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BMW – Dem Konkurs entronnen ...: Die Geschichte der Automarke seit 1960
BMW – Dem Konkurs entronnen ...: Die Geschichte der Automarke seit 1960
BMW – Dem Konkurs entronnen ...: Die Geschichte der Automarke seit 1960
eBook371 Seiten4 Stunden

BMW – Dem Konkurs entronnen ...: Die Geschichte der Automarke seit 1960

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Über dieses E-Book

Sie möchten keine "Hofberichterstattung" lesen und erst recht keine Marketingphrasen?

Dann könnte das Buch "BMW – Dem Konkurs entronnen ..." Ihren Geschmack treffen, denn: In diesem Buch wird der anstrengende Weg der Marke BMW sowie der BMW Group mit nahezu vergessenen Fakten, vielen aufschlussreichen Zitaten, spannenden Hintergrundinformationen sowie zahlreichen Bildern von 1960 bis heute nachgezeichnet.

BMW steht heute als Global Player mitten im Reigen der deutschen Premiumhersteller neben Marken wie Mercedes-Benz, Audi und Porsche. Doch die Position des bayerischen Automobilherstellers war nicht immer so stark, vielmehr stand BMW Anfang der 1960er Jahre vor dem Konkurs.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Okt. 2016
ISBN9783741855528
BMW – Dem Konkurs entronnen ...: Die Geschichte der Automarke seit 1960

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    Buchvorschau

    BMW – Dem Konkurs entronnen ... - Frank O. Hrachowy

    cover.jpg

    BMW

    Dem Konkurs entronnen ...

    Die Geschichte der Automarke seit 1960

    Frank O. Hrachowy

    Impressum:

    Der Nachdruck, auch einzelner Teile, ist verboten. Das Urheberrecht und sämtliche weiteren Rechte sind dem Autor und dem Verlag vorbehalten. Übersetzung, Speicherung, Vervielfältigung und Verbreitung einschließlich der Übernahme auf elektronische Datenträger wie CD-Rom, Bildplatte usw. sowie Einspeicherung in elektronische Medien wie Bildschirmtext, Internet usw. ist ohne schriftliche Genehmigung des Autors und des Verlags unzulässig und strafbar.

    Eine Haftung des Autors oder des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

    Bildnachweis

    Umschlagabbildung Vorderseite © BMW Group Archiv

    Die Quellenangaben der Bilder im Buch sind direkt am Bild vermerkt.

    1. Auflage 2016

    Copyright: © 2016 Frank O. Hrachowy

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-****-***-*

    Lektorat

    Redaktion ScripTec, Dirk Lorenz

    Über den Autor:

    img2.jpg

    Frank O. Hrachowy, Jahrgang 1966, ist als gelernter Kfz-Meister und promovierter Technikhistoriker seit vielen Jahren Ansprechpartner für Medienprojekte im Automobil- und Motorradsektor. Dabei spannt sich der Bogen von technikhistorischen Monografien über Fachartikel zur Fahrzeugtechnik bis hin zu verkehrshistorischen Beiträgen und Lehr-filmen für die Automobilindustrie.

    Vorwort           8

    1960–1969: Krise und Rettung      10

    Herbert Quandt als Retter

    »Nischen-Paule« lässt BMW wachsen

    1970–1979: BMW positioniert sich      30

    Beginn einer neuen Ära in München

    1973 – Die Ölkrise verändert den Automobilmarkt

    Abschied von der »Nischen-Modellpolitik«

    Ende der Modelloffensive

    Expansion mit Licht und Schatten

    1980–1989: Aufstieg ins Premiumsegment     75

    Neue Konzepte

    BMW in der Defensive

    Aufbruch in eine neue Dimension

    Endlich auf Augenhöhe mit Stuttgart

    Wolfgang Reitzle rückt in den Fokus

    1990–1999: Wachstum um jeden Preis               133

    Das Ende einer Ära

    Willkommen Rover!

    Es läuft nicht rund

    Auf Wiedersehen Rover?

    Eklat in München

    2000–2009: Etabliert im Premiumsegment               191

    BMW verkauft Rover, MG und Land Rover

    Neue Wege beim Design

    Modelloffensive und Rolls-Royce

    Rekorde im Visier

    Harte Zeiten, schlechte Zahlen

    »EfficientDynamics«

    2010–2016: Neuausrichtung                 247

    Eine neue Submarke: BMW i

    Elektromobilität im Fokus

    Quellenverzeichnis                  272

    Bücher

    Zeitungen, Magazine und Webportale

    BMW-Archiv

    Personenverzeichnis                  276

    Vorwort

    Zum 100. Firmenjubiläum im Jahr 2016 steht BMW mitten im Reigen der deutschen Premiumhersteller neben Marken wie Mercedes-Benz, Audi und Porsche. Das nicht durch Zufall, sondern aufgrund technisch herausragender Produkte und überzeugender Marketingkonzepte. Doch die Position des bayerischen Automobilherstellers war nicht immer so stark, denn Ende der 50er Jahre stand BMW finanziell am Abgrund. Schuld daran war nicht zuletzt der Misserfolg des Oberklassemodells 501/502, das viel zu wenig Kunden überzeugen konnte.

    In höchster finanzieller Not rettete der deutsche Industrielle Herbert Quandt Ende des Jahres 1959 das angeschlagene Unternehmen vor der Übernahme durch den Rivalen Daimler-Benz. Durch sein Kapital, seinen Sanierungsplan und den Überlebenswillen der BMW-Belegschaft fassten die Banken wieder Vertrauen in das kleine bayerische Unternehmen. Schon bald floss neues Geld in das BMW-Werk, wo neue, zukunftsfähige Modellkonzepte entwickelt wurden. Dies war der Beginn der Geschichte eines einzigartigen Aufstiegs, die bis zum heutigen Tag reicht. Die Geschichte dieses Aufstiegs soll folgend nachgezeichnet werden.

    Als Technikhistoriker habe ich hierbei der Chronistenpflicht zu folgen und möglichst objektiv über die Geschehnisse der letzten rund 50 Jahre zu berichten. Dies geschieht durch eine neutrale chronologische Beschreibung der Ereignisse – eine Kommentierung oder Bewertung der Zusammenhänge überlasse ich dem Leser. Gleichzeitig wird die Geschichte von BMW in dieser Chronik nicht isoliert beschrieben, sondern im unmittelbaren Vergleich mit den direkten Wettbewerbern. Aus Platzgründen werden der Rennsport und die Geschichte der BMW-Motorräder aus dieser Betrachtung weitgehend ausgeklammert, denn diese Geschehensstränge mit einzubinden, hätte den Rahmen der Chronik gesprengt.

    Dabei gilt, dass Geschichtsschreibung ihrem Wesen nach immer komplementär ist. Eine absolute Wahrheit kann es in der Geschichtsschreibung nicht geben, weil niemals alle Beweggründe der handelnden Personen und alle Ursachen der beschriebenen Ereignisse in der Retrospektive erfassbar sind. Meine hier vorliegende Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse kann somit keinesfalls Absolutheit beanspruchen oder sich gar die Deutungshoheit über die vergangenen Geschehnisse anmaßen.

    Die Grundlage meiner Recherchen bildeten die zahlreichen erschienenen Publikationen zur Geschichte von BMW, darüber hinaus Artikel renommierter Wirtschafts-, Nachrichten- und Fachmagazine sowie Tages- und Wochenzeitungen. An dieser Stelle sei besonders das hervorragende Archiv des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL erwähnt.

    Ergänzt wurden diese Quellen durch eine Fülle von Materialien aus dem BMW-Archiv. So flossen nicht nur die jährlichen Geschäftsberichte in diese Arbeit ein, sondern ebenso die Mitarbeiterzeitungen, Kundenmagazine sowie weitere aufschlussreiche Publikationen aus dem Hause BMW. Da BMW das angefragte Bildmaterial nicht kostenfrei zur Verfügung stellte, war ich gezwungen, mit Ausnahme des zugekauften Coverbildes, zur Illustration dieses Buches auf kosten- und lizenzfreies Bildmaterial zurückzugreifen. Mein ausdrücklicher Dank gilt daher den Fotografen, die ihre Bilder kosten- und lizenzfrei der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

    Gewidmet ist dieses Buch den Mitarbeitern der BMW Group, ebenso den Personen, die sich mit der Marke BMW verbunden fühlen. In diesem Sinne ist das Buch auch meinem Schwiegervater Sieghard Kohls zugedacht, einem passionierten BMW-Fahrer. Darüber hinaus widme ich dieses Buch Eberhard von Kuenheim, ohne dessen Leistung die Marke BMW beziehungsweise der BMW-Konzern in der heutigen Form und Stärke niemals hätte entstehen können.

    Dr. Frank O. Hrachowy

    März 2016

    1960–1969: Krise und Rettung

    Mitten im Wirtschaftswunder florierte die deutsche Automobilindustrie. Indes galt das nicht für Borgward und BMW, die die bitteren Früchte ihres Missmanagements der vergangenen Jahre ernteten. Unattraktive oder zu viele verschiedene Modelle standen in den Verkaufsprogrammen dieser beiden deutschen Hersteller, weshalb sie in der Blütezeit der deutschen Wirtschaft finanziell am Abgrund standen.

    Ohne Zweifel liefen die Dinge bei BMW nicht rund – und das schon seit dem Jahr 1957. So musste Anfang 1957 sogar kurzgearbeitet werden. Die Oberklassenlimousine BMW 501/502 wurde von der Kundschaft nicht wie erhofft angenommen, ebenso die von Designer Albrecht Graf von Goertz attraktiv geformten Modelle BMW 503 und 507, die als Coupé und als Cabriolet im Programm standen. Das hauptsächliche Problem waren die hohen Kaufpreise von über 30.000 DM (ca. 15.000 Euro), die diese Modelle nur für eine kleine Anzahl gut betuchter Kunden erschwinglich machten. Zum Vergleich: Ein kleines Reihenhaus kostete zu dieser Zeit rund 60.000 DM (ca. 30.000 Euro). So wurden vom BMW 503 insgesamt nur knapp über 400 Exemplare gebaut, vom zweisitzigen Roadster BMW 507 gar nur 254 Stück – zu wenig, um damit Geld zu verdienen.

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    BMW »Barockengel«: Die Oberklassenlimousine BMW 501/502 wurde von der Kundschaft nicht wie erhofft angenommen, ebenso die von Designer Albrecht Graf von Goertz attraktiv geformten Modelle BMW 503 und 507. (Bild: AlfvanBeem / Wikimedia Commons)

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    BMW Isetta: Weil bei BMW für eine eigene Entwicklung nicht genug Geld vorhanden war, hatten die Münchner von der italienischen Firma OSI die Lizenz zum Nachbau ihres Kleinstmobils erworben. Das kleine »Motocoupé« von BMW verkaufte sich gut. (Bild: Viggen / Wikimedia Commons)

    Hingegen verkaufte sich die Isetta, ein in Lizenz gebautes kleines »Motocoupé« von BMW, besser als erwartet. Weil bei BMW für eine eigene Entwicklung nicht genug Geld vorhanden war, hatten die Münchner von der italienischen Firma OSI die Lizenz zum Nachbau ihres ungewöhnlich konzipierten Kleinstmobils erworben. Statt eines Zweitaktmotors setzten die Ingenieure der BMW Isetta den Einzylinder-Viertaktmotor aus dem Motorrad R 25 ein, später folgte ein geringfügig stärkerer Motor mit

    300 cm³ Hubraum. Immerhin 161.728 »Isetten« sollten von März 1955 bis Mai 1962 das Fließband verlassen.

    Der viersitzige BMW 600, eine größere Isetta mit Rücksitzbank und einer zusätzlichen Seitentür, wurde von der Kundschaft eher verschmäht. Das war kaum verwunderlich, denn bei der Entwicklung des BMW 600 standen vor allem handfeste wirtschaftliche und weniger ästhetische Motive im Vordergrund. Zur steuerlichen Situation 1957 schreibt Georg Seeliger: »Oberhalb von 600 ccm stieg die Hubraumsteuer steil an, Motorleistungen über 20 PS zogen erheblich höhere Versicherungsprämien nach sich. Gleichzeitig erlaubte der Fiskus in Deutschland für Fahrzeuge mit mehr als 500 ccm eine Abschreibung von 50 Pfennig [ca. 25 Cent] pro Kilometer für den Arbeitsweg. Besitzer hubraumkleinerer Vehikel durften lediglich 36 Pfennig [ca. 18 Cent] absetzen.«{1}

    Der ab September 1957 angebotene BMW 600 besaß einen im Heck eingebauten Zweizylinder-Boxermotor mit 585 cm³ Hubraum, der ebenfalls aus der BMW-Motorradsparte stammte und gedrosselt 19,5 PS (14,4 kW) bei 4.500 U/min leistete. Trotz dieser exakten Positionierung der »großen Isetta« hinsichtlich Leistung und Hubraum wurde das Modell zum Misserfolg. Dies nicht unbedingt aufgrund technischer Rückständigkeit, denn hier konnte der BMW 600 mit einer modernen selbsttragenden Karosserie, einem vollsynchronisierten Getriebe und asymmetrischem Abblendlicht punkten. Vielmehr lag der BMW mit einem Kaufpreis von 3.985 DM (ca. 2.000 Euro) auf Augenhöhe mit dem VW Käfer – und der bot neben deutlich mehr Platz und Kofferraum auch mehr Prestige als die aufgerüstete Isetta.

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    BMW 507: Wunderschön anzusehen, aber für die meisten Bewunderer unerschwinglich. Vom zweisitzigen Roadster BMW 507 wurden nur 254 Stück gebaut – zu wenig, um damit Geld zu verdienen. (Bild: Stefan Krause, Germany / Wikimedia Commons)

    Bald schon machten Gerüchte um einen neuen kleinen BMW die Runde, der 700 cm³ Hubraum besitzen und über eine konventionelle Karosserie ohne Fronteinstieg verfügen sollte. Diese Gerüchte wirkten sich ebenfalls negativ auf die Verkaufszahlen des BMW 600 aus. Demgemäß endete schon im Dezember 1959 die Produktion der »großen Isetta«; lediglich 34.813 Exemplare waren in der knapp zweijährigen Bauzeit hergestellt worden. Ein wirtschaftlicher Erfolg war der BMW 600 nicht, vielmehr hatte er »die Talfahrt der Münchner eher beschleunigt als gehemmt«{2}.

    Auch mit schweren Motorrädern ließ sich kein Geld mehr verdienen, eher noch mit kleinen Motorrollern, die jetzt in Mode kamen. Doch die hatte BMW nicht im Programm. Es galt: Wer als Erwachsener etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, der wechselte lieber heute als morgen vom Zwei- zu einem Vierrad. Diese Sachlage war auch in München bestens bekannt, denn bereits 1957 hatte Generaldirektor Dr. Heinrich Richter-Brohm, der BMW seit dem 1. März 1957 leitete, eine Marktanalyse anfertigen lassen. Auf 133 Seiten stand dort zu lesen, warum BMW seit Jahren auf Talfahrt war – zu lesen war dort aber auch, welche Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage notwendig waren.

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    BMW Isetta 600: Die »große Isetta« BMW 600 konnte mit einer modernen selbsttragenden Karosserie, einem vollsynchronisierten Getriebe und asymmetrischem Abblendlicht punkten. Mit ihrem Kaufpreis lag sie allerdings auf Augenhöhe mit dem VW Käfer. (Bild: Lothar Spurzem / Wikimedia Commons)

    Benötigt wurde ein moderner Mittelklassewagen (»Mittelwagen«), der sinnvollerweise 1.600 cm³ Hubraum und mindestens 80 PS leisten musste. Gleichzeitig sollte dieser Wagen die Basis für stärkere Modellversionen bilden. Vorstandschef Richter-Bohm rechnete mit einer Jahresproduktion von 24.000 Stück. Schnell begannen die Arbeiten an diesem Projekt, erste Erlkönigfotos von Prototypen machten in Fachkreisen die Runde. 1959 hätte die Produktion des Mittelklasse-BMW beginnen können. Doch daran war nicht zu denken, denn es wurden 35 Millionen DM (ca. 18 Millionen Euro) für die Entwicklung dieses Modells benötigt.

    Hierzu erklärt BMW: »So verfolgte BMW seit Mitte der 1950er Jahre das Projekt eines modernen „Mittelwagens", mit dessen Hilfe die Konsolidierung des angeschlagenen Unternehmens gelingen sollte. Doch es fehlten schlicht die finanziellen Mittel, den weitgehend fertig entwickelten Wagen bis zur Serienreife zu vollenden. Das Projekt musste Ende 1958 aufgegeben werden.«{3}

    Den Hintergrund des Scheiterns erläutert Georg Seeliger in einer Publikation zu den Kleinwagen von BMW: »Der damalige Finanzchef Ernst Kämpfer erinnerte sich, daß Dr. Robert Frowein, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, in einem Gespräch mit einem Konsortium der Deutschen und der Dresdner Bank sowie der bayerischen Staatsbank diese Summe zugesagt bekam. Nach seinem plötzlichen Tod Anfang 1958 standen die Banken jedoch nicht mehr zu dieser mündlichen Verpflichtung.«{4}

    Während der BMW 600 als kostengünstige technische Notlösung galt und die Entwicklung des Mittelklassemodells aus Geldmangel abgebrochen werden musste, konkretisierten sich die Pläne für das Modell BMW 700. Unter der Mitarbeit des italienischen Designers Giovanni Michelotti entstand ein moderner kleiner Wagen mit selbsttragender Karosserie und Zweizylinder-Heckmotor. Dieser noch vor der IAA 1959 von Helmut Werner Bönsch, dem Direktor für Technische Verkaufsplanung, präsentierte neue BMW 700 stand in direktem Wettbewerb zum VW Käfer.

    »Als Bönsch das neue Coupé enthüllte, klang spontaner Beifall auf. Vor den Journalisten stand ein Fahrzeug mit einem Radstand von 2.120 mm, einer vorderen Spur von 1.270 mm und einer hinteren Spur von 1.200 mm. Damit war der BMW 700 den damals üblichen Kleinwagenwerten entwachsen und gestattete eine relativ freizügige Raumgestaltung. Besonders stolz waren die Konstrukteure darauf, dass sie bei einer Gesamtlänge von 3.540 mm durch konsequenten Leichtbau ein Trockengewicht von unter 600 kg und damit die Voraussetzung für günstige Beschleunigungswerte und gutes Bergsteigevermögen erreicht hatten.«{5}

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    BMW 700: Völlig neu war die ganz im Stil der Zeit gestylte, selbsttragende Karosserie. Der Marktstart erfolgte mit einem Coupé, gefolgt von einer Limousine und der Modellvariante 700 Sport. Der BMW 700 gefiel den Kunden und war von Anfang an erfolgreich. (Bild: Siegfried Fries / PIXELIO)

    Der Marktstart erfolgte mit einem Coupé, gefolgt von einer Limousine und der Modellvariante 700 Sport. Zum Markterfolg der neuen Baureihe erklärt BMW: »Der neue BMW 700 vereinte die bewährte Technik seines glücklosen Vorgängers BMW 600 mit Neu- und Weiterentwicklungen. So sorgte der aus dem BMW 600 bekannte Zweizylinder-Boxermotor mit vergrößertem Hubraum (697 ccm) und einer auf 30 PS gesteigerten Leistung für gute Fahrleistungen. Die erstmals beim BMW 600 verwendete Schräglenker-Hinterachse kam ebenso zum Einsatz wie weitere technische Komponenten aus Fahrwerk, Antrieb und Getriebe. Völlig neu dagegen war die ganz im Stil der Zeit gestylte Karosserie. In selbsttragender Bauweise ausgeführt, stellte sie ein Novum in der Geschichte der BMW Serienfahrzeuge dar.«{6} Schon bald zeigte sich, dass die Planer mit diesem Modell den Kundengeschmack getroffen hatten.

    Zwar war der BMW 700 von Anfang an erfolgreich, doch die vorangegangenen jahrelangen Misserfolge und Verluste machten sich 1959 in einer Weise bemerkbar, die das Ende von BMW bedeuteten. Zur konkreten Situation 1959: Die Bilanzen der Jahre 1956 bis 1959 waren durchgängig defizitär gewesen, was Teilauflösungen der freien Rücklagen nach sich gezogen hatte. Zusammenfassend schreibt BMW zur damaligen Situation: »Mit den großen, zu teuren Limousinen werden keine Gewinne erzielt. Motorräder sind als Transportmittel kaum mehr gefragt, als Sport- und Freizeitgeräte noch nicht entdeckt. Das Management hat den Glauben an die eigene Marke verloren.«{7}

    Der Vorstandsvorsitzende Dr. Heinrich Richter-Brohm hatte zwar bereits 1957 Bürgschaften für den Auf- bzw. Umbau von BMW erhalten, doch getan hatte sich seither nicht viel. Ein weiterer Aspekt war das wachsende Misstrauen der Aktionäre gegenüber Dr. Heinrich Richter-Brohm, der von der Deutschen Bank als Generaldirektor zur Rettung von BMW eingesetzt worden war. Für Misstrauen sorgte auch, dass an der Spitze des BMW-Aufsichtsrats mit Hans Feith ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank saß. Bekannt war zudem, dass die Deutsche Bank als Großaktionär der Daimler-Benz AG ganz eigene Interessen verfolgte. Kurzum: Es sah 1959 ganz offensichtlich so aus, als wollte die Deutsche Bank das vor dem Bankrott stehende Unternehmen BMW an den Wettbewerber Daimler-Benz AG und den dahinter stehenden Großaktionär Friedrich Flick verkaufen.

    Zu diesen Plänen konkretisierte das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL: »Geplant ist die Gründung eines Konsortiums, dem zu je einem Drittel die Deutsche Bank, die Daimler-Benz AG und der Freistaat Bayern angehören. [...] Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Deutsche Bank und das Land Bayern dann ihre Aktienpakete an Daimler-Benz abgeben: Damit würde das Stuttgarter Werk schließlich 75 Prozent aller BMW-Aktien besitzen.«{8}

    Doch angesichts des Verkaufserfolgs des BMW 700, für den schon über 30.000 Bestellungen vorlagen, sowie eines großen Rüstungsauftrags für die Tochterfirma BMW Triebwerkebau GmbH in München-Allach{9} schien es, als sollte das kleine Unternehmen BMW deutlich unter Wert an den größeren und kapitalstärkeren Wettbewerber Daimler-Benz verschachert werden. 6.000 gut ausgebildete Facharbeiter sowie weitere Produktionsstätten konnte die Daimler-Benz AG tatsächlich gut gebrauchen – nicht etwa, um damit weiter BMW-Automobile zu fertigen, sondern um die Lieferzeiten für die eigene Modellpalette zu reduzieren.

    Ein terminlich befristetes Kaufangebot aus Stuttgart war bereits unterschriftsreif formuliert worden und sollte auf einem außerordentlichen Treffen am 9. Dezember 1959 von den Aktionären bewilligt werden. Ans Licht kam dabei, dass in der vorgelegten Bilanz die Entwicklungskosten für den BMW 700 komplett in das Jahr 1958 gebucht, statt über mehrere Jahre verteilt verrechnet worden waren. Durch diesen buchhalterischen Trick stand das Unternehmen wirtschaftlich nochmals schlechter dar – die Zweifel an der Lauterkeit von Dr. Heinrich Richter-Brohm wurden in der BMW-Belegschaft immer massiver.

    Während die Unternehmensleitung auf den Verkauf an Daimler-Benz drängte, formierte sich unter den Aktionärsvertretern Widerstand, der bald putschartige Züge aufwies. So wurde Richter-Brohm auf der einberufenen Versammlung zum Verkauf von BMW lautstark beschimpft. Angesichts der undurchsichtigen Beweggründe des eigenen Vorstandsvorsitzenden kämpften die wutentbrannten Mitarbeiter nun aktiv für ihr Unternehmen. Kurz darauf formierte sich unter der Führung von Kleinaktionär Erich Nold und Rechtsanwalt Dr. Friedrich Mathern eine Sperrminorität von 10 Prozent der Stimmen der BMW-Aktionäre.

    Diese 10 Prozent bildeten einen Sonderfall des Aktienrechts, die als Sperrminorität ausreichten, wenn in der Bilanz ein Fehler nachgewiesen werden konnte: Und genau dieser buchhalterische Trick, die Entwicklungskosten für den BMW 700 in Gesamtheit in die Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 1958 zu buchen, war laut geltenden Bilanzierungsregeln nicht zulässig und somit als Fehler zu werten. Da die Sitzung vertagt werden musste, verstrich das Ultimatum zur Unterschrift des Kaufvertrags. Die Übernahme von BMW durch Daimler-Benz wurde danach nicht weiter verfolgt. Dr. Heinrich Richter-Brohm legte am 26. Februar 1960 sein Amt nieder und verließ zum 1. März 1960 das Unternehmen.

    Herbert Quandt als Retter

    Unterdessen wurde ein Name immer häufiger genannt; der des Industriellen Herbert Quandt, der sowohl bei Daimler-Benz als auch bei BMW als Großaktionär engagiert war. Zur Position Herbert Quandts schreibt der Autor Rüdiger Jungbluth: »Als Daimler-Großaktionär war der Industrielle für die BMW-Übernahme, als Anteilseigner bei BMW wollte er sich aber nicht ohne Not aus seinem Besitz drängen lassen, zumal auch er, ähnlich wie die vielen treuen Kleinaktionäre, emotional an der weißblauen Firma und ihren Produkten hing.«{10} Ein nicht geringer Anteil an der Entscheidung Herbert Quandts kam dabei seinem Vertrauten, dem BMW-Betriebsratsvor-sitzenden Kurt Golda zu, der sich ausdrücklich für den Kauf von BMW durch Quandt aussprach.

    Herbert Quandt gelang die Rettung von BMW; bereits das Geschäftsjahr 1961 konnte ohne Verlust abgeschlossen werden. Allerdings hatte Quandt noch im Jahr 1960 mehrfach bei anderen Herstellern – und sogar bei Friedrich Flick – für eine Beteiligung an BMW geworben, um die finanzielle Situation zu verbessern. Schließlich übernahm der Augsburger Konzern MAN die Hälfte der BMW-Triebwerkssparte. Insgesamt flossen 37 Millionen DM (ca. 19 Millionen Euro) in die Kassen des Automobilherstellers BMW, der durch diese Summe sowie einen langfristigen Sanierungskredit von MAN über 20 Millionen DM (ca. 10 Millionen Euro) wieder handlungsfähig war. BMW war dem Konkurs entronnen.

    Der Wettbewerber Borgward hingegen fand keinen Retter, der Konkurs konnte 1961 nicht abgewendet werden. Allerdings waren und blieben die Umstände der Borgward-Abwicklung dubios, da aus der Konkursmasse sämtliche Gläubigeransprüche befriedigt werden konnten. Carl W. Borgward starb zwei Jahre später. Für BMW bedeutete das nicht nur, dass damit ein direkter Wettbewerber aus dem Spiel war, der ebenfalls sportliche Fahrzeuge für Individualisten anbot. Es bedeutete auch, dass zahlreiche hochqualifizierte Ingenieure und Manager zur Verfügung standen, die nun bei BMW anklopften.

    So weist der Autor Rüdiger Jungbluth darauf hin, dass Herbert Quandt noch während der Sanierungsversuche des Landes Bremen neben zahlreichen Ingenieuren den Produktionschef Heinrich Wilhelm Gieschen sowie den Einkaufschef Karl Monz von Borgward abwarb. Nach der Pleite übernahm Quandt dann sogar technische Anlagen aus der Konkursmasse. Kurzum: »Der Sanierer Quandt profitierte auf vielfältige Weise von der Pleite des Konkurrenten.«{11} Nicht zuletzt aus diesem Zusammenhang heraus lästerten böse Zungen, dass fortan die Abkürzung »BMW« wohl am besten mit »Borgward macht weiter« zu übersetzen sei.

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    BMW »Neue Klasse«: Auf der IAA im Herbst 1961 zeigte BMW das neue Mittelklassemodell. Der BMW 1500 bildete die Grundlage für den Aufstieg des bayerischen Autobauers in die heutige Position als Global Player. (Bild: Michael H. / Wikimedia Commons)

    Auf der IAA im Herbst 1961 zeigte BMW dann das neue Mittelklassemodell, den von Chefdesigner Wilhelm Hofmeister attraktiv proportionierten BMW 1500. Der vielzitierte Vorwurf, BMW baue nur »Autos für Bankdirektoren und Tagelöhner« war mit dieser sportlichen Mittelklasselimousine aus der Welt. Im Sommer 1962 sollte die neu konzipierte Stufenhecklimousine auf den Markt kommen. Obwohl der avisierte Verkaufspreis von 8.500 DM (ca. 4.200 Euro) nicht gehalten werden konnte und der BMW 1500 bis zum Serienbeginn rund 1.000 DM teurer wurde, übertraf er mit seinen Verkaufszahlen die in ihn gesetzten Erwartungen.

    Der unter der Federführung von Alexander von Falkenhausen entwickelte Graugussmotor mit obenliegender Nockenwelle (M115, später M10) war eine völlige Neuentwicklung, die kompakt baute, wenig Gewicht auf die Waage brachte und zuverlässig funktionierte. Auch auf der Rennstrecke überzeugte der BMW 1500, wo er den Ruf der BMW-Motoreningenieure bestätigte. So bildete dieser in jeder Hinsicht gelungene Motor bis ins Jahr 1990 nicht nur die Basis für alle BMW-Vierzylindermotoren, sondern ebenso für den Formel-1-Turbomotor, mit dem BMW im Jahr 1983 die Formel-1-Weltmeisterschaft gewinnen sollte.

    Bestätigend schreibt BMW hierzu: »Den endgültigen Durchbruch bringt ab 1961 die „Neue Klasse: Der langersehnte Mittelklassewagen BMW 1500 überzeugt mit schnörkellosem Design, sportlichem Fahrverhalten und zahlreichen Motorvarianten. Als eines der ersten BMW Modelle weisen die Wagen der „Neuen Klasse den BMW typischen „Hofmeister-Knick" in der C-Säule auf.«{12} Unbestritten ist: Neben dem BMW 700 markierte der BMW 1500 den Wendepunkt in der Geschichte von BMW. Er bildete nicht weniger als die Grundlage für den Aufstieg des bayerischen Autobauers in die heutige, technisch und finanziell gefestigte Position.

    Bis 1962 baute der stark sehbehinderte Herbert Quandt seinen Kapitalanteil bei BMW von 17 auf über 40 Prozent aus. Ungewöhnlich für einen Großaktionär war sein weiteres Vorgehen: »Herbert Quandt zog es vor, im Hintergrund zu agieren. Er verzichtete darauf, selbst in den Aufsichtsrat einzutreten. Der Großaktionär nutzte aber sein Vorschlagsrecht, um beim Registergericht zwei Männer seines Vertrauens als Aufsichtsratsmitglieder eintragen zu lassen.«{13}

    1962 wurde Karl-Heinz Sonne der neue Vorstandsvorsitzende von BMW. Der Verkaufserfolg des BMW 700 hielt an und der BMW 1500 war gut angelaufen. Das Jahr 1962 konnte so mit einer schwarzen Null abgeschlossen werden, und schon 1963 wurde erstmals wieder eine Dividende ausgezahlt.

    Allerdings verlief die Produktion nicht reibungslos, denn die »wachsenden Fertigungszahlen gingen [...] mit einer zunehmenden Fehlerquote einher. Sie war auch auf die hohe Zahl ungelernter Arbeitskräfte und Gastarbeiter in der Fertigung zurückzuführen, die das Unternehmen für den zügigen Aufbau der Fertigung eingestellt hatte. [...] Weil die Zeit drängte, konnten sie erst beim Produktionsanlauf angelernt werden. Bald wurden die Mängel publik und drohten, dem Ruf des 1500 und von BMW insgesamt nachhaltig zu schaden. Also führte die Produktionsleitung ein mehrstufiges System der Qualitätsprüfung noch während der Fertigung ein. Bis Mitte 1963 gelang es dadurch, die Produktionsqualität der Autos sprunghaft zu verbessern.«{14}

    »Nischen-Paule« lässt BMW wachsen

    Ein bedeutender Anteil an diesem Erfolg kam dabei dem einstigen Freiburger Opel-Großhändler Paul Hahnemann zu, der bei BMW für eine rigide Qualitätskontrolle der produzierten Fahrzeuge sorgte. Hahnemann war seit Herbst 1961 im Vorstand der BMW AG in

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