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Liebe jenseits von Paarbeziehungen: Beziehungen aus schwuler Perspektive
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eBook178 Seiten2 Stunden

Liebe jenseits von Paarbeziehungen: Beziehungen aus schwuler Perspektive

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Über dieses E-Book

Das Buch kreist um die verschiedenen Aspekte von schwulen Paarbeziehungen. Die Paarbeziehung wird einsortiert in das weite Feld menschlicher Beziehungen. Es wird gefragt, ob es vielleicht Unterschiede zwischen Männerpaaren und Paaren von Mann und Frau gibt. Die Bilder, Erwartungen, Hoffnungen und Wertmaßstäbe, die in unserer Gesellschaft mit Paarbeziehungen verbunden sind, werden herausgearbeitet. Eine breite Auseinandersetzung mit der Liebe als dem einzig akzeptierten inneren Grund für Paarbeziehungen, findet statt. Schließlich wird gefragt, was die "eingetragene Lebenspartnerschaft" und neuerdings die "Ehe für alle" für schwule Männer bedeutet und dass ausgerechnet in dieser Entwicklung ein emanzipatorischer Schritt gesehen wird. Schließlich wird als Konsequenz aus den bisherigen Überlegungen der Versuch unternommen, Möglichkeiten einer Liebe jenseits von Paarbeziehungen zu finden.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum24. Nov. 2017
ISBN9783742765116
Liebe jenseits von Paarbeziehungen: Beziehungen aus schwuler Perspektive

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    Buchvorschau

    Liebe jenseits von Paarbeziehungen - frieder hentzelt

    0. Einstiegsüberlegungen

    Wenn man bei dem Internethändler Amazon in der Kategorie Bücher das Stichwort Beziehung eingibt, erhält man eine Liste von deutlich mehr als 100 Titeln. Je nach Situation, in der man sich gerade befindet, kann man gute Ratschläge dafür bekommen, wie man einen Partner für das Leben finden kann. Wenn man den schon hat, dann kann man 100 Regeln für eine gute Beziehung erhalten. Steht diese aber in Gefahr, so gibt es ein Buch mit 50 Fragen, die eine Beziehung retten können. Ein weiteres Buch in dieser Reihe erscheint mehr als überflüssig. Es dürfte sich kaum etwas finden, das nicht schon irgendwo aufgeschrieben worden ist. Hinweise darauf, wie es mit einer Beziehung richtig zu machen ist und wie man sie möglichst optimal führen kann, sind also in diesem Text nicht zu erwarten. Solche Verallgemeinerungen erscheinen nicht einmal möglich. Was für das eine Paar richtig ist,könnte für das andere völlig falsch sein und umgekehrt.

    Es fällt auf, wie automatisch an eine ganz bestimmte Form von Beziehungen gedacht wird, wenn ganz allgemein von Beziehungen die Rede ist. Es macht den Eindruck, als ginge es bei dieser Form um etwas ganz Eigenständiges, das etwas ganz anderes ist, als alle sonstigen Beziehungen. Diese besondere und herausgehobene Form wird im Weiteren als Paarbeziehung bezeichnet werden. Das Nachdenken über Beziehungen würde unangemessen verkürzt werden, wenn man diese Herausstellung der Paarbeziehung unbesehen mitmachte. Um dieser Gefahr nicht zu erliegen, soll sie immer als ein Teil des weiten Feldes menschlicher Beziehungen verstanden werden, als eine Beziehungsform unter vielen.

    Dennoch ist es unmöglich über Beziehungen nachzudenken ohne die besondere Stellung, die der Paarbeziehung beigemessen wird, ernst zu nehmen und zu versuchen, es zu verstehen. Warum geschieht es und wie wirkt es sich aus, wenn es geschieht? Dass diese Herausstellung durchaus problematisch ist, wird immer wieder deutlich werden.

    Die schwule Perspektive wird aus unterschiedlichen Gründen eingenommen. Der erste dieser Gründe ist ganz persönlicher Natur. Es ist der Weg, wie ich selber lebe und die schwule Perspektive erspart es mir, über Dinge zu schreiben, die ich nur vom Hörensagen her kenne. Hinzu kommen 25 Jahre Erfahrungen aus der Arbeit in verschiedenen schwulen Beratungsstellen. Hier waren Beziehungen das eindeutig häufigste Thema. Durch das, was mir Klienten aus ihrem Leben berichteten, konnte ich vieles kennenlernen, das über meine persönlichen Erlebnisse hinausging. Ob und inwiefern Beziehungen in einem schwulen Leben etwas anderes bedeuten, als das im Leben nicht schwuler Männer der Fall ist, kann an dieser Stelle offenbleiben. Die Hoffnung aber, dass sich im Nachdenken über Beziehungen im schwulen Leben das eine oder andere zeigt, das in der gegenwärtigen Umbruchsituation auf dem Gebiet der Beziehungen auch für Heterosexuelle ein hilfreicher Beitrag sein kann, sei aber schon einmal angesprochen.

    Beziehungen

    Wir begegnen einander. Das erscheint so selbstverständlich wie banal. Dabei ist das menschliche Aufeinandertreffen ein hochkomplexes und letztlich sogar fragiles Geschehen. Manch einer sagt sogar in Anlehnung an den lateinischen Dichter Plautus Homo homini Lupus - der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Das ist sicherlich übertrieben. Von einer grundsätzlichen Feindschaft der Menschen untereinander kann man nicht ausgehen. Aber menschliche Begegnung ist immer auch potenziell gefährlich.

    Zu unseren frühesten Lernerfahrungen gehört es daher, die Regeln für Begegnungen zu erkunden. Wie wird das Gegenüber angesprochen, welche Rituale von Begrüßung und Abschied sind angemessen? Was darf gefragt, über welche Themen kann gesprochen werden? Was kann voneinander erwartet werden? All das und noch viel mehr ist kulturell geregelt und muss erlernt werden. Ohne solche Gestaltungsregeln wäre das Zusammenleben wahrscheinlich kaum möglich.

    Eine gute und wertvolle Begegnung besteht aber nicht nur daraus, dass diese Regeln befolgt werden. Interessant wird es dann, wenn die Grenzen dessen, was erlaubt ist und erwartet werden kann, ausgereizt oder vielleicht sogar ausgedehnt werden. Hier zeigt sich, dass neben dem Erlernen der kulturellen Regeln für Begegnungen noch eine zweite Fähigkeit entwickelt werden muss, nämlich ein Gespür für das Gegenüber und für das jeweils ganz eigene Gefälle eines Zusammenseins.

    Damit sind auch die zwei Seiten markiert, die immer berührt werden, wenn irgendeine Form des Zusammenseins von Menschen betrachtet wird. Es geht um kulturelle Vorgaben, Bewertungen und Rahmensetzungen. Zugleich werden ganz subjektive Ziele, Wünsche und Persönlichkeitsstrukturen Einzelner angesprochen. Zwischen den Menschen, die einander begegnen, entsteht eine Beziehung; sei es beim Einkaufen die Beziehung zu dem Menschen an der Kasse, sei es bei Sexualkontakten in einem Darkroom zu dem Partner gemeinsamer Lust, sei es bei einem tiefen und bewegenden Gespräch zu dem Gesprächspartner.

    Die Beziehungen, die hier entstehen, können allein auf der funktionalen Ebene liegen, wie im Beispiel von Verkäufer und Kunde. Sie können aber auch auf einem Interesse gründen, das ein Anderer als Person auslöst, wie im Beispiel des Sexual- oder dem des Gesprächspartners. Manche dieser Beziehungen sind einzig für den Augenblick wichtig um danach in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Immer wieder werden aber aus diesen abgeschlossenen Punkten von Begegnungen auch Linien, haben diese Beziehungen eine Bedeutung, die über den Augenblick hinausweist. Sie wirken fort und bilden einen neuen Rahmen für zukünftige Begegnungen. So entstehen andauernden Beziehungen, und sie sind es, die zu einem gewichtigen Teil das ausmachen, was wir sind. Andere Menschen gehören zu uns, unsere Geschichte ist nicht erzählbar ohne zu sagen, was sie in der Vergangenheit für uns bedeutet haben, welche Rolle sie in der Gegenwart für uns spielen und was wir künftig von ihnen erwarten, befürchten oder erhoffen.

    Ein altgriechisches Sprichwort, das vielleicht auf Sokrates zurückgeht, lautet: „Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist. Damit wird zum Ausdruck gebracht, von welcher Bedeutung das Netz von Mitmenschen ist, in dem sich jeder befindet und vorfindet. Allerdings wäre es eine deutliche Verkürzung, wenn man nur die freundschaftlichen Beziehungen im Auge hätte. Man könnte auch sagen: „Zeige mir deine Feinde oder „Zeige mir deine Kollegen und ich sage dir, wer du bist." Alle, mit denen wir in einer Beziehung stehen, machen einen wesentlichen Teil dessen aus, was wir sind.

    Daneben steht noch ein anderer Aspekt. Eine wesentliche Voraussetzung für das Gefühl, mit dem Leben einigermaßen zufrieden zu sein, ist die Zufriedenheit mit den Beziehungen, in denen man steht. Das gilt in gleicher Weise für die Beziehung zu Kolleginnen und Kollegen wie für die zu Freundinnen und Freunden. Grundlage und Motivation der jeweiligen Beziehungen ist mit Blick auf ihre Bedeutung für die Lebenszufriedenheit nicht entscheidend.

    So wichtig und wesentlich für das Lebensgefühl Beziehungen im hier skizzierten Sinne auch sein mögen, so wenig scheinen sie doch mit dem zu tun zu haben, worum die eingangs erwähnten Bücher kreisen. Wer würde nach Ratschlägen dafür suchen, Freunde, Bekannte oder Kollegen zu finden? Die Kategorie „glücklich" erscheint auch nicht nahe liegend, um eine solche Beziehung zu beschreiben, wenn sie sich positiv gestaltet. Erst recht scheinen diese Beziehungen nichts zu sein, das gerettet werden könnte, sollte oder müsste. Es muss also eine Art von Beziehungen zwischen Menschen geben, der im Allgemeinen eine solche Bedeutung zugemessen wird. Bevor sich auch dieser Text mit dieser besonderen menschlichen Beziehung auseinandersetzt, soll noch einmal betont werden, dass es nur eine von vielen Beziehungsformen auf dem weiten Feld der menschlichen Beziehungen ist.

    Paarbeziehungen

    Diese spezielle Form wird im Folgenden „Paarbeziehung" genannt werden. Damit ist zunächst nichts anderes gesagt, als dass eine solche Beziehung zwei Personen umfasst. Das Wesentliche ist damit aber noch nicht getroffen. Für eine Paarbeziehung ist es entscheidend, dass exakt zwei Personen diese Form von Beziehung miteinander führen. Alle anderen sind ausgeschlossen. Eine Paarbeziehung kennzeichnet, dass sie exklusiv ist. Dementsprechend gehören zu jeder Paarbeziehung ihre Exklusivitätskriterien, Dinge, die nach Meinung der Beteiligten nur innerhalb der Beziehung geschehen dürfen.

    Dabei sind diese Exklusivitätskriterien in den seltensten Fällen nur individuell. Sie gehören vielmehr zu einem gesellschaftlich anerkannten Ensemble von gemeinsam gestalteten Erlebnissen, die als notwendiger und exklusiver Bestandteil von Paarbeziehungen angesehen werden. Hier ist etwa an den Geschlechtsverkehr oder besondere Formen der Zärtlichkeit zu denken. Möglich ist aber auch, dass es bestimmte Themen gibt, über die man nur innerhalb der Beziehung spricht. Letztlich geht es immer darum, irgendwie zum Ausdruck zu bringen, dass es innerhalb der Beziehung eine Liebe gibt, die mit Menschen außerhalb der Beziehung undenkbar ist. Nur ist die höchste oder auch nur die einzigartige Liebe etwas sehr Abstraktes, weshalb es eindeutige, praktische Zeichen dafür braucht, ob sie gegeben ist oder auch nicht.

    Ein Zweites, das neben ihrer Exklusivität Paarbeziehungen aus dem Feld der verschiedenen Beziehungen heraushebt, ist das hohe Maß, in dem es allgemein verbreitete und weitgehend verbindliche Vorstellungen davon gibt, wie das Leben in einer solchen Beziehung aussieht.. Normalerweise entwickeln sich Beziehungen zwischen Menschen entlang der momentanen konkreten Bedürfnisse, Vorstellungen und Möglichkeiten der Beteiligten.

    Anders ist das bei der Paarbeziehung. Hier existiert schon ein mehr oder weniger präzises Bild davon, wie die Beziehung auszusehen hat, noch bevor überhaupt ein potentieller Partner aufgetaucht ist. Und in der Phase des Kennenlernens verdrängt leicht die Frage, ob man dem richtigen Menschen für eine Paarbeziehung begegnet ist, die Frage danach, wie eine angemessene und richtige Beziehung zu dem betreffenden Menschen aussehen müsste. Die verinnerlichten Maßstäbe und Bilder können eine mindestens so hohe Bedeutung erlangen, wie die Erfahrungen und Erlebnisse, die man in der Begegnung mit dem Gegenüber sammelt.

    Aus den klaren Vorstellungen davon, was eine Paarbeziehung ausmacht und wie sie auszusehen hat, folgt auch, dass man in den meisten Fällen einen klaren Anfangspunkt und gegebenenfalls auch einen Endpunkt dieser Beziehungen angeben kann. Für andere Beziehungsformen, eine Freundschaft etwa, gilt das meistens nicht. Sie entwickeln sich in nicht benennbaren Schritten, vertiefen sich und werden intensiver oder sie werden lockerer und oberflächlicher, aber nichts stellt etwas dar, dass man als Anfang oder Ende einer Freundschaft ansehen könnte. Ganz anders sieht das in einer Paarbeziehung aus. Hier können die meisten angeben, wann und womit sie angefangen hat. Häufig werden sogar Jahrestage gefeiert, die an den Beginn der Paarbeziehung erinnern. Diese können sogar neben Hochzeits- und Verlobungstagen stehen. Noch eindeutiger lassen sich meistens Trennungen datieren. Auch wenn ihnen im Normalfall eine längere Geschichte vorausgeht, so ist doch die Trennung selbst ein punktuelles Ereignis. Im Gegensatz zu anderen Beziehungen, wo es immer verschiedene Formen und auch ein Mehr-oder-weniger gibt, gilt für die Paarbeziehung, dass es sie nur ganz oder gar nicht gibt.

    Dass überhaupt von der Paarbeziehung als einer eigenständigen Größe gesprochen werden kann, ist alles andere als selbstverständlich. Noch vor einigen Jahrzehnten hätte man in diesem Zusammenhang unmittelbar an die Ehe gedacht. Eine Nähe zweier Menschen ohne Trauschein war, wenn überhaupt, nur für eine kurze Zeit möglich. Wenn sie längere Zeit anhielt, dann sprach man von einer „wilden Ehe", was einen massiv negativen Anstrich hatte. Mittlerweile ist die Bedeutung der Eheschließung deutlich zurückgegangen. Für die meisten Menschen, die heiraten, ändert sich nichts in ihrem alltäglichen Umgang miteinander.

    Zunächst war es unüblich, schon vor der Hochzeit eine gemeinsame Wohnung zu haben, sozusagen um vorher schon probiert zu haben, ob man zusammen wohnen kann. Inzwischen hat das gemeinsame Wohnen mit einer Hochzeit nur noch wenig zu tun. Ähnlich sieht es mit dem Geschlechtsverkehr aus. Das Bild, und die Vorstellungen von der Ehe sind mehr oder weniger auf die Paarbeziehung übertragen worden. Je mehr sich die Idee durchgesetzt hat, es sei letztlich egal, ob Menschen unterschiedlichen oder desselben Geschlechts einander begehren, desto mehr wird davon ausgegangen, dass auch für Schwule das Modell der Paarbeziehung verbindlichen Charakter hat.

    Diese wenigen Bemerkungen mögen ausreichen, um den Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen sichtbar zu machen. Manches wird noch vertieft und genauer erklärt werden, manches wird in seiner Unklarheit noch deutlicher herausgestellt werden. Wie das weitere Nachdenken strukturiert sein wird und in welche Richtung es geht, ist Inhalt des nächsten Abschnitts.

    Was auf den nächsten Seiten zu erwarten ist

    Wahrscheinlich würde niemand, der sich mit dem Thema beschäftigt, behaupten, alle Aspekte zu bedenken, die mit Blick auf schwule Beziehungen wichtig sein könnten; es muss immer eine Auswahl getroffen werden, die niemals bis zum Letzten begründet werden kann. So erhebt auch der folgende Text keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird so manches unberührt lassen, was dem

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