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Dämonenschlächter: Auf Ehre und Leben
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Dämonenschlächter: Auf Ehre und Leben
eBook241 Seiten3 Stunden

Dämonenschlächter: Auf Ehre und Leben

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Über dieses E-Book

Varkan und Shikan sind Dämonenschlächter. Als Kinder wurden sie aus dem Armenviertel an die Kriegerschule verkauft. Dort lernen sie, gegen die fürchterlichen Dämonen zu kämpfen, welche die Menschen bedrohen. Der Lohn für den Einsatz ihres Lebens besteht in Ruhm, Ansehen und dem Privileg, für die nächste Generation Dämonenschlächter zu sorgen. Varkan und Shikan sind stolz auf ihr Kriegertum und Konkurrenten im Ringen um Rum und Ehre.
Varkan hätte gern mehr von Shikan als gemeinsames Training, doch dieser gibt sich ablehnend, bis er schwer verletzt wird. Durch diese Verletzung werden die beiden Kameraden darauf gestoßen, was Schändliches mit den Kriegern geschieht, die im Kampf versehrt werden und nicht sofort wieder einsetzbar sind… Können Varkan und Shikan dem von ihrer Gesellschaft vorgezeichneten Weg entkommen und sich ein Leben aufbauen, das ihnen erlaubt, einander gleichberechtigt zu lieben?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Aug. 2013
ISBN9783847651246
Dämonenschlächter: Auf Ehre und Leben

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    Buchvorschau

    Dämonenschlächter - Toya Bradly

    Prolog

    Varkan stand zwischen seinen Kameraden auf den Stufen der Kampfarena, auf die die Wüstensonne im Zenitstand herunterbrannte.

    Ihre zerschlissenen gelben Pluderhosen und gelben Hemden, die ihre Zugehörigkeit zur Anfängerklasse zeigten, klebten ihnen am Körper. Die ausgefransten gelben Tücher, die sie als Sonnenschutz um ihre Köpfe gewickelt hatten, spendeten den einzigen Schatten. Obwohl sie die Jüngsten der Kriegerklasse waren, hatten sie Dank der Stufen alle einen guten Blick in die Arena.

    Dort trugen zwei der ältesten Schüler einen Ehrenkampf aus. Das Weiß ihrer Hosen stach im Mittagslicht in den Augen. Varkan wusste nicht wirklich, um was es den beiden sehnigen Kriegern der obersten Klasse ging, doch es war ein Kampf auf Gedeih und Verderb, dem die ganze Schule gespannt zusah. Nur Ehrenkämpfe durften mit dem Tod eines der Kontrahenten enden! Varkan gegenüber standen die ein Jahr älteren Blauhosen auf den ansteigenden Arenastufen und rechts von ihnen die Braunhosen und neben diesen das überwältigende Feld weißer Hosen, welche den fertig ausgebildeten Kriegern vorbehalten waren. Morgen schon würden die weißen Hosen in die Kasernen der Stadt übersiedeln und ihren Dienst als Krieger im Labyrinth aufnehmen. Der Ehrenkampf musste für die jungen Männer eine hohe Bedeutung haben, wenn er unbedingt noch vor dem Übertritt ins wahre Kriegerleben stattfinden musste, schloss Varkan.

    Eine ganz spezielle Spannung lag über der Arena, in der sonst das alltägliche harte aber meist unblutige Training durchgeführt wurde.

    Die beiden Krieger, die unten Kampfposition einnahmen, trugen strahlendes Weiß, es blendete beinah die Augen.

    Varkan leckte sich den Schweiß von der Oberlippe und dachte an das Wasser, das sie bald bekommen würden, während er die Augen zusammenkniff, damit ihm keine Bewegung entging. In der Arena gab der Schiedsrichter indes das Zeichen zum Angriff:

    „Auf Gedeih und Verderb, kämpft!"

    Die Mittagsstunde war nicht dazu geeignet, langen Geplänkeln Vorschub zu leisten und so gingen die beiden Krieger sofort aufeinander los. Für Varkans ungeschultes Auge war ihr Kampf nur ein Wirbeln ihrer Füße und Fäuste, des Blitzen des Speeres und des Funkeln des Dämonenschlächtersäbels, welche die beiden als Waffen gewählt hatten.

    Es war zu Varkans Erleichterung schnell vorüber. Der Säbelkämpfer war der Geschicklichkeit und Kampfgier seines Gegners deutlich unterlegen, das war gleich zu sehen. Bald würde Varkan sein Wasser bekommen!

    Einer der beiden Ehrenkämpfer fiel auch schon, es war wie vermutet der Säbelfechter, dessen Waffe weit von ihm fort in den Sand plumpste. Er selbst ging vom Speerschaft seines Gegenübers an der Schläfe getroffen wie ein Mehlsack zu Boden und blieb bewusstlos liegen. Statt von dem Besiegten abzulassen, pfählte ihn der andere nun schreiend mit der Speerspitze seiner Waffe und wählte somit das Verderben für seinen Gegner, statt ihm das Gedeihen zu schenken. Der Schmerz des eindringenden Speeres brachte den Bewusstlosen zu sich. Unter seinem Brüllen und Kreischen wurden seine Innereien mit dem Speer einmal gut durchgerührt, wie es für Varkan aussah. Der Sieger verwüstete den Körper des anderen von innen wie ein Besessener und seine zerrissene weiße Hose färbte sich mit Blut und Dreck ein.

    Als der Sieger keuchend innehielt, winkte der Schiedsrichter die Zuschauer mit den Worten fort: „Der Ehre wurde Genüge getan!"

    Erleichtert sprangen die Gelbhosen die Arenastufen hoch und versuchten, vor den Blauhosen ihre Zisterne zu erreichen, während sich der Sieger unten wie betäubt über die Stirn strich, der Verlierer starb und der Schiedsrichter den Gewinner sanft fortführte, damit der Sterbende weggebracht werden konnte. Währenddessen beeilten sich Varkan und die anderen Gelbhosen umsonst, wie immer. Sie wurden von den Älteren beiseite geschubst, ihnen wurden ihre Kopftücher in die Augen gedrückt und am Ende landeten sie in der Ausgabeschlange doch wieder ganz hinten.

    Varkan richtete seinen Schal, der im Getümmel verrückt war und wischte sich unwillig die Stirn.

    „Wir werden schon wieder nur diese verbeulten alten Näpfe kriegen!", beschwerte sich Sinan halblaut, der vor Varkan in der Schlange stand, gelbbehost wie er selbst.

    Immerhin gibt es Wasser für alle, nicht wie beim Essen, dachte Varkan, aber das war es nicht, was ihn beschäftigte. Er schubste seinen Freund an, der vor ihm anstand.

    „Sinan, weißt du, worum es denen ging?" Sinan drehte sich halb um, witterte nach dem Versuch, seinen Platz in der Schlange zu ergattern und fand nichts Anrüchiges in Varkans ruhigem Dastehen.

    „Irgendso eine Älterensache", mutmaßte er.

    „Weißt du mehr?"

    „Ist doch egal." Sinan war zu sehr damit beschäftigt, sein Umfeld im Auge zu behalten.

    Als sie an der Reihe waren, nahm er den verbeulten Napf entgegen und trat beiseite, um konzentriert zu trinken. Varkan stellte sich neben ihn, in einer Armeslänge Entfernung, wie es befohlen war.

    Sie kosteten den Luxus aus, dass im Zisternenhof mit Stöcken bewaffnete Aufseher über die disziplinierte und ungestörte Wasseraufnahme wachten, während man sie mit ihrem Napf voll Essen alleine ließ, so dass die fähigsten Kampfschüler auch stets die Sattesten waren.

    Beinah gleichzeitig leerten Varkan und Sinan den Napf und hielten ihn hoch, zum Zeichen, ausgetrunken zu haben. Der Zisternenwächter winkte sie weg und sie rannten los, um einen guten Platz in der Essensschlange zu ergattern. Heute sah es aus, als hätten sie einmal Glück.

    Köstlich duftete der sämige Eintopf aus Hülsenfrüchten, Öl und Fleisch, der aus großen Kesseln ausgegeben wurde. Einige Blauhosen-Jungen drängten sich von hinten heran und Varkan versuchte schnell, sie in ein Gespräch zu verwickeln, um die drei davon abzulenken, dass sie eigentlich vorhatten, die zwei Gelbhosen hinter sich zu schieben.

    „Rashnas Segen mit euch!, grüßte er sie höflich. „Wisst Ihr, worum es bei dem Ehrenkampf ging? Ihr dreckiges Lachen verriet es ihm sofort. Sie wussten es.

    „Um kleine Scheißer und große Helden!", erwiderte der eine und packte Varkan am Kopftuch. Dieser drehte sich zwar aus dem Griff heraus und behauptete sich recht gut gegen den einen Blauhosen-Krieger, aber nicht gegen seine Kumpane, die zu zweit Sinan schlugen, bis er im Dreck liegenblieb und dann, im Verein mit ihrem Freund, Varkan dazuwarfen.

    „Hinten anstellen, ihr Gesindel", grinste der eine Erfolgreiche, bis ihn wie aus dem Nichts ein Fausthieb an den Hinterkopf traf. Er fiel ohne einen Mucks um. Der Krieger in weißer Hose und weißem Burnus, der sich angeschlichen hatte wie eine verspielte Katze, grinste die Gelbhosen an und blieb vor ihnen stehen, während die anderen Blauhosen respektvoll zurückwichen. Sinan und Varkan zogen die Köpfe ein. Dem Mutwillen der Weißhosen war man hilflos ausgeliefert.

    „Hat euch der Kampf gefallen?", fragte der junge Krieger. Er sah sie lauernd an.

    „Ja, Zisha", erwiderte Varkan schnell demütig, denn Sinan konnte noch nicht wieder sprechen.

    „Rakan hat es dem Fuchsgesicht richtig besorgt", lachte die Weißhose sie an, während sie sich aufrappelten. Varkan hatte wohl die richtige Antwort gegeben.

    „Ja, Zisha", erwiderte Sinan nun auch und massierte seinen dünnen Hals, der deutliche Fingerspuren aufwies.

    „Worum ging es denn, Zisha?", erkundigte sich Varkan vorsichtig. Das war wohl zu vorlaut, denn die Miene des Älteren verdüsterte sich und er kniff Varkan schmerzhaft in die Wange, der sich jedoch hütete, sich zu wehren.

    „Davon hast du Hosenscheißer doch keine Ahnung, knurrte er. Ein Blick auf Sinan, der sich ängstlich krümmte, brachte ihn jedoch wieder zum Grinsen. Es sah sehr verschlagen aus. „Na schön. Es ging um eine alte Sache…Fuchsgesicht hatte…bei Rakan noch was gut. Ahnt ihr, was? Die beiden Gelbhosen schüttelten die Köpfe und ließen das herablassende Gelächter des anderen wie etwas über sich ergehen, das nicht zu vermeiden war. „Fuchsgesicht hat…, er sah sich um, aber es waren nur Blau- und Gelbhosen im Hof, „er hat Rakan gefickt. Irgendwann mal. Vor Jahren. Ich glaub, sie trugen grad mal blau. Er musterte die Jungs, die sich vorgedrängt hatten und ihren ohnmächtigen Kumpan abfällig. „Sieht aus, als hätte das Rakan damals nicht gefallen…" Er lachte über seinen Witz, sah sich dabei aber weiter vorsichtig nach Alterskameraden um.

    „Ficken kann man doch nur Frauen, platzte Varkan heraus. Er ließ sich doch nicht für dumm verkaufen! Der Ältere lachte auf, so dass seine weißen Zähne sichtbar wurden. Bevor Varkan auch nur quieken konnte, hatte er ihn sich geschnappt, vorgebeugt, an sich eingeklemmt und presste seine Finger an eine sehr eindeutige Stelle zwischen Varkans Hinterbacken. Varkan wand sich. Vergeblich. „Du bist wirklich noch ein Gelbhöschen, frotzelte er bei diesem ungeordneten Widerstand und stieß rhythmisch durch den Hosenstoff gegen Varkans Anus. „Da rein. Jetzt begriffen?"

    „Ja!", keuchte Varkan, nur um losgelassen zu werden. Begreifen tat er erst später, als der Ältere gegangen war, um sich ganz vorn in die Schlange zu reihen.

    Dann begriff er aber viel mehr. Es war eine Beleidigung, eine Provokation, „da rein" gefickt zu werden. Klar, man fickte ja eigentlich nur Frauen. Schwächere. Eine Geste der Abwertung für Feinde, wenn es nicht dem Kinderzeugen für Rashna, dem Gott des Krieges gegen die Dämonen diente. Es war völlig einleuchtend. Dennoch kreiselten seine Gedanken immer noch um diese Sache, als er schon aß.

    Sinan sagte plötzlich in seine Gedanken hinein:

    „Varkan, ich warne dich…"

    „Meine Ration reicht mir heute, glaub mir…das Training war so hart, ich könnte gar nicht mehr essen…" Sinans Schnauben zeigte ihm, dass er mit seinem Verständnis von Sinans Warnung falsch lag. Doch sein Freund wollte ihm nicht verraten, was er gemeint hatte.

    Varkan, Dämonenschlächter

    Varkan setzte sich auf und streckte seinen Körper. Er war als Gelbhose schon großgewachsen gewesen und er war als Blauhose noch mehr ins Kraut geschossen. Ständig hatte er bei der Kleiderausgabe eine andere, längere Hose erbetteln müssen. Immerhin waren die blauen nicht mehr so ausgefranst gewesen wie die gelben Hosen. Er lächelte bei der Erinnerung an seine Lehrzeit. Mittlerweile trug er schon länger die weiße Hose und nicht mehr die Sandalen der Kinder sondern Stiefel, echte derbe kniehohe Lederstiefel, die ihn vor den Krallen und den peitschenden Schwänzen der Dämonen schützen sollten und er stand jede Nacht im Labyrinth und schlachtete Dämonen ab, statt es sich nur kühn in Tagträumen auszumalen.

    Varkan setzte sich auf seiner mit Palmfasern gefütterten Schlafmatte auf und übersah die Reihen Kameraden, die auf ihren Decken lagen und schliefen. Das Abendlicht fiel still und weich auf die Matten, die heute leer geblieben waren. Die Wände ihres aus Wüstenstein erbauten Schlafsaales waren rot und gelb geädert und ihre Farben strahlten unter der verglühenden Wüstensonne auf, die abends, etwa eine Stunde vor dem Weckruf des Priesters, einfiel. Varkan fragte sich, ob es diese Farben waren, die ihn jeden Abend eine Stunde vor den Kameraden weckte oder das rhythmische Stöckeaneinanderschlagen vom Übungshof nebenan. Er saß auf seiner Matte und starrte auf die leeren. Eine davon hatte Sinan gehört. Sinan, seinem besten Freund. Sinan, der ihm so oft in den Rücken gefallen war, wie er ihm beigestanden hatte. Mindestens so oft, dachte Varkan. War er denn wirklich ein Freund gewesen? Varkan dachte darüber nach. Ja, entschied er dann. Ein guter Freund.

    Sinan war es gewesen, der ihn auf jede kleine Schwäche aufmerksam gemacht hatte, die er zeigte, weil Sinan sie dann gnadenlos für eigene Vorteile nutzte. Dank Sinan bin ich heute so ein erfolgreicher Krieger. Kein Schwächling, der nach Hilfe heult.

    Varkan wollte sich erheben, um sich zu waschen, ein paar leichte Aufwärmübungen machen und dann zum Gebet zu gehen, dann erinnerte er sich, dass Sinan ja in der letzten Labyrinthnacht vor der Kampfpause gestorben war. Heute Abend würden sie nicht ins Labyrinth ziehen, um die Dämonen zu töten, die durch das Tor kamen, welches das Labyrinth umgab. Es war eine verschachtelte, in sich verzweigte Falle, eigens errichtet, um die Dämonen zu verwirren und es ihren Schlächtern zu ermöglichen, sie einen nach dem anderen abzumetzeln, wenn sie in diese Welt krochen wie übler Odem. Jedoch heute Nacht würden andere Krieger sich im Labyrinth beweisen gehen.

    Varkan legte die Hände in den Schoß, mit denen er sich bei dieser Erkenntnis die kurzen Haare zerwuschelt hatte.

    Die Tatsache, nun für eine Woche nicht nächtens um sein Leben kämpfen zu müssen, brachte ihn in dem gewohnten Maße aus dem Tritt. Nach fünf Tagen allnächtlichen Dämonenschlachtens war der erste Abend frei immer ein kleiner Schock, weil man sich umsehen konnte, nicht länger so fokussiert sein musste und auf einmal die ganze Kampfwoche aufstand, um Revue zu passieren, mit all ihren Schauerlichkeiten und blutigen Dramen. In der letzten Nacht hatten besonders viele Dämonen durch das Tor gedrängt und aggressiver und blutgieriger als sonst unter den Kriegern gewütet. Daran wollte sich Varkan nicht zu ausführlich erinnern.

    Also griff er nach seinen Stiefeln, wickelte die weiten weißen Hosenbeine um seine Wade und schlüpfte in die Stiefel. Er gürtete seinen Säbel und rückte ihn zurecht. Leise schlich er daraufhin aus dem Schlafsaal.

    Die Nacht versprach kühl zu werden und er war froh, dass er bei der Kleiderausgabe einen noch nicht vollkommen fadenscheinigen Burnus ergattert hatte, der ihn davor schützen würde.

    Vom Schlafhaus ging er hinüber zum Trainingsareal. Sinan hatte ihm eine letzte Lektion geschenkt, er wollte sie nicht ungenutzt lassen. Ein großer Dämon hatte es geschafft, sich den Zugriffen der anderen Kampfgruppen zu entziehen und war ihrer Gruppe in den Rücken geraten. Sinan hatte ihn durchgelassen, mitten unter sie, wohl, damit sie ihn besser einkesseln und abschlachten konnten. Der zischende, brodelnde Pechdämon hätte Varkan beinah von hinten erledigt. Beinah. Nur das jahrelange Training hatte Varkan gerettet, aber sein Entkommen war so knapp gewesen, dass es ihn gemahnte, sich nochmals in aller Aufmerksamkeit damit zu befassen, nach vorn sehend auch seinen Rücken zu decken. Er hatte gestern Nacht im Labyrinth gefühlt, dass seine Kameraden aufkeuchten und auswichen und auf gut Glück den Speerschaft nach hinten gerammt. Als er traf, hustete der Dämon ätzende Spuckefetzen über ihn. Danach hatten die Kameraden den Dämon angegriffen und jeder hätte der Tote sein können, aber der schwarze blubbernde Dämon hatte sich Sinan gewählt, um ihn mit in den Tod zu reißen. Während sie ihn mit den Speeren stachen und mit den Säbeln aufschlitzen, hatte er Sinan in Fetzen gerissen, während sein heißes Pech ihm die Haut versengte.

    Varkan hatte die Trainingshalle erreicht und trat in ihren Schatten. Die Brandlöcher in Varkans Haut juckten und ziepten immer noch empfindlich, doch davon wollte er sich nicht vom Training abhalten lassen. Er hörte, dass bereits jemand trainierte. Er sah eine andere weiße Hose durch die schwarzen Säulen schimmern, deren Farbe die Nacht symbolisierte, in der die Krieger bald wieder kämpfen würden.

    Langsam ging Varkan näher, von Säule zu Säule.

    „Rashnas Segen!, rief der andere plötzlich herüber, ohne auch nur zu ihm zu sehen. Varkan verzog den Mund, trat aber aus dem Schatten. Die Machtkämpfe waren subtiler geworden, je besser die Jungs geworden waren und je heftiger sie sich potentiell beim Kämpfen verletzen konnten. Bei Weißhosen waren Machtkämpfe beinah nur noch auf der Intrigenebene angesiedelt, es sei denn man lieferte sich einen Ehrenkampf, aber alte Gewohnheiten saßen tief. „Ah, machte der der jüngere Krieger, als er sich sehen ließ. Er war vor einem Jahr aus dem Trainingslager angekommen, erinnerte sich Varkan. Er hatte gestern Nacht in einem anderen Teil des Labyrinthes gekämpft. Varkan sah einige Augenblicke bei seinem Training zu. Er empfand Shikan fast als Ebenbild seiner selbst. Ehrenhaft. Großgewachsen. Nach Perfektion strebend und niemals bereit, Schlendrian einreißen zu lassen, sei es im Training oder im Kampf. Außerdem kam Shikan aus demselben Armenviertel wie er, auch wenn sie einander nicht über den Weg gelaufen waren. Dafür war das Viertel zu groß gewesen, fast eine eigene Stadt.

    Auch Shikans Eltern mussten es geschafft haben, ihren Sohn gut zu füttern, denn auch er war, wie Varkan, ein erstklassiger Dämonenschlächter in einem erstklassigen Kriegerkörper geworden. Das ging nur, wenn man als Kind gut gefüttert wurde, bevor einen die Kriegerschule übernahm, sagte alle. Varkan selbst erinnerte sich an diese Zeit kaum noch.

    „Störe ich dich hier, Varkan?", fragte Shikan und Varkan hörte den leisen Spott heraus. Shikan fühlte, dass sie einander ebenbürtig waren und dass nur das eine Jahr Altersunterschied Varkan einen hauchdünnen Vorsprung sicherte. Shikan wirkte, als arbeite er beharrlich daran, diesen Vorsprung zu überwinden. Wie weit mochte er damit gekommen sein?

    Varkan legte seinen den Dämonen vorbehaltenen eigenen Säbel ab, nahm einen Speer aus dem Waffenständer und gesellte sich zu Shikan in das Übungsrund.

    „Training gegen Schatten ist nicht so gut wie Training gegen einen anderen Mann", sagte er und Shikan, dessen Wachsamkeit nicht nachgelassen hatte, seit er ihn gehört hatte, nickte.

    Das hatte Varkan nicht anders erwartet. Dieses Angebot abzulehnen wäre hoch feige gewesen.

    Beide nahmen Ausgangsposition ein. Varkans Part mit dem Speer hatte den ersten Schlag. Er führte ihn aus. Nicht lasch, nicht übermäßig hart. Shikan schien erleichtert. Sie gingen die Übungen durch, bis sie alle hunderteins sogenannten Patas der Weißhosen durchtrainiert hatten. Mittlerweile war die Nacht angebrochen und Diener hatten überall Öllampen angezündet, die so unstete Schatten warfen wie die Ölbecken im Labyrinth.

    „Wie viele sind bei euch letzte Nacht gestorben?",

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