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Das zweite Gesicht
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eBook265 Seiten3 Stunden

Das zweite Gesicht

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Über dieses E-Book

Eigentlich keine große Sache - ein Kauf, ein Eignerwechsel. Auch nicht bei Segelschiffen.
Aber 'loslassen können' muss man eben schon.
Und wenn man dazu neigt, Schiffe zu personifizieren und nicht weit davon entfernt ist, ihnen so etwas wie eine Seele anzudichten, wird es nicht einfacher.
Das weiß Achim Petersen alles. Zumindest in der Theorie.
Aber Per, der neue Besitzer, ist ein ebenso eigenwilliger Patron wie er. Und schleppt dazu noch einige Altlasten aus seiner Familiengeschichte mit sich herum.
Per macht es ihm nicht grade leicht, die restaurierte "Jan van Gent" aus seinem Gedächtnis zu verbannen, als er mit seiner Partnerin Mette noch spät im Jahr aufbricht nach Portugal.
Die Ereignisse, die mit dem Umbau des Schiffes beginnen, lassen Achim Petersen nicht nur nicht los. Sondern führen zu einem ungeahnten Selbsterfahrungstrip der besonderen Art.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum26. Sept. 2019
ISBN9783750207714
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    Buchvorschau

    Das zweite Gesicht - Henning Puvogel

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    Henning Puvogel

    Das zweite Gesicht

    Impressum

    Texte: copyright beim Autor

    Layout: Alexander Kaczorowsky

    Titelfoto vom Autor: Valhalla - Tresco

    Verlag: Henning Puvogel

    Streekmoorweg 3

    26316 Varel

    Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    1.

    Als Per Arne Andersson sich im Inneren der Kajüte aufrichtete, seinen roten Arbeitsoverall zurecht zog und seinen Halbbruder Achim das Werftgelände betreten sah, viel früher als erwartet, schwante ihm, dass der Tag gekommen war, Farbe zu bekennen.

    Aber dieser Gedanke störte ihn kaum noch. Jetzt war der Moment eben da.

    Vielleicht hatte er selbst auf dieses Zusammentreffen hier im Schiff, diese Entwicklung der Dinge hingesteuert, halb unbewusst. Er spürte eine Art bange Neugier, gepaart mit Erleichterung. Zu lange hatte er alles allein mit sich herumgetragen.

    Er hatte damals eben einen Fehler gemacht. Und nun hing ihm das Ganze bleischwer am Hals. Wenn das jemand verstand, dann Achim… und der konnte Dinge für sich behalten.

    Per legte die Sperrholzplatte, die hochkant am Schott bei der ausgebauten Schiebetür gestanden hatte, wieder auf den Boden, stellte sich darauf und warf erneut einen Blick aus den leeren Fensteröffnungen der Decksaufbauten.

    *

    Dort tastete sich Achim Petersen vorsichtig die schräge Ablaufbahn mit den schlüpfrigen Schienen herunter, wo das Schiff, der Bug leicht nach oben weisend, ohne Masten auf dem Slipwagen stand.

    Er trug noch seine Reisekleidung – Jeans, dicklederne Stiefeletten mit Reißverschluss und ein helles Hemd unter der Lederjacke.

    Wenn man nicht fliegen wollte, war es keine ganz kurze Reise von Norddeutschland hierhin an die Südküste Norwegens. Auch dann nicht, wenn man die Fähre Skagen – Kristiansand nahm.

    Jetzt blieb Achim unten vor dem verzinkten Stahlkasten des ausgebauten Trinkwassertanks stehen, warf einen Blick auf den asymmetrischen Klotz des Dieseltanks daneben, aus dem wie herausgerissene Eingeweide die Anschlussleitungen und Schläuche heraushingen, hob eine Ecke der grünen Kunststoffplane an, mit der die demontierte Maschine abgedeckt war und sah hoch zu dem gerundeten Rumpf, der, ganz von außen gesandstrahlt, matt und silbrig in der Vormittagssonne glänzte wie ein Neubau.

    Er erkannte sein ehemaliges Schiff wieder am klassischen Riss – der lange Kiel mit dem geschwungenen Vorfuß und dem integrierten Ruder. Aber so hatte er es noch nie gesehen, und sein Herz begann zu klopfen.

    Es reckte so unnachahmlich stolz die Nase hoch.

    Sein neuer Eigentümer war vom Fach, die Rechnung war aufgegangen.

    Er würde es gründlich und fachmännisch restaurieren, den Originalzustand beachten und dabei nie mit etwas verschandeln, was in solch klassische Seekreuzer nicht hinein gehörte.-

    Eine breite Werfttreppe mit Podest stand am Schiff und führte von der Seite her an Deck, und nun hatte er Pers Kopf, der sich innen just aufrichtete, durch die Fensteröffnungen entdeckt. Er preite einen lauten Gruß hoch, bevor er in wenigen Sätzen die Stufen nahm und, mit einiger Mühe und sehr langem Arm, in die ausgestreckte Hand klatschte, die der andere ihm fatalistisch grinsend aus dem Inneren der Kajüte entgegenstreckte.

    Beide Hälften der hölzernen Tür waren herausgenommen und lagen auf dem gestrahlten Dach der Achterkabine, wo jetzt blanke Schweißnähte zu sehen waren.

    Zwischen den beiden Männern, in der Plicht, gähnte wegen des fehlenden Motors und des ausgebauten Kraftstofftanks ein leerer Schacht. Achim stellte sich mit gespreizten Beinen auf das schmale Süll zu beiden Seiten.

    Unter sich, wo die jetzt herausgenommene, schallisolierte Stahlplatte den Boden des Mittelcockpits gebildet hatte, sah er tief hinein in den Schiffsbauch. Außenhaut, Spanten und Stringer glänzten in frischer hellgrauer Farbe. Dick einkonserviert ganz unten die schweren Fundamente, bereit, den generalüberholten Diesel, das Wendegetriebe und den Tank wieder aufzunehmen. Farbnasen hier und dort, die durch die Bohrungen für die Zuganker heruntergelaufen und eingetrocknet waren. Zwei nagelneu blinkende Absperrventile für die Schläuche des selbstlenzenden Cockpits waren installiert. Schwarzglänzende Kabelstränge, mit roten Kabelbindern sauber in regelmäßigen Abständen zusammengeschnürt, verschwanden im Motorraumschott, Richtung Schalttafel.

    „Vorsicht – nicht drauftreten! Noch zu frisch…" -

    „Kann man riechen, Mann. Hätte ich mich auch gar nicht getraut – höchstens auf weißen Socken! Ich komm mal ’rein da zu dir – obwohl, sieht auch ziemlich leer aus…"

    Sie sprachen Englisch miteinander. Sie waren keine gewöhnlichen Brüder.

    Per war Norweger, Achim Deutscher - keiner beherrschte die Muttersprache des anderen. Aber ihr Beruf verband sie: beide waren sie Nautiker und Seeleute.

    Sie hatten sich erst vor einigen Jahren kennen gelernt und waren nicht zusammen aufgewachsen – hatten gar nichts voneinander gewusst. Die Seefahrt hatte sie zusammengeführt.

    Sie hatten verschiedene Mütter, aber denselben Vater. Bei Pers Zeugung war er Besatzungssoldat in Norwegen gewesen, bei Achims Gewerbelehrer in der kleinen deutschen Hafenstadt an der Nordsee, wo seine Familie lebte.

    Ein bisschen zögerlich gab Per nun den Eingang frei, und Achim turnte auf den schmalen Kanten zur Türöffnung, griff hinein, hielt sich an den Handgriffen unter der Decke am Niedergang fest und ließ sich in den Salon hinunter. Die Treppe fehlte.

    Sie standen tief unten, fast auf dem Kiel – der ausgebaute Trinkwassertank machte sich bemerkbar.

    Schotten und Holzverkleidungen waren abgenommen. Nackt und leer gähnten die Fensteröffnungen. Handfeger, Schaufel auf dem Boden, ein Pappkarton fungierte als Mülleimer; darin haufenweise abgeschnittene, herausgerissene alte Kabel unter Zementbrocken und Staub, Farb- und Rostplacken, die darüber ausgeschüttet worden waren. Zwei farbbekleckste Halogenstrahler standen in ihrem Kabelgewirr herum, einer umgekippt.

    Zu beiden Seiten ragten S-förmig geschwungene Spanten wie Gerippe in den knapp vier Meter breiten Raum.

    Jetzt, da alles freigelegt war, sah man abgeplatzte Farbe und rostige Stellen innen an der Bordwand. Der Salontisch und die breiten Sofakojen waren fort, der Kartentisch in der Navigationsecke, die Kombüse mit Herd und Spülbecken waren fort, und als Fußboden diente eine längliche, grob zugeschnittene Sperrholzplatte. Ein großer, leerer Raum.

    Die beiden Männer standen voreinander und musterten sich einen Moment - verhalten, aber freundschaftlich forschend. Vor Wochen hatten sie sich hier an der Werft getrennt, als sie sich einig geworden und das Schiff zusammen übers Skagerrak hergesegelt hatten. –

    Sie schienen etwa gleich alt. Sahen sich nicht grade ähnlich, waren aber vom gleichen Typ - glichen sich wie Männer, die Herkunft, Beruf und Umgebung auf bestimmte Weise geformt hatten. Handfeste, wettergebräunte Erscheinungen, die keinen Binnenländer, der sich auf die Brücke eines Frachters verirrt, überraschen, wenn man sie dort antrifft. Offene, großflächige Gesichter, die man dort so oder ähnlich erwartet. Nordeuropäer, reichlich über die Lebensmitte hinaus.

    Pers dichtes Haar war zu einer eisengrauen Bürste geschnitten. Er hatte gut geformte Züge mit einer scharfen, senkrechten Stirnfalte, die kaum jemals wich; breite Kieferknochen und ein starkes Kinn, das ein Grübchen aufwies. Er war einen halben Kopf größer, auch breitschultriger als Achim. Silbrige Bartstoppeln sprossen auf seinen festen, gebräunten Wangen und unterstrichen den Kontrast zu auffallend hellblauen Augen.

    Achims überwiegend weiß meliertes, welliges Haar war ein bisschen zu lang, nur der Schnäuzer wies noch Spuren von blond auf. Ein leicht skeptisches Lächeln überzog häufig sein Gesicht, das viele Fältchen besonders um die Augenpartie aufwies - wich aber genauso schnell einem entwaffnenden Grinsen. Einige tiefe Narben fanden sich auf seinen Wangen, die man eher bei panamaischen Despoten erwartet hätte, und bildeten einen merkwürdig unpassenden Gegensatz zu seinem offenen Blick, zu seinem mitunter fragend naiv wirkenden Gesichtsausdruck.

    Auffällig bei beiden waren die weit auseinander stehenden Augen.

    Dem langjährigen Angestellten einer öffentlichen Verwaltung wären sie vielleicht als ein bisschen verwegene Gestalten im Gedächtnis haften geblieben.

    „Hier bist du jetzt dran… ganz schön was passiert in den paar Tagen! Alles neu verkabeln?"

    Per nickte.

    „Aye – und von innen sandstrahlen. Hier drin, und vorn noch. Morgen geht’s los. Achterkabine ist schon fertig, auch neu lackiert… schön geworden! Wollen wir schauen?"

    Pers Hand wies nach draußen.

    Aber Achim rührte sich nicht.

    Plötzlich hatte er so ungewohnt viel Kopffreiheit über sich - und alles, alles ab- und ausgebaut... sie standen quasi auf dem Bleikiel, über dem sonst flächendeckend der große Trinkwassertank an den Spanten verschweißt gewesen war. Und darüber die dicke, herausnehmbare Fußbodenplatte.

    Er blickte sich um, sah über sich die beiden dunkleren, nicht von Licht und Salzluft ausgebleichten Kreise auf dem gemaserten Holzschott, wo neben dem Barografen in der Ecke jahrelang die Glasenuhr und das Barometer angeschraubt gewesen waren und schüttelte den Kopf, halb ungläubig, aber anerkennend:

    „So gehst du da also ’ran…Respekt! Wenn das auch so wird wie der Motorraum … was machst du mit der Holzverkleidung da, beim Strahlen? Das wird ja ’ne Mordsschweinerei hier drinnen – machst du das selbst?"

    „Wird abgedeckt. Das einzige Schott, das drin bleibt. Achtern ist alles fertig und jetzt in heller Esche verkleidet - hab ich selbst gemacht. Mette wollte nicht in so ’ner Mahagonigruft schlafen…aber das Abblasen hier ist nicht so schlimm. Für innen gibt’s kleinere Strahlgeräte. Das macht Trygve, der ist Spezialist. Kommt in jede Ecke und jeden Winkel mit seiner Düse. Dafür brauchst du Erfahrung - siehst kaum noch was hier drin unter der Schutzausrüstung, wenn du loslegst – trotz Strahlern… aber es lohnt sich."

    Nervös fummelte Per nach dem Reißverschluss seines roten Monteurkombis und zog ihn ein Stück weit herunter. Es wurde warm, auch heller; plötzlich sah man Stäubchen in der Luft schweben. Die Augustsonne hatte die Fensteröffnungen erreicht - es würde ein heißer Tag werden.

    „Und Mette? Wo ist die? Hab’ vorhin nur den Seniorchef getroffen, als ich aus dem Wagen stieg und ins Kontor ging, die Pläne abgeben. Und der sagte, ihr seid beim Schiff."

    „Mette - ist für ein paar Tage in Kopenhagen, kehrt erst am Samstag zurück. Sie kommt nicht so schnell aus ihrem Job ’raus… jetzt haben sie endlich eine Nachfolgerin. Aber die muss erst eingearbeitet werden. Das ist alles nicht mal eben so, bei amnesty… und sie will neue Vorhänge mitbringen, fürs ganze Schiff. Sie kennt da einen Laden - hat den Stoff ausgemessen und Muster ausgesucht. Näht sie selbst – alles verschiedene Größen!"

    Achim nickte, scharrte mit der Stiefelspitze an der Bordwand herum und trat ein paar vorsichtige Schritte nach vorn, um einen Blick in den Durchgang zum Vorschiff zu werfen, wo Waschraum, Toilette und der große Kleiderschrank angeordnet waren. Die lose Sperrholzplatte unter seinen Füßen wackelte unter seinem Gewicht und legte sich knackend schief.

    „Vorhänge - so weit seid ihr ja noch nicht… hier unten sieht’s ja noch ziemlich happig aus! Das Ausbauen der ganzen Verkleidungen und Inneneinrichtung stell ich mir schlimm vor… ohne was kaputt zu machen. Das muss doch alles wieder ’rein!"

    „Halb so wild. Wir kennen das – wenn du weißt, wo die Schrauben sitzen, wo der Leim saß… und der ist alt. Innenausbauer arbeiten ähnlich, überall. Und oft kannst du besser was neu machen, wenn erst mal alles draußen ist. Geht schneller."

    Achim drehte sich um und bückte sich:

    „Geh mal ein Stück beiseite, von der Platte ’runter – lass mal sehen, wie der Kiel mit meiner schönen Betonfarbe aussieht!"

    Er wartete, bis der andere seitlich zwischen zwei Spanten auf die Schräge getreten war und kippte die provisorische Sperrholzplatte hoch. Und starrte konsterniert nach unten:

    „Und hier – warum das jetzt? Willst du denn - die Deckschicht auch erneuern? Wolltest den Bleikiel freilegen…? Oder soll da noch ’ne zweite Bilgepumpe…"

    Die dicke, mit Spezialfarbe versiegelte Betonschicht, dieser etwas wellige Estrich, der über die ganze Länge der Kajüte den eingegossenen Bleiballast abgedeckt hatte und in dem die Spanten nahtlos nach unten verschwanden, war mittig aufgemeißelt. Ein Rechteck von der Größe eines Schuhkartons war herausgestemmt, die Kanten grob geglättet. Der Boden war mit der Drahtbürste bearbeitet worden. Irgendetwas schimmerte grau durch – vielleicht der Bleiballast.

    Achim vergaß ganz, die Holzplatte abzulegen und hielt sie weiterhin, während er den anderen skeptisch ansah.

    „Das… hätte ich ja nun nicht angefasst, Mann. War doch alles schön versiegelt – kuck mal hier an den Seiten! Nahtlos, da passt keine Messerklinge dazwischen. Kein Tropfen Schwitzwasser kann da reinlaufen… und die Farbe ist doch auch noch gut! Einmal kurz drüberstrahlen am Ansatz, und das wär’s gewesen." –

    „Da kommt noch was ’rein. Zusätzlicher Ballast."

    Per nahm Achim sanft die Sperrholzplatte aus der Hand und legte sie zur Seite ab, auf die Spanten. Dann trat er an ihm vorbei in den Durchgang nach vorn. Das Waschbecken der Toilette war als einziger Einrichtungsgegenstand noch angebaut, und er griff mit beiden Händen hinein und nahm ein längliches Paket heraus, das in einen öligen weißen Lappen eingewickelt war.

    Er reichte es, nun mit einer Hand, mit einem kleinen Schwung an Achim weiter:

    „Hier, nimm mal. Vorsicht, nicht fallen lassen… ist schwer."

    Der griff erst mit einer, dann überhastet mit beiden Händen zu. Trotzdem wäre ihm das Ding um ein Haar heruntergefallen, er bückte sich in der gleichen Bewegung und legte es nach unten ab, neben das frische Loch. Ein dumpfes Rumpeln erklang, und fast hätte er sich einen Finger eingequetscht.

    Er richtete sich auf und sah sich nach etwas um, an dem er die öligen Hände abwischen konnte. Kopfschüttelnd blickte er auf Per, der einen Lappen aus seinem Arbeitskombi zog und ihm herüberreichte:

    „Das hätte ich nie gemacht. Was soll das – alles aufstemmen deswegen…! Da sind fünf Tonnen von dem Zeug drin! Was sollen die paar Kilo da noch…"

    „Davon nicht."

    Per bückte sich und zerrte den Lappen herunter, der einige Male herumgewickelt war.

    Die Rückseite eines massiven Barrens kam zum Vorschein, in durchsichtige Plastikfolie eingeschweißt. Es klonkerte dumpf, als er ihn noch einmal herumdrehte. Ein Firmenname war eingeprägt – HERAEUS und daneben Zahlen: 12.449,2 und 99,99.

    Achim Petersen starrte sprachlos auf das glänzende, strahlend gelbgleißende Ding, das wie ein Fremdkörper zwischen ihnen lag. Abweisend, makellos, kalt. Keine Sache, die jemals zu seinem und Annekes Leben gehört hatte - noch jemals gehören würde. Ein frappierend unwirklicher Anblick.

    Wie ein Stich durchfuhr ihn Enttäuschung und heftige Abwehr in einem. Ihm mit so etwas zu kommen - hier, in dieser vertrauten Umgebung… das war keine angenehme Überraschung.

    „Das raff ich jetzt irgendwie nicht, Mann. Ist das ’ne Attrappe? Hast du Fort Knox geplündert? Wo hast du den her? Und das soll da - unten ’rein?"

    Fast hätte er „…in mein Schiff" gesagt.

    Er schüttelte unbehaglich den Kopf und unterdrückte den Wunsch, einfach jetzt gleich die noch fehlenden Papiere zu übergeben, die ausgeräumte Kajüte zu verlassen und nach Hause zurückzukehren.

    Hiermit hatte er definitiv nichts zu tun.

    Dabei hatte sich alles so gut angelassen zwischen ihnen.

    Warum machte ihn der andere bei diesem hanebüchenen Ding zum Mitwisser… das änderte alles. War ebenso überraschend wie auch irgendwie abwegig. Jetzt, nach dem Kauf kam er mit so etwas heraus… das hatte, gelinde gesagt, einen ziemlich üblen Beigeschmack.

    Er kannte Per wohl doch viel weniger, als er geglaubt hatte. Fast war er ihm nach dieser Eröffnung, nach dieser Wendung der Dinge ein wenig unheimlich.

    Der hatte ihn beobachtet und nickte düster, als habe er diese verständnislose und ablehnende Reaktion erwartet und ahnte, dass ihre neue Freundschaft, ihr so besonderes, grade gefundenes Verhältnis auf eine harte Belastungsprobe gestellt würde.

    Er bückte sich, wickelte den Barren wieder ein, schob ihn in das ausgestemmte Loch und griff nach der Sperrholzplatte, um sie zurück zu legen und das Ganze zu verdecken.

    „Viele Fragen auf einmal. Ist eine lange Geschichte. Irgendwie banal, und doch verteufelt beschissen… und dabei hab’ ich mich nicht grade mit Ruhm bekleckert. Fällt mir nicht leicht, damit ’rauszurücken… weiß auch sonst niemand. Aber ich will, dass du das erfährst. Ich brauch deinen Rat dazu. Seitdem das Ding da ist, in meinem Besitz – ist alles verändert. Mehr, als ich mir je hab’ vorstellen können. Aber ich kann’s ja nun nicht wegschmeißen…!"

    Achim warf ihm einen Blick zu, als zweifle er an seinem Verstand. Als habe er es mit einem völlig Fremden zu tun.

    „Doch, im Ernst, glaub’s oder glaub’s nicht… da hab’ ich schon dran gedacht – einfach versenken! Kerbe in den Schandeckel - und fier weg die Scheiße, auf fünfhundert Metern Tiefe, in der norske renna. "

    „Du hast vielleicht Probleme - mir kommen gleich die Tränen, Mann! Wegschmeißen… jetzt hab’ ich mal ’ne Frage, warum habt ihr denn mein Schiff gekauft? Wenn so’n Ding bei dir im Tresor liegt? Das ist doch mindestens genauso viel wert! Was sollte das alles?"

    „Oh Mann, du hast wirklich keine Ahnung. Komm, lass uns das irgendwo in Ruhe bereden. Ich will’s dir ja erzählen! Aber nicht hier, wo jederzeit jemand kommen kann…"

    Aber Achim war nicht in der Stimmung, auf Pers Vorschlag einzugehen.

    „Warum nicht hier? Wenn überhaupt noch… und diese nervige Heimlichtuerei! Ist da irgendwas – Ungesetzliches im Spiel? Warum hast du nie vorher was gesagt? Wenigstens angedeutet? Das ändert doch alles! Irgendwie – scheinheilig kommt mir das vor…gefällt mir überhaupt nicht. Du hast nicht mit offenen Karten gespielt, und ich hab’ dir wie ein Schaf vertraut."

    Er wandte sich ab und blickte hinaus auf das sonnenbeschienene Werftgelände. Als er weitersprach, schwang ein bitterer Unterton in seiner Stimme mit.

    „Aber das soll mir eigentlich egal sein - kannst ja mit deinem Schiff machen, was du willst. Die Überweisung hab’ ich bekommen, übrigens. Die zwanzigtausend, danke dafür. Die fehlenden Pläne sind im Kontor." Er warf seinem Gegenüber einen Blick zu, in dem Misstrauen und vor allem Enttäuschung unübersehbar war.

    Mit so viel konsternierter Abwehr schien Per nicht gerechnet zu haben.

    „Ich hole es ja nach jetzt – spiele mit offenen Karten! Ich will ja, dass du alles erfährst. Das Teil da unten ist nie in irgendeiner Planung für unsere Reise, für unser Schiff drin gewesen. Mette weiß nichts davon und hat nie etwas darüber gewusst. Thyra auch nicht, hoffe ich… und ich hab auch nicht vor, das zu ändern. Ja, du hast richtig gehört. Und da gehen die Probleme schon los. Aber, falls es dich beruhigt - das Ding gehört schon mir, das wird nirgendwo vermisst! Weiß schon, dass sich das ziemlich seltsam ausnimmt. "

    Er wischte sich ausgiebig die Hände mit dem

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