglichkeit, die Wirtschaftlichkeit (mit ihren Implikationen auf Wettbewerbsfähigkeit der industriellen und gewerblichen Verbraucher einerseits und der Sozialverträglichkeit andererseits), industriepolitische Impulse (z. B. im Sinne der Energieversorgung als Beschäftigungsmotor), die gesellschaftliche Akzeptanz, die Verringerung der Systemverletzlichkeit und die Anpassungsfähigkeit, die je nach Region im unterschiedlichen Maße bestimmend sind für die zukünftige Ausgestaltung des Energiesystems.

    Klimaschutztechnologien können vor diesem Hintergrund nicht ausschließlich in Bezug auf den erreichbaren Treibausgasminderungsbeitrag bewertet werden, sondern sind einer multi-kriteriellen Bewertung zu unterziehen. Während heute viele Studien für die Analyse der Energieeffizienzsteigerung, der erneuerbaren Energien und auch der Kernenergie vorliegen, liegt eine umfassende Auseinandersetzung mit der CO2-Abtrennung und -Speicherung, die die verschiedenen Blickwinkel zusammenbringt, bisher nicht vor. Das hier vorliegende Buch versucht, diese Lücken zu schließen.

    Klimaschutzmaßnahmen müssen vor dem Hintergrund der zu befürchtenden Auswirkungen deutlich an Dynamik zulegen. Dies ist bei einer weltweiten CO2-Emission von ca. 34 Mrd. t (Abb. 1.1) eine technologisch wie wirtschaftlich immense Herausforderung.

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    Abb. 1.1

    CO2-Emissionen weltweit [8]

    Länder wie USA und China sind heute die größten CO2-Emitenten. Insbesondere in China ist in Zukunft mit weiteren hohen Zuwachsraten aufgrund des anhaltenden Wirtschaftswachstums zu rechnen. Europa trägt mit ca. 15 % zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. In Deutschland betragen die gesamt CO2-Emissionen knapp 800 Mio. t pro Jahr. Neben Verkehr, Wärmebereitstellung und Landwirtschaft tragen vor allem die Energiewirtschaft und energieintensive Branchen mit ca. 460 Mio. t pro Jahr zu dem CO2-Ausstoß bei (s. Tab. 1.1).

    Tab. 1.1

    CO2-Emissionen verschiedener Branchen ([9] und eigene Werte)

    Die Hauptschritte einer CCS- bzw. CCR-Prozesskette (Carbon Capture and Storage or Reuse) sind (Abb. 1.2):

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    Abb. 1.2

    Hauptschritte der CCS- bzw. der CCR-Prozesskette

    Abtrennung des CO2 aus dem Rauchgas,

    Transport des CO2 zu einem Ort der weiteren Verwendung (Speicherung bzw. Nutzung) und

    Speicherung bzw. Nutzung des CO2.

    Die typische CCS-Prozesskette (siehe Kap. 8) sieht als letzten Schritt, nach Abtrennung (Kap. 8.​3) und Transport (Kap. 8.​4) die Speicherung des abgeschiedenen CO2 in geeigneten Speicherstätten vor (Kap. 8.​5).

    Alternativ zur Speicherung in geologischen Formationen gibt es weitere Möglichkeiten, abgeschiedenes CO2 zu nutzen. So wird CO2 bereits heute in verschiedenen industriellen Prozessen und als Wachstum förderndes Mittel in der Landwirtschaft eingesetzt sowie als Rohstoff für die chemische Industrie gehandelt. Diese Optionen geraten zunehmend in den Blickpunkt der nationalen und inter-nationalen Klimadebatte. Auch wenn die heutige Einsatzmenge von CO2 gegenüber den tatsächlich anfallenden Mengen noch sehr gering ist, wird dem Thema der Weiterverwendung von CO2 – dem Carbon Capture Reuse (CCR) – in der Prozesskette ein wichtiger Beitrag zukommen, dem im vor-liegenden Buch durch ein eigenes Kapitel Rechnung getragen wird.

    Abb. 1.2 macht deutlich, dass CCS und CCR sich bei der Abtrennung und dem Transport des CO2 nicht unterscheiden, sondern nur zwei unterschiedliche Nutzungspfade am Ende der Gesamtprozesskette darstellen.

    Neben einer „Einschleusung" des abgeschiedenen CO2 in industrielle Prozesse (Kap. 10) und damit konkrete Produkte wie Kunststoffe, kann CO2 auch über eine forcierte Biomasseproduktion der Atmosphäre entzogen werden. Die dabei zu erschließenden Potenziale können Abb. 1.3 entnommen werden. Diese Biomasse kann als CO2-neutraler „Ersatz" für fossile Energieträger wieder zur Energiebereitstellung beitragen (Kap. 9), oder aber längerfristig (dauerhaft) in Holzmasse, Wurzelwerk oder Humus gebunden werden.

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    Abb. 1.3

    CO2-Einbindung in Biomasse [10]

    1.3 Zielsetzung des Buches

    Die Vielschichtigkeit und Komplexität des Themas – die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technischen Bewertung – hat die Herausgeber dazu bewogen, eine Zwischenbilanz zu ziehen, um damit den verschiedenen Stakeholdergruppen, vor allem aber den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern, eine Handreichung zu geben. Das Buch richtet sich sowohl an Entscheidungsträger in Wirtschaft, Verwaltung und Politik, aber auch an Wissenschaftler und Studierende, sowie an die Fachöffentlichkeit und den interessierten Bürger. Neben den direkt mit dem Thema befassten Akteuren gibt es eine Vielzahl von weiteren Lesergruppen, die sich für eine solch geschlossene Darstellung des Themas interessieren dürften. Hier ist z. B. an Medienvertreter gedacht. Für sie sollen hier wichtige Informationen zusammengestellt werden, um ihrer Multiplikatorwirkung durch fundierte Fakten erfüllen zu können.

    Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist versucht worden, den Inhalt so zu gliedern, dass ein Leser sich dem Gesamtthema schrittweise nähern kann – ohne jedoch wertende Sichtweisen abzubilden, wenn dies auch nicht an jeder Stelle zu 100 % gelungen sein mag.

    Vor diesem Hintergrund will das hier vorliegende Buch in transparenter und möglichst objektiver Weise über die Technologie der CO2-Abtrennung und Speicherung informieren und dabei einerseits den aktuellen Sachstand zusammenfassen als auch andererseits kriteriengeleitet auf die unterschiedliche Bewertung der Technologie hinweisen und soweit möglich die Hintergründe transparent machen.

    Das Buch ist dabei in insgesamt in 7 Abschnitte und 17 Kapitel gegliedert.

    Im ersten Abschnitt wird zunächst der Zusammenhang zwischen CO2 und dem Klimawandel verdeutlicht und wie sich die nationale und internationale Klimapolitik mit diesem Thema auseinandersetzt.

    Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit dem Kohlendioxid selbst: Welche physikalischen und chemischen Eigenschaften hat es? Wo begegnet es uns im täglichen Leben? Wer oder durch was wird CO2 produziert? Und in welchen Mengen kommt es in den übergeordneten Kreisläufen dieser Erde vor?

    Die technischen Aspekte werden in Abschn. 3 umfassend behandelt. Hier wird die CCS-Prozesskette im Detail dargestellt. Diese besteht aus der CO2-Abtrennung am Ort des Entstehens – im Kraftwerk oder der Produktionsstätte -, dem Transport zu einer möglichen Speicher- oder Verwertungsstätte und der Einspeicherung selbst. Da Biomasse im Sinne des Gesamtkreislaufs als CO2-neutral eingestuft wird, spielt diese als Einsatzbrennstoff eine besondere Rolle und wird in Kap. 9 ausführlicher betrachtet.

    Im vierten Abschnitt steht die CO2-Nutzung, das heißt die Analyse in wie weit das reaktionsträge Gas CO2 in der Zukunft im stärkeren Maße in den Produktionskreislauf (z. B. als Ausgangsprodukt in der chemischen Industrie) wieder zurückgeführt werden kann und welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen, im Fokus.

    Nach der technisch orientierten Darstellung der Technologie werden in Abschnitt fünf ökonomische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte näher beleuchtet, wobei die sogenannte Life cycle-Analyse ein wichtiges Werkzeug bzw. Instrument hierfür ist. Im fünften Abschnitt wird CCS aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Hier findet die eigentliche multi-kriterielle Analyse statt und ermöglicht am Ende einen umfassenden Blick auf die Technologie. Detailliert betrachtet werden insbesondere ökonomische Aspekte im Kontext von CCS, ganzheitliche Ökobilanzen (Life cycle-Analysen) für CCS, rechtliche Fragestellungen als auch Aspekte der gesellschaftlichen Akzeptanz.

    Abschnitt sechs mit einer Zusammenstellung von Energie- und Emissionsszenarien versucht einen Ausblick in die Zukunft. Hierbei wird dargestellt, wie sich unser Klima entwickelt, wenn wir verschiedene Handlungsoptionen ergreifen. Der sechste Abschnitt befasst sich explizit mit der möglichen (quantitativen) Rolle von CCS für die zukünftige Ausgestaltung des Energiesystems auf unterschiedlichen Ebenen, in Deutschland, Europa ebenso wie weltweit und in ausgewählten Regionen. Als Hilfsmittel dienen dabei eine Betrachtung und ein Vergleich heute vorliegender Energie- und Klimaschutzszenarien.

    Abgerundet wird die Beleuchtung des Themas mit einem Abschnitt „CCS aktuell". Hierin werden die unterschiedlichen Sichtweisen verschiedener Akteure auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene in transparenter Form nebeneinander dargestellt (Kap. 16). Dabei liegt der Fokus auf der Darstellung der Vielschichtigkeit der Meinungen, auch wenn kein Anspruch auf volle Repräsentativität an dieser Stelle erhoben werden kann. Im Kap. 17 haben die verschiedenen Stakeholdergruppen selbst die Möglichkeit erhalten, ihre Stellungnahmen zu diesem Thema abzugeben. Den deutschen Nichtregierungsorganisationen wurde dabei etwas mehr Raum für ihre Sichtweisen eingeräumt.

    Die Herausgeber waren stets bestrebt, das Thema so neutral und objektiv wie möglich, möglichst umfassend und in all seinen Facetten darzustellen. Gleichwohl bringt natürlich jeder Autor eines Kapitels oder eines Abschnitts seine ganz eigene Sichtweise und Wertung unwillkürlich mit ein. Den Herausgebern war und ist bewusst, dass bereits die Auswahl der Autoren und die Gliederung des Buches subjektive Filter sind.

    Die Auswahl der Autoren erfolgte nach Kompetenz und fachlicher Reputation, aus Industrie und Wissenschaft, aus Gesellschaft und Politik, ungeachtet deren Bekenntnis, ob pro oder contra CCS.

    Das in den einzelnen Kapiteln verwendete Datenmaterial hat zum Teil unterschiedliche Aktualität. Dies ist zum Teil der Verfügbarkeit von Informationen geschuldet, da z. B. globale Daten erst nach einem aufwendigen Verdichtungsprozess zur Verfügung stehen, andererseits aber auch den Szenarien, die unterschiedliche Bezugsjahre zu Grunde legen. Die grundsätzlichen Entwicklungen und Bewertbarkeit der Handlungsoptionen sind davon aber nur unwesentlich betroffen.

    Literatur

    1.

    Potsdam Institute for Climate Impact Research and Climate Analytics (2012) Turn down the heat: why a 4 °C warmer world must be avoided. (Report for the World Bank)

    2.

    International Energy Agency (IEA) (2012) Global carbon-dioxide emissions increase by 1.0 Gt in 2011 to record high. http://​www.​iea.​org/​newsroomandevent​s/​news/​2012/​may/​name,27216,en.​html. Zugegriffen: 22. April 2013

    3.

    Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen (2007) Klimaänderung 2007 Synthesebericht. Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. Download von der webpage der Deutschen IPCC Koordinierungsstelle http://​www.​de-ipcc.​de/​de/​128.​php.

    4.

    Wuppertal Institut (2005) CO2-Abtrennung und -Verwendung. Bewertung von Chancen und Risiken aus der Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen, Wuppertal

    5.

    McKinsey & Company (2008) Carbon capture & storage: assessing the economics

    6.

    prognos (2009) Ökonomische Effekte der Einführung von CCS in der Stromerzeugung, Basel

    7.

    Greenpeace International (2008) Falsche Hoffnung. Warum CO2-Abscheidung und -Lagerung das Klima nicht retten kann, Amsterdam

    8.

    Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (2012) Endergiedaten bzw. BP Statistical Review of World Energy 2012. http://​www.​bmwi.​de/​DE/​Themen/​Energie/​Energiedaten/​energie-umwelt.​html. Zugegriffen: 22. April 2013

    9.

    Bazzanella A (2011) Physikalische und chemische Nutzung von CO2, Vortrag im Rahmen der AG 3-Sitzung des Netzwerks Kraftwerkstechnik der EnergieRegion.NRW am 17 März 2011

    10.

    Hüttermann A (2010) Kohlendioxid – Facetten eines Moleküls. DECHEMA-Publikation

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

    Manfred Fischedick, Klaus Görner und Margit Thomeczek (Hrsg.)CO2: Abtrennung, Speicherung, Nutzung10.1007/978-3-642-19528-0_2

    2. CO2 und Klimawandel

    Ralf Koppmann¹   und Peter Wiesen¹  

    (1)

    Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland

    Ralf Koppmann (Korrespondenzautor)

    Email: koppmann@uni-wuppertal.de

    Peter Wiesen

    Email: wiesen@uni-wuppertal.de

    As man is now changing the composition of the atmosphere at a rate which must be very exceptional on the geological time scale, it is natural to seek for the probable effects of such a change. From the best laboratory observations it appears that the principal result of increasing carbon dioxide (…) would be a gradual increase in the mean temperature of the colder regions of the earth.Guy S. Callendar, 1939 [1]

    Die beiden wichtigsten Klimaregulatoren in der Erdatmosphäre sind Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid (CO2). Wasserdampf ist allerdings nicht unmittelbar verantwortlich für den anthropogen verursachten Klimawandel. Da der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre von der Temperatur abhängt, liegt seine Rolle eher in einer Verstärkung der Klimaeffekte durch komplexe, in der Regel positive Rückkopplungsprozesse. Neben Wasserdampf ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre entscheidend für die Steuerung des Klimas. Er wird im Wesentlichen bestimmt durch geochemische und biochemische Prozesse. Klimaänderungen in der Vergangenheit wurden durch Änderungen in diesen Prozessen möglicherweise in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen wie Variationen in den Parametern der Erdbahn und der solaren Aktivität ausgelöst.

    Die Auswirkungen der so genannten Treibhausgase auf den Zustand der Erdatmosphäre und des Klimas beschäftigen die Wissenschaft bereits seit 200 Jahren. Seit etwa 150 Jahren ist besonders die Rolle von Kohlenstoffdioxid im Fokus der Forschung. Heute haben wir deutliche Indizien, dass vor allem die Zunahme von Kohlenstoffdioxid als wesentliche Komponente der anthropogen emittierten Treibhausgase eine Zunahme der Temperaturen auf der Erde auf einer globalen Skala bewirkt.

    Bereits im Jahre 1824 beschäftigte sich Fourier [2, 3] mit der Frage, was die mittlere Temperatur auf der Erde bestimmt. Er kam basierend auf den damals verfügbaren Theorien zu dem Ergebnis, dass es auf der Erdoberfläche offensichtlich wärmer ist, als es eigentlich sein sollte und schloss daraus, dass die Atmosphäre der Erde auf irgendeine Art die Wärmestrahlung zurückhält. Obwohl er den Begriff „Treibhauseffekt nie verwendet hat, verglich er die Wirkung der Atmosphäre basierend auf der ausführlichen Beschreibung eines Experiments von de Saussure, dem so genannten Heliothermometer, mit dem „Glas eines Treibhauses. Die eigentliche Erklärung dieses Phänomens stammt von Tyndall (1863) [4], der mit einer Vielzahl von Laborexperimenten bestätigte, dass einige Gase für Wärmestrahlung undurchlässig sind. Er machte vor allem CO2 als eines der Gase aus, das den Wärmehaushalt der Erde beeinflussen könnte. 30 Jahre später beschäftigte sich Arrhenius (1896) [5] in seinem inzwischen berühmten Artikel mit der Frage, ob die „mittlere Temperatur am Erdboden in irgendeiner Weise durch wärmeabsorbierende Gase in der Atmosphäre beeinflusst wird". Er war der erste, der vor einem Temperaturanstieg durch die Emission von CO2 warnte und errechnete einen Temperaturanstieg von 5–6 °C bei einer Verdoppelung des damaligen CO2-Gehalts der Atmosphäre.

    Es sollte noch einmal 40 Jahre dauern, bis Callendar (1938) [6] als erster einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anstieg von „künstlich erzeugtem CO2 und dem Klima herstellte und anthropogene Emissionen als Auslöser für einen möglichen Klimawandel identifizierte. Callendar hatte für die damalige Zeit umfangreiche meteorologische Daten gesammelt und nutzte die damals bestmögliche Datenbasis über die Verbrennung fossiler Brennstoffe, um den Strahlungsantrieb durch das zusätzlich in die Atmosphäre gebrachte CO2 zu berechnen. In zahlreichen weiteren Artikeln verfestigte er seine Vermutungen bis hin zu einer Prognose des zukünftigen CO2-Anstiegs in der Atmosphäre. Als Ingenieur für Dampftechnik und „Hobby-Meteorologe wurde er allerdings von der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht ernst genommen.

    Revelle and Suess (1957) [7] schätzen ab, dass bis zu diesem Zeitpunkt das meiste anthropogen emittierte CO2 von den Ozeanen aufgenommen wurde. Sie prognostizierten allerdings, dass die zunehmende Verbrennung fossiler Brennstoffe in den folgenden Jahrzehnten zu einem signifikanten Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führen könnte. Ein Jahr später begann Charles Keeling [8] mit seiner berühmten Messreihe der atmosphärischen CO2-Konzentration auf dem Mauna Loa, Hawaii. Bereits nach zwei Jahren konnte er den durch die terrestrische Vegetation verursachten Jahresgang nachweisen, aber auch bereits einen kontinuierlichen Anstieg der CO2-Konzentration, den er auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückführte [8]. In den folgenden Jahren wurden wiederholt die Auswirkungen eines CO2-Anstieges auf die mittlere Temperatur der Atmosphäre abgeschätzt. Die Werte bewegten sich bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration von 2 bis 2,5 °C [9, 10] bis zu 4,5 °C [11]. Der vierte Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Jahre 2007 beschreibt die auf aktuellsten Daten beruhenden Prognosen für verschiedene Klimaszenarien [12]. Die prognostizierten Temperaturanstiege liegen im Bereich von 2 bis 6,5 °C bis zum Jahr 2100 und damit bemerkenswerterweise im gleichen Bereich, den bereits Arrhenius abgeschätzt hatte. Die wissenschaftlichen Indizien sprechen heute mehr denn je dafür, dass die bisher beobachtete Klimaerwärmung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit anthropogen verursacht ist.

    Eine hervorragende Zusammenstellung der entscheidenden, z. T. hier zitierten Originalliteratur findet man in dem Buch „The Warming Papers" von Archer und Pierrehumbert (2011) (s. [13]).

    2.1 Der Kohlenstoffkreislauf

    Kohlenstoff und seine Verbindungen spielen für das Klima der Erde eine bedeutende Rolle. Von allen auf der Erde ablaufenden Spurenstoff-Kreisläufen ist der Kohlenstoff-Kreislauf für das Klima der wichtigste. Der Kohlenstoff-Kreislauf ist überaus komplex. Die verschiedenen Kohlenstoff-Reservoirs enthalten erheblich unterschiedliche Mengen an Kohlenstoff. Auch laufen einzelne Teilkreisläufe auf deutlich unterschiedlichen Zeitskalen ab. Beides macht es extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die Konsequenzen einer drastischen und vor allem (auf geologischer Zeitskala) schnellen Erhöhung des Kohlenstoffanteils in der Atmosphäre zu prognostizieren.

    Das Kohlenstoff-Inventar der Erde wird auf etwa 85 Mio. Gt (85 Mio. Mrd t) geschätzt. In den globalen Kohlenstoffkreislauf sind vier Teilsysteme mit ihren jeweiligen Teilkreisläufen involviert: Die Lithosphäre, die Hydrosphäre, die Biosphäre und die Atmosphäre. Der mit Abstand größte Anteil des Kohlenstoffs (98,8 %) ist im Gestein der Lithosphäre gebunden, entweder in anorganischer Form, meist als Kalkstein, oder in organischer Form als so genanntes Kerogen. Der in Form fossiler Energieträger vorhandene Kohlenstoff (Kohle, Erdöl, Erdgas) macht mit etwa 5000 Gt nur einen winzigen Bruchteil des Gesamtinventars aus. Die Vorkommen von Kohlenstoff in den Ozeanen sind mit etwa 40.000 Gt noch recht bedeutend, die Vorkommen im Boden (in Form von Torf oder Humus, etwa 1500 Gt), in der lebenden Biomasse (etwa 600 Gt) und in der Atmosphäre (etwa 850 Gt) dagegen eher vernachlässigbar. Abbildung 2.1 zeigt den Kohlenstoffkreislauf im Überblick. Im Folgenden wird nur noch der Beitrag der CO2-Quellen und -Senken betrachtet.

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    Abb. 2.1

    Der Kohlenstoffkreislauf (schwarze Zahlen: „natürliche Flüsse; graue Zahlen: „anthropogene Flüsse)[12]

    2.1.1 CO2-Quellen

    Natürliche Quellen von CO2 außerhalb der Biosphäre sind aktive und auch erloschene Vulkane. Bei der Zusammensetzung vulkanischer Gase stellt CO2 nach Wasserdampf mit einem Anteil von etwa 25 % die häufigste Komponente dar. In aufsteigendem Magma verringert sich der Druck, was zur Folge hat, dass gelöste, flüchtige Bestandteile wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid und Wasser wieder in die Gasphase gelangen. Diese können dann wieder in die Atmosphäre oder in die Tiefenwasser der Ozeane austreten. Man geht heute davon aus, dass die Zusammensetzung der frühen Atmosphären der Erde und der erdähnlichen Planeten durch solche Ausgasungsprozesse und vulkanische Aktivitäten geprägt wurden. Bei Planeten, auf denen in der Entwicklungsgeschichte kein Wasser vorhanden war oder Wasser schon früh verloren ging, führte dies zu einer mehr oder weniger reinen CO2-Atmosphäre (z. B. bei Venus und Mars). Würde der gesamte auf der Erde gespeicherte Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre gelangen, hätte die Erde eine von CO2 dominierte Atmosphäre mit einem Bodendruck von 55 bar (55.000 hPa).

    Eine weitere natürliche Quelle von CO2 sind biologische Prozesse. Kohlenstoffdioxid wird im Stoffwechsel von Menschen und Tieren bei der Zellatmung (z. B. beim Menschen 0,7–1 kg/Tag) und bei der Zersetzung organischer Substanzen gebildet.

    Anthropogene Emissionen stammen im Wesentlichen aus der Nutzung fossiler Energieträger und aus der Zementherstellung. Bezogen auf das Jahr 2009 stammte der Hauptanteil an den CO2-Emissionen in Deutschland mit etwa 43 % aus der Energiewirtschaft. Aus diesem Bereich wurden rund 338,5 Mio. t CO2 freigesetzt. Zu den Gesamtemissionen tragen a) Haushalte und Kleinverbraucher, b) der Verkehrssektor sowie c) verarbeitendes Gewerbe und Industrieprozesse jeweils etwa 19 % bei [14]. Global betrugen die CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger und der Zementherstellung im Jahr 2009 (8,4 ± 0,5) Gt Kohlenstoff (C) (entspricht 30,8 Gt CO2) und waren damit geringfügig niedriger als 2008. Der Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre betrug (3,4 ± 0,1) Gt C und war der niedrigste seit dem Jahr 2000. Dies kann allerdings nicht alleine mit der Abnahme der CO2-Emissonen erklärt werden. Vieles spricht dafür, dass Ozeane und Biosphäre in diesem Jahr mehr CO2 aufgenommen haben, offenbar als Folge eines La Niña-Ereignisses, das von Mitte 2007 bis Anfang 2009 das globale Klimasystem erheblich gestört hat [15].

    2.1.2 CO2-Senken

    Das erwähnte Beispiel aus dem Jahr 2009 zeigt, dass für eine Bilanz des atmosphärischen CO2-Gehaltes nicht nur die Quellen, sondern auch die Senken eine wichtige Rolle spielen. Im Folgenden wird der Kohlenstoffaustausch mit Biosphäre, Gestein und Ozeanen näher beschrieben.

    2.1.2.1 Kohlenstoffaustausch mit der Biosphäre und Böden

    Ein Teil des Kohlenstoffumsatzes erfolgt über den biochemischen Kohlenstoffkreislauf. Der auf bzw. in der festen Erdoberfläche gespeicherte Kohlenstoff kommt dabei in zwei Formen vor. Eine wird bisweilen auch als „lebender Kohlenstoff bezeichnet und findet sich zum größten Teil in Landpflanzen, aber auch in allen anderen Lebewesen. Der wichtigste Prozess der Kohlenstoffspeicherung ist in diesem Zusammenhang die Photosynthese, über die CO2 in organische Kohlenstoffverbindungen umgewandelt wird. Ein Teil des Kohlenstoffs wird über die Zellatmung wieder freigesetzt. Zusammengefasst wird dieses „Kompartiment als terrestrische Biosphäre oder auch lebende Biomasse bezeichnet. Die dort gespeicherte Masse ist etwas geringer, aber doch in der gleichen Größenordnung wie der in der Atmosphäre vorkommende Kohlenstoff.

    Experimentelle Untersuchungen und Modellrechnungen zur Kohlenstoffspeicherung in der Biosphäre in einer simulierten wärmeren Welt kommen zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen. Grund dafür sind die komplexen Wechselwirkungen verschiedener Systeme und deren Änderung bei zunehmenden Temperaturen ebenso wie eine mögliche Verschiebung von Vegetationszonen. Eine Erhöhung des CO2-Gehaltes und der Temperatur fördert das Wachstum terrestrischer Pflanzen. Pflanzen nehmen mehr CO2 auf als sie an die Atmosphäre abgeben. Der Klimawandel hat zudem in den vergangenen drei Jahrzehnten dazu geführt, dass die Vegetationsperiode in Europa um etwa drei Wochen länger geworden ist, was zu einer erhöhten CO2-Aufnahme durch Photosynthese führt (s. Abb. 2.2). Das Pflanzenwachstum hängt aber nicht nur vom CO2-Gehalt der Atmosphäre und von den Umgebungstemperaturen ab sondern auch vom Angebot an Stickstoff und Wasser sowie anderer Spurenstoffe. Da sich die Niederschlagsmengen regional unterschiedlich ändern bzw. auch zeitlich verschieben werden (s. Kap. 2.4.2), können in Gebieten mit verringertem Niederschlag Pflanzen trotz des erhöhten Angebots an CO2 nicht unbedingt besser wachsen. Auch die Stickstoffversorgung wird sich regional mit steigenden Temperaturen ändern.

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    Abb. 2.2

    Trends im mittleren Beginn a, Ende b und Länge c der Vegetationsperiode in Europa 1969–2003, TnJb: Tage nach Jahresbeginn [16]

    Als gegenläufiger Effekt kommt hinzu, dass die Temperatur auch die Verrottung von abgestorbenem Pflanzenmaterial steuert, was zu einer schnelleren Freisetzung von CO2 führt. Stellt man für die derzeitige Situation eine Bilanz auf, sind die terrestrischen Pflanzen noch eine Kohlenstoffdioxid-Senke, weil sie mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre aufnehmen als dorthin abgeben. Dies könnte sich aber in den nächsten Jahrzehnten bei steigenden Temperaturen ändern (s. z. B. [17–19]).

    Die zweite Form ist der im Boden gespeicherte Kohlenstoff. Böden enthalten etwa doppelt so viel Masse an Kohlenstoff wie die terrestrische Biomasse. Bei dem Material handelt es sich um organischen Kohlenstoff, der aus abgestorbenem Pflanzenmaterial besteht. Die jeweiligen Mengen hängen natürlich ab von Art und Menge des Pflanzenbestandes, von klimatologischen Randbedingungen, von Forst- oder Agrarbewirtschaftung und von der Vorgeschichte der Böden und sind daher regional stark variabel. Bei den beschriebenen Prozessen handelt es sich um kurzfristige biochemische Prozesse. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den langfristigen biogeochemischen Prozessen um die Umwandlung von pflanzlichem Kohlenstoff in Kohle und Kerogen, aus dem Erdöl und Erdgas entstehen können.

    2.1.2.2 Kohlenstoffaustausch mit dem Gestein

    Der geochemische Kohlenstoffkreislauf ist ein über große Zeiträume ablaufender Prozess, bei dem Kohlenstoff zwischen der Atmosphäre und der festen Erde über die so genannte Urey-Reaktion ausgetauscht wird. Die Reaktion läuft im Wesentlichen über Silikatgestein unter der Bildung von Kalziumcarbonat und Siliziumdioxid ab (hier beispielhaft gezeigt an Kalziumsilikat):

    $$CaSi{{O}_{3}}+{{H}_{2}}O+2C{{O}_{2}}\to Ca{{\left( HC{{O}_{3}}\right)}_{2}}+Si{{O}_{2}}$$

    Diese Reaktion wird auch als chemische Verwitterung bzw. Karbonat-Silikat-Zyklus bezeichnet.

    Kalzium, Silizium und andere vorkommende Elemente werden vom Wasser gelöst und in die Ozeane transportiert, dort von Organismen zu festem Kalziumcarbonat und Siliziumdioxid umgeformt und so dem System „entzogen". Auf diese Weise würde praktisch das gesamte Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entfernt. Das Sedimentgestein wird jedoch in Subduktionszonen wieder ins Erdinnere transportiert, wo bei extrem hohen Temperaturen die o. g. Reaktion in umgekehrter Richtung abläuft. Die gebildeten Silikate verbleiben im Magma und werden in Form von Lava ebenso wie das freigesetzte CO2 durch Vulkanausbrüche wieder an die Erdoberfläche befördert. Die so umgesetzten CO2-Flüsse sind allerdings extrem gering und die Zeitskalen für den Umsatz liegen bei einigen 100.000 Jahren. Dennoch haben diese Prozesse auf der geologischen Zeitskala eine klimastabilisierende Wirkung.

    2.1.2.3 Kohlenstoffaustausch mit den Ozeanen

    Die Ozeane sind Quellen und Senken für CO2 aus der Atmosphäre. Hier finden komplexe Wechselwirkungen zwischen Aufnahme und Transport von gelöstem CO2, Biochemie und Geochemie statt. Darüber hinaus spielt der Austausch zwischen dem Oberflächenwasser und dem tiefen Ozeanwasser eine bedeutende Rolle.

    Wie bereits erwähnt, war man bis in die 1950iger Jahre der Meinung, der Ozean könne das gesamte anthropogen emittierte CO2 aufnehmen. Inzwischen weiß man jedoch, dass 50 % der Emissionen in der Atmosphäre verbleiben, etwa 25 % in der Biosphäre deponiert werden und die Ozeane nur etwa 25 % des zusätzlich in die Atmosphäre emittierten CO2 aufnehmen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die ozeanische Zirkulation. Der Austausch von CO2 mit dem Ozeanwasser findet an der Oberfläche statt. Die Mischungsschicht an der Oberfläche der Ozeane, in der der Austausch mit der Atmosphäre stattfindet, ist nur etwa 100 m dick. Zum einen kann CO2 ins Wasser gelangen und gelöst werden, zum anderen sorgt die Photosynthese dafür, dass CO2 in organische Kohlenstoffverbindungen umgewandelt wird. Die Dauer für Austauschprozesse zwischen dem Ozean und der Atmosphäre in dieser Schicht ist etwa ein Jahr. Transportprozesse zwischen dem Oberflächenwasser und der so genannten Thermokline, einer einige 100 m mächtigen Schicht warmen Wassers zwischen der Oberfläche und dem kalten Tiefenwasser, laufen auf einer Zeitskala von Jahrzehnten ab. Jedoch stellen die Ozeane erst in großen Tiefen eine wirkliche Senke für CO2 dar. Um CO2 also dauerhaft zu speichern, muss das Oberflächenwasser in große Tiefen transportiert werden. Ein wesentlicher Teil dieses Transportprozesses findet in polaren Gebieten statt, in denen CO2 in kaltem, salzreichem Wasser gebunden und in tiefere Schichten transportiert wird. Durch das Absinken großer Wassermassen in die Tiefe wird das CO2 effektiv der Atmosphäre entzogen. Die Dauer einer kompletten Zirkulation des Ozeanwassers wird auf 1000 Jahre geschätzt.

    Wenn CO2 im Wasser aufgenommen wird, reagiert es zu Kohlensäure:

    $$C{{O}_{2}}+{{H}_{2}}O\to {{H}_{2}}C{{O}_{3}}$$

    Kohlensäure dissoziiert im Wasser in einem ersten Schritt zu einem Proton und einem Bikarbonat-Ion

    $${{H}_{2}}C{{O}_{3}}\to {{H}^{+}}+HC{{O}_{3}}^{-}$$

    und in einem weiteren Schritt zu einem weiteren Proton und einem Karbonat-Ion:

    $$HC{{O}_{3}}^{-}\to 2{{H}^{+}}+C{{O}_{3}}^{2-}$$

    Die eigentliche Senke sind dann letztendlich Organismen (Korallen, Plankton, Kalkalgen, Muscheln und andere Lebewesen), die das Karbonat in Form von Kalziumkarbonat in ihren Schalen und Skeletten speichern. Sterben diese Lebewesen, sinkt das Kalziumkarbonat auf den Meeresboden und wird so dauerhaft im Sediment gespeichert. Dieser Vorgang wird auch als „biologische Pumpe" bezeichnet.

    Die Gleichgewichtskonzentrationen von Kohlensäure, Bikarbonat und Karbonat bestimmen den pH-Wert und damit den Säuregrad des Ozeanwassers. Der pH-Wert des Ozeanwassers liegt im Mittel etwa bei 8,1. Eine erhöhte Aufnahme von CO2 führt zu einer Absenkung des pH-Wertes. So liegen die Abnahmen in den letzten 200 Jahren bei Werten zwischen 0,05 und 0,12 (s. Abb. 2.3). An einigen ausgewählten Messstationen sind alleine in den letzten 20 Jahren Abnahmen von 0,04 beobachtet worden [20].

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    Abb. 2.3

    Veränderungen des pH-Wertes in den Ozeanen durch anthropogenes CO2 zwischen 1700 und 1990 [21]

    Die Abnahme der pH-Werte und damit die zunehmende Übersäuerung der Ozeane haben zwei wichtige Konsequenzen. Zum einen führt die erhöhte Aufnahme von CO2 zu einer Verschiebung des oben beschriebenen chemischen Gleichgewichtes, was zu einer verlangsamten Aufnahme von anthropogenem CO2 im Ozeanwasser führt. Zum anderen bedingt eine Übersäuerung die Auflösung von Kalziumkarbonat. Dies würde die Bildung von Kalkschalen behindern und zur weiteren Verlangsamung der CO2-Speicherung bis hin zu einem kompletten Ausfall der biologischen Pumpe führen, abgesehen von noch weiterreichenden Folgen für die Nahrungskette.

    Der Gesamtumsatz zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre wird auf 100 Gt C/Jahr geschätzt. Die Flüsse aus der Atmosphäre in die Ozeane bzw. aus den Ozeanen in die Atmosphäre hängen stark von der Temperatur und der chemischen Zusammensetzung des Oberflächenwassers ab. Beides ist erheblichen räumlichen und zeitlichen Schwankungen unterworfen. Messungen und Modellrechnungen zeigen jedoch übereinstimmend, dass die Ozeane derzeit global eine Senke für CO2 darstellen mit einem Nettoeintrag von etwa 2–5 Gt C/Jahr.

    2.2 Konzentration in der Atmosphäre

    Trotz erheblicher Variationen in den oben beschriebenen Teilkreisläufen war die Konzentration oder genauer gesagt, das Volumenmischungsverhältnis¹ von CO2 in der Atmosphäre seit der letzten Eiszeit, und damit seit etwa 12.000 Jahren bis zum Beginn der Industrialisierung mit Werten zwischen 260 und 280 ppm (parts per million) erstaunlich stabil.

    Das Volumenmischungsverhältnis von CO2 in der Atmosphäre liegt heute bei etwa 390 ppm und damit etwa um 30 % höher als vor Beginn der Industrialisierung. Dieser Wert entspricht einer Masse von etwa 3100 Gt CO2 (3100 Mrd. t CO2). Das CO2-Mischungsverhältnis war im Verlaufe der Erdgeschichte allerdings erheblichen Schwankungen unterworfen. Vor 500 Mio. Jahren war das Mischungsverhältnis etwa um einen Faktor 20 höher als heute, sank dann aber im Laufe der Jahrmillionen bis in die Zeit des Jura vor etwa 150 Mio. Jahren auf etwa das Fünffache des heutigen Wertes. Messungen an Eisbohrkernen zeigen, dass ohne den gravierenden Einfluss des Menschen die Kohlenstoff-Bilanz von Atmosphäre, Ozeanen und Biosphäre in den letzten 420.000 Jahren mit Ausnahme der Eiszeiten mehr oder weniger ausgeglichen war [22]. Dabei haben die terrestrische Biosphäre und die Ozeane als Senke fungiert und Vulkanausbrüche als natürliche Quelle. Die CO2-Mischungsverhältnisse lagen, bedingt durch den Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten, typischerweise zwischen 200 und 280 ppm. In der gesamten Periode waren sie damit immer niedriger als das heute beobachtete Mischungsverhältnis von 390 ppm [23]. Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert stieg der Kohlenstoffdioxid-Anteil in der Atmosphäre an. Das heutige Mischungsverhältnis ist wahrscheinlich der höchste Wert seit 15 bis 20 Mio. Jahren [12, 24]. Zwischen 1960 und 2005 stieg das CO2-Mischungsverhältnis im Mittel um 1,4 ppm pro Jahr. Die anthropogenen CO2-Emissionen betragen jährlich etwa 36,3 Gt [25]. Dieser Wert stellt nur einen geringen Anteil der jährlichen, überwiegend aus natürlichen Quellen stammenden CO2-Emissionen von etwa 550 Gt [12] dar. Das anthropogene Kohlenstoffdioxid wird etwa zur Hälfte von der Biosphäre und von den Ozeanen aufgenommen, so dass diese zurzeit mehr Kohlenstoffdioxid aufnehmen als sie abgeben. Die andere Hälfte des ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids verbleibt in der Atmosphäre und führt zu der beobachteten Zunahme des Mischungsverhältnisses.

    Zu den bislang ungelösten offenen Fragen zählen die Einflüsse von Rückkopplungsprozessen durch sich ändernde Raten in den Quellen und Senken von CO2 auf die atmosphärische Konzentration.

    Cox et al. (2000) [26] verwenden ein globales Zirkulationsmodell, das auf einem gekoppelten Ozean-Atmosphären-Modell beruht, um die Entwicklung der Quellen und Senken von CO2 unter sich ändernden klimatischen Bedingungen zu untersuchen. Sie konnten zeigen, dass bei einem „business as usual" Szenario die terrestrische Biosphäre bis etwa 2050 als CO2-Senke fungiert, danach aber zu einer CO2-Quelle wird. Im Jahr 2100 entspricht die Aufnahme von CO2 in den Ozeanen mit einer Rate von 5 Gt C/Jahr dem Beitrag der terrestrischen CO2-Quellen. Berücksichtigt man diese Rückkopplungsprozesse, werden die CO2-Mischungsverhältnisse dann um 250 ppm höher liegen als ohne Einbeziehung der Rückkopplungsprozesse.

    Abbildung 2.4 zeigt eine dreidimensionale Darstellung der zeitlichen Entwicklung der Breitenverteilung von CO2 in der planetarischen Grenzschicht in den Jahren 1999–2008. Deutlich erkennbar sind drei Phänomene:

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    Abb. 2.4

    Entwicklung der CO2-Mischungsverhältnisse in der Atmosphäre zwischen 1999 und 2008 [27]

    Der Konzentrationsgradient zwischen der Nord- und Südhemisphäre,

    die unterschiedlichen Jahresgänge in der Nordhemisphäre und in der Südhemisphäre mit Maxima in den jeweiligen hemisphärischen Wintern und Minima in den jeweiligen hemisphärischen Sommern

    der globale Anstieg der CO2-Konzentration in diesem Zeitraum.

    2.3 Auswirkungen auf das Klima

    2.3.1 Wetter vs. Klima

    Wenn wir über die Auswirkungen von Treibhausgasen, in diesem Fall von CO2, auf das Klima reden, ist es sinnvoll, zunächst zu definieren, was mit dem Begriff „Klima gemeint ist. Eine recht simple, leicht zu merkende Erklärung findet sich in einem Zitat, das Mark Twain zugeschrieben wird: „Climate is what we expect, weather is what we get. Eine übliche Definition ist, dass „Klima über „30 Jahre gemitteltes Wetter ist. In der Regel meint man damit die mittleren Temperaturen und Niederschläge. Tatsächlich haben wir es im Erdsystem mit einem komplexen Zusammenspiel der Kompartimente Ozeane, Atmosphäre, Lithosphäre, Kryosphäre und Biosphäre sowie als externem Einfluss mit der Sonnenstrahlung zu tun. Die Wettersysteme in der Atmosphäre und kleinskalige Strömungssysteme in den Ozeanen sind hochgradig variabel, die mittleren Bedingungen sind dagegen oft relativ stabil und lassen sich physikalisch mit den heute verfügbaren numerischen Modellen einigermaßen gut verstehen.

    „Klima sollte also die mittleren Bedingungen in und Zusammenhänge zwischen den oben genannten Kompartimenten beschreiben. Als Mittelungszeitraum werden dabei in der Tat die bereits erwähnten 30 Jahre angesetzt. Aber selbst diese Definition hat einige Schwächen. „Klima sollte auch die Variabilitäten einschließen, die in diesen Mittelwerten beobachtet werden, oder auch die Frequenz, mit der bestimmte Ereignisse eintreten. Klimawandel ist also zum einen eine Änderung der langjährigen mittleren Bedingungen, zum anderen aber auch eine Änderung der Häufigkeit bestimmter Ereignisse. Ein Starkregenereignis, ein Hurrikan oder eine Dürre in einer bestimmten Region sind noch kein Zeichen einer Klimaänderung, sehr wohl kann aber eine zunehmende Häufigkeit in einer Region ein Anzeichen dafür sein.

    2.3.2 Extreme Wettersituationen

    Klimamodelle prognostizieren als eine Folge des Temperaturanstiegs in der Atmosphäre eine deutliche Zunahme der bereits erwähnten extremen Wetterereignisse wie Dürre- und Hitzeperioden, Starkregenereignisse und Stürme. Insbesondere in den hochentwickelten Industriestaaten führen solche Ereignisse zu beträchtlichen Versicherungsschäden. Die Schadensentwicklung der Münchener Rück, einer der weltgrößten Rückversicherer zeigt über die letzten Jahre eine deutlich Zunahme der Schäden, die auf solche Ereignisse zurück zu führen sind. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur (s. Kap. 2.3.3) bereits zu signifikanten Veränderungen geführt hat.

    2.3.3 Globaler Temperaturanstieg

    Im Rahmen einer Studie des Goddard Institute for Space Studies analysierten Hansen et al. (2006) [28] Datensätze der Oberflächentemperaturen der letzten 100 Jahre. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die globale Mitteltemperatur in diesem Zeitraum um 0,8 °C gestiegen ist. Bis etwa 1980 war diese Erwärmung eher moderat und durch starke Schwankungen gekennzeichnet, seit 1980 wird die Erde alle zehn Jahre um 0,2 °C wärmer (Abb. 2.5).

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    Abb. 2.5

    Anomalien der Oberflächentemperatur bezogen auf den Zeitraum 1951–1980 Temperaturangaben in °C. Die grauen Balken geben die 2σ Fehler (95)% Konfidenzniveau) zu den jeweiligen Perioden an. Copyright (2006) National Academy of Sciences [28]

    Dabei ist die Erwärmung über den Kontinenten in der Regel höher als über den Ozeanen. Die größten Temperaturanstiege ermittelten sie in hohen nördlichen Breiten (Abb. 2.6).

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    Abb. 2.6

    Geographische Verteilung der Temperaturanomalien im Zeitraum 2001–2005 bezogen auf den Zeitraum 1951–1980. Temperaturangaben in °C. Im globalen Mittelwert ist die Temperaturanomalie + 0.54 °C. Copyright (2006) National Academy of Sciences [28]

    Die Ergebnisse aller Klimamodelle und die Simulationen verschiedener Szenarien² ergeben eine eindeutige Prognose. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden die globalen Mitteltemperaturen auf der Erde zunehmen. Die prognostizierten globalen Mittelwerte liegen dabei je nach Szenario und benutztem Klimamodell zwischen 2 und 6,5 °C. Dabei werden die Temperaturerhöhungen regional stark unterschiedlich ausfallen. Während für tropische Regionen nur ein moderater Temperaturanstieg vorhergesagt wird, werden in hohen nördlichen und südlichen Breiten Temperaturerhöhungen von bis zu 10 °C erwartet [12].

    2.4 Regionale Auswirkungen

    Der Term „globale Erwärmung sollte der Vollständigkeit halber besser durch den Term „globale Veränderung ersetzt werden. Zwar ist die Aussage prinzipiell richtig, dass eine Zunahme von Treibhausgasen eine globale Erwärmung bewirkt, die Auswirkungen sind aber erheblich komplexer. Modellrechnungen zeigen, dass die Folgen einer „globalen" Klimaänderung regional erheblich unterschiedlich ausfallen können und sich nicht pauschal für den gesamten Planeten einheitlich vorhersagen lassen.

    2.4.1 Abschmelzen von Eisflächen und Anstieg des Meeresspiegels

    Von einer Erhöhung der globalen Temperatur sind verständlicherweise die Eisflächen der Erde unmittelbar betroffen. Dabei muss man allerdings zwischen verschiedenen Eisformen unterscheiden. See-Eis und Schelf-Eis schwimmt im Wasser und verdrängt eine seinem Eigengewicht entsprechende Wassermenge. Ein Abschmelzen dieser Eisflächen würde nicht zu einer Erhöhung des Meeresspiegels führen. Anders verhält es sich mit den Eisflächen auf festem Boden, wie z. B. den Eismassen auf Grönland und auf dem antarktischen Kontinent, und den Gletschern. Das Abschmelzen des gesamten grönländischen und antarktischen Eises würde zu einer Erhöhung des Meeresspiegels um etwa 70 m führen. Dagegen würde ein Abschmelzen aller Gletscher auf diesem Planeten nur eine Erhöhung des Meeresspiegels von etwa 0,5 m zur Folge haben.

    Modellrechnungen zur Entwicklung der Eisflächen im Nordpolarmeer sagen eine zunehmende Abnahme der Eisflächen in den nächsten Jahren voraus. Es wird damit gerechnet, dass in den nächsten zehn Jahren das Meer in den Sommermonaten komplett eisfrei sein könnte. Bereits heute wird ein dramatischer und erheblich schneller als erwarteter Rückgang der Eisflächen beobachtet (s. Abb. 2.7).

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    Abb. 2.7

    Rückgang der Meereisfläche im nördlichen Polargebiet zwischen 1979 und 2012. Die graue Linie zeigt die minimale Ausdehnung der Eisflächen im Sommer 1979 [29]

    Zum Verhalten der grönländischen und antarktischen Eisschilde sagen die Modellrechnungen nur eine langsame Reaktion auf die Temperaturerhöhung in der Atmosphäre voraus. Die Modellergebnisse lassen erwarten, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre auf diese Eisflächen bis zum Ende des Jahrhunderts nur einen geringen Einfluss haben wird und damit diese Eisflächen nur wenig zu einer Erhöhung des Meeresspiegels beitragen werden. Ein entscheidendes Manko dieser Modellrechnungen ist jedoch, dass sie infolge des mangelnden Kenntnisstandes keine dynamischen Effekte einschließen. So wird z. B. die Fließgeschwindigkeit von Landeismassen oder Gletschern bisher in keinem Modell berücksichtigt.

    Der Anstieg des Meeresspiegels infolge der zunehmenden Erwärmung der Erdatmosphäre hängt auf den ersten Blick ursächlich mit dem bereits beschriebenen Abschmelzen der Eisflächen zusammen. Der wesentlich bedeutendere Effekt ist jedoch ein rein physikalischer Vorgang. In einer wärmeren Welt wird auch das Ozeanwasser wärmer. Wärmeres Wasser dehnt sich aus. Diese thermische Expansion führt global zu einem Anstieg der Meeresoberfläche. Eine langfristige Abschätzung der Entwicklung der Meeresoberflächentemperatur ist auch auf Grund der fehlenden Datenbasis nur schwer durchzuführen. Vor allem vor 1950 sind kaum belastbare Messwerte verfügbar, für große Ozeanregionen liegen gar keine Daten vor [30]. Cane et al. (1997) [31] zeigen, dass in einigen Bereichen der Ozeane die Temperatur der Meeresoberfläche sogar abgenommen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass Phänomene wie die El Niño-Southern Oscillation (ENSO)³, die Nordatlantische Oszillation (NAO)⁴ und andere periodische Effekte zu erheblichen Schwankungen führen, die ein einheitliches Bild nahezu unmöglich machen.

    Dass die Ozeane bereits auf den Anstieg der Temperatur in der Atmosphäre reagieren, zeigt ein Anstieg der globalen Meeresoberflächentemperatur von 0,6 °C in den letzten 100 Jahren. Wu et al. (2012) [32] nutzen rekonstruierte Meeresoberflächentemperaturen und neue Reanalyse-Produkte der letzten 100 Jahre, um zu zeigen, dass die Temperaturen der großen Ozeanströmungen (z. B. Golfstrom, Kuroshio-Strom, Agulhas-Strom, u. a.) in den letzten 100 Jahren stärker zugenommen haben als die globale Meeresoberflächentemperatur. Die Temperaturerhöhung gemittelt über alle Datensätze war 1,2 °C verglichen mit einer globalen Temperaturerhöhung der Meeresoberflächen von im Mittel 0,6 °C.

    Messungen des Meeresspiegels aus dem Zeitraum 1880–1980 ergaben einen mittleren Anstieg des Meeresspiegels von 1,8 ± 0,1 mm/Jahr [33]. Dabei macht das Abschmelzen von Landeisflächen etwa die Hälfte des Effektes aus, die Ausdehnung auf Grund der Erwärmung der Meeresoberfläche die andere Hälfte. Zu den langfristigen Auswirkungen gibt es allerdings erheblich voneinander abweichende Abschätzungen. Basierend auf gekoppelten Atmosphären-Ozean-Klimamodellen gehen Meehl et al. (2005) [34] davon aus, dass die Temperaturerhöhung in der Atmosphäre infolge einer Verdoppelung des CO2-Mischungsverhältnisses erst auf einer Zeitskala von mehr als 1000 Jahren zu einer entsprechenden Erwärmung der Meeresoberfläche und damit zu einer Erhöhung des Meeresspiegels von 0,2–2,0 m führen könnte. Im Gegensatz dazu schätzt der aktuelle IPCC-Bericht den Anstieg der Meeresoberfläche alleine durch die thermische Expansion auf 0,1 bis 0,4 m bis zum Jahr 2100 [12]. Andere Abschätzungen ergeben einen Anstieg des Meeresspiegels von weniger als 0,5 bis zu 1,2 m bis zum Jahr 2100 [35, 36]. Alle diese Abschätzungen sind allerdings sehr unsicher, da die Ozeane auf atmosphärische Veränderungen extrem langsam reagieren. Bis ein möglicher Gleichgewichtszustand zwischen einer erhöhten Temperatur der Atmosphäre und einer entsprechend höheren Temperatur der Meeresoberfläche erreicht ist, dürften in der Tat Jahrhunderte vergehen. Hinzu kommt, dass diese „globalen" Werte regional erheblich voneinander abweichen können [37]. Sie hängen von vielen Faktoren ab wie der regionalen Erwärmungsrate des Oberflächenwassers, der Verteilung der Landflächen, der ozeanischen Zirkulation und der Geschwindigkeit, mit der tiefes und daher kaltes Ozeanwasser mit dem Oberflächenwasser gemischt wird. Eine Abschätzung der möglichen Folgen z. B. für die Küstenregionen der USA findet man bei Titus (1986) [38]. Nach einer Studie der Weltbank sind vor allem die Entwicklungsländer in unterschiedlichen Ausmaßen betroffen [39]. Durch den Anstieg des Meeresspiegels besonders bedrohte kleine Insel- und niedrig liegende Küstenstaaten schlossen sich bereits 1990 zur Alliance of Small Islands States (AOSIS) zusammen. Dieses Bündnis aus gegenwärtig 39 Mitgliedern fordert seit seiner Gründung beständig eine wirksame Klimaschutzpolitik (s. Kap. 2.5).

    2.4.2 Regionale Änderungen von Niederschlägen

    Bei einer höheren mittleren Temperatur kann die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen. Dies wird im globalen Mittel zu einer höheren Verdampfung von Wasser führen und somit auch zu einer Erhöhung der Niederschläge. Gleichzeitig werden sich durch Verschiebung der Klimazonen auch die Niederschlagszonen verändern. Hinzu kommt, dass sich in allen Szenarien des IPCC nicht nur die Niederschlagsmengen, sondern auch die Niederschlagsmuster regional stark verändern werden. Viele Bereiche der Erde werden trockener werden, in anderen wird erheblich mehr Niederschlag fallen als bisher [12]. Da verschiedene Klimamodelle besonders auf regionaler Ebene oft erhebliche Abweichungen zeigen, sind Vorhersagen für regionale Änderungen von Niederschlägen extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich (Abb. 2.8).

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    Abb. 2.8

    Schäden durch Sturmfluten und Überschwemmungen werden bis zum Ende des Jahrtausends zunehmen. (Foto: J. Bredehorn/pixelio.de)

    Um zu zeigen, wie widersprüchlich auf numerischen Modellen beruhende Prognosen sein können, sollen hier beispielhaft zwei Modellstudien zum Verhalten des asiatischen Monsuns erwähnt werden. Lal et al. (1995) [40] kommen nach Modellrechnungen mit einem globalen, gekoppelten Ozean-Atmosphären-Zirkulationsmodell zu dem Schluss, dass die Temperatur über dem indischen Subkontinent weniger stark ansteigen wird als über dem Ozean. Somit wird der Temperaturgradient zwischen Ozean und Kontinent abnehmen. Als Folge sagen sie eine Abschwächung des Druckgradienten und damit eine Abnahme der Regenfälle voraus.

    Bueh (2003) [41] benutzt ebenfalls ein globales, gekoppeltes Ozean-Atmosphären-Zirkulationsmodell um die Auswirkungen verschiedener IPCC-Szenarien (A2 und B2) auf den asiatischen Monsun zu modellieren. Er kommt dabei zu den gegenteiligen Ergebnissen: Der Temperaturgradient zwischen dem Ozean und dem Kontinent wird zum Ende des Jahrhunderts zunehmen. Auf Grund dessen wird die Zirkulation des asiatischen Monsuns im Sommer verstärkt und im Winter geschwächt. Die Folge ist eine deutlich erhöhte Regenmenge, eine Ausdehnung der Monsunregion nach Norden bis nach Nordchina sowie eine Verlängerung der Regenperiode um einen Monat.

    Dies zeigt eindrücklich, dass die Ergebnisse von Modellrechnungen und damit die Prognosen für zukünftige Entwicklungen nicht nur von zuverlässigen und belastbaren Eingangsdaten abhängen. Von möglicherweise viel größerer Bedeutung sind detaillierte Kenntnisse über die komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen der einzelnen Bereiche des Erdsystems.

    2.4.3 Starkwindereignisse

    Was für die Prognose der Änderungen von Niederschlägen gilt, gilt auch für die Prognose über das Auftreten und die Häufigkeit von Starkwindereignissen (Stürme, Hurrikans, Tornados etc.). Auch hier sind vor allem genaue Kenntnisse über die Wechselwirkungen der verschiedenen Kompartimente und deren Änderungen im Rahmen des Klimawandels essentiell.

    Bei allen unterschiedlichen Ergebnissen verschiedener Modellstudien sagen doch die Klimamodelle übereinstimmend voraus, dass in einer wärmeren Atmosphäre mehr Stürme auftreten werden. Stürme werden im Wesentlichen angetrieben durch die Freisetzung latenter Wärme, d. h. das Kondensieren von Wasserdampf in der Atmosphäre. In einer Atmosphäre, die mehr Wasserdampf enthält, wird auch mehr latente Wärme transportiert, es steht also mehr Energie zur Verfügung. Als Folge wird eine Zunahme der Starkwindereignisse erwartet (Abb. 2.9).

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    Abb. 2.9

    Starkwindereignisse (hier Waldschäden durch den Orkan „Kyrill" im Januar 2007) werden bis zum Ende des Jahrtausends in Stärke und Häufigkeit zunehmen. (Foto: J. Veser/ pixelio.de)

    Auch wenn die komplexen Zusammenhänge in der Atmosphäre und den Ozeanen eine zuverlässige Aussage verhindern, sind diese Veränderungen bereits heute beobachtbar. So ändern sich Wirbelstürme nachweislich. Zwar nimmt ihre Häufigkeit nicht, wie vielfach behauptet, zu, aber ihre Intensität steigt durch die zunehmende Erwärmung der Ozean-Oberflächentemperatur. So hat sich die Anzahl von Hurrikans der Kategorie 4 und 5 in den letzten 30 Jahren verdoppelt [42].

    2.5 Notwendige Klimaschutzziele aus Sicht der Klimawissenschaft

    Die Zunahme der globalen Mitteltemperatur seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat bereits jetzt in vielen Ökosystemen zu sichtbaren und zum Teil gravierenden Änderungen geführt. Neben dem extremen Rückgang der europäischen Alpengletscher – besonders beeindruckend sind die Veränderungen am Rhone-Gletscher (s. Abb. 2.10) – beobachtet man in Deutschland z. B. eine stetige Verlängerung der Vegetationsperiode sowie eine Ausbreitung von Pflanzenspezies weiter nach Norden [43].

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    Abb. 2.10

    Der Rhone-Gletscher am Furkapass in der Schweiz ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. (Foto: P. Habereder/pixelio.de)

    Nach Meinung vieler Klimawissenschaftler muss die weitere Zunahme der globalen Mitteltemperatur bis zum Jahr 2100 auf maximal 2 °C gegenüber dem Wert vor Beginn der Industrialisierung begrenzt werden. Dann, und nur dann wird es vermutlich noch möglich sein, die Folgen des Klimawandels zu beherrschen. Aus Sicht der Klimawissenschaft ist es wahrscheinlich, dass bei Überschreiten der 2-Grad-Grenze so genannte Kipppunkte (engl.: tipping points) im Klimasystem erreicht werden, die weitere, nicht-lineare und unumkehrbare Folgen für das Klima nach sich ziehen könnten [44]. Die Konsequenzen solcher noch weiter reichenden Änderungen sind zurzeit praktisch nicht abzuschätzen.

    Der Begriff „2-Grad-Ziel" geht ursprünglich auf den US-amerikanischen Ökonom William D. Nordhaus [45] zurück, der diesen bereits Mitte der siebziger Jahre der letzten Jahrhunderts ökonomisch, aber nicht klimawissenschaftlich begründet, einführte. Klimapolitisch wurde das 2-Grad-Ziel vermutlich erstmals Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts durch den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) als Ziel ins Gespräch gebracht. Die europäischen Umweltminister haben sich dieses Ziel dann in verschiedenen Beschlüssen, zum Beispiel auch der europäischen Energiestrategie zu Eigen gemacht [46].

    Das 2-Grad-Ziel wird auch häufig mit der 1992 verabschiedeten Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) in Verbindung gebracht, obwohl dort im Artikel 2 nur gefordert wird, die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, um eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern [47].

    Der Einfluss des Menschen auf die Atmosphäre und das Klima und daraus resultierende Klimaschutzziele werden – von der Mehrheit der Bevölkerung allerdings zunächst wenig beachtet – bereits seit vielen Jahrzehnten in Wissenschaftlerkreisen diskutiert. Breitere Aufmerksamkeit in der Gesellschaft erreichte die Atmosphäre als schützenswertes Gut erst Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit dem Auftreten des antarktischen Ozonlochs und insbesondere in Deutschland durch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz der Erdatmosphäre" [48].

    Nach dem Auftreten des antarktischen Ozonlochs wurden dessen Ursachen sehr schnell und zweifelsfrei aufgeklärt. Dies führte letztlich zur Verabschiedung eines globalen Übereinkommens (Montreal-Protokoll), durch das die Verwendung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe als Verursacher des Ozonlochs verboten wurde. Das Montreal-Abkommen gilt heute als Paradebeispiel für wirksame und schnelle multinationale Übereinkommen.

    Die Situation beim Klimawandel ist jedoch völlig anders und wesentlich komplexer. Während es sich beim Ozonloch um ein plötzlich auftretendes, in seinen Folgen schwerwiegendes Ereignis handelte, das sofortiges Handeln erforderte, vollzieht sich der Klimawandel fast unmerklich langsam über viele Dekaden oder Jahrhunderte. Der Essener Politikwissenschaftler und Mitglied des WBGU-Beirats des Bundesregierung Claus Leggewie hat dies mit dem Begriff „Shifting Baseline Syndrom" umschrieben [49]. Die Veränderungen vollziehen sich so langsam, dass sich die Gesellschaft faktisch daran gewöhnt und die schleichende Veränderungen letztlich als normal empfindet. Damit wird aber auch die Notwendigkeit von Maßnahmen nicht mehr erkannt bzw. negiert.

    Die möglichen Folgen des Klimawandels sind hinlänglich diskutiert worden. Strategien damit umzugehen liegen vor. Trotzdem passiert wenig. In Abwandlung eines Bibelzitats könnte man sagen: „Denn Sie tun nicht was Sie wissen." [49].

    In Deutschland wurde die Begrenzung der Erderwärmung auf 2 °C bereits 1994 durch den WBGU empfohlen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union machten dann 1996 und nochmals 2005 das 2-Grad-Ziel zum Leitthema ihrer Klimapolitik. Im Jahr 2009 folgten die G8-Staaten diesem Ziel, ebenso die UN-Klimakonferenz im Jahr 2010 in Cancún.

    Viele Entwicklungsländer – unter ihnen insbesondere die Alliance of Small Island States (AOSIS) – halten das 2-Grad-Ziel jedoch für zu schwach. Die AOSIS-Staaten sind besonders durch den Anstieg des Meeresspiegels und durch extreme Wetterereignisse bedroht [50]. Trotz aller Bemühungen und Bekenntnisse zum 2-Grad-Ziel haben sich bislang nur wenige Staaten auf freiwilliger Basis verpflichtet, den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren.

    Ohne eine umfassende, verbindliche Zusage der Verursacher, die Emission von Treibhausgasen innerhalb weniger Jahre drastisch zu reduzieren, ist das Erreichen des 2-Grad-Ziels wenig wahrscheinlich. Tatsächlich beobachtet man weltweit statt einer Abnahme der Treibhausgasemissionen eine deutliche Zunahme. Erschwerend kommt hinzu, dass Reduktionsmaßnahmen, die heute ergriffen werden, durch die relativ lange Verweilzeit (Lebensdauer) vieler Treibhausgase zum Teil erst nach mehreren Dekaden eine merkliche Abnahme der Konzentrationen dieser Treibhausgase in der Atmosphäre bewirken. Auch das im Jahr 2007 von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ausgegebene Ziel, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 20 % gegenüber den Emissionen im Jahr 1990 zu reduzieren, wird nicht ausreichen.

    Zurzeit beobachtet man daher unter Wissenschaftlern eine zunehmend kritische Auseinandersetzung mit diesem Ziel [51]. Neuere Modellrechnungen auf der Basis aktualisierter Emissionsszenarien zeigen [52], dass das 2-Grad-Ziel nur noch durch deutlich verschärfte Emissionsreduktionsmaßnahmen in den Industrienationen erreichbar sein wird, die weit über das bislang erreichte Maß hinaus gehen. Darüber hinaus müssten China und die übrigen Schwellen- und Entwicklungsländer nach einer weiteren wirtschaftlichen Wachstumsphase, die innerhalb der nächsten zehn Jahre beendet seine müsste, die westliche Vorgehensweise bei den Reduktionsmaßnahmen kopieren, damit es über einen über mehrere Dekaden global zu schnell sinkenden Treibhausgasemissionen kommt. Anderson und Bows [53] halten nach einer erneuten Analyse der gegenwärtigen Emissionen, insbesondere unter Berücksichtigung der stark zunehmenden Emissionen in China und Indien, das Erreichen des 2-Grad-Ziels für sehr unwahrscheinlich.

    Unter diesen Gesichtspunkten gewinnen Anpassungsstrategien an den Klimawandel, wie sie zum Beispiel von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften [54] für Deutschland von kurzem vorgestellt wurden, zunehmend an Bedeutung. (Abb. 2.11)

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    Abb. 2.11

    Beispiele globaler Emissionspfade für den Zeitraum von 2010 bis 2050 bei denen global 750 Mrd. t CO2 emittiert werden. Bei dieser Emissionsmenge kann die 2 °C Leitplanke mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % eingehalten werden. Dargestellt sind verschiedene Varianten eines globalen Emissionsverlaufs mit Maxima in den Jahren 2011 (grün), 2015 (blau) und 2020 (rot). Um diese Kurven einzuhalten, sind jährliche Reduktionsraten von 3,7 % (grün), 5,3 % (blau) bzw. 9,0 % (rot) notwendig (bezogen auf 2008) (Quelle: WGBU 2009)

    2.5.1 Weitere Klimagase und Luftschadstoffe

    Aus Sicht der Klimawissenschaft dürfen in den Diskussionen zum Klimawandel nicht nur die hinlänglich bekannten Klimagase betrachtet werden, vielmehr müssen auch die klassischen Luftschadstoffe mehr Beachtung finden, die direkt oder indirekt Einfluss auf das Klima nehmen. Chemische Reaktionen in der Atmosphäre spielen hierbei eine wichtige Rolle. Die chemische Komponente bei Klimaveränderungen aber hat bislang in der Diskussion viel zu wenig Beachtung gefunden.

    Neben den Klimagasen wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) nehmen auch klassische Luftschadstoffe einen deutlichen Einfluss auf das Klima. Es handelt sich hierbei um Stickoxide (NOx), Ammoniak (NH3), Schwefeldioxid (SO2), flüchtige Kohlenwasserstoffe (VOC), Feinstaub und Ruß. Sie alle sind kurzlebig, haben aber einen erheblichen Einfluss auf die Chemie der Atmosphäre, beispielsweise auch auf die Bildung von Ozon (O3) und Aerosolen. Ozon und Aerosole sind direkt klimawirksam. Die Luftschadstoffe, denen bislang wenig Beachtung in der Klimadiskussion geschenkt wurde, stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen wie der Landwirtschaft, dem Verkehr, der Energieerzeugung inkl. Heizung, können aber auch biogenen Ursprungs sein.

    Neuere Studien zeigen, dass sich mit einer Verminderung von Methan, Ozon und Ruß in der Atmosphäre der Temperaturanstieg in den nächsten Dekaden verzögern, jedoch nicht mehr verhindern ließe. Wir kaufen uns Zeit, wenn wir alles daran setzen, unsere Luftqualität zu verbessern, indem wir weniger Ruß und Methan emittieren und die Bildung von Ozon minimieren. Natürlich muss auch weiterhin versucht werden, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid erheblich zu verringern. An einer Temperaturzunahme von 2 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden wir vermutlich kaum mehr vorbeikommen. Aber noch können wir verhindern, dass der Temperaturanstieg womöglich noch dramatischer ausfällt. Dabei ist Zeit ein Gewinn.

    Obwohl das 2-Grad-Ziel in der klimapolitischen Diskussion im Verlaufe der letzten Jahre fast sakrosankt geworden ist, beobachtet man zurzeit unter Wissenschaftlern eine zunehmend kritische Auseinandersetzung mit diesem Ziel [51].

    2.5.2 Effizienzsteigerungen

    Völlig unabhängig von der Klimadiskussion muss als Leitplanke unseres Handelns die Schonung von Ressourcen zusammen mit der Effizienzsteigerung in den Bereichen Energie, Verkehr, Industrie und Gebäuden einhergehen. Die Schonung von Ressourcen ist eine generelle Verpflichtung zukünftigen Generationen gegenüber.

    Eine verlässliche Quantifizierung der notwendigen Effizienzsteigerungen zur Begrenzung des Klimawandels ist allerdings de facto nicht möglich. Problematisch ist auch, dass sie üblicherweise die Entwicklung und Einführung modernster Technologien sowie erhebliche finanzielle Aufwendungen erfordern, die insbesondere von Entwicklungs- und Schwellenländern – wenn überhaupt – nur sehr schwer aufzubringen sind.

    Es ist zudem zu befürchten, dass die angestrebten Energieeinsparungen und die damit verbundenen geringeren CO2-Emissionen in den westlichen Industrienationen durch den „Energiehunger" z. B. der sogenannten BRICS-Staaten⁵ und dem damit verbundenen erhöhten Primärenergieverbrauch aus fossilen Energieträgern mehr als kompensiert werden und es letztlich zu einem weiteren Anstieg der weltweiten CO2-Emissionen kommen wird.

    2.5.3 Ersatz fossiler Energieträger und Kohlenstoffspeichertechniken

    Wenn das 2-Grad-Ziel überhaupt noch erreicht werden kann, muss in den westlichen Industrienationen, insbesondere aber in den aufstrebenden BRICS-Staaten in erheblichem Umfang die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen ersetzt werden durch die Nutzung erneuerbarer, CO2-neutraler Energiequellen.

    Aus Sicht der Klimaforschung können Kohlenstoffspeichertechniken den Übergang zu einer nicht kohlenstoffbasierten Energiewirtschaft erleichtern. Jedoch muss dabei aus Sicht der Atmosphärenforschung darauf geachtet werden, dass solche Techniken, wie zum Beispiel der Einsatz von Aminen zur CO2-Abscheidung aus Kraftwerksabgasen nicht zu anderen unerwünschten Auswirkungen in der Atmosphäre führen. Darüber hinaus muss zwingend eine kritische Bewertung der mit diesen Techniken verbunden Kosten sowie deren Sicherheitsaspekten erfolgen.

    2.5.4 Emissionshandel und Ökosteuer

    Um die oben genannten Effizienzsteigerungen und damit eine Reduktion der CO2-Emissionen zu forcieren, ist eine Vielzahl von Maßnahmen vorstellbar. Die Kosten für Maßnahmen zur CO2-Reduktion werden allerdings zwischen verschiedenen Bereichen der Industrie und des Transportwesens erheblich schwanken. In vielen Fällen wird sich trotz Androhung von Strafzahlungen eine Reduktion überhaupt nicht oder nur mit erheblichen volkswirtschaftlichen Konsequenzen durchführen lassen. Zu den beiden wichtigsten und möglicherweise erfolgversprechendsten Maßnahmen zählen der Emissionshandel und die Ökosteuer.

    Vorbild für den Handel mit CO2-Emissionszertifikaten war ein ähnliches System, das in den 1990iger Jahren zur Reduktion von Schwefeldioxid-Emissionen eingeführt wurde. Damals war die Zunahme des „sauren Regens" mit seinen negativen Auswirkungen auf Seen, Wälder und andere empfindliche Ökosysteme der Auslöser für diese Maßnahme. Alleine in den USA führte dies innerhalb von 10 Jahren zu einer Reduktion der Schwefeldioxid-Emissionen auf 40 % des Wertes von 1980. Der finanzielle Nutzen dieser Maßnahmen in Bezug auf Gesundheits- und Umweltkosten wird auf das 40-fache der für die Maßnahmen aufgewendeten Kosten geschätzt.

    Eine wichtige Frage ist, auf welchem Wege die Emissionszertifikate vergeben werden. Dabei bieten sich zwei Möglichkeiten an, eine Zuteilung oder eine Versteigerung. Bei der Zuteilung wird durch die Politik festgelegt, wer wie viele Zertifikate erhält. Diese Ausgabeform ist nur sinnvoll, wenn man objektive Kriterien für die Zuteilung zu Grunde legen kann, z. B. Emissionsdaten der Vergangenheit. Dieses Verfahren ist im Prinzip eine Subventionierung der Verursacher, da die Zertifikate einem Geldwert entsprechen. Eine Versteigerung würde dagegen Geld in die Staatskasse spülen, das dann wiederum für Umweltschutzmaßnahmen eingesetzt werden könnte. Dies könnte man auch als eine Art Steuer ansehen, wobei der Preis nicht von der Politik festgelegt wird, sondern sich durch

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