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Der Tod schlürft Austern: Eine mörderische Rundreise durch die Bretagne in zehn spannenden Kurzgeschichten
Der Tod schlürft Austern: Eine mörderische Rundreise durch die Bretagne in zehn spannenden Kurzgeschichten
Der Tod schlürft Austern: Eine mörderische Rundreise durch die Bretagne in zehn spannenden Kurzgeschichten
eBook256 Seiten3 Stunden

Der Tod schlürft Austern: Eine mörderische Rundreise durch die Bretagne in zehn spannenden Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

Ein mörderischer Sturm zieht auf vor der bretonischen Küste und macht vor nichts halt.

Romantische Spaziergänge entlang endloser Muschelstrände in friedvoller Abendstimmung, Meeresfrüchte soweit das Auge reicht und romantische Sonnenuntergänge vor pittoresken Leuchttürmen?
Weit gefehlt!
In der Bretagne wütet das Verbrechen. Mörderische Austernzüchter, blutgierige Salzbauern, verschwundene Ornithologen, ermordete Studentinnen und mysteriöse Inselbewohner stören den bretonischen Frieden.
SpracheDeutsch
Herausgeberambiente krimis
Erscheinungsdatum30. März 2015
ISBN9783981561388
Der Tod schlürft Austern: Eine mörderische Rundreise durch die Bretagne in zehn spannenden Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    Der Tod schlürft Austern - Gérard Mejer

    GÉRARD MEJER

    DER TOD SCHLÜRFT AUSTERN

    Autor:

    Gérard Mejer ist das Pseudonym für eine Gruppe von Autoren, die die Eindrücke von ihren Reisen in Frankreich nicht in Form eines Tagebuchs oder eines Reiseromans, sondern als Kurzkrimis niedergeschrieben haben.

    Gérard Mejer

    DER TOD SCHLÜRFT AUSTERN

    Eine mörderische Rundreise durch die Bretagne in zehn spannenden Kurzgeschichten

    ambiente-krimis

    Verlag ambiente-krimis, Bad Aibling und München

    ISBN 978-3-9815613-8-8

    Copyright © 2015 by Gérad Mejer

    Alle Rechte vorbehalten

    e-book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

    Umschlagfoto: Gérard Mejer

    ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-9815613-9-5

    Personen und Handlungen in den folgenden zehn Kurzgeschichten sind frei erfunden und orientieren sich nicht an lebenden oder toten Vorbildern oder Geschehnissen. Etwaige Ähnlichkeiten sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    Austerngemetzel

    Tatort: Cancale

    Die Saison hatte gerade angefangen. Langsam trudelten die ersten Touristen ein und bezogen die kleinen Pensionen am Hafen. Die Restaurants polierten ihre Terrassen auf Hochglanz, schrieben die Menus auf große Tafeln und stellten diese auf den Gehsteig. Der Sommer war in diesem Jahr früh gekommen, hatte den Sand in den kleinen Buchten rund um Cancale erwärmt und Fröhlichkeit in die Gesichter der Menschen gezaubert.

    Yanis spazierte die Hafenpromenade entlang und blickte über die schier endlosen Austernbänke. In der Luft lag ein schwerer, salziger Geruch nach Ozean und nach Fisch. Kleine Wölkchen türmten sich am Horizont auf und verflossen mit dem Blau des Meeres. Es würde ein schöner Tag werden. Yanis erwartete seine ersten Kunden in wenigen Minuten, eine Touristengruppe aus Holland. Er würde sie in den Anhänger seines Traktors verfrachten, ihnen erst die Stadt zeigen und sie dann hinaus in den Austernpark fahren. Seit zwei Jahren war dies seine Haupteinnahmequelle, die überdies auch noch Spaß machte. Als Höhepunkt bekam jeder am Ende von Denis, seinem Freund, der ein Austernzüchter war, eine kleine Kostprobe: Er züchtete die einfachen, aber schmackhaften huîtres creuses, die er Yanis‘ Touristen mit etwas Zitrone und billigem Weißwein aus Plastikbechern offerierte.

    Yanis hörte Stimmen, die sich ihm näherten. Er drehte sich um und erkannte eine Gruppe Menschen, die einem gelben Regenschirm folgte, der voranspazierte. Unverkennbar die holländischen Touristen. Er winkte ihnen zu und ließ sie in einem Kreis um sich herum aufstellen. Dem gelben Regenschirm, der sich als Bernd vorstellte, schüttelte er die Hand. Nachdem er ihnen erzählt hatte, was sie in den nächsten zwei Stunden erwartete, führte er sie zu seinem alten Traktor, half den Damen galant auf den Anhänger und schwang sich selbst ins Führerhäuschen. Mit einem lauten Knattern startete der Motor und die Fahrt ging los.

    ***

    „Die Larven heften sich an die Tonziegel an, die Sie hier sehen, meine Damen und Herren. Wenn die Muscheln groß genug sind, werden sie mehrmals verpflanzt und kommen zum weiteren Wachstum in verschiedene Becken."

    „Und wann wird geerntet?", warf ein dürrer Holländer mit schlechtem Französisch ein.

    „Nach ungefähr vier Jahren. Sie müssen eine Mindestgröße vorweisen."

    Der Traktor mit der Gruppe im Anhänger tuckerte über den schlammigen Boden durch den großen Austernpark. Die Touristen schossen massenweise Fotos, lachten und stellten Fragen.

    „Gleich werde ich Ihnen Denis vorstellen. Er ist einer der vielen Männer, die sich mit Austernzucht ihren Lebensunterhalt verdienen. Er wird Sie an seiner Arbeit teilhaben lassen, und danach gibt es eine kleine Verköstigung."

    Die Gruppe klatschte begeistert. Plötzlich ruckelte der Traktor und der Motor starb ab. Die Menschen auf dem Anhänger wurden durcheinander geworfen. Yanis startete den Motor neu und versuchte Gas zu geben, aber irgendetwas blockierte. Er hob entschuldigend die Hände.

    „Da klemmt etwas unter dem Vorderreifen. Einen Moment, ich bin gleich wieder da."

    Er sprang aus dem Führerhäuschen und landete mit seinen Gummistiefeln auf dem schlickigen Boden. Dann umrundete er den Traktor, bis er vor dem rechten Reifen stand. Er ging in die Knie und sah, dass der in einer Kuhle versunken war.

    Merde!", fluchte er und begann den nassen Sand und den Schlick mit den bloßen Händen beiseite zu schieben. Auf einmal spürte er etwas Hartes. Er grub weiter, bohrte mit den Fingern im feuchten Boden und ertastete etwas Längliches. Yanis schrak zusammen und ließ sich auf den Hintern fallen. Er hatte eine Hand ausgegraben. Die Touristen beugten neugierig ihre Köpfe über die Seitenwand des Anhängers. Wie in Trance rappelte sich Yanis wieder auf und grub weiter. Nach kurzer Zeit hatte er den ganzen Arm freigelegt, dann den Oberkörper. Er nahm nichts um sich herum wahr, er grub und buddelte und scharrte, als ginge es um sein Leben. Schließlich tauchte der Kopf aus dem Schlick auf. Das Gesicht war von Sand und Schlamm bedeckt. Ein kleiner Einsiedlerkrebs kroch aus einem Nasenloch und verschwand schnell im Schlick. Yanis strich vorsichtig über das Gesicht und legte es frei. Dann stockte sein Atem. Er kannte es, auch wenn es bei ihrem letzten Treffen gelacht hatte, mit roten Wangen und leuchtenden Augen. Es war Jeanne, die Tochter seines besten Freundes Denis. Er stieß einen Schluchzer aus.

    Kameras blitzten auf, so viel Action hätte sich die Reisegruppe niemals erwartet. Die Möwen kreischten laut, und irgendwo im Hafen hörte man einen Hund bellen.

    ***

    Commissaire Larigole atmete tief ein. Die Luft war herrlich. Salzig, geschwängert von Fischgeruch und Algen. Er spürte, wie sie sich in seinen Lungen ausbreitete, und empfand es als Reinigung. Vor Jahren war er mit seiner Exfrau einmal in Cancale gewesen. Sie hatten Austern gegessen und waren spazieren gegangen. In seiner Erinnerung war es ein friedliches, kleines Küstenstädtchen. Aber nicht heute. Heute heulten Sirenen, der ganze Hafen stand voller Polizeiautos. Gerade eben kämpfte sich der schwarze Leichenwagen der Gerichtsmedizin durch. Nicht minder betriebsam ging es weiter draußen auf den Austernbänken zu. Polizisten durchstreiften in Gummistiefeln die Austernzucht und suchten nach Spuren.

    Was wusste er bisher? Kommissar Larigole zog sein kleines Notizbuch hervor. Zwar war ihm bewusst, dass seine Kollegen inzwischen hochmoderne i-Pads benutzten, die ihre Daten sogleich weiterverarbeiteten, doch er brauchte so etwas nicht. Seine Exfrau pflegte stets zu sagen, er sei einer vom alten Schlag. Larigole war sich nicht sicher, ob er das als Kompliment verstehen sollte, aber er nahm es einfach so hin. An der Hafenmauer stand sein Assistent Laurent und wartete auf ihn.

    „Chef, hier bin ich! Ich habe eine Menge Neuigkeiten!" Dabei hielt er zwei dampfende Kaffeebecher in die Höhe. Larigole lächelte. Laurent verstand die nicht stillbare Gier seines Chefs nach Kaffee und sorgte stets dafür, dass es Nachschub gab. Schnell eilte Larigole zu ihm und griff sich einen der Becher.

    „Also!" Laurent nippte kurz an seinem Kaffee und begann dann zu erzählen.

    „Die Tote heißt Jeanne Moulin. Sie ist vierundzwanzig Jahre alt und stammt aus dem Ort. Ihr Vater ist ein bekannter Austernzüchter, Denis Moulin. Sie war eigentlich nur auf Besuch hier. Studiert seit einigen Jahren in Paris. Mutter gibt es keine mehr. Ist wohl verstorben."

    Er legte eine Pause ein, während der er einen weiteren Schluck nahm. „Den Vater habe ich dir schon herholen lassen. Er wartet dort vorne."

    Er zeigte auf eine kleine Gruppe Menschen, die vor einer Bar standen und aufgeregt diskutierten.

    „Gefunden wurde die Leiche von Yanis Lac. Er ist so eine Art Touristenführer. Hat gerade eine Horde Holländer mit seinem Traktor spazieren gefahren, als er die Tote entdeckte. Die Holländer stehen alle unter Schock. Sie wurden in der Pension von Madame Lagarde untergebracht und warten dort auf die Befragung."

    Larigole nickte. Er würde sich zuerst Denis Moulin vornehmen. Zielstrebig marschierte er auf die Menschenansammlung zu und bahnte sich einen Weg zum Vater des Opfers.

    „Monsieur Moulin, ich bin commissaire Larigole. Mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust. Dürfte ich Ihnen einige Fragen stellen?"

    Aus der Gruppe löste sich ein blasser, dünner Mann. Er trug wasserdichte Latzhosen, Gummistiefel und einen Strohhut. Geistesabwesend griff er nach der Hand, die Larigole ihm zum Gruß hinstreckte, und folgte ihm zu einer Bank. Als sie saßen, holte der Kommissar tief Luft. Solche Befragungen waren nie leicht.

    „Monsieur Moulin, wann haben Sie Ihre Tochter zuletzt gesehen?"

    Der Austernzüchter sog hörbar Luft ein. Seine Hände, die er auf die Knie gelegt hatte, zitterten.

    „Das war gestern Abend. Sie wollte mit ihren Freundinnen aus Kindheitstagen nach Saint Maló in irgendeine Bar fahren."

    „Wann war das?"

    Denis Moulin rieb sich die Augen. „Vielleicht acht Uhr? Oder etwas später. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber kurz nachdem sie ging, fing das Fußballspiel an. Anpfiff war um halb neun. Es muss also irgendwann zwischen acht und halb neun gewesen sein."

    Larigole setzte sich aufrecht hin und starrte auf die Austernbänke hinaus.

    „Hatte Jeanne Feinde? Einen Exfreund, der die Trennung nicht akzeptierte? Konkurrenz im Studium?"

    Moulin schüttelte den Kopf.

    „Sie war überall beliebt. Ein echter Sonnenschein. Und immer hilfsbereit. Vor vier Jahren wurde sie sogar zur Miss Cancale gewählt."

    Er kramte in seiner Tasche und zog schließlich einen Geldbeutel hervor. Dem entnahm er eine faltige, verblichene Fotografie. Sie zeigte ein junges Mädchen mit langen blonden Haaren und strahlenden Augen. Es trug ein kleines Krönchen und hielt ein Plakat hoch, auf dem Miss Cancale 2011 stand. Larigole musste unwillkürlich schmunzeln. In jedem noch so kleinen Städtchen wurden heutzutage Misswahlen veranstaltet. Er gab das Bild zurück.

    „Monsieur Moulin, wer könnte Ihre Tochter getötet haben?" Der Kommissar blickte ihm in die Augen und erkannte plötzlich, dass anstelle der Trauer Wut und Hass in das Gesicht des Vaters getreten waren.

    „Marcus Defour. Er betreibt eine Austernzucht. Wir sind Feinde. Erst kürzlich hat er mir damit gedroht, dass er Unheil über meine Familie bringen werde."

    Larigole machte sich schnell eine Notiz. Diesen Defour würde er genauer unter die Lupe nehmen.

    „Vielen Dank, Monsieur Moulin. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung." Der Kommissar stand auf, winkte seinem Assistenten zu und verließ den Hafen. Er brauchte mehr Informationen: über Moulin, Defour und die anderen Austernzüchter. Aber vor allem brauchte er ein Glas Wein.

    ***

    „Émile, du alte Fischhaut. Was verschlägt dich nach Cancale!"

    Der Wirt ließ sein Geschirrtuch fallen und lief mit ausgebreiteten Armen auf Larigole zu. Der erwiderte die herzliche Umarmung.

    „Beruflich, lieber Franc, beruflich. Wie ich sehe, läuft dein Laden immer noch gut?"

    Die kleine Brasserie, die sein Jugendfreund Franc in Cancale betrieb, war bis auf den letzten Platz belegt, obwohl es noch nicht einmal Mittag war. Franc hakte sich bei ihm unter und führte ihn zu einer Schwingtür, aus der gerade eine dunkelhaarige Frau trat.

    „Chantal, Liebling, schau doch, wer uns besucht."

    Schon wieder wurde der Kommissar umarmt und geherzt, diesmal von der Ehefrau seines Freundes. Dann klopfte ihm Franc auf den Rücken.

    „Du hast hoffentlich Zeit, Émile. Chantal, bring uns doch bitte eine Flasche Sancerre und zwei Dutzend huîtres plates auf die Dachterrasse."

    Sie stiegen die steilen Stufen hinauf zu Francs ganzem Stolz, einer weitläufigen Dachterrasse, die einen atemberaubenden Blick über die Bucht von Cancale gewährte. Zwischen Topfpalmen stand ein eleganter Glastisch, um den sich einige Korbstühle reihten. Die beiden ließen sich nieder, da vernahmen sie schon Geklapper auf der Treppe und Chantal erschien mit einem großen Tablett, das sie vor die beiden Männer auf den Tisch stellte.

    „Lasst es euch gut gehen!", wünschte sie ihnen und verschwand wieder. Franc verteilte alles auf dem Tisch, schenkte beiden ein Glas Wein ein und schnappte sich eine Auster. Genussvoll träufelte er eine rötliche Flüssigkeit darauf: Weinessig mit kleingehackten Schalotten. Dann schlürfte er das Schalentier geräuschvoll, ließ es für einen Augenblick in seinem Mund umherwandern und verschluckte es dann. Fasziniert hatte der Kommissar dieses Ritual beobachtet. Er nahm sich ebenfalls eine Auster und tat es seinem Freund gleich.

    „Hervorragend. Aber was macht die huîtres plates so besonders? Sie sind schließlich um so vieles teurer als die huîtres creuses?", fragte er Franc interessiert. Der hatte gerade seine zweite Auster im Mund, verdrehte dabei leidenschaftlich die Augen, schluckte und begann dann zu erklären.

    „Diese hier haben einfach einen feineren Geschmack als die creuses. Inzwischen zahlt man bis zu dreimal so viel dafür."

    Der Kommissar musste gestehen, dass er keinen großen Unterschied schmeckte. Er mochte beide Arten, die bauchigen creuses, und die runden, flachen plates. Feinschmecker hin oder her. Schweigend aßen die beiden Freunde weiter, bis keine einzige Auster mehr übrig war. Zufrieden wischte sich Franc mit einer Serviette den Mund ab, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und lehnte sich im Stuhl zurück.

    „Nun, mein lieber Émile, was führt dich denn zu mir?"

    Larigole nickte verlegen. Es war lange her, dass er einfach so vorbeigeschaut hatte. Er nahm sich vor, dass nun öfters zu tun.

    „Du hast sicher mitbekommen, dass heute Morgen draußen im Austernpark von Moulin eine Leiche gefunden wurde. Es handelt sich dabei um Moulins Tochter Jeanne."

    Franc bejahte. In einem so kleinen Ort wie Cancale funktionierten die Buschtrommeln einwandfrei.

    „Was kannst du mir über die Familie erzählen?"

    Franc zog ein silbernes Etui aus der Hosentasche und bot seinem Freund ein Zigarillo an. Als beide vor sich hin pafften, antwortete er.

    „Die Moulins sind einfache Leute. Denis Frau starb vor einigen Jahren an Krebs. Seitdem ist Jeanne sein ein und alles. Es war ein riesiger Schock für ihn, als sie nach Paris zum Studieren ging. Aber sie kam jeden Monat nach Hause und kümmerte sich um ihren alten Herrn und die Austernzucht."

    „Wie ist dieser Denis?"

    Franc zog kräftig an seinem Zigarillo.

    „Ein netter Kerl. Ehrlich. Er hat mir manchmal ausgeholfen, wenn mein eigentlicher Lieferant, Marcus Defour, ausfiel!"

    Der Kommissar horchte auf. Den Namen hatte er heute schon einmal gehört. Er blätterte in seinem Notizbuch und fand ihn bald.

    „Defour soll Moulins größter Konkurrent und Feind sein. Weißt du etwas über diese Fehde?"

    Franc lächelte und machte eine wegwerfende Handbewegung.

    „Keiner der beiden, weder Moulin, noch Defour, sind besonders groß im Geschäft. Sie besitzen verhältnismäßig kleine Austernfarmen und können vom Gewinn gerade so leben. Es wäre daher lächerlich von Konkurrenz zu sprechen. Allerdings gärt ein alter Streit zwischen den beiden. Defour wird nachgesagt, ein Verhältnis mit Moulins Frau gehabt zu haben. Ein Jahr nachdem die Gerüchte aufkamen, wurde Jeanne geboren. Du verstehst also, warum Moulin nicht gut auf ihn zu sprechen ist."

    Larigole nickte nachdenklich. Handelte es sich hier um ein Familiendrama? War Denis Moulin vielleicht gar nicht Jeannes leiblicher Vater?

    „Lass uns davon ausgehen, dass Defour der leibliche Vater der Toten war und Denis wusste das. Hat er das jemals Jeanne spüren lassen?"

    Entschieden schüttelte Franc den Kopf.

    „Er hat sie geliebt, egal von wem sie war. Aber wie gesagt, Émile, es waren Gerüchte damals. Keiner hatte Beweise."

    „Hast du Jeanne in den letzten Tagen gesehen?"

    Franc nickte.

    „Sie hatte Semesterferien und kam vorbei, um zu fragen, ob sie bei uns etwas kellnern dürfte. Aber Chantal hat ihr gesagt, dass wir momentan voll besetzt sind. Früher hat sie manchmal ausgeholfen, ein fleißiges Mädchen."

    „Wirkte sie irgendwie verändert auf dich? Vielleicht ängstlich? Verstört?"

    „Nein. Sie war wie immer. Sie hatte vor, den Sommer über zu bleiben, hat sie meiner Frau erzählt. Ich habe sie danach einmal auf der Straße beim Einkaufen gesehen. Mehr kann ich dir leider nicht dazu sagen."

    Sie vernahmen wieder Schritte auf der Treppe, und Chantal trat erneut zu ihnen heran. In der Hand hielt sie eine überdimensional große Platte.

    „Unser Koch hat es sich nicht nehmen lassen, euch ein plateau de fruits de mer zu machen."

    Sie zwinkerte Franc verschwörerisch zu. Hingebungsvoll ließ Larigole seinen Blick über die Platte wandern. Er entdecke Kammmuscheln, einen halbierten Hummer, Langusten und gratinierte Austern. Etwas verborgen lugten Venusmuscheln, Garnelen und Meeresschnecken hervor. Umrandet wurde die Platte von zwölf Seeigeln, deren fruchtiges orangenes Fleisch ihn anlächelte. Chantal strich ihrem Mann liebevoll übers Haar und verschwand.

    „Ihr seid immer noch so verliebt wie am ersten Tag, oder?"

    Franc nickte lächelnd.

    „Sie ist wie ein guter Bordeaux. Je älter sie wird, desto besser wird sie."

    Die beiden Männer lachten und machten sich über das Essen her. Larigole griff zunächst zu einem Seeigel und löffelte sein weiches Inneres. Dann schnappte er sich eine Meeresschnecke und kämpfte ihr Fleisch mit einem Spieß heraus. Franc bestrich währenddessen etwas Graubrot mit gesalzener Butter und reichte ihm eine Scheibe. Das Klingeln seines Handys riss den Kommissar aus seiner genießerischen Trance. Er meldete sich und lauschte der aufgeregten Stimme seines Assistenten. Als er das Telefonat beendet hatte, hob er bedauernd die Schultern.

    „Es tut mir so leid, mein lieber Franc, aber die Pflicht ruft. Ich muss sofort in die Gerichtsmedizin. Aber ich kann dir sagen: Ich habe unser Austerngemetzel hier oben sehr genossen."

    Mit diesen Worten schnappte er sich eine mit Knoblauch und Öl gratinierte Auster und spießte sie auf eine Gabel. Dann erhob er sich und streckte Franc seine Hand hin.

    „Hab Dank für dieses tolle Essen. Richte Chantal meine Grüße aus, ich werde mich bald melden und dann kommt ihr mich in Saint Maló besuchen. Ich kann zwar nicht so gut kochen, aber wir haben einen tollen Marokkaner. Dort bekommt man das beste Couscous der ganzen Bretagne."

    Mit diesen Worten verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg zum Auto. Die Gerichtmedizin und Jeanne Moulins Leiche warteten auf ihn.

    ***

    „Sie war schwanger, Chef!"

    Larigole starrte Laurent überrascht an.

    „Schwanger? Haben wir irgendeine Ahnung von wem?"

    Der Gerichtsmediziner, ein großgewachsener Mann mit einem hervorstehenden Bauch, meldete sich zu Wort.

    „Für einen DNA-Test bräuchte ich irgendwas zum Vergleichen!" Der Kommissar blickte ihn genervt an.

    „Was haben Sie noch entdeckt, docteur?"

    „Nun ja …", der Arzt umrundete den Seziertisch, blieb am Kopfende stehen und faltete die Hände, so als ob er vor einer Horde Studenten im Hörsaal stünde.

    „Sie war ungefähr in der

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