War Jesus schwul?: 100 unerschrockene Fragen und Antworten zu Bibel, Kirche und Religionen
Von Reinhard Rolla
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Über dieses E-Book
Mit diesem Buch bietet Reinhard Rolla 100 Anregungen, sich mit der Bibel und der Kirche kritisch auseinanderzusetzen. Wer auf der Suche nach einem zeitgemäßen Glauben ist, wird hier Impulse für seinen Weg finden. Die 100 kurzen Texte belehren nicht und offenbaren keine endgültigen Wahrheiten. Sie zeigen aber Wege auf, führen ins jesuanische Denken ein, bestärken und stellen gleichfalls in Frage. Ein herausforderndes Buch für Anfänger und Profis gleichermaßen.
Reinhard Rolla
Reinhard Rolla hat sich ein Leben lang als Pfarrer durch die biblischen Texte "gefressen" wie der Regenwurm durch die Erde. Am Ende hat er die meisten dieser Texte für "wertvoll, aber museumsreif" befunden und sich "Jesuaner" genannt. Dies als Abgrenzung zu denen, die sich "Christen" nennen, aber von Jesu "Vision von der Menschwerdung des Menschen" weit entfernt sind. Seine Erkenntnisse veröffentlicht er jeden Sonntagabend auf der Seite seiner Facebookgruppe "Bibel, Kirche(n), Religion(en) kritisch beleuchtet". Nun liegen seine Texte erstmals gesammelt als Buch vor.
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Buchvorschau
War Jesus schwul? - Reinhard Rolla
1 WURDE JESUS BESTOHLEN?
Man hat Jesus bestohlen. Man hat ihm den Vater gestohlen. Die Evangelisten Matthäus und Lukas beziehungsweise deren Quellen haben seine „Zeugung durch den Heiligen Geist und also „ohne Zutun eines Mannes
propagiert, die zum Glaubensgut geworden ist. Man hat ihm seine leiblichen Brüder und Schwestern gestohlen. Die „ewige Jungfräulichkeit Marias wurde sehr früh schon zur „Glaubenswahrheit
. Also durfte Maria nach ihm keine Kinder haben. Seine in den Evangelien namentlich erwähnten Brüder wurden zu Cousins gemacht, von einigen Quellen auch zu Kindern des Josef aus dessen erster Ehe.
Dass aus Jesu Kindheit bis auf eine einzige Ausnahme nichts bekannt ist, verwundert nicht: Bis er sich als Erwachsener hat taufen lassen, war er völlig unbekannt. Und auch nachher noch war an ihm zunächst nichts Auffälliges: „Der Sohn von Maria, der Sohn des Zimmermanns, der Sohn Josefs, so wird er in den vier Evangelien genannt. Und man hat auf seine Herkunft bezogen sogar spöttisch eine Redensart zitiert: „Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?
Als er dann bekannter geworden war, haben ihn die einen verehrt und andere haben ihn abgelehnt und sogar verfolgt. Er sei vor allem zu den „Menschen im Abseits" gegangen, hat man von ihm berichtet. Zu den Kranken, den Ausgestoßenen, den Außenseitern, den Schwachen und Verachteten.
Als er schon längst gestorben war, hat man Geburtsgeschichten von ihm erdichtet. Zwei davon sind in unserem Neuen Testament enthalten, jene des Lukas und jene des Matthäus. Beide Verfasser haben ihre je eigene Botschaft darin verarbeitet, ihre Sicht von ihm, ihre Interpretation seines Kommens.
Die Tradition hat beide Geschichten vermischt und zwar so, dass beide ihre wichtigsten Aussagen eingebüßt haben. Mit der Folge, dass eine ziemlich rührselige Version entstanden ist, die wunderbar vermarktet werden konnte und immer noch vermarktet wird. Mit dem Ergebnis, dass wenige Tage nach dem Fest seiner Geburt die Krippenfiguren in Seidenpapier verpackt werden und bis zum nächsten Weihnachtsfest in der Versenkung verschwinden. Und mit ihnen die Weihnachtsbotschaft:
„Friede auf Erden den Menschen, die Gott liebhat!"
So singen in der Version des Lukas die Engel auf dem Feld den Hirten. Weitgehend verlorengegangen ist, dass diese Botschaft revolutionär und für die damals Herrschenden sogar subversiv war. Denn dass die „Menschen im Dunkeln, der Abschaum der Gesellschaft – die Hirten – als „von Gott geliebt
bezeichnet wurden, war ungeheuerlich. Wie überhaupt die neue Botschaft ungeheuerlich war, dass es bei Gott keine „Verlorenen gibt, keine „Aussortierten
.
Dass Jesus sich als Erwachsener genau zu diesen gesellt hat, das ließ viele seiner Volksgenossen zu seinen Gegnern werden. Und die so genannten Christen haben sehr schnell die „alten Ordnungen wiederhergestellt und neue Klassen geschaffen: Hier die „Heiligen
– die Priester und Bischöfe, sogar der „Heilige Vater" – und dort das Volk, die Sündigen, die Unwürdigen und die Auszumerzenden.
Von Jesu Liebesbotschaft ist nicht viel übriggeblieben. Mit „Liebe" kann man eben nicht gut herrschen. Und herrschen wollten und wollen viele – bis zum heutigen Tag.
2 WAR JESUS DER MESSIAS?
Wer Jesus an den traditionellen Messias-Vorstellungen mass, musste sich an seinem menschlichen und sanftmütigen Auftreten stören. Denn der Messias der Juden würde „in der Macht des Herrn" kommen, die Besatzungstruppen aus dem Land werfen und Zion zum Mittelpunkt des jüdischen Glaubens und Volkes machen.
Jesus hat dem traditionellen Messiasbild nicht entsprochen, hat im Gegenteil immer stärker von Liebe und Friedfertigkeit gepredigt, von Verzeihen und Sanftmütigkeit. Das „Himmelreich, von dem er träumte, sollte nicht ein jenseitiges sein, aber auch kein mit Waffen erkämpftes und verteidigtes Staatsgebilde. Also auch kein „Gottesstaat
, wie ihn gewisse Religionen und „Religiöse" bis zum heutigen Tag mit Gewalt errichten wollen.
Jesus war ein Prophet. Einer, der laut dachte, der seine Träume, seine Ängste und Hoffnungen nach außen kehrte und in den Dienst von Visionen stellte. Visionen, die keine Tagträume und keine Luftschlösser waren, sondern auf Hoffnungen beruhten – und auf einer großen Wertschätzung der dem Menschen innewohnenden Kräfte. Jesus traute den Seinen viel zu. Er traute ihnen sogar etwas Unerhörtes zu: „Ihr könnt vollkommen werden, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!"
Was hat man aus dieser großartigen Einschätzung gemacht, als er nicht mehr da war!
Als aus dem von Hass gegen Jesu Anhänger besessenen und sie unerbittlich verfolgenden Saulus ein ebenso besessener „Paulus geworden war, ein selbst ernannter „Apostel von Jesu Gnaden
, hat der sich des Lebens Jesu bemächtigt und vor allem seines Sterbens. Er hat die Hilf- und Ratlosigkeit der Jünger nach Jesu Tod aufgegriffen und ihr seine Deutung gegenübergestellt: Jesu Leiden und Sterben war für Paulus nicht unverständlich und sinnlos, sondern eine Erlösungstat, d i e Erlösungstat nach dem Sündenfall der ersten beiden Menschen im Paradies. Es war die Versöhnung mit Gott und eine Versicherung der Aufnahme in den Himmel, sofern man dieser Botschaft glaubte und sich taufen ließ.
„Für unsere Sünden gestorben! Das wurde zur bestimmenden Heilsbotschaft, zum Evangelium, welches vor allem durch den unermüdlichen Einsatz des Paulus höchstpersönlich die damalige Welt eroberte. Dass das zu einem wesentlichen Teil nicht Jesu Botschaft war, das spielte keine Rolle. Man hatte etwas, an das man sich halten und klammern konnte. Dass die Christen genau genommen „Pauliner
sind, ist den allermeisten nicht bewusst. Jesu Botschaft, vor allem sein Leiden und Sterben als seine letzte Predigt in der langen Reihe seines prophetischen Redens und Handelns, wurde nicht verstanden und deswegen auch nicht verkündigt. Das aber hat die Kirche sehr schnell in eine Richtung gelenkt, die alles andere als gut und in seinem Sinn war.
Man hat ihn seiner Botschaft beraubt. – Und entsprechend sieht die Welt nach zweitausend Jahren Christentum aus! Seine Botschaft war der „Aufruf zur Menschwerdung des Menschen, zum Lieben und Dienen und zum Kampf gegen alle negativen Aspekte der Triebhaftigkeit, die wir Menschen unserer animalischen Herkunft „verdanken
. Jesu Botschaft in seiner Passion war der Aufruf, all das Entsetzliche inskünftig zu verhindern, dass er sich am Ende an Leid und Erniedrigung durch die Mächtigen hat auferlegen und antun lassen. Ein letztes Aufbäumen dagegen, dass aus unschuldigen Kindern brutale Folterknechte gemacht und Bäume zu Kreuzen missgestaltet werden. „Ihr könnt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!" Das war Jesu Vision, das war sein Vermächtnis, sein Appell und Auftrag. Und das hat man ihm gestohlen.
3 WAS SIND „ECHTE" JESUSWORTE?
Man hat Jesus schon sehr bald nach seinem Tod Worte in den Mund gelegt, die er so nicht gesagt haben kann: Sein „Gebet im Garten Gethsemane" ist für mich ein solcher untergeschobenen Text. Laut den Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas hat er einen Steinwurf weg von den drei Jüngern gebetet, die er von den Zwölfen ausgewählt und tiefer in den Garten mit hineingenommen hatte. Sie also konnten nicht hören, was er gebetet hat. Außerdem waren sie schon kurze Zeit später, als Jesus nochmal kurz zu ihnen zurückgekehrt ist, tief eingeschlafen und er musste sie wecken, damit sie mit ihm wachen würden. Als dann Judas und die Soldaten der Tempelwache kamen, um Jesus gefangen zu nehmen, war keine Zeit, zu erzählen, was er gebetet hatte. Es kam zu einem Handgemenge, in dem einer der Zwölf – war es wirklich Petrus? – ein Kurzschwert zog und einem Mann ein Ohr abhieb. Jesus habe es angeheilt und dafür gesorgt, dass die Jünger unbehelligt blieben. Dann ließ er sich widerstandslos abführen, und alle Jünger flohen in die Nacht. Niemand konnte also wissen, was er gebetet hat.
Irgendjemand hat später das „Gebet erfunden und in es hineingelegt, was er sich so gedacht beziehungsweise Jesus nachempfunden hat. Dann hat das Ganze eine Eigendynamik entwickelt und Zusätze erhalten. So dass nun – auf die drei synoptischen Evangelien Markus, Matthäus und Lukas verteilt – Jesus sogar Blut geschwitzt und Gott gebeten haben soll, der „Kelch
möge an ihm vorübergehen. Dann aber habe er doch noch gesagt; „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe." Und Engel seien gekommen, um ihm zu dienen.
Schon möglich, dass er doch noch Angst bekommen hat bei der Vorstellung, was ihm nun alles widerfahren würde im „Mechanismus der Macht". Obwohl er sich doch freiwillig und bewusst dort hineinbegeben wollte, um seine letzte Predigt zu halten, sein Vermächtnis an die Seinen.
Dafür ein Gebet zu erfinden – das mochte in der damaligen Zeit noch angehen. Aber spätestens seit der Aufklärung und der historisch-kritischen Bibelarbeit hätte man die Erfindung offenlegen müssen. Und es wieder offenlassen, was Jesus in dieser letzten Stunde gedacht hast.
Aber „Tradition hat eine große Macht. Textveränderungen und Fälschungen können angesichts der weitverbreiteten religiösen Lethargie nahezu unmöglich ans Licht gebracht werden. Und lieb gewordene Text-Montagen wie die Vermischung der beiden Geburtsgeschichten von Matthäus und Lukas sind sogar bei vielen zeitgenössischen Pfarrerinnen und Pfarrern so tief verankert, dass sie sich gegen jede „Aufklärung
sträuben. Und das, obwohl die „Geschenke der Weisen aus dem Morgenland" aus der Matthäusversion die Armut und Niedrigkeit des Stalles in der Lukasversion mehr als nur stören. Und kaum jemand die ursprünglichen kraftvollen bis subversiven Aussagen beider Erzählungen mehr kennt und das Jahr hindurch bei sich fruchtbar werden lassen kann.
Man hat nicht nur Jesus bestohlen. Auch unbekannte Autoren sowohl des Alten als auch des Neuen Testamentes sind Opfer solcher Diebstähle geworden. Besonders schlimm ist, dass kaum ein Theologe die Menschen über diese Diebstähle und ihre schlimmen Folgen aufklärt. Wobei die schlimmste Folge sicher ist, dass sowohl die Bibel als auch die Kirchen mehr und mehr ins Abseits geraten. Obwohl sie noch so viel Potential hätten.
Im Grunde ginge es jetzt darum, so gut man kann aufzuklären, aufzudecken und vor allem Jesu Botschaft in ihrer ursprünglichen Form und Kraft zu verkündigen.
4 GEBOREN VON EINER JUNGFRAU?
Im Markus- und im Johannesevangelium ist nicht von einer Jungfrau die Rede. Und auch nicht von einer biologisch-geistlichen „Gottessohnschaft Jesu. Jesus wird dort mehrfach „Sohn des Josef, des Zimmermanns aus Nazareth
genannt, was fast ein wenig geringschätzig war. Ob tatsächlich Josef der biologische Vater Jesu war, kann nur vermutet werden. Längst hat sich hingegen die „Jungfrauengeburt durchgesetzt, obwohl in dem zugrundeliegenden Prophetentext nur von einer „jungen Frau
die Rede ist, die „schwanger ist und ein Kind gebiert – in längst vergangen Zeiten. Bei den Verfassern des Matthäus- und des Lukasevangeliums ist Maria eine „Jungfrau
, die dem Josef anvertraut beziehungsweise mit ihm verlobt ist. Beide Evangelisten betonen, dass Gott selbst – durch die Kraft des Heiligen Geistes – der Vater des Kindes ist, das Maria gebären wird. (Später und in gewissen Kreisen bis zum heutigen Tag wird man sogar an die „ewige Jungfrauschaft" der Maria glauben und sie propagieren).
Die „Jungfrauengeburt war damals weit verbreitet: Hervorgegangen aus Verbindungen von Göttern mit Menschenfrauen, wie sie auch in der uralten Erzählung von der Sintflut berichtet werden. Dort zeugen „Gottessöhne
mit Menschenfrauen die „Riesen der Urzeit. Im Grund sind auch die beiden „Jungfrauengeburten
des Matthäus und des Lukas solche Erzählungen. Aber den jüdischen Gott konnte man sich natürlich nicht als „Zeugenden vorstellen, und so kam der „heilige Geist
ins Spiel beziehungsweise die „Kraft des Höchsten, welche die junge Maria „überschatten
würde.
Interessant ist, dass im Lukasevangelium alles, was mit der Schwangerschaft und der Geburt zusammenhängt, allein über Maria abläuft, während Josef nur als der dient, der „aus dem Hause und Geschlecht Davids ist. Und das deswegen, weil der Messias ein „Davidide
sein muss. Der Engel kommt leibhaftig zu Maria und kündigt ihr die Schwangerschaft an. Sie gibt ihre Einwilligung und gilt seither ihrer Anhängerschaft als Vorbild im Glaubensgehorsam.
Im Matthäusevangelium hingegen ist Maria völlig stumm und nur passiv vorhanden. Alles läuft über Josef, in dessen Haus in Bethlehem sie wohnt. Es beginnt damit, dass Josef ihre Schwangerschaft bemerkt, das Schlimmste annimmt und sie deswegen bei Nacht und Nebel zu ihren Eltern zurückschicken will. Er will ihr und sich die Schande einer vorehelichen Geburt ersparen. Erst jetzt erscheint ein Engel dem Josef „im Traum und sagt ihm, das Kind sei „vom heiligen Geist
. Bei allem, was danach geschieht, erscheint jeweils der Engel dem Josef im Traum und sagt ihm, was er tun soll: Maria heiraten, dem Kind den Namen „Emanuel geben, mit seiner jungen Familie nach Ägypten fliehen, weil Herodes das Kind töten will und nach einer – uns unbekannten – Zeit wieder in die Heimat zurückkehren, weil Herodes gestorben ist. Selbstverständlich will er in sein Haus in Bethlehem zurückkehren. Aber aus Angst vor dem jetzt dort herrschenden Herodes-Sohn wandert er „in eine Stadt mit Namen Nazareth
aus.
Bei Lukas wohnt Josef in Nazareth und muss mit Maria, seiner Frau auf Befehl des Kaisers in Rom nach Bethlehem reisen, um sich dort in eine Steuerliste eintragen zu lassen. Nach der Geburt* bleiben sie noch vierzig Tage in Bethlehem, um nach dem alten Mose-Gesetz ihren Buben im Tempel Gott symbolisch zu „opfern". Dann kehren sie nach Nazareth zurück.
Deutlich ist, dass beide Geburtsgeschichten nicht zusammenpassen. Dass es zwei völlig verschiedene „Geburtsgeschichten" gibt, die von der Tradition zusammengefügt worden sind. Davon – und dass sie dabei ihre je eigene Botschaft weitgehend verloren haben, soll dann ein anderes Mal die Rede sein.
5 WIE WAR DAS MIT DER FAMILIE JESU?
Von der Kindheit Jesu berichtet nur das Lukasevangelium in der Erzählung „Der zwölfjährige Jesus im Tempel: Seine Familie sei mit ihm – wohl in einer größeren Gruppe – zum Passafest nach Jerusalem gereist. Als seine Sippe nach dem Passafest wieder nach Nazareth zurückkehrt, ist Jesus unbemerkt in Jerusalem im Tempel zurückgeblieben. Auf den Vorwurf seiner Mutter reagiert er recht verständnislos: „Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?
Dann aber ist er doch mit nach Nazareth zurückgegangen und ein braves und unauffälliges Kind gewesen.
Als er dann mit dreißig auf seinem „Weg ist, da ist von Familie nichts mehr zu spüren. Einmal sollen „deine Mutter und deine Brüder
zwar versucht haben, ihn nach Hause zu holen. Wahrscheinlich weil sie sich seiner schämten. Oder vielleicht, weil sie Angst um ihn hatten. Aber er habe sich vehement und deutlich von ihnen distanziert: „Die mit mir sind, das sind meine Mutter und meine Schwestern und Brüder! – Es werden also Brüder und Schwestern erwähnt, die allerdings nach der Lehre von der „ewigen Jungfrauschaft Marias
zu Cousinen und Cousins gemacht wurden beziehungsweise zu „Kindern Josefs aus einer ersten Ehe. Josef selber verschwindet bei Matthäus nach der Geburtsgeschichte und bei Lukas nach der „Reise nach Jerusalem
sang- und klanglos. (Bei Markus und Johannes kommt er überhaupt nicht vor!)
Der Evangelist Johannes erzählt als einziger die Episode „Das Weinwunder von Kana: Dort findet eine, wohl mehrere Tage dauernde, Hochzeit statt, bei der Jesu Mutter anwesend ist. Auch Jesus und seine Jünger sind eingeladen. Irgendwann ist der Wein ausgegangen. Johannes lässt Jesus seine Mutter recht grob anfahren, als sie ihn darauf anspricht. Vielleicht bittet sie ihn ja indirekt, den ausgegangenen Weinvorrat – durch ein Wunder vielleicht – zu ergänzen. Jesus reagiert äußerst schroff: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen
soll er zornig ausgerufen haben. Am Ende verwandelt er dann aber doch „Wasser in Wein" und rettet so die Ehre der Hochzeitsfamilie.
Laut den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas war Jesu Mutter während der ganzen Zeit seines Weges nicht bei ihm. Auch nicht beim Kreuz. Der Evangelist Johannes lässt sie als einziger – zusammen mit dem „Jünger, den Jesus lieb hatte – unter dem Kreuz stehen. Jesus fügt beide als „Mutter und Sohn
zusammen. Eine rührende und zu Herzen gehende Geschichte, aber doch wohl eher ein „Märchen", als eine historische Tatsache.
Wenn Lukas in seiner Apostelgeschichte Jesu Mutter nach der „Himmelfahrt zusammen mit seinen Brüdern „bei den Jüngern
sein lässt, dann mag das historisch stimmen. Aber das wäre eben doch eine sehr, sehr „nachträgliche" Sache. Zu nachträglich, um die spätere Ehrung und Verheiligung seiner Mutter und auch Josefs zu rechtfertigen.
Diesbezüglich wird übrigens gesagt, diese Ehrung der Maria – bis hin zur „Himmelskönigin" – sei den Christen zu verdanken, die damals aus anderen Religionen dazugekommen waren und die ihre alten Muttergottheiten schmerzlich vermissten.
Jesus ist letztendlich vater- und mutterlos seinen Weg gegangen. Stattdessen hat er den herrischen und unnahbar strengen jüdischen Gott vom Sockel geholt und zum „Vater" gemacht. Für sich und für alle, die ihm folgten.
6 „MARIÄ UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS" – WAS IST DAS?
Ein katholischer Feiertag, der jeweils am 8. Dezember begangen wird und in der Schweiz den Menschen in mehrheitlich katholischen Kantonen einen freien Tag beschert. Gefeiert wird der Akt, mit dem Maria seinerzeit von ihren Eltern gezeugt beziehungsweise von ihrer Mutter empfangen wurde.
Und das wird gefeiert?! Nicht „das, sondern ein Wunder: „Die unbefleckte Empfängnis
! Was ist das?
Paulus, selbst ernannter „Apostel Jesu" lehrte: Gott hat im Paradies die beiden ersten Menschen verflucht, weil sie ungehorsam waren. Für alle Zeiten sogar! Und dieser Fluch beziehungsweise die Erbsünde wird seither durch die Zeugung an jeden Menschen weitergegeben. Jesu Sühnetod am Kreuz reinigt aber nun all jene Menschen, die an ihn glauben und sich taufen lassen.
Nun aber war der Glaube entstanden, dass Maria durch den „Heiligen Geist schwanger geworden und Jesus „Gottes Sohn
war. Und genau hier war das Problem: Maria war vor Jesu Erlösungstat gezeugt worden und war also logischer Weise wie alle Menschen mit der „Erbsünde befleckt. Konnte aber Gott seinen „heiligen Samen
in eine durch die Erbsünde befleckte Frau geben? Undenkbar!
In den „Geburtsgeschichten der Evangelisten Matthäus und Lukas steht nichts darüber. Sie wussten offensichtlich nichts von einer „Erbsünde
. Aber das Problem bestand! Also musste die Regel herhalten, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. – Und so entstand die „Mär von der „unbefleckten Empfängnis
der Maria. Die besagt: Gott hat durch ein Wunder bewirkt, dass sein Fluch, also die „Erbsünde, bei der Zeugung der Maria nicht an sie weitergegeben wurde. Maria war für die Gläubigen also „die reine Magd
, wie sie in alten Weihnachtsliedern besungen wird.
Aus der „Mär" wurde mehr und mehr eine Glaubenswahrheit, ein Dogma, das bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat. Und das vielen Menschen am 8. Dezember einen freien Tag beschert.
Die „Verkündigung Mariä", also die Geschichte mit dem Erzengel, der Maria die besondere Schwangerschaft verkündet, wird fristgemäß am 24. März begangen.
7 WEM GALT DIE „BOTSCHAFT DER ENGEL"?
„Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden (bei) den Menschen seines Wohlgefallens."
Das genau lässt der Evangelist Lukas in seiner Geburtsgeschichte die Engel den „Hirten auf dem Feld verkünden, welche die Schafe ihrer Herrschaften hüteten. Nicht weit entfernt von dem Dörflein Bethlehem, wo Jesus geboren und in eine Futterkrippe gelegt worden war. In der Tradition wurde daraus „…und den Mensch ein Wohlgefallen
. Kein großer Unterschied? Von wegen! Ein entscheidender Unterschied, der allerdings noch so gerne vergessen wurde! Die Botschaft der Engel galt den Hirten und mit ihnen allen „Menschen im Dunkeln, im Abseits. Sie ist eine Zusage, ein Versprechen oder sogar eine Kampfansage: „Kampf gegen die Ungerechtigkeiten
dieser Welt. Kampf gegen die Armut, gegen die Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen, die nicht dazugehören dürfen. Die draußen bleiben sollen, am liebsten weit weg – im Dunkeln. Dort wo man sie nicht sieht.
Genau das waren damals die „Hirten des Lukas. Sie hüteten keineswegs „ihre
Schafe, sondern die Schafe derer, die sie – für einen Hungerlohn – angeheuert hatten. Sie hatten überhaupt nichts außer dem, was sie auf dem Leib trugen. Und das war abgerissen genug. Und dreckig – auch im übertragenen Sinn. Sie waren so ziemlich das Letzte, was man werden kann. Sie waren pauschalverdächtig als potentielle Räuber und Mörder. Man traute ihnen alles Schlimme zu. Sie waren ausgegrenzt – ihre Welt war dunkel, niemand mochte sie. Irgendwie sind sie vergleichbar mit den „Sozialhilfebezüger/innen und den „Asylant/innen
unserer Zeit, die ebenso pauschal als „Schädlinge" und Schmarotzer diffamiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Genau da hinein zielt das „Weihnachts-Märchen des Lukas. Jawohl, es ist ein Märchen, also eine Art Bildergeschichte. Eine Geschichte mit einer deutlichen „Mär
, also einer „Botschaft". Einer Botschaft, die zuvor schon Jesus radikal und konsequent mit dem Einsatz seines Lebens verkündet und verwirklicht hatte:
Wo es um das „Himmelreich mitten unter euch" geht, kann und darf es keine Menschen im Dunkel geben und also kein Ausgrenzen, kein Verachten und kein Diffamieren. Nur Solidarität und Achthaben aufeinander. Eben die weiteste und anspruchsvollste Form von Lieben.
Fazit: „Weihnachten ist nicht dort, wo die Lichterketten am hellsten leuchten, weder die öffentlichen noch die privaten. Sondern dort, wo man daran ist, „Frieden für alle
zu schaffen.
8 GAB ES DEN „KINDERMORD VON BETHLEHEM"?
Er ist ein Höhepunkt in der Geburtsgeschichte Jesu, die der Evangelist Matthäus der Nachwelt hinterlassen hat.
König Herodes hatte laut Matthäus die „Weisen aus