Dass ich mich nicht ärgere
Von Heinrich Lhotzky
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Buchvorschau
Dass ich mich nicht ärgere - Heinrich Lhotzky
DASS ICH MICH
NICHT ÄRGERE
HEINRICH LOTZKY
Ursprüngliche Veröffentlichung: Haus Lotzky Verlag, Ludwigshafen am Bodensee, 1913
Bearbeitung und Titelgestaltung: Julia Evers, Ratingen, 2015
Und überhaupt....
Das Ärgerbuch ist ein schlimmes Buch. Es ist auch kein Wunder. Es richtet sich nicht an den freundlichen, sondern an den unfreundlichen Leser. Und wenn dieser am unfreundlichsten gestimmt ist, dann sagt er: Und überhaupt ...
Es gibt kleine Widrigkeiten im Leben, auch viele große, die sich gelegentlich zusammenballen und unserer mächtig werden wollen als gewaltige Ärgerriesen. Sie zwingen uns in ein Ärgergefängnis, worin wir oft sehr fest verschlossen sind.
Es hat keine Ausgangstür, die ohne weiteres für uns offen stünde, aber dafür viele Fenster, aus denen wir unsere Umwelt betrachten können. Die Fensterscheiben sind aber so teuflisch eingerichtet, dass alles, was wir sehen, getrübt, verzerrt und schauerlich aussieht.
Das will unser Kerkermeister so. Denn dann wenden wir uns entmutigt ab und sagen: Und überhaupt ... Wir sehen in ein Jammertal, eine Ärgerkluft, ein sonnenloses Dasein, das wie ein Hades aussieht und uns zugrinst: Und überhaupt alles, alles ist ärgerlich und lohnt nicht den Kraftaufwand des Lebens.
Dieser Ärger ist der Generalärger aller Verärgerten. Er ist wie der Generalnenner der Bruchrechnung, der alle Posten verbindet, und dem kleinsten und dem größten ein Ärgerschildchen angehängt hat, dass wir seufzend und stampfend und entmutigt rufen: Und überhaupt ...
Diesen unfreundlichen Lesern soll unser Büchlein freundliches sagen und will sich dem Generalärger und seinen Untergebenen mutig entgegenstellen. Es wird wenig Menschen geben, die seiner nicht bedürfen.
Inhalt
Titel
Und überhaupt...
Die sieben bösen Ärgergeister
Ein Böser vor den Sieben
Der Hausärger
Der Vorgesetztenärger
Der Dienstbotenärger
Der Geschäftsärger
Der Beamtenärger
Der Religionsärger
Der Klatschärger
Zur Naturgeschichte des Ärgers
Körperstimmung und Seelenstimmung
Die Umwelt und die Verärgerung
Die Gesundheit des Ärgers
Ärgerfolgen
Vom Geheimnis des Menschen
Ärgergrade
Heilung Vom Ärger
Zu spät?
Ärgeranfälle
Wider den Ärgerzustand
Reisen
Freunde
Innere Kraft
Die Gedankenkraft
Der neue Weg
Schlusswort
Die sieben bösen Ärgergeister
Ein Böser vor den Sieben
Jemand der’s wissen musste, hat einmal gesagt, es helfe einem Menschen unter Umständen nicht sehr viel, wenn er einen bösen Geist los sei. Der langweile sich dann und sehne sich zurück und sehe seine alte Behausung so gefegt und leer dastehen. Da lüde er sieben noch bösere mit dazu ein, und sie nähmen zusammen dort Wohnung. Auf diese Weise wären’s also acht.
So ist’s auch immer. Ohne Bild gesprochen gibt’s stets einen doppelten Ärger, einen in uns und einen von außen her. Die Kränkungen von außen können aber siebenfältig sein nach unserer Rechnung, die übrigens keinen Anspruch auf vollendete Genauigkeit erhebt. Es lohnt sich nicht, böse Geister zu zählen. Sie können unter Umständen auch als Legionen auftreten.
Aber der Innenärger ist eigentlich der Pförtner, der die von außen einlässt, und wenn er auch einmal ausgetrieben ist, die bösen Sieben gern zur Verstärkung mitbringt. Es gibt Menschen, die sich fortwährend oder wenigstens häufig über sich selbst ärgern.
Das sind sehr unglückliche Menschen, die wirklich etwas Besseres tun könnten. Vielfach sind’s müßige Menschen, die nichts Rechtes zu tun haben. Es sind die Ritter des »Wenn« und des ,,Hätte«, Menschen, die immer an sich selbst herumnörgeln und immer denken, sie hätten doch dies und das anders machen können oder: wenn doch bei der und jener Gelegenheit es so oder so gewesen wäre. Wer über sich selbst klagt, dem kann ja niemand helfen. Aber dieselben Menschen haben noch eine Eigentümlichkeit an sich. Ich sage, es sind nicht nur unglückliche, sondern auch hochmütige Menschen. Wehe dem, der sie angreift und ihnen mit aller Schonung sagt, sie hätten vielleicht doch ... und wenn sie doch ... Dann werden diese Ritter von der traurigen Gestalt außerordentlich unbehaglich und ausfällig. Ihr ganzer Innenärger spritzt dann nach außen, und man wird mit Staunen inne, dass sie nur über sich klagten, um Widerspruch zu finden. Wenn man nicht widerspricht, hat man sie tödlich beleidigt. Sie zeigen sich in Demut und Zerknirschtheit, um ihren Ehrgeiz und Hochmut zu verbergen.
Das törichteste, was wir tun können, ist, dass wir uns über uns selbst ärgern, denn es gibt kaum etwas Zweckloseres. Schon deshalb, weil es weder ein »Wenn« noch ein »Hätte« gibt. Es gibt in der Vergangenheit nur Tatsachen und Wirklichkeiten, aber keine Andersmöglichkeiten. An solchen herumzudenken ist die unfruchtbarste Qual. Namentlich ist eine solche Reue deshalb schädlich, weil sie die Gegenwart trübend beeinflusst und die rechten Überlegungen für das Heute und Morgen hindert.
Es ist schon denkbar, dass jemand alle Ursache hat, sich zu kränken über allerlei Geschehnisse und Versäumnisse, aber durch Selbstärger wird auch kein Härchen an ihnen anders. Nur eines wird. Der Träger dieses Ärgers wird verfinstert, und seine Umgebung muss die düsteren Schatten tragen, obgleich sie nichts so nötig braucht als Licht, Leben und Sonne.
Es gibt nur eine einzige vernünftige Reue. Diese ist ausschließlich Vorwärts gerichtet und heißt: besser machen. Wehe dem Menschen, der in seiner Vergangenheit herumwühlt. Sie wird ihn belasten und wie ein Bleigewicht seine Zukunft hinunterziehen.
Viele kommen sich noch dazu furchtbar fromm vor, wenn sie über ihre Vergangenheit jammern. Und doch gibt’s in Wahrheit nichts Ungöttlicheres. Vor Gott heißt’s: Deine Missetat tilge ich wie eine Wolke, deine Sünde wie den Nebel. Vor Gott hat noch niemals eine Sünde die Macht gehabt, einen Menschen auszuschließen. Alle Bibelhelden waren nichts weniger als Heilige. Man hört nicht, dass einer um seiner Vergangenheit willen in seiner Heilsstellung gekürzt worden sei. Nur die, die heulten und jammerten, blieben in ihrer unfruchtbaren Reue liegen und konnten sich nicht mehr erheben.
Das ist auch gar kein Wunder. Gottes Augen und Absichten gehen auf das Gute, aber das Böse muss verschwinden. Also hast du weder die Pflicht noch das Recht, es immer wieder hervorzuzerren. Lernst du göttlich sehen, so lernst du es übersehen, an dir ebenso wie an andern.
Nur die Religionen tragen nach und wühlen gern in böser Vergangenheit, können auch nicht verzeihen. Das ist das sicherste Kennzeichen dafür, dass sie ungöttlich sind. Sie sind auch die ewig Gestrigen, Gott selbst ist das ewige Heute. Dein Platz ist im Heute, nicht im Gestern.
Aber eines kannst du tun. Alle Fehler und Missgriffe haben ihre schmerzlichen Folgen, die die Gegenwart ärgerlich machen und vergiften können. Diesen Folgen stelle deinen Mann und nimm sie auf dich, soweit sie ins Heute Zutritt haben. Die meisten Menschen haben nur Angst vor den Folgen, nicht vor den Fehlern selbst, suchen die Folgen abzuschütteln und machen dadurch nur neue Fehler.
Das ist falsch. Die Folgen nimm auf dich in ihrer ganzen Härte und lass sie austoben, soweit sie es vermögen. Du selbst aber blicke freudig vorwärts. Es gibt kein böses Erleben, das nicht noch mit viel Glück gepaart wäre. Freue dich an dem Glück, lass das Vergangene vergangen sein und schaue mutig vorwärts. So wirst du am besten dem Heute gerecht.
Wenn du dann noch Zeit hast und sehr lieb sein willst, auch ein besonderes Glück erwerben willst, dann stelle dich auch unter die üblen Folgen deiner nächsten Umgebung. Du machst es deinen Nächsten leichter, wenn du ihre Dummheiten trägst, statt drüber zu schelten oder dich zu ärgern.
Wer sich so stellt, der wird für sein Haus ein Lebensquell und breitet unbewusst Erquickung aus, die rückflutend auch ihm selbst in schweren Tagen zugutekommt. Das ist das eigentliche Naturgeheimnis des Glücks.
Ist dir aber diese Erkenntnis noch zu groß oder zu schwer, so lass diese Wahrheit einstweilen liegen. Es schadet nichts, wenn du erst später dran kommst.
Aber eins tue wenigstens nicht: ärgere dich nicht über dich selbst und nörgle nicht an dir und deiner Vergangenheit herum. Es ist doch nur ein Ausdruck geheimen Hochmuts, ein hässliches Wischen und Aufräumen bei sich selbst. Die Leute werden dich nur auslachen, und aus dem Wesen Gottes bist du mit diesem verärgerten, weinerlichen Wesen ganz herausgetreten.
Begegnet dir aber bei andern ein »Wenn«, so lache ihnen grad ins Gesicht, und wenn sie ein »Hätte« bringen« so sag’ ihnen: das gibt’s nicht, und lache sie solange an, bis sie mit lachen. Sei versichert, die Menschen zum Lachen zu bringen, ist oft ein Gottesdienst, und Mitlachen ist meist viel wichtiger als Mitleiden.
Der Hausärger
Wenn der Hausärger vollständig ist, so ist er dreistrahlig. Im ersten Strahl sitzt der