Griechenland – Merkels Alptraum
Von Horst Buchwald
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Buchvorschau
Griechenland – Merkels Alptraum - Horst Buchwald
Horst Buchwald
Griechenland – Merkels Alptraum
Eine Chronologie des Scheiterns
Buch 1
Impressum
© Februar 2015
Horst Buchwald
Journalist
Wilhelmshavener Str. 57
10551 Berlin
Tel: 030 915 51 229
Mobil: 0151 432 605 91
Mail: hobuchwald@web.de
Published by: epubli GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-7375-3255-6
Über den Autor
Horst Buchwald ist Wirtschaftsjournalist. Er hat veröffentlicht in: Wirtschaftswoche, Capital, Telebörse und Focus sowie verschiedenen Tageszeitungen wie Tagesspiegel, Berliner Zeitung und taz. Im vergangenen Jahr hat er das Ebook „Killt Spanien den Euro?" veröffentlicht. Auf www.finanzkrisen-news.de bloggt er Beiträge zu den weltwirtschaftlichen Entwicklungen mit Schwerpunkt auf Europa.
Über das Buch
Dieses Buch behandelt den Zeitraum von September 2008 bis Ende 2011. Wer nach den Ursachen des griechischen Verschuldungsdesasters sucht, findet sie hier. Zunächst hat die griechische Politikerkaste aus den Parteien Nea Demokratia und Pasok das Land an den Abgrund gewirtschaftet. Stichworte: Klientelismus, Korruption, Reformfeindlichkeit, Steuerflucht. Dann hat EU-Elite Griechenland den Euro beschert, obwohl das Land nicht wettbewerbsfähig war und wichtige Kriterien für den Euro-Beitritt nicht erfüllte. Entscheidend war jedoch das Jahrhundertgeschäft der Finanzindustrie mit griechischen Staatsanleihen. Erst dadurch stiegen die Schulden auf ein Niveau, daß eine Rückzahlung kaum noch möglich machte. Doch die EU-Elite – allen voran die Kanzlerin – lehnte eine Umschuldung ab. Stattdessen setzte sie auf Rettungspakete. Damit eröffnete sie der Finanzindustrie die Möglichkeit, ihre risikobehafteten Griechen-Bonds abzustoßen. Die Europäische Zentralbank war einer der Großeinkäufer. Hauptgläubiger sind jetzt die europäischen Steuerzahler. Nun glaubt man in den europäischen Regierungszentralen, das Feuer auf dem Olymp mit einem Austeritätskurs löschen zu können. Kann das gelingen?
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Impressum
Über den Autor
Über das Buch
Zum Einstieg
„Der deutsche Egoismus ist kriminell, er verlängert die Krise"
Wie es begann: Aufstand der Wohlbehüteten
Kapitel 1: Die gefährliche Gier der Banken
Aus der Maus wird ein Elefant
„Wir rechnen mit weiteren Turbulenzen"
Die Banken und ihre Angst vor dem Untergang
Die Schuldentragfähigkeit
„Wenn es hart auf hart kommt …"
Griechen entdecken ökonomisches Zaubermittel
Die Deutsche Bank bittet die Steuerzahler zur Kasse
Die EU-Kommission verordnet Griechenland ein hartes Sparprogramm
Wie die Spekulanten die Angst vor dem Dominoeffekt nutzten
„Der Markt" und die Verschuldungsorgie
Merkel kritisiert die Spekulanten
Jetzt droht ein Blitzbankrott
Merkel will Spekulanten „das Handwerk legen"
Die Antwort der Banken: Wir zeigen, wo es langgeht
Die EU-Elite kapituliert vor den Banken
Die Amerikaner setzen Merkel das Messer auf die Brust
Kapitel 2: Die Sozialisierung der Schulden beginnt
Papandreou gibt auf
Krasse Mißverhältnisse
„Die europäische Schuldenkrise wird global"
EU beschließt Multi-Milliarden-Stütze für den Euro
Größtes Stoppschild oder unsolides Bollwerk?
Europas Deppen
Kapitel 3: Ackermanns Spiel mit der „Kernschmelze"
Der Coup von Merkel und Ackermann
Merkel im Kreuzfeuer
Verschwörung der Eurogegner?
Kapitel 4: Griechenland spart sich kaputt
Griechenland bleibt weiterhin in der Schußlinie
Griechenland spart sich kaputt und verschlampt Reformen
Griechisches Defizit höher als gedacht
Kapitel 5: 2010 war hart, 2011 wird härter
2011 – Das Jahr der Umschuldung
Großspurige Ankündigungen – alles nur Luft
Drastischer Sparkurs bringt nichts
Schuldenschnitt oder Umschuldung – wie geht es weiter?
Griechenland schockiert mit Riesendefizit
Riesenschock: Papandreou droht mit Austritt
Wie groß wären die finanziellen Risiken für Deutschland?
Schäuble für Laufzeitverlängerung
Die Sozialisierung der Schulden beginnt
Schäuble stößt in Europa auf Widerstand
Alles läuft aus dem Ruder
Top-Ökonomen nennen die Alternativen
Kapitel 6: Verhärtete Fronten
Europäischer Offenbarungseid
Neuer griechischer Finanzminister: „Ich ziehe in den wahren Krieg"
Eurominister zögern Griechenhilfe hinaus
Sehnsucht nach neuen Politikern
Löst Griechenland eine globale Finanzkrise aus?
Das zweite Hilfspaket: „Griechenland muss liefern"
Ackermann und die Kernschmelz-Drohung
Die Mogelpackung der Banken
Hilfe der Banken wird zur Farce
Merkel: „Die Lage ist extrem fragil"
Herbstbilanz: Griechen glauben nicht an Erfolg des Spardiktats
Es gibt keinen Spielraum
Griechische Medien greifen Schäuble an
Papandreou kämpft einsam gegen die Wut der Massen
Was folgt auf die Pleite Griechenlands? Eine Bankenkrise
Jetzt geht es um alles oder nichts
Griechenland verfehlte erneut das Sparziel
Mit Finanzhebel gegen Kernschmelze
IWF will Rettungspaket für Griechenland nachbessern
Kapitel 7: Nun droht noch eine Bankenkrise
Staaten oder Banken retten – was ist billiger?
„An der Wegscheide" – oder wie (gut) arbeitet die Troika?
Schäuble und Issing im Streitgespräch: Sollen die Griechen raus aus dem Euro?
Troika verpasst Griechenland Gelbe Karten
Neue Runde: Banken gegen Staaten
Die Entgegnung der Banker
Ackermann verhandelt über Griechen-Pleite
Ausschreitungen in Athen
Die Mittelschicht wird ausgelöscht
Troika-Bericht setzt Banken unter Druck
Banken torpedieren Gipfel-Einigung
Kapitel 8: Papandreou stellt sich eine Falle
Der Schock
Papandreou verteidigt Referendumsplan
Schäuble: Unterstützung für Griechenland
Griechenland: Entlassungen in Armee und Marine
Deutsche Banken vertagen Zustimmung zu Schuldenschnitt
Merkel und Sarkozy bändigen die Griechen
Welche Folgen hätte zum damaligen Zeitpunkt ein Austritt der Griechen aus der Eurozone gehabt?
Papandreou wird gestürzt
Vier schlechte Nachrichten zum Jahresausklang
Zum Einstieg
Man hätte auf jene hören sollen, die schon frühzeitig der Meinung waren, daß es ein Fehler war, Griechenland in die Währungsunion aufzunehmen. Diese Mahner gab es auch in Deutschland. Doch man nahm sie nicht ernst. Ein gutes Beispiel dafür war die Bundestagsdebatte vom 23. April 1998. Die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth freute sich, weil „im Hinblick auf den Gegenstand unserer Debatte, heute ein so schöner Sonnentag ist. Sie ist sich ganz sicher: „Heute ist ein guter und wichtiger Tag für Europa und für uns. Ich hoffe, wir kommen zu besten Ergebnissen.
Was war da los? Zur Diskussion stand der „Beschluß der Bundesregierung zur Festlegung des Teilnehmerkreises an der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion".
Den Auftakt machte Finanzminister Theo Waigel. Er kam gleich zu Anfang auf den Punkt: „Seit dem 25. März 1998 liegen mit den Konvergenzberichten der Europäischen Kommission und des Europäischen Währungsinstituts die nach dem Vertrag vorgesehenen Entscheidungsgrundlagen auf dem Tisch. Am 27. März hat die Deutsche Bundesbank ihre Stellungnahme zur Konvergenzentwicklung veröffentlicht. Die Kommission empfiehlt dem Rat, zu bestätigen, daß elf Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllen. Die Ausnahmen sind Griechenland, Großbritannien, Schweden und Dänemark. Die drei letztgenannten Länder haben politisch entschieden, der Währungsunion zunächst noch nicht beizutreten."
Und Griechenland? Klar, die Griechen erfüllten die Konvergenzkriterien nicht. Waigel schenkte auch dazu reinen Wein ein: „Die vorgelegten Konvergenzberichte bestätigen: In Europa hat sich eine breite Stabilitätskultur entwickelt. Der Preisanstieg ist auf einen historischen Tiefstand gesunken. Die durchschnittliche Inflationsrate in der Europäischen Union lag im letzten Jahr bei nur noch 1,6 Prozent. Zu Beginn der 80er Jahre waren es noch rund 13 Prozent. Nächster Punkt: Zahlreiche Experten hätten „im Vorfeld der Währungsunion dramatisch steigende Zinsen erwartet. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben die niedrigsten Zinsen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Was an der Preisfront und im Zinsbereich erreicht wurde, ist eine großartige Erfolgsgeschichte deutscher Finanzpolitik.
Dann ging er auf die Haushaltsdefizite ein. „Den Referenzwert für das öffentliche Haushaltsdefizit in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat 1997 mit Ausnahme von Griechenland kein Mitgliedstaat überschritten. Im EU-Durchschnitt fiel die Neuverschuldung von 6,12 Prozent 1993 über 4,2 Prozent 1996 auf 2,4 Prozent im letzten Jahr. Und wie stand es um die Schulden der Staaten? Waigel betonte, hier müsse er „Einschränkungen
machen. „Der Referenzwert in Höhe von 60 Prozent des BIP wurde im letzten Jahr nur von Finnland, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg unterschritten. In einigen anderen Ländern lag die Schuldenstandsquote zwischen 60 und 70 Prozent. In Deutschland war die Überschreitung mit 61,3 Prozent am geringsten".
Fassen wir zusammen: Griechenland erfüllte mindestens zwei Konvergenzkriterien nicht. Also hätte man das Land nicht aufnehmen dürfen. Hat das irgendein Bundestagsabgeordneter oder Minister in der Aussprache gefordert? Kein Wort davon. Ganz im Gegenteil. Das Problem Griechenland wurde einfach schöngeredet. Der damalige CDU-Shootingstar Friedrich Merz etwa führte aus: „Dieses Europa, diese Bundesrepublik Deutschland stehen in den nächsten Tagen vor einem Quantensprung ihrer Geschichte. Dieser Einschätzung wollte Bundeskanzler Kohl nicht nachstehen: „In der Politik gerät man häufig in die Versuchung, von säkularen Ereignissen, von Jahrhundertereignissen zu sprechen. Dies ist ein solches Ereignis.
Selbstverständlich sind an Kohl die Einwände gegen die Aufnahme der Griechen nicht spurlos vorübergegangen. Er kannte also die Risiken. Doch ein Problem sah er im Falle einer Pleite des Landes nicht. Warum nicht? Ohne Griechenland zu nennen (aber welches andere Mitglied konnte sonst noch gemeint sein?) hob der Kanzler einen Punkt von „großer Bedeutung hervor: „Meine Damen und Herren, nach der vertraglichen Regelung gibt es keine Haftung der Gemeinschaft für Verbindlichkeiten der Mitgliedstaaten und keine zusätzlichen Finanztransfers.
Was heißt das? Für Kohl war damit jegliches Risiko vom Tisch. Für den Fall, daß ein Eurozonen-Mitglied in die Pleite abrutscht, fließt kein Geld zur Unterstützung aus deutschen Kassen. Das Mitglied muß alleine sehen, wie es klarkommt. Der deutsche Steuerzahler kann ruhig schlafen. Heute wissen wir: Es kam alles anders. Wie das möglich war, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
„Der deutsche Egoismus ist kriminell, er verlängert die Krise"
Es ist Mitte Juli 2011. In den Regierungszentralen der EU herrscht Säuernis. Seit Monaten streiten sich die Spitzenpolitiker über Griechenland. „Das Faß ohne Boden" hing wie ein Mühlstein über dem bevorstehenden EU-Gipfel. Im Kreuzfeuer stand die Krisenstrategie der deutschen Kanzlerin. Auf den Punkt gebracht hieß sie: Rettungspakete plus Spardiktat. Sie funktionierte nicht, denn die ökonomische und soziale Lage der Griechen hatte sich trotz des Hilfspakets vom Frühjahr 2010 nicht verbessert, sondern extrem verschlechtert. Die Schulden des Staates waren gestiegen, die Arbeitslosigkeit erreichte einen Rekord nach dem anderen. Ein Generalstreik folgte dem nächsten. Von einer Schuldentragfähigkeit (dazu gleich mehr) war das Land weiter denn je entfernt. Griechenland drohte die ewige Pleite.
Der Wirtschaftsexperte und CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch brachte das damals in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche kurz und bündig auf den Punkt: „Griechenland hat 230 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt, inzwischen 360, vielleicht 370 Milliarden Gesamtschuldenstand, Steuereinnahmen von 45 Milliarden und einen Zinsdienst von 25 Milliarden Euro. Das ist mathematisch unlösbar. Ich kenne niemanden außerhalb der Politik, der das anders sieht.
(Wirtschaftswoche, 19.9.2011)
Es lag also nahe, daß einige Politiker und Ökonomen Alternativen ins Spiel brachten. In Stichworten waren das: Insolvenz mit anschließendem Euroaustritt, Umschuldung sowie Schuldenschnitt. Doch in der Berliner Regierungszentrale rührte sich nichts. Die Kanzlerin bestand auf der Fortsetzung ihres Spardiktats. Gleichzeitig erweckte sie den Eindruck, daß sie sich den bevorstehenden EU-Gipfel eigentlich schenken könnte. Warum? Weil der „große europäische Befreiungsschlag nicht gelingen werde. Was das sein sollte, blieb ihr Geheimnis. Vielleicht hatte sie das den anderen EU-Regierungschefs auf geheimen Kanälen mitgeteilt, ohne daß davon etwas an die Öffentlichkeit gelangte. Denn wer nun Proteste aus Madrid, Rom, Athen oder Lissabon erwartete, wurde enttäuscht. Es blieb mucksmäuschenstill. Die Mehrheit kuschte vor der „mächtigsten Frau der Welt
(Forbes). Nur zwei wagten sich nach vorn – der französische Präsident Sarkozy und der frühere Kanzlerberater Horst Teltschik.
Beginnen wir mit Sarkozy. Auf dem Tisch lag die Frage einer substantiellen Beteiligung privater Gläubiger (also Banken, Hedgefonds, Versicherungen, Pensionsfonds und Superreiche) an einer Umschuldung Griechenlands. Während Merkel