Die goldene Wachau: Digitaler Reprint aus dem Jahr 1912 (Lyrik
Von Josef Wichner und Judith Reßler
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Über dieses E-Book
und solche, die es noch werden,
es macht mir großen Spaß, in alten Buchhandlungen nach in Büchern verborgenen Schätzen zu suchen. Meistens sind diese Bücher in einer so alten Schrift geschrieben, dass diese heute nur noch schwer zu entziffern ist. In diesem Buch ist es mir gelungen, einen Schatz zu finden, der schon 100 Jahre lang darauf gewartet hat, wiederentdeckt zu werden. Dieser Schatz ist nicht aus Gold und Silber, er besteht überwiegend aus den Gedichten, die Josef Wichner in seinem Büchlein “Die Goldene Wachau” zusammengetragen hat.
Über 100 Jahre sind seither vergangen, die beiden Weltkriege und einige kleinere Kriege in Europa waren zur Zeit der Entstehung dieses Buches noch nicht geführt. Einige “Wortschöpfungen” mögen aus heutiger Sicht eigenartig anmuten, von anderen will ich, ja muss ich mich distanzieren, insbesondere sind das die Ansichten über:
die Kreuzzüge,
das weibliche Geschlecht,
das männliche Geschlecht,
jegliche Religion, die sich selbst über eine andere Religion oder deren Gläubige stellt,
jeder Form von Deutsch- oder Germanentümmelei,
und der Charakterisierung einzelner Völker oder Volksgruppen.
Vor allem die an einigen Stellen immer wiederkehrenden Bezüge zu den antiken Stämmen der Germanen ist bestenfalls als “verklärte germanoide Verehrung” zu verstehen. Warum dann überhaupt so ein Buch neu auflegen? Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen hat im Mai 2019 in einer Ansprache gesagt: „So sind wir nicht!”. Vielleicht waren wir einmal so, zumindest einige von uns, aber wir haben uns weiterentwickelt. Manchmal wird das erst ersichtlich, wenn klar wird, welcher Weg schon hinter uns liegt, um vielleicht in Zukunft einige schwere Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. So sollen diese Texte immer im Kontext der Entstehungszeit und als ein Kunstprodukt ihrer Zeit gesehen werden.
Wir wissen alle, dass sich die Rechtschreibung hin und wieder ändert und das, was gestern richtig war, ist dann morgen ein Fehler und umgekehrt. Ich habe mich bemüht, die Schreibweise und die Editierung aus der Entstehungszeit des Buches so genau wie möglich zu übernehmen. Vor 100 Jahren hat man einige Worte anders geschrieben, die ß/s/ss - Schreibung war beispielsweise ganz anders und im Buch findet ihr noch einige andere Beispiele mehr. Ich will jetzt nicht sagen, dass es falsch ist, denn damals war es ja richtig, ich möchte gerne sagen: Das Buch ist zu einer Buchstaben-Zeitreisemaschine geworden.
Im Originalbuch gibt es viele Zeichnungen und Fotografien, deren Urheber nicht zu bestimmen waren, deshalb fehlen sie hier. Die Künstlerin Judith Ressler hat versucht, die Entstehungszeit des Buches im Cover einzufangen. Wer möchte, kann bei ihr auch malen lernen.
http://www.judithressler.at/
Einige Worte sind im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr oder nur sehr selten in Verwendung, deshalb habe ich mir erlaubt, am Ende ein Glossar für “ältere” Wörter einzufügen.
Gehet nun hin und verbreitet Wohlgedanken!
Herzlich,
Euer MelkerMärchenMönch
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Buchvorschau
Die goldene Wachau - Josef Wichner
Geleitwort.
Der Dichter bezeichnet den Rhein und die Donau als Geschwisterpaar, und in der Tat ist die Familienähnlichkeit des in seiner Jugend so stürmischen Sohnes der Berge und der allerdings nur in der Kindheit sanften Tochter des Schwarzwaldes unverkennbar.
Rhein und Donau sind die bedeutendsten Ströme Mitteleuropas, beide Kulturträger ersten Ranges, beide gleich verherrlicht in Mythe und Sage, beide Zeugen einer reichen Vergangenheit und beide nach Goethes Wort ein allverhindernder Graben zur Abwehr der Fremdherrschaft gegen Westen, Süden und Osten. Rhein und Donau können sich gleichmäßig ihrer malerischen Burgen, ihrer herrlichen Landschaftsbilder rühmen, und kredenzt uns Vater Rhein seinen Rüdesheimer, so schenkt die stattliche Wirtin in Österreichs Gauen die goldene Donauperle.
Eines hat der Rhein allerdings voraus: An seinen Ufern regt sich’s überall in reichstem Leben, in unermüdlicher Gewerbetätigkeit und fördersamem Handel. Stadt reiht sich an Stadt, sinnverwirrend ertönt unablässig der schrille Pfiff der Lokomotive und das heisere Brummen der zahllosen Dampfer, und zur Reisezeit ergießt sich eine wahre Völkerwanderung stromauf und -ab. Kein Wunder, daß der Rhein weitaus bekannter ist und daher von größerer und kleinerer Dichter Zungen im Liede gefeiert wird.
Sollte Bruder Rhein wirklich so ungalant sein, daß er nicht wenigstens einen Teil des Lobes, das man ihm bot und immer bietet, seiner stilleren Schwester zukommen ließe, obschon sie in ihrer vom Fremdlingsreisetritt noch selten berührten Gauen Schönheiten birgt, die wahrlich des Sängers Begeisterung auch zu wecken vermögen?
Daß der Donau, die nach dem Urteile unbestechlicher Reisender viel schöner, heiliger, ursprünglicher und naturverlorener ist als der Rhein, das Lied fehle… ich konnte es nicht glauben! Und so hielt ich eifrig Umschau und horchte sinnend jedem Sange, aus dem die Liebe zu unserem vaterländischen Strome zitterte, und ich bat unsere Poeten mit den schönen Worten des Dichters Josef Weilen, daß sie ihre Harfe stimmen möchten zum Preise der Donau und ihrer Landschaften:
O Sänger, kommt, o kommt zum Donaustrom!
Legenden schlingen sich um jeden Dom
Und Schlösser stehen da – noch nie besungen?
Der Dürrenstein, vom Abendrot verschönt,
Die alte Hainburg, deren Name tönt
Im Heldenlied der Nibelungen…
O Sänger, kommt!
Hier an des Volkes Herd
Sitzt keusch die Sage, und sie ist es wert,
Den Dichterarm um ihren Leib zu schlagen;
Allüberall ertönt’s: „Am Rhein, Am Rhein!"
Die Donau bittet euch: „O denkt auch mein
Und meiner Burgen, meiner Sagen!"
Und siehe, sie waren so schon da, sie hatten der Donaunixe hundertjährigen Schlaf bewacht, hatten aufgejubelt, als die Göttin die Augen verwundert aufschlug, und sie folgten freudig meinem Rufe.
So habe ich denn vorerst mit der Beschränkung auf die Wachau das vorhandene Gut an Dichtungen, die dieses an Naturschönheiten und geschichtlichen Erinnerungen so reiche Tal verherrlichen, gesammelt und lege hiermit das Ergebnis vor.
Gewiß _ _ _ es sind nicht lauter Nachtigallen, die da singen im Zauberwalde der Wachau, aber aus dem Tirilieren der Lerche, dem Schlage des Finken und selbst dem Gezwitscher der Schwalbe und dem schelmischen Rufe des Spötters tönt die nämliche Naturfreudigkeit und Heimatliebe, und viele Stimmen verschiedener Art bilden erst einen Chor. Vollständig unmusikalische Spatzen habe ich mit gebührender Rücksicht auf die empfindsamen Ohren der verehrten Leser und Leserinnen verscheucht.
Mein Buch soll eine poetische Wanderung durch die Stromenge zwischen Melk und Krems sein. Wir folgen dem majestätischen Laufe des Stromes, der durch Geschichte und Sage, Naturschöne und echte Heimatkunst sowie durch seinen Wein gleich berühmt ist, und lassen einmal anstatt den in Archiven über Folianten gebeugten Gelehrten den Dichtern das Wort. Nur wo für den Reisenden, dessen Fuß die Wachau zum ersten Male betritt, eine Erklärung not tut, habe ich selbe in aller Kürze gegeben.
Noch erübrigt mir, allen, die meiner Bitte um Beiträge so bereitwillig entgegengekommen sind, aufs herzlichste zu danken. Ihre Namen sind im Buche verzeichnet. Mögen sie den Lohn ihrer Selbstlosigkeit im Bewußtsein finden, ihre Minnelieder im Dienste einer gar holden Frau gesungen zu haben! Insbesondere möge Herr Bezirksrichter Ernst Otto Karl Nowotny in Krems für seine ersprießliche Beihilfe auf meinen Spürwegen des besten Dankes versichert sein.
Pflichtgemäß habe ich, wo gedruckte Quellen, die am Schlusse gewissenhaft verzeichnet sind, vorlagen, die Nachdruckerlaubnis eingeholt. Nur in wenigen Fällen war mir dies unmöglich; doch ich glaube annehmen zu dürfen, daß mir die verehrten Herren Autoren darob, so sie sich unvermutet in ja nicht schlechter Gesellschaft finden, keinen Prozeß an den Hals hängen werden. So ziehet denn hinaus, ihr Gesänge, in die weite Welt und verkündiget, daß auch an der Donau sich heben Burgen keck und kühn, daß auch hier unsere Reben wachsen und die Weltgeschichte mit ehernem Tritte auch durch unsere Gaue geschritten ist!
Josef Wichner. Krems a. D., im Frühjahr 1912.
Donaulied.
Von Edward Greuther.
Preist mit hundertfält’gen Zungen
Hoch den alten Vater Rhein,
Dir, dem Strom der Nibelungen,
Soll mein Lied gesungen sein!
Donau, dir, waldursprungfreudig,
Majestätisch, tief und mild,
Sagengrau und jugendschneidig,
Unverbrauchter Kraft ein Bild!
Einsam zwischen hohen Leiten
Stürmst du fort in stolzem Mut,
Zeugen längstvergang’ner Zeiten
Spiegeln sich in deiner Flut.
Viel Forellenbächlein kosend
Stürzen sich in deinen Lauf,
Alpenströme wild und tosend
Nehmen deine Arme auf.
Deiner Ufer weit Gelände
Hegt ein markig deutsch Geschlecht,
Sangesfroh und kampfbehende,
Weidwerktüchtig, schlicht und echt.
Hangend an der Väter Sache,
Sitzt es fest auf seinem Grund,
Nibelungenliedes Sprache
Lebt noch heut in seinem Mund.
Breit und mächtig deine Wellen
Fluten hell im Sonnenglanz
Und umspülen und umschwellen
Frischer Auen grünen Kranz.
Blanke Städte, hohe Dome
Grüßen sie im schnellen Zug,
Schlösser schauen sich im Strome,
Drüber hin der Wolken Flug.
Städtlein, Dörfer, Schloß und Hütten
Überschüttet weit und breit
König Mai mit seiner Blüten
Weiß und roter Herrlichkeit.
Und dies Land im Blütenkleide,
Dem an Pracht kein zweites gleich,
Nenne ich voll Stolz und Freude
Meine Heimat Österreich!
Mein Strom.
Von Hermine Urban.
Sei mir gegrüßt, du Zier des Reiches,
Du schöner, stolzer Donaustrom!
Es spiegelt tief in deinen Wellen
Sich sanft und blau der Himmelsdom.
Der lieben Heimat Berg’ und Auen
Erglänzen hell aus deiner Flut,
Du ziehst dahin mit leisem Rauschen
Und hältst das Land in treuer Hut.
Und ob um dich der Frühling blühet,
Und ob um dich der Sommer lacht,
Und ob der bunte Herbst dich schmücket
Mit seiner satten Farbenpracht,
Du ziehst dahin so ernst und ruhig,
Ob Zephir dich, ob Sturm umweht,
Und wallest deinen Weg, ein König
Voll schlichter, hoher Majestät.
Und ob um dich im Sturm der Zeiten
So mancher heiße Kampf getobt,
Und ob in heller Lebensfreude
Sich manches Herz dir zugelobt,
Du trägst die Wasser stets aufs neue
Zum fernen Meere, fremd und weit –
So nimm auch meine Heimattreue
Mit hin zum Meer der Ewigkeit!
Der Heimatstrom.
Von Karl Landsteiner.
Mit deinem Schwall von blauen Wogen
Ins Land strömst, Donau, du herein.
Ein Fürst der Flüsse kommt gezogen,
Stolz und gewaltig wie der Rhein!
Du sahst einst Römer, Nibelungen –
Ein Wandern bis zum Felsentor,
Wo Trajans Ruhm noch nicht verklungen,
Wo sich der Völker Spur verlor.
Sei mir gegrüßt! Schon viel besungen,
Wirst du gepriesen nie genug,
Du mächt’ger Held, der nie bezwungen,
Den niemand noch in Fesseln schlug!
Dornröschen Wachau.
Von Wilhelm Giebl.
War einst ein holdes Mädchen,
Dornröschen ward’s genannt,
Und schön’res fand man keines
Wohl in dem ganzen Land.
Es schlief die schöne Jungfrau
Wohl an die hundert Jahr,
Den Tod in Dornenranken
Holt’ sich die Freierschar.
Da kam ein Prinz von ferne
Zu ihr ins Turmgemach,
Er kniete ihr zu Häupten
Und küßte sie und sprach:
„Wach’ auf, du schöne Jungfrau,
O säume länger nicht
Und zeige mir dein süßes,
Holdsel’ges Angesicht!"
Ich weiß auf deutschem Boden
Ein herrlich Stückchen Land,
An Reizen reich und Schönheit,
Wachau wird es genannt.
Das schläft, seitdem’s geworden,
Und schläft noch immerdar
Und ist so schön und lieblich,
Wie einst Dornröschen war.
Die Rebenberge scheidet
Der heil’ge Donaustrom
Und ihre Spitzen tragen
Den blauen Himmelsdom.
Wach’ auf, du deutsche Erde,
O säume länger nicht
Und zeig’ der Welt dein strahlend,
Holdselig Angesicht!
Wachhildens Erwachen.
(Zur Eröffnung der Donauuferbahn am 2. Dezember 1909.)
Von Josef Wichner.
Ich singe und sage von alten Tagen,
Wie unser Herrgott sich mußte plagen,
Als er den Schöpfungsplan erdacht
Und all sein Werk zu End gebracht.
Es war auch keine Kleinigkeit,
Wie Michelangelo* konterfeit,
(*Fußnote: Berühmte Gemälde an der Decke der Sixtinischen Kapelle im Vatikan.)
Mit dem Finger die Elemente zu scheiden,
Den Sternen das Stoßen zu verleiden,
Den Tigern und Löwen zuzureden,
Daß sie kein Kalberl möchten töten,
Den Adam und die Eva zu schaffen,
Die gleich sich ineinander vergaffen.
Und wie nun alles war gescheh’n,
Da war er müd’, konnt’ kaum mehr steh’n.
Er legte sich in eine Au,
Erquickte sich am Himmelstau
Und sann, halb träumend und halb wach,
Dem erst vollbrachten Werke nach,
Wovon, wie männiglich bekannt,
Die Au… Wachau* wird zubenannt.
(*Fußnote: Au! Anmerkung des Setzers.)
Und in der göttlich sel’gen Ruh’
Sah er nun allen Dingen zu,
Die seit den allerfernsten Tagen
In der Wachau sich zugetragen,
Dieweil ja, wie ein jeder fühlt,
Die Zeit bei Gott keine Rolle spielt.
Da stapft das Mammut durch den Wald,
Ihm folgt